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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990617028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-17
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Reclamen unter dem Redaction-strich (4 ge spalten) SO^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. Juni. Der Reichstag hat gestern u. A. in erster Beratbunz über das HaudclSabkommc» mit England verhandelt. Nach der Vorlage soll der Bundesrath bekanntlich ermächtigt werden, den Angehörigen und den Erzeugnissen des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, sowie den An gehörigen und den Erzeugnissen britischer Colonien und aus wärtiger Besitzungen bis aus Weiteres diejenigen Vortheile einzuräumen, die seitens des Reichs den Angehörigen oder den Erzeugnissen des meistbegünstigten Landes zu gewähren. AlS dieser Gesetzentwurf vor geraumer Zeit bekannt wurde, hob die „Nationallib. Corr." als seinen Vorzug hervor, daß er nicht wie das frühere, das nunmehr ablaufende Provisorium begründende Gesetz die Vollmacht für den BundeSrath befriste, sondern bis auf Weiteres erthcile. Diese Auffassung war nicht die der nationalliberalen Partei, sondern die jenige des Grafen PosadowSky. Wie die Conservativen und die NeichSpartei, haben gestern auch die nationalliberalen Redner die Erneuerung der bisherigen Dauer von einem Jahre als die Grenze des möglichen Entgegenkommens be zeichnet. Daö Centrum meint und sagt in seiner Presse nichts Andere-, und bis tief in die Reihen des Freisinns hinein, wenn auch nicht vorzugsweise des parlamentarischen Freisinns, denkt man überaus — vorsichtig in Bezug aus daö, was ven dem britischen Colonialreiche uns handelspolitisch bevor stehen kann. Die gestrige Verhandlung war im Uebrigen durch ein zweites Moment gekennzeichnet. Einmal durch die bei den Schutzzöllnern aller Schattirungen hervortretende Wcrthschätzung eines guten handelspolitischen Verhältnisses zu England. Die schlecht motivirte abweichende Stellung nahme des nichts hinter sich habenden Herrn vr. Rösicke diente nur dazu, diese Einmüthigkcit noch schärfer hervortreteu zu lassen. Der beredteste Wortführer war Graf Kanitz, und das will etwas besagen. Das zweite bedeutsame Moment war der volle Sieg oder die Anerkennung des schon früher errungenen vollen Sieges des Doppel gedankens, daß ein autonomer CompensationStarif mit hoben Sätzen das handelspolitische Bedürfniß der Zeit ist und daß die Meistbegünstigung im Allgemeinen aufhören muß, als Blümchen Rührmichnichtan zu gellen. Gras Posad owsky scheint cS verstanden zu haben. Auch er ist „ein Freund eines autonomen Tarifes mit ziemlich hohen Sätzen". Da das Schema seines für den Herbst angekündigten Tarifes ohne Zollsätze erscheinen soll, so kann und wird dem Manne im wirthschaftlichcn Ausschüsse des Reichstages geholfen werden. Die gestern im preußischen Abgeordnetenbause durch eine Interpellation der Abgg. Roeren und Hitze berbei- gesührte Debatte über die Besteuerung -er Waarcnhänser hat diese Frage nickt im Mindesten geklärt. Das geht besonders deutlich aus den Ausführungen des Finanz- Ministers I)r. Miquel hervor. Er widersprach zunächst dem Interpellanten darin, daß in der preußischen Thron rede ein Gesetz der in Rede stehenden Art für die laufende Tagung bestimmt angekündigt worden sei, vielmehr habe die Thronrede nur der Hoffnung Ausdruck geliehen, es werde dieses gesetzgeberische Werk bis zur Vorlage eines Entwurfs der laufenden Tagung gefördert werden können. Zur Sache selbst bemerkte der Minister, die ihrer Lösung harrende Aufgabe gehöre zu den schwierigsten Problemen. DaS Bedürfniß sei in den verschiedenen Gemeinden verschieden und doch sei mit einer einzigen Ausnahme bisher keine preußische Gemeinde trotz An regung der Staatsrezierung auf Grund des Communalabgaben- gesetzes mit einer Sonderbesteuerung der großen Waarenhäuser vorgegangen. Bei dieser Sachlage habe die StaatSregierung in Würdigung deS Umstandes, daß die preußische Gewerbe steuergesetzgebung bezüglich der in Rede stehenden Kategorie von Geschäften eine Lücke aufweise, die Notbwendigkeit staat lichen Eingreifens anerkannt. Die Umsatzsteuer angehend, so sei eine solche in Bayern zwar eingesübrt, aber in ihren Wirkungen noch unerprobt. Auch füge sich eine Umsatzsteuer ungleich leichter in die bayerische als in die preußische Gewerbe steuer ein. So kautschukartige Bestimmungen, wie in Bayern, würden für Preußen unbrauchbar sein, auch für die Rechtsprechung deS Oberverwaltungsgerichts keine geeignete Grundlage bieten. Die Umsatzsteuer sei zudem eine außer ordentlich rohe Besteuerungsform. Als besondere, von der StaatSregierung ausgestellte Kriterien nannte er bei den großen Waarenhäusern die Mehrheit der Branchen, die Größe des LocalS und die Zahl des beschäftigten Personals. Die Gewerbesteuer sei in Preußen eine kommunale Steuer» es sei daher auch die geplante Sonderbesteuerung der großen Waarenhäuser als kommunale Steuer gedacht, und zwar der Art, daß sich zunächst die Gemeinden schlüssig zu macken haben würden, diese Steuer an derHand der mitgetheiltenKriterien ein- zusühren. Nur wenn dieses nickt der Fall sein sollte, würde die gesetzlicheRegelungPlatz greifen. DieHandclskammerkritiken seien für ein positives Ergebniß wenig fruchtbar, eher könne man das schon von den aus den Kleinhandelskreisen verlautbarten Kritiken sagen. Diese gipfelten in dem Wunsche nach Einführung einer Umsatzsteuer, wogegen aber ins Gewicht falle, daß die ganze preußische Steuergesetzgebung auf dem Grundsätze gerechter und gleicher Vertheilung derLasten nach der Leistungsfähigkeit beruhe und daß sociale und wirthschaftliche Ziele nicht dircct im Wege der Gesetzgebung erreicht werden sollen, sonder sich nur als indirekte Segnungen einer an sich gerechten Steuergesetz gebung erweisen. Unter diesem Gesichtspunkte empfehle es sich, nicht zu weit von dem System progressiver Gestaltung der Gewerbesteuer abzuweichen. Bei den großen Schwierig keiten der Materie seien natürlich auch in der Staats regierung selber mehrfache Meinungsverschiedenheiten hervor getreten, indessen bebalte das Staatöministerium die Sache unverwandt und fest im Auge und hoffe in der nächsten Session dem Landtage einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen zu können. Auch die Redner auö dem Hause trugen nicht viel zur Klärung der Frage bei. Abgeordneter HauSmann vertrat allen schablonisirenden Vorschlägen gegenüber den Standpunkt, daß auf dem Wege der Besteuerung — dann aber nicht nur der Waarenhäuser, sondern auch der Consum-, Beamtcnvcreine und Genossen schaften — den kleinen Detaillisten Schutz gewährt werten könne, jedoch nur durch freie Einschätzung und individuell je nach Ort und Lage der Verhältnisse. Abg. v. Brock hausen sprach sich trotz der Darlegungen des Ministers v. Miquel wieder für die Umsatzsteuer, welche die Negie rung ablehnt, in Verbindung mit der Branchensteuer, welche von den Handelskammern abgelehnt worden ist, aus, vergaß auch neben den Waarenbäusern die Consumvercine nicht, wohl aber die Ofsiciers-, Beamtenvereine und großen Genossenschaften. Abg. Goth ein stellte sich im Ganzen auf den Standpunkt des Abg. HauSmann, worauf Minister v. Miquel, obschon er vorher für den Beginn der nächsten Session den Entwurf in Aussicht gestellt, meinte, eS sei wohl das Richtigste, die Communen zum Vorgehen innerhalb einer bestimmten Frist zu veranlassen. Das Eine wurde im Ver lauf der Besprechung der Interpellation jedenfalls klar: daß die Unklarheit nach wie vor groß ist uud nicht minder die Verlegenheit der preußischen Regierung, einen gangbaren Weg zu finden. Die Mittheilungen französischer Blätter über die aus Nizza gemeldete Verhaftung des italienische» „Spions" General Giletta sind voller Widersprüche. Zuerst hieß eS, der General habe selbst zugestanden» im Auftrage seiner Regierung Spionage getrieben zu haben. Diese durchaus unglaubwürdige LeSart ist sogar durch den officiösen Telegraphen verbreitet worden. Dann wurde behauptet, der General habe zwar gestanden, wolle jedoch nur aus eigenem Antriebe gebandelt haben. Auch diese Dar stellung erschien wenig stichhaltig, da festgestellt ist, daß der General unmittelbar vor seinem angeblichen Spionage- auSfluae dem Unterpräfecten einen Besuch abgestattet habe. Eine solche Unvorsichtigkeit, sich zunächst gewissermaßen als Spion bei dem obersten Verwaltungsbeamten an Ort und Stelle zu melden, ist Wohl gleichfalls ausgeschlossen. Nunmehr heißt es deshalb, der General habe nur eine Spionagemission vom Jahre 1889 eingestanden, und dieses Vergehen sei verjährt. Mit Recht bemerkt das Blatt „L'Esercito", daß die Nachrichten der französischen Presse mit Vorsicht ausgenommen werden müssen. Der italienische Minister des Auswärtigen ViSconti-Venosta betonte denn auch in der Teputirtenkammer aus Anlaß einer Interpellation, daß die italienische Regierung der Angelegenheit durchaus fern stehe. In diesem Falle muß wieder mit der Leichtgläubigkeit französischer Commissare und der Presse gerechnet werden, die überall Spione wittern. Am Unbefangensten beurtheill in Frankreich der „Figaro" den Fall, der sich von seinem römischen Correspondenten unter Anderem telegrapbiren läßt: „Officiere und ofsiciöse Persönlichkeiten, die ich befragt, er- theilten mir die Antwort, daß General Giletta aus Nizza stamme und sich dort auf regelmäßigen Urlaub befände. Sie bezeichneten es als unmöglich, daß man bei ihm compro- mittirende Papiere gefunden, da er keine Mission erhalten habe. Wenn er zufällig, fügt man hinzu, wie kaum anzu nehmen sei, sich amüsirt haben sollte, Pläne zu zeichnen, so wäre dies auf seine eigene Rechnung geschehen oder in Folge eines Uebereisers, der von ihm nicht verlangt worden ist". Selbst nach den Angaben der französischen Blätter er scheint der Verdacht der Spionage schwerlich begründet, da schwer ersichtlich ist, wie diese verübt werden soll, wenn Jemand sich auf den aller Welt zugänglichen Straßen bewegt; mögen diese immerhin als strategisch wichtig bezeichnet Werden. Daß General Giletta sich in befestigte Plätze ein geschlichen oder Festungswerke gezeichnet habe, ist bisher nirgends behauptet worden. Wohl aber darf auf den Uebereifer der französischen Specialcommissare hingewiesen werden, deren Aufgabe es ist, die Grenze zu überwachen. Im Falle des italienischen Generals bandelt es sich überdies nur um den Gehilfen eines Specialcommissars, und diese Beamten be trachten es als ihre hauptsächliche Aufgabe, im Interesse der eigenen Carriöre so viele Spione wie nur möglich zu entdecken. Der Londoner „Manchester Guardian" schreibt: ES ist angekündigt worden, daß der Köniz von Portugal in Kurzem Englanv besuchen wird, um der Königin für den neulichen Besuch des Canalgeschwaders in Lissabon zu danken. Dieses sei ein ungewöhnliches Verfahren, aber Folgendes sei die Erklärung: Man wird sich erinnern, daß die Delagoabai-Frage seit einigen Jahren das Schiedsgericht beschäftigt, Lessen Entscheidung übrigens für nächsten October angekündigt ist. Es verlautet nun, der deutsche Gesandte in Lissabon habe die Erledigung beschleunigen wollen und um seinen Argumenten mehr Gewicht zu geben, habe er erwähnt, ein deutsches Geschwader werde binnen Kurzem nach Lissabon kommen. Ob dies wirklich eine ernste Drohung war oder nur eine scharfe diplomatische Wendung, wird nicht berichtet. Das Resultat muß aber für den Gesandten überraschend gewesen sein, denn auf einen Wink des Hofes telegraphirte Sir Hugh Mac Donnell, der englische Gesandte in Lissabon, prompt an den Commandanten des Canal-Geschwaders, und ersuchte ihn, auf der Rückfahrt nach England Lissabon anzulaufen. Das Gesuch wurde bereitwillig erfüllt, und bei An kunft Les deutschen Geschwaders war ein starkes britisches Geschwader da, um die Schiffe des deutschen Kaisers zu begrüßen. Da Lissabon nicht auf der Liste der vom Canalgeschwadcr zu be- suchenden Häfen ursprünglich stand, ist es wohl denkbar, daß der König von Portugal gern in Person für den Besuch danken möchte. Selbstverständlich hat man es hier wieder mit einem jener engliscken Hetzmanöver zu tbun, durch welche Deutsckland als der Störenfried an allen Ecken und Enden hingestcllt werden soll. Für Deutschland hat die Delagoaangelcgenheit nicht die hervorragende Bedeutung, daß eS die Zeit nicht erwarten könnte und sozar zu einer „Flottendemonstration" vcrschreiten müßte. Der nächstinteressirte Thcil ist England und cS wacht deshalb eifersüchtig darüber, daß in Lissabon keine andre Macht seine Cirkel stört und ihm in die Nolle des besten Freundes der Portugiesen hineinpfuscht, die eS seit einiger Zeit spielt, um mit der Delagoa-Angelegenheit zum Ziele zu gelangen, d. h. sie seinem südafrikanischen Besitz anzngliedern. Deshalb kam England dem Besuch des deutschen Geschwaders mit der eiligen Entsendung eines britischen zuvor. Mancherlei Anzeichen sprechen dafür, daß das englische LiebeS- Werben nicht völlig umsonst gewesen ist. Wie unS aus Lissabon berichtet wird, erließ die konservative Oppositionspartei eine Kundgebung, in welcher sie er klärt , sie werde sich an den parlamentarischen Verhand lungen nicht eher wieder betheiligen, als bis die Negierung das Land über ihre augenblickliche auswärtige Politik und über die von ihr fremden Mächten gegenüber cingegangencn Verpslicktungen aufgeklärt habe. Der Führer der conser vativen Partei, Hintze Nibeiro, unternimmt mit mehreren Parteifreunden einen Ausflug nach den Azoren-Insel», um sich durch den Augenschein zu vergewissern, welche Vor bereitungen dort für die angeblich bevorstehende Einrich tung einer britischen Flotten st ation getroffen seien. Daß wegen der Delagoabai Abmachungen zwischen Portugal und England Vorlagen, wie in englischen Blättern gerücht weise verlautet, ist dem „Hamb. Corr." zufolge unrichtig. Derartige Meldungen sind auf interessirte City-Kreise zurück zuführen. Man schreibt uns aus Konstantinopel: Die türkische» Blätter „Servet" und „Maliumat" veröffentlichen, augen scheinlich in höherem Auftrage, sehr gereizte Be sprechungen über den Gang der Haager (konseren;, deren bisheriges Ergebniß in gar keinem Verhältnis; zu den angekündigten Zwecken der Zusammenkunft stehe. Die Hohe Pforte habe dem Sultan die Beschickung der Conferenz in der Erwartung empfohlen, daß dieselbe zum Mindesten einen mäßigen den Einfluß auf die friedenstörenden Elemente auSüben würde. Davon sei jedoch nicht das Geringste zu spüren; im Gegen- theil zeigten sich die in Haag versammelten Vertreter mancher Feurlletsn. Die Schwiegertochter. 3) Novelle von Hedda v. Schmid. Nachdruck »erboten. Die beiden Herren tauschten einen Händedruck aus. „Nein, kein Fremder", wiederholte Günther, „und ich hoffe, daß Ihnen unser Haus bald auch nur annähernd so lieb wird, wie es dasjenige Ihrer Eltern einst meiner Frau gewesen." „Unser Haus", dachte Benita, „haben wir denn eins? Das Haus meiner Mutter hätte Günther sagen sollen." Sie, Benita, war ja nicht in der Lage, ihren Gästen einen Teller Suppe anzu bieten. Speciell ihr geltende Besuche hatte sie, außer einigen kurzen Damenvisiten, nie empfangen. Der Bekanntenkreis ihrer Schwiegermutter war auch der ihre und der ihres Mannes; Frau Jutta lud ein und präsidirte bei jedem Empfang, Benita hielt fick dann bescheiden im Hintergründe; es kostete ihr eigentlich auch keine Ueberwindung, besonders auf den großen Damen kaffees spielte sie gern eine stumme Rolle. Mit ihren früheren Colleginr.en und Collegen vom Theater hatte sie in nur ober flächlichen Beziehungen gestanden; sie hatte mit Allem brechen müssen, als sie Günther's Frau geworden. Jetzt, wo Wolfgang, der Gespiele ihrer Kinderjahre, vor ihr fleht, wünscht sie jedoch inniger denn je, «in eigenes, wenn auch noch so bescheidenes Heim zu besitzen. Ein Paar scharfe dunkle Augen hatten di« kleine Wieder- sehensscene zwischen Benita und Wolfgang intereffirt beobachtet, diejenigen Frau Eugenie'S. D«r Zufall fügte es, daß in diesem Augenblick ihr Mann mit einer Frage in Betreff der Tischordnung auf sie zutrat. -I", ja, gewiß, Eonsul Angmann führt die Generalin", er widerte sie zerstreut, „aber sag' doch, Horst, dieser Amurreisende, dieser, wie heißt er doch gleich? — Doctor Sturm, den Du mir heute zugeführt, wie kommt «s, daß er sich eben mit Deinem Ideal Benita so herzlich begrüßt, mit so überaus warmem Blick, so —" „So, wie Zwei, welche eine alte Kindrrfreundschaft verbindet, einander zu begrüßen pflegen", versetzte Horst, sein« Frau fest onblickend. „Ach", lachte diese leis« auf, „man kennt das; diese alten Freundschaften von Schauspielerinnen und Sängerinnen, denen wird dann nachher vor den Augen der Welt das bequeme Deck mäntelchen „einer gemeinsam verbrachten Kindheit" umgehängt. Man kennt das, mein Freund." „Eugenie", sagte Horst Benken fast drohend, „Eugenie, hüte Deine Zunge." Aber die junge Frau vernahm seine Worte nicht mehr, sie war weiter geeilt, ihren Pflichten als liebenswürdigste oller Gastgeberinnen zu genügen, keinen ihrer Gäste übersehend, für Jeden ein verbindliches Lächeln, eine zuvorkommende Phrase in Bereitschaft habend. Auch mit Wolfgang plauderte sie im Laufe des Abends etwa zehn Minuten. „Sic haben heut« eine Jugendfreundin wiedergesunden, Herr Doctor? Sie kennen die Frau meines Vetters bereits lange?" fragte sie ihn unter Anderem. „Ja, gnädige Frau." „Benita ist ein reizendes Geschöpf." Wolfgang schaute die elegante Frau fest an. Jnstinctiv em pfand er, daß in dem Ton, in welchem Eugenie ihr Lob äußerte, etwas lag, das wie mühsam unterdrückte Feindseligkeit gegen Benita klang. . „Sie ist mehr wie reizend, sie ist das reinste, goldtreueste Wesen, das ich kenne", erwiderte er mit Nachdruck. „Jo, man kann Günther nur zu seiner Wahl gratuliren", warf Eugenie leicht hin. „Wie?" Sie wollen sich schon verab schieden, Herr Doctor? So früh — das wird eigentlich bei uns nicht geduldet. Doch, Sie sind gewiß noch reisemüde, das ent schuldigt Sie. Mein Mann sagte mir, daß Sie die Absicht hätten, sich dauernd in unserem R. niederzulaffen, da hoffen wir, Sie öfter bei uns zu sehen." „Zu gütig, gnädige Frau." . Wolfgang verbeugte sich dankend, und nachdem er sich mit obligatem Handkuß von Eugenie verabschiedet, suchte er Benita auf, um auch ihr Lebewohl zu sagen. Auch ihre Hand berührte er mit seinen Lippen, aber hier war eS nicht nur konventionelle Höflichkeit, sondern ehrerbietige Huldigung, wclche er der liebreizenden Frau, seiner einstigen Ge spielin, zollte. „Auf morgen, Wolfgang, Du kommst bestimmt, ich werde den ganzen Vormittag für Dich zu Hause sein", sagte sie mit ihrem sonnigen Lächeln, welcher die Grübchen auf ihren Wangen, die ihn stets entzückt, hervorzauberten. „Auf morgen, Benita", entgegnete er, drückte dem herzu tretenden Günther die Hand und war nach wenigen Minuten auf der Straße. „Kleine, liebe Benita", murmelte er, „sie scheint wirklich glück lich geworden zu sein. Oh, wandelbare Frauenherzen!" fügte er im Selbstgespräch lächelnd hinzu; „ich entsinne mich noch so deut lich des jubelnden Briefes, den sie mir nach ihrem ersten Bühnen erfolge geschrieben. Damals athmete Alles nur Kunstenthusias mus, aus jeder Zeile glühte mir Begeisterung entgegen. Und uyn, kommt die Kunst erst in zweiter Linie bei dieser kleinen Frau. Aber, Gottlob, daß «dem so ist, sonst könnte sie ihrem Manne, ihrem Kinde nicht Alles sein, und sie, obwohl künstlerisch hoch begabt, gehört dennoch nicht zu Denen, welche die Dornen krone des Genies tragen, sonst hätte sie sich nicht so leichten Kaufes losringen können von dem einst so begeistert ergriffenen Beruf." Sinnend schritt Wolfgang dem Hotel de Rome, in dem er ab gestiegen, zu. Das Wiedersehen mit der Kindheitsgefährtin hatte tausend halbvergessene Erinnerungen in ihm wachgerufen. Viertes Eapitel. Der Tag, welcher dem Empfangsabend bei Lenkens folgte, war ein Dienstag. Frau Jutta, welche stets pünctlich um acht Ahr sich erhob, pflegte den Kaffee mit ihrem Manne im 1öto-L-t5le ernzunehmen. — Günther ward durch den Diener ein reichbesetztes Kaffee brett nach oben gesandt. Diese erste Frühstücksstunde mit Benita allein zu verbringen, hatte Günther sich ausbedungen. Rosig und frisch wie immer saß die junge Frau ihm auch heute gegenüber. Man merkte ihr nicht an, daß sie erst spät von der Benken'schen Soiree heimge lehrt und nur wenige Stunden Schlaf genossen; ihre Augen blickten trotzdem heiter und strahlend. -„Du glaubst nicht, Günther, wie sehr es mich gefreut hat, den alten, guten Wolf wiedergesehen zu haben. Ich bin seinen Eltern so unendlich viel Dank schuldig, wie Du weißt, und er selbst war stets so lieb und gut wie ein Bruder gegen mich. Aber", fügt« sie zögernd hinzu, „meinst Du, daß es Mama recht sein wird, wenn er auch drunten seinen Besuch macht, und ob sie ihn auffordern wird, wiederzukommen?" „Ich zweifle nicht daran; Wolfgang Sturm macht einen ge diegenen Eindruck, hat vorzügliche Manieren — worauf Mama viel giebt — und ist aus gut achtbarer Familie." „Gewiß, sein Vater war Stadthaupt von W. und lebt jetzt als Rentier dort", sagte Benita; „seine gute Mutter — Tante Marianne, wie ich sie nennen durfte, ist ja leider seit Jahren todt. Bis kurz vor ihrem Tode correspondirte ich mit ihr, auch hin und wieder mit Wolfgang; doch als ich Dich kennen lernte, mein Günther, und dann bald darauf Deine Frau wurde, da er öffnete sich mir an Deiner Seite, in Deiner Liebe, eine qanz neue Welt, und Vieles, was mich bis zu dem Zeitpunkt lebhaft interessirte, ward mir mehr oder weniger gleichgiltig. Es ist eigentlich recht schlecht, daß wir Menschen meist so egoistisch wer den im Vollgefühl des reinsten Glückes, und dann, gleich Ein tagsfliegen, fast nur der Gegenwart leben." Als Günther von seiner Frau Abschied nahm, um sich in das in -der Altstadt belegen« Comptoir der Firma Grooßfeld zu be geben. flog Benita, sich seinem Arm entziehend, in das Neben zimmer gn ihren kleinen eleganten Schreibtisch uns lehrte gleich darauf mit einem Couvert in der Hand zurück. „Hier meine Absage, das Concert betreffend, Du läßt sie wohl an Frau v. Elsroth's Adresse befördern. Ich habe mich mit Hals- und Brustschmerz, dem Beginn eines Bronchialkatarrhs, entschuldigt — eine fromme, gesellschaftliche Lüge, Dir zu Liebe, Günther, denn ich konnte doch nicht schreiben, daß . . ." Sie erröthete und brach ab — „Daß meine Mutter so entschieden gegen Deine Mitwirkung ist", ergänzt« er, „nein, mein Liebling, das konntest Du aller dings nicht, das hieße, meine Mutter gewissermaßen bloßstellcn." Auf Günther's Stirn zeigte sich wieder die tiefe Unmuthsfalic, er athmete einige Male schwer auf, wie um einen Druck von seiner Brust zu verscheuchen, dann küßte er Benita heftig mit verdoppelter Zärtlichkeit und ging. Benita hatte nun den ganzen Vormittag zu ihrer Verfügung, den größten Theil desselben pflegte sie Friedel zu widmen. Der kleine Mann ward auch alsbald von der Wärterin, einer gutmüthig, aber stupid aussehenden Person, in das Boudoir seiner Mama gebracht und watschelte, in seinem kurzen Flanell kleidchen allerliebst auksehend, auf letztere zu, die ihn zärtlich in ihre Arme schloß. Nun entwickelte sich ein wunderhübsches Bild: die schlanke Frau im blaßrothen Morgenkleide kniete auf den Teppich neben dem weißgekleideten Kinde nieder, die Wärterin trug einen Korb mit allerhand Spielzeug herbei, und Mutter und Sohn waren bald ganz in das Aufstellen einer stattlichen Lämmerheerde ver tieft. Als der Kleine sich müde gespielt, war es Zeit für Benita, ihre Toilette zu wechseln — Wolfgang würde doch präcise zu Beginn der Visitenstunde erscheinen. Es war Benita lieb, daß sie heute ihre Schwiegermutter stundenlang in der Volksküche beschäftigt wußte, — Frau Jutta gehörte zu den Damen, welche dort ckbwechselnd das Werk der Wohlthätigkeit im Dienste ihrer Ncbenmenschen übten; — so konnte die junge Frau ganz ungestört mit dem alten lieben Freunde ein Stündchen verplaudern. In Erwartung Wolfgang'» setzte sich Benita in die mit Blatt«
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