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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189906187
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990618
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990618
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-18
- Monat1899-06
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1899
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Vezug-'Pstt- t» d« Hauptqpedttio« oder de» t« Stabt- beztrk md de» Bororten errichtete» Aus« gavestellrn abgeholt: vierteljährlich ^l-ckiO, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» KLO. Durch die Post bezogen für Dentjchland und Oesterreich: vterwüäbrltch >l 6.—. Direkt» täglich« Arenzbandseuduug ins Ausland: monatlich 7ckÄ. Die Morgen^lutgabe erscheint »m '/,7 Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentag« um S Uhr, Ue-acliou »«d Erpe-itio«: Aohanntsgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« annnterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto Klemm'« Eortim. (Alfred Hatz«), ÜniversitLtsstraße S (Paulimun), Louis Asche, Katharinenstr. 14, Part, rmd König-Platz 7. MxzMr.TagMM Anzeiger. ÄtNksklatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rgttzes «n- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. ^°3V5. i Sonntag den 18. Juni 1899. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich («ge spalten) LOH, vor den Jamiliennachrichten (6 gespalten) 40 H. Größere Schriften laut unserem Prei»> verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbefürderung 60.—, mit Postbefürderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag« 4Uhn Bei den Filialen und Annahmestellen je eine Halde Stund« früher. Rureigeu sind stets an die Expedition zn Druck »nd Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Aus -er Wyche. Die Berliner Regierung läßt halbamtlich versichern, daß sie bei den bevorstehenden Beratbunge« des ArbeitSschuygesetze« im Reichstage über ihren „Ernst" keinen Zweifel entstehen lassen werde. Ist e- schon an sich sonderbar, daß man etwa-, was ersten» selbstverständlich sein sollte und zweiten» nur durch sein Erscheinen Eindruck hervorbringen kann, vorher ankündigt, so raubt, wie wir fürchten, die Haltung, die von der Regierung in der Canal« frage am Donnerstag eingenommen wurde, solcher „Ernst"- Ansage jede einschüchternde Wirkung. Es ist rüdem die erste Lesung, die bevorsteht. Bi» zur dritten, also bi- ungefähr Mai 1900, kann sich, wie e» bei der Umsturzvorlage gewesen, da» Interesse an dieser Action verflüchtigt haben. Aus genommen natürlich, wa- den Zuchthausparagraphen betrifft. Aber dieser, mag man über ihn wie immer denken, ist nicht geeignet, eine Stütze für die Vorlage abzugeben. Im Gegen- theil, sein Verschwinden würde dem Entwürfe sehr zu Statten kommen. Der Reichstag soll sich auch «och mit dem Ankäufe der Karolinen zu befassen haben, einer Angelegenheit, die mög licher Weise in neue Beleuchtung rückt. Eine Meldung, deren Richtigkeit wir nicht zu controllireu vermögen, besagt, daß Spanien weitere Besitzungen zu verkaufen gedenke und an Deutschland noch die hier schon gewürdigte Insel Fernando Po für 100 000 Peseta», dann aber an den Congostaat die Canarischen Inseln für 5 Millionen Peseta» und an Frank reich die Inselgruppe der Balearen für 2 Millionen Pesetas. Dazu bemerkt der colouialfreundliche „Reichsbote": „Wenn diese Nachrichten mit den beigesügten Preisen richtig sind, dann wird der Reichstag doch geradezu gezwungen, Vergleiche an zustellen. Denn wenn wir für die Karolinen und Marianen mit 2000 Quadratkilometern und 45 000 Einwohnern 25 Millionen zahle« solle«, während die Canarischen Inseln mit 7273 Quadratkilometern mit über 300000 Einwohnern und üppigster Fruchtbarkeit für 5 Millionen und die Balearen, zu denen di« nahegelegenen Ptthnsea gehöre«, mit 5014Qnadratkilo- Metern und 311000 Einwohnern für 2 Millionen loSgefchlageu werden, dann sind wir mit unseren Karolinen geprellt und die Canarischen und Balearen-Inseln geradezu verscheukt. Der Reichs tag wird dann erwägen, ob Deutschland einen so hohen Preis für jene verhältnißmäßig werthlosen, weltverlorenen Karolinen- Inselchen zahlen soll, während der Congostaat die an sich viel werthvollerea und wegen ihrer Lag« politisch ungleich wichtigeren Canarischen Inseln für den fünften Theil diese» Preise» erhält, zumal da auch zu befürchten ist, daß der Congostaat die Inseln nicht für sich, sondern für England kauft." Wir sind zu höflich, um un» den Ausdruck „prellen" an zueignen, aber im Uebrigen ist die» Alle» zutreffend, wenn die Meldung über weitere Verkäufe zu solchen günstigen Preisen richtig ist. Dan» dürfte der Reichstag gar nicht mehr erwägen, sondern er müßte rundweg ablehne«, damit Deutschland zu dem Schaden der Uebervortheilung nicht auch noch de« Spott der geschickteren Käufer und der ganzen zwerchfellbesitzenden Welt einheimst. Nun heißt e», die Ber liner Regierung treffe alle möglichen Vorkehrungen, den Reichstag noch vor seiner Vertagung über den Ankauf der Karolinen beschließen zu lassen. Da» wäre also in spätestens drei Tagen. Wir sind wett entfernt, in diesem Eifer eine Bestätigung der Meldung von glücklicheren Geschäften, die Andere mit Spanien gemacht, finde» zu wollen. Aber bei dem heutigen splendiden Regiment ist Viele» möglich und deshalb größte Vorsicht ein Verdienst. Es ist gar nicht ein zusehen, warum die Sache so eilt. Man könnte auch noch im Herbst von den Karolinen Besitz nehmen. Wegnehmen wird sie un» bis dahin Keiner. Die Vertagung solcher Gegen stände ist gerade nicht üblich, aber doch auch nicht unerhört. Spanien würde sein Geld auch noch nach dreiviertel Jahren in Empfang nehmen. Freilich gehörte zu solchem Aufschub ein Reichstag von Muth und Gesinnung. Die feste, männliche Sprache in dem erst jetzt bekannt gewordenen Bescheid unseres Reichstagsabgeordneten an die National-Socialen hat selbst den Specialisten für Ausfindigmachung von Gegnern deS bestehenden ReichStags- wahlrecht» in diesem Falle Schweigen als daS Klügere er scheinen lassen. Eia Satz des Schreiben- an Herrn Professor Gregory läßt jedoch von einem ganz anderen Standpunkt einen Einwand zu. Herr Professor Hasse schreibt: „Heute brauchen wir weniger ManneSmuth vor Königsthronen als vielmehr Festigkeit gegen den Ansturm der Masse." Diese Differenzirung ist seit dem Ende des alten Curses antiquirt. Wir brauchen heute wieder das Eine so nöthig wie das Andere, wenigsten- in Preußen und im Reiche und dort im Amt, im Parlament und in der Presse. Und um so noth- wendiaer, als der autokratische Zuschnitt des Regiments die Abwehrfäbigkeit gegen die andere Gefahr, den Ansturm der Massen, sichtlich eher vermindert, als verstärkt. Er giebt dem Bestehenden zu viele Angriffsflächen, deren Benutzung zwar nicht so leicht erkennbar rst, aber keineswegs unterbleibt. Der sächsischen Regierung sind wegen ihrer Inanspruch nahme des Geldmarktes zu einem für die Darleiher günstigen AuSgabecourse vieler Orten Vorwürfe gemacht, nicht ganz leise auch von der Presse de» preußischen Finanzministers. Auffallend ist, daß auch die extreme agrarische Presse — sogar unter Berufung auf die Börse! — in den Chor der Tadler einstimmt und eS so darstellt, als ob unter den deutschen Staatsgläubigern Besorgniß wegen der Sicherheit ihres Besitzes herrsche. Das ist das offenbare Gegenthril der Wahrheit. DaS Publicum giebt seine Rentenpapiere ab, weil eS die Sicherheit , mißachtet und weil ihm die Reuten zu wenig Zinsen und zu wenig CourSgewinn versprechen. Die sächsische Nachfrage in der Höhe von 80 Millionen spielt neben dieser Haupt- und Grundursache eine ganz untergeord nete Rolle. DaS deutsche Publicum steht in dieser Hin sicht ohne Beispiel da. Auch die Deutsche Bank in Berlin hat ihm kürzlich dieses wenig schmeichelhafte Zeugniß aus gestellt. Sie bezeichnete eS als einen schweren Uebclstand in Bezug auf die Anlagen der deutschen Capitalisten, daß die selben gar zu wenig auf eine angemessene Vertheilung ihrer Anlagen Bedacht nehmen, insbesondere eS sich nicht zum Grundsatz machen, einen Theil ihres Vermögens in jedem Fall in erstclassigen Staat-papieren anzulegeu, daß sie vielmehr dazu hinneigen. Alles auf eine Karte zu setzen, ihr ganzes Vermögen in den jeweiligen Conjuncturpapieren, so setzt in Jndustrieacten, anzulegen. „DaS drückt den Stand unserer Staatspapiere. jederzeit, besonders aber in Zeiten einer ausgeprägten Conjunctur, wie der gegenwärtigen Aera der Industriepapiere, nieder, schädigt damit den StaatScredit, birgt aber auch eine große Gefahr für unsere Capitalisten in sich, die von dem Rückschläge auf eine solche Conjunctur natürlich in dem Maße schwerer getroffen werden, als sie ihr Vermögen in den betreffenden Conjuncturpapieren an gelegt hatten." Die Schädigung des StaatScrediteS scheint unS daS geringste der hier aufgezählten Uebel zu sein, die Gefährdung deS Nationalvermögens und insbesondere einer gesunden Vertheilung de- Nationalvermögens, die in der Miß achtung der Sicherheit deS angelegten Capital- liegt, ist aber eine große öffentliche Angelegenheit. Wenn der Staat durch Ausgabe verhältnißmäßig hoch verzinslicher und einen erheb lichen CourSgewinn in Aussicht stellender Papiere wenigstens einen Tbeil deS Publikums „verlockt", den von dem großen Geldinstitut beklagten Fehler der deutschen Sparer nicht mehr oder nicht mehr in dem bisherigen Umfang zu begehen, so ist das in einer Zeit des spekulativen Taumels wie der jetzigen eine nicht unwillkommene Erscheinung und ein auch finanziell gerechtfertigter Schritt. Denn die künftige Steuer kraft beruht doch zu einem großen Theile auf der heutigen Bildung und Erhaltung emer großen Anzahl mittlerer Ver mögen. Die mittleren Capitalisten sind aber gerade die jenigen, die gern „Alle- auf eine Karte setzen"; die Reichen wissen den Werth der Sicherheit zu schätzen. Im Reichstage dürfte noch eine interessante Wahl- prüfungSsache anfallen. Beider jüngst vollzogenen Nachwahl in Emden haben die Conservativen ein Flugblatt verbreitet, in dem sie ihren Candidaten, den zum Abgeordneten gewählten Grafen zu Inn- und Knyphausen, empfahlen, weil dieser „nölhigenfallS beim Kaiser selbst" die Interessen Les Wahlkreises vertreten würde. AuS diesem Grunde soll, wie es heißt, die Wahl angefochten werden. Für eine Partei, die den Kaiser nicht einmal im Parlamente genannt hören möchte, wird daS eine peinliche Debatte werden. Der erste Lriegshafen der deutschen Marine. Vor 30 Jahren, am 17. Juni 1869, fand in Heppens, einem kleinen oldenburgiscken Küstenorte, in Gegenwart des Königs Wilhelm von Preußen, sowie der Großherzoge von Oldenburg und Mecklenburg-Schwerin die feierliche Ein weihung des ersten KriegShafeus des damaligen Norddeutschen Bundes am Jadebusen statt. Das hierzu nothwendige Terrain war mittels eine- unter dem 20. Juni 1853 zwischen Preußen und Oldenburg abgeschlossenen Vertrage- nebst Nachtrag vom 1. December 1853 von Oldenburg an Preußen übergegangen. Letztgedachter Staat, der einzige, der nach dem Zusammenbruch der deutschen Bundesflotte sich den Kern zu einer eigenen kraftvoll emporblühenden Marine gewahrt hatte, übernahm bereitwillig die Aufgabe, die übrigen deutschen Küstenstaaten in ihren maritimen Interessen nach Möglichkeit zu schützen. Der Inhalt der Urkunde, durch die daS Hafengebiet am Jadebusen auf Preußen überging, sei daher nachstehend mitgetheilt; die Urkunde besagte: „Preußen stellt den oldenburgischen Stehandel unter den Schutz seiner Kriegsmarine und verpflichtet sich, je nach dem Ermessen und dem Anträge Oldenburgs, dessen Küsten gegen feindliche Angriffe von der Wasserseite zu beschützen. In Rücksicht dieser übernommenen Verbindlichkeiten wird Preußen eine Flottenstation im Jadebusen und zu diesem Zwecke daselbst einen Kriegshafen auf eigene Kosten Herstellen. Zu dem Ende tritt Oldenburg an Preußen ab: an der westlichen Seite der Jade ein Areal von 1212 Morgen Magde- burgisch, an der östlichen Seite 9 Morgen Magdeburgisch Binnen- deichland in gewissen festgesetzten Grenzlinien. In Betracht des wesentlichen Interesse», das sich für Oldenburg an die baldige Ge währung der von Preußen gemachten Zusagen knüpft, verspricht Preußen, unmittelbar nach Publikation des gegenwärtigen Vertrages mit den Arbeiten zur Herstellung des Kriegshafens in möglichst aus gedehntem Maße zu beginnen, in gleicher Weise damit ununter brachen bis zur Vollendung des Werke» fortzufahren und zu diesem Zwecke in den ersten drei Jahren, von der Ratification Les Ver trages an gerechnet, mindestens 400 000 Thaler auf die Ausführung zu verwenden. In den nachträgliche» Bestimmungen vom 1. December 1853 wird festgesetzt, daß Preußen auch »och zu einer binnen drei Jahren an Oldenburg zu zahlenden Geldeutschädiguug von 500 000 Thalern verpflichtet sein soll." Mit der Erwerbung dieses Stück Landes, das damals in gewissem Sinne völlig brachlag und von den weniger Ein sichtigen für ein vollkommen werthloses Gebiet gehalten wurde, auf dem in der Thal sich große Schwierigkeiten beim Bau eines KriegshasenS im großen Stil im Verlauf der Arbeiten zeigten, legte Preußen einen festen Grundstein zur weiteren Entwickelung seiner Marine. Der Jadebusen war die von See auS einerseits am besten zugängliche, mit gesichertem, tiefem Fahrwasser versehene natürliche Bucht, andererseits lag die letztere weit genug von der offenen See entfernt, um in geschützter Lage werthvolle Marine-EtabliffementS dort an- zulegen. Es ist das Verdienst des Prinzen Adalbert von Preußen, der im folgenden Jahre zum Admiral der preußischen Küsten ernannt wurde, zu rechter Zeit auf dieses Gebiet hin gewiesen und seine Erwerbung vorbereitet zu haben. Ueber- haupt hat dieser Hohenzollernprinz einen derart großen, den Zeitverhältnissen weit vorauSeilenden Blick über den Nutzen und die Nothwendigkeit einer deutschen Kriegsmarine besessen, daß man nur bedauern muß, daß unter den damals recht ungünstigen, Jahrzehnte lang durch einen engen Horizont um grenzten Verhältnissen seinen Anregungen nicht in größerem Maße Folge geleistet werden konnte. Eine preußische bezw. norddulsche Kriegsmarine von dem Umfange, wie sie dem deutschen Reiche noth that, wäre dann früher zur Wirklichkeit geworden. Die Vollendung des für damalige Verhältnisse besonders großartigen Werkes der Erbauung eines norddeutschen Kriegs hafen» bildete einen hervorragenden Markstein in der Ent wickelung der deutschen Kriegsmarine. Der Bau war im engeren Sinne zu Preußens Schutz und Trutz unternommen worden, diente in Wahrheit aber den gesammten deutschen Küstenstaaten. Er hatte mehr als ein Decennium hindurch zahlreiche Mühe und Arbeit erfordert; fortgesetzt hatten die Bauten mit großen, in Len Fluth- undEbbeverhältnissen liegenden Schwierigkeiten zu kämpfen; die Neuheit der Seehafenbauten in einem solchen Umfange machten die Ueberwindung der Schwierigkeiten ganz besonders groß und arbeitsreich. Von um so größerer Bedeutung war die Fertigstellung dieses Kriegshafens. Zur Feier der Einweihung war der König von Preußen, der Schirmherr des Norddeutschen Bundes, persönlich erschienen, und gleichzeitig hatte daS seebeherrschendste Land der Welt, England, daS vor damals noch nicht 20 Jahren der deutschen Reichsflagge auf See in rücksichtsloser Weise die Anerkennung versagt hatte, dieses Mal würdige Repräsen tanten für eine achtungsvolle Begrüßung entsendet. Berichte auS damaliger Zeit sagen: „Es ist vor Allem da» Gefühl eines gewiß berechtigten National stolzes, das unS die Brust bebt bei dem Gedanken: ein Baustein von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit ist auf» Neue herbeigrtragen worden zu dem großen Bau, den die Norddeutsche Bundesmarine einst darstellen soll und wird. Bedeutungsvolle Worte wurden ge sprochen als der erste deutsche Kriegshafen ringewriht und „Wil- helmshaven" getauft wurde: eine Morgengabe Preußen» an Deutsch land nannte der Kriegs- und Marineminister von Roon das neue Fsi»iHston. Der Courier von Lt. James. Ein« Erzählung aus der Gegenwart von C. Crome-Schwieuing. Nachdruck verböte». An einem jener Tage de« jllngsiverflossenen Winters, in denen die Faschoda-Frage eine blutige Entscheidung zwischen Frankreich und England heraufzubeschwören schien, schritt «in junger, in einen pelzbesetzten Ueberzieher gehüllter Mann die fashionable Rue du Faubourg St.-HonorL, dem Hotel der britischen Bot schaft zu, hinab. Sein gerader Gang, seine aufrechte Haltung, sein gebräuntes Antlitz und da» kurzgehaltene Haupt- und Bart haar ließen in ihm unschwer den Militär erkennen. Archibald Dervan, der dritte Sohn Earl Dervan'S, hatte unter Lord Kitchener mit Auszeichnung gegen die Derwisch« ge fochten, war eines Lanzenstiche- im Schenkel halber vor sechs Monaten nach England zurückgekehrt und nach seiner Genesung zu den Courieren von St. James commandirt worden^ ener kleinen Anzahl von Officieren, die, unseren Feldjägern gleich, zur Verfügung de« Auswärtigen Amt« sich halten müssen, um den verantwortungsvollen geheimen Eourierdienst zwischen Dow- ning-Street in Ändon, wo da« Auswärtige Amt Groß britannien» sich befindet» und den englischen Botschaftern im AuSlande zu versehen. Leutnant Dervan war erst mit dem Nachtzuge mit feiner wohlvrrschlossenen Depeschenmappe, zu welcher nur in Downing- street und im britischen Botschaft-Hotel in der Rur du Faubourg St.-HonorL je ein Schlüssel sich befand, in Pari« eingetroffen, hatte ein paar Stunden geruht, «in gute- Frühstück eingenommen, und befand sich nun, seiner Ordre gemäß, auf dem Wege zum Botschafter, um seine Mappe mit jenen wichtigen Attenstücken, deren Inhalt man selbst in Chiffretelegrammen nicht zu über mitteln wagt«, zurückzuempfangen und auf dem kürzesten Weg« nach London zurückiubringev. Da» gut organisirte französisch« Spionagebureau ließ in jenen verhängnißvollen Tagen die frem den Missionen mit zehnfacher Sorgfalt überwachen. Leutnant Archibald Dervan stutzte, al» ihm nicht, wie ge wöhnlich, der erste Sekretär der Botschaft die Depeschenmappe «inhändigte, sondern ihn zum Botschafter selbst führte. Liefer maß ihn mit einem langen, prüfenden Blick. Mir lange thun Sie bereit- Eourierdienst^ Leutnant-" ^Gett Port Monaten." „Ich würde Sie akso nicht auf die Wichtigkeit Ihres Dienstes aufmerksam zu machen brauchen — wenn nicht ein besonderer Fall vorläge. Sie find Soldat und haben, wie man mir mit- theilt, mit Auszeichnung in Egypten gekämpft. Nun wohl, so hören Sie: In dieser Mappe befindet sich ein Aktenstück, von dem das Wohl Englands in diesem kritischen Augenblicke abhängen kann. Es sind authentisch« Documente über den Stand der Kriegsvorbereitungen der französischen Flotte in Toulon und Brest. Wir haben Anzeichen dafür, daß man der Entwendung dieser Aktenstück« auf der Spur ist, und man wird kein Mittel un versucht lassen, es wieder in die Hände zu bekommen, solange «S sich noch auf französischem Boden befindet, Ich kann in diesem Augenblicke keinen meiner Attache» entbehren, sie sind auch dem französischen politischen Geheimdienst allzu bekannt. Bewachen Sie diese Mappe mehr als Ihren Augapfel. Versäumen Sie keine Minutt, und vor Allem — schließen Sie kein Auge, ehe Sie nicht diese Mappe dem Herrn Minister deS Auswärtigen persönlich übergeben haben!" Leutnant Dervan verbeugte sich. „Ich werd« den Inhalt dieser Mappe mit meinem Leben beschützen." Er barg die Mappe in der zu diesem Zwecke entsprechend groß gestalteten inneren Tasche seines Mantel» und trat wieder auf die Straße hinau», welche in diesem Augenblicke eine MiethS- droschke so langsam durchfuhr, daß die Fußgänger schneller vom Flecke kamen al» deren Insassen. Dies« bestanden aus einem verschleierten jungen Weibe und einem hageren Mann« mit glattrafirtem Gesicht, in dem ein paar scharfblickend« Augen funkelten. In dem Augenblick, in welchem der Wagen an dem gerade die Stufen de» Botschaft-Hotel» herab schreitenden Archibald Dervan vorüberfuhr, faßte der Mann mit festem Griff den Arm der Dame. „Da» ist unser Mann!" Die Dam« schlug den Schleier zurück — «in reizende», von üppigem Blondhaar umrahmte» Antlitz kam zum Vorschein. Sie sah lange und aufmerksam den dicht am Wagen auf dem Trottoir dahinfchreitenden jungen Engländer an, der in seine Gedanken vertieft schien und nicht aufschaut«. Dann befestigte sie d«n Schleier wieder vor dem Gesicht. „Gut! Ich kenne ihn jetzt, um ihn au» Lausenden wieder herauSzufinden. Wai nun?" „Dieser Eourirr ist im Hotel de Lille et dAlbion am End« diiser Straß« abgestiegen. Ich habe ein Zimmer neben dem feinigen genommen. Er wird jetzt in» Hotel zurückkehrrn — und, bestätigt sich mein« Vrrmuthung, mit dem Dni-Uhr- Schnellzuge nach Calais abreisen, um das Nachtboot zu er reichen. Wir benutzen — getrennt — denselben Zug. Ich werde dem Schaffner Ordre geben, in seinem Coupe nur eine Person zu placiren — diese sind Sie. Das Uebrige wissen Sie. Ge lingt Ihnen der Coup, und ermuß Ihnen gelingen, so verlassen Sie auf der nächsten Station, wo der Zug hält, das CoupS. Ich nehme dann sofort die Mappe in Empfang und kehre ohne Sie nach Paris zurck. Sie folgen «rst mit dem nächsten Zuge. Wenden Sie Ihre ganze Kunst an, Madeleine, man rechnet dies mal nur auf Sie!" Die Dame nickte schweigend, während ihr Blick noch einmal das schöne Antlitz des jungen Briten suchte. Ein« Anzahl von Droschken und Fußgängern strebte dem Nordbahnhof zu, auf dem Perron, auf welchem der Schnellzug nach Calais zur Abfahrt bereit stand, drängten sich die Passa giere. Unter ihnen strebt« die hohe Gestalt Archi bald Dervan'S jenen Wagen zu, die direct bis zum Hafendamm von Calais, der Anlegestelle der Dover-Dampfboote, fahren. Der Schaffner des ersten Wagens riß, mit einem Manne gewöhnlichen Aussehens, dessen Antlitz in einem alten wollenen Shaw! halb vergraben war, einen Blick tauschend, auf Archibald's Anruf ein leeres Coups erster Claffe auf und schloß, nachdem jener eingestiegen, die Thür. Sehr zu frieden mit seiner Einsamkeit, warf Leutnant Dervan seinen „In dian bag", eine feste braunlederne Reisetasche mittlerer Größe, in das Gepäcknetz, öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus, die letzten Reisenden betrachtend, die an die Waggons eilten. Der Zugführer hob schon die Hand, um daS Abfahrtssignal zu geben, als ein« junge, schlanke Dame, in einen enganliegenden, dunklen Reisemantel gehüllt, auf den Perron und an den Zug eilte. „Bitte, erster — Calais!" rief sie athemloS dem Schaffner entgegen, und dieser riß Archibald's CoupLthür so hastig auf, daß er kaum Zeit fand, zurückzutreten. Obgleich von dem Ge danken, eine Reisegefährtin für die ganze Strecke zu haben, nicht eben angenehm berührt, war er ritterlich genug, der Dame beim Einstrigen behilflich zu sein und ihr wenige» Handgepäck im Netz unterzubringen. Den in wenigen, aber rein gesprochenen eng lischen Worten auSgedrückten Dank quittirte er mit stummer Ver beugung, um dann seinen Platz am jenseitigen Fenster wieder einzunehmen. Der Zug hatte sich unmittelbar nach dem Einsteigen seiner unerwarteten Reisegefährtin in Bewegung gesetzt. Diese selbst saß still und in sich gekehrt auf ihrem Platze, da» verschleierte Antlitz dem Fenster zugekrhrt, an welchem di« letzen äußeren Straßenzüge der Seinestadt vorüberflogen. Wider Willen er tappte er sich bei dem Gedanken, daß der Mantel eine reizende Figur, der dichte Schleier ein junges, liebliches Gesicht verbergen müsse. Er versuchte voll Unmuth dies erwachende Interesse für «ine Fremde zu bekämpfen, aber dasselbe flammt« mächtig empor, als di« junge Dame ein Batisttaschentuch herdorzog und, den Schleier von einer sanft gerundeten, aber bleichen Wang« lüftend, es an die Augen drückte. Weiberthränen! Archibald Dervan hatte in seinem jungen, von rein militärischen Interessen erfüllten Leben wenig Gelegen heit gefunden, Li« Frauen kennen zu lernen. Die Thräne in den Augen einer solchen galt ihm noch als etwas Heiliges und sein ritterliches Herz ließ ihn nicht stummer Zuschauer dieser Thränen bleiben. „O, Sie haben Kummer!" kam es halb ihm selbst unbewußt in so teilnehmendem Tone von seinen Lippen, daß die junge Dame ein leises Erzittern nicht verbergen konnte. „Ich wäre glücklich, wenn ich zu seiner Linderung etwas beitragen könnte!" Die junge Dame schob den Schleier vollends hinauf. Ein liebliches, zartes Antlitz, auf welchem ein wehmüthiger Zug lag, zeigte sich ihm. „Sir sind sehr gütig, mein Herr! Aber helfen kann mir nur Gott. Mein einziger Bruder ist in London verunglückt, eine Depesche ruft mich zu ihm. O, daß ich ihn nur lebend, nur lebend finde!" Unwillkürlich war Archibald von dem Wunsche beseelt, die schöne Fremde, deren Leid, das sich jetzt in einem halberstickten, ihre ganz« schmiegsame Gestalt erschütternden Schluchzen offen barte, ihm zu Herzen ging, zu trösten, ihr um einen Sitz näher gerückt. Freundliche und theilnehmende Worte flössen denn auch von seinen Lippen und sie schienen eine tröstende Wirkung nicht zu verfehlen, denn, allmählich gefaßter werdend, erzählte seine Reisegefährtin, daß ihr Bruder SchiffSbauingenieur sei, den Unfall sich wahrscheinlich in seinem Berufe zugezogrn habe, und daß sie selbst bei Verwandten in Paris leb«, von denen sie durch blicken ließ, daß sie sehr angesehene und vermögende Leute seien. Inzwischen flog der Zug mit Couriergeschwindizkeit den Schienenpfad dahin. Die Dämmerung sank frühe herab. AIS der Train AmienS erreichte, war e» völlig dunkel geworden und all« Lichter angezündet. Al» der Zug in den Bahnhof einge laufen war, erhob sich die junge Dame und trat für einen Augen blick an daS Fenster. An ihrem Wagen schritt langsam der Mann mit dem Shawl vorüber. Einen flüchtigen Blick tauschten st." LrtLL -rii einander au». Der Mau» u»t«n warf unmuthig
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