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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990619018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899061901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899061901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-19
- Monat1899-06
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Ännahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Aukgabe: Vormittag» 10 Uhr. Margeu»AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet- au die Erpeditiou zu richte». Druck und Verlag von L Polz in Leipzig. M. Montag den 19. Juni 1899. S3. Jahrgang. Harzburgen. Nachdruck verdaten. »Munter begrüßt deS Thorwarts Trommete die nahenden Gäste; Offen ist Jallbrück und Thor. — Auf zum Beschauen der Burg!" Der Anblick einer Burgruine erweckt wohl in jedem Wandersmann rin ganz eigenthümliches, gemischtes Gefühl. Sinnend betrachtet er den Zeugen einer längst entschwundenen Zeit, seine Gedanken verweilen unwillkürlich bei Denen, die einst hinter den verfallenen und verfallenden Mauern ein freies Leben führten, die ritterlichen Gestalten erscheinen vor seinem geistigen Auge. Die zur Ruine gewordene Burg mahnt aber auch an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Der stolze Bau, der vor Jahr hunderten in den meisten Fällen dem kühnsten Angriffe trotzte, dem Zahne der Zeit oder der Wirkung der verbesserten Waffen ist er zum Opfer gefallen. Kaum noch sind die Spuren zu er kennen von den Orten, wo vordem der rüstige Burgherr sich in ritterlichen Spielen übte oder wo er seine Kraft und Gewandtheit maß mit einem ebenbürtigen Gegner, wo er nach kühnen Thaten mit gleichgesinnten Waffenbrüdern den schäumenden Pocal leerte und das fröhliche Mahl genoß. Selten noch erkennt der Wanderer die Stätte, an der die sorgsame Burgfrau mit ihren sittigen Töchtern und fleißigen Mägden schaltete und waltete, wo sie mit freundlichem Wort, mit Gesang und Saitenspirl ihr« Gäste er heiterte. Das fallende Gemäuer predigt eindringlich: „Ein Raub der Zeit ward, was die Zeit gebar". Vor dem Auge aber ziehen auch jene unedlen Gestalten vorüber, di« auf dem steilen Felsen an der Handelsstraße hausten und von dort mit ihren raub gierigen rohen Gesellen herabfielen, um den friedlichen Handels herrn, den sorglosen Wandersmann meuchlings zu überfallen, um zu plündern und zu rauben, die die Gefangenen marterten und peinigten und erst gegen ein hohes Lösegeld freigaben. Und solcher Raubritter gab es nicht wenige, gar manche Ruine wird ihn auf seiner Wanderschaft an solche unedle Gestalten erinnern, aber auch an solche Ritter und Herren, die, ihrem Gelübde getreu, eintraten für Kaiser und Reich, für Unschuld und Tugend, für Freiheit und Recht. Diese Ruinen werden 'dem Wanderer interessanter, wenn er ihre Geschicke und ihre Schicksale kennt, wenn er vertraut ist mit der Sage und Dichtung, die die meisten Burgen mit einem Kranze umflechten. Nach diesen Rücksichten hin sollen die hauptsächlich sten Harzburgen im Nachstehenden behandelt werden. Zu den besterhaltensten und wohl auch am schönsten gelegenen Burgen des Harzes gehört unstreitig Burg Falken st ein im Selkethale. ' Mit Recht sagt daher F. Günther von ihr: „So reich unser Harz an Burgruinen ist, so hat er doch neben dem Falkenstein kaum eine zweite aus so früher Zeit stammende Burg aufzu weisen, die noch heute als herrliches, bewohnbares Schloß von ihrer Höhe in die Berglande hinausstrahlt, kein«, die gleich ge eignet wär«, uns «in völlig getreues Bild eines mittelalterlichen Grafensitzes vorzusühren. Hat doch auch der Fallenstein nie mals i-n den Fehden und 'Kriegen, die ihn berührten, Schaden genommen, ist niemals, wie so viel« unserer Burgen, von einer Feuersbrunst heimgesucht worden." Der Erbauer der majestätischen Ritterburg war Bur - chardvonKonradsburg; im Jahre 1120 wird er zum ersten Male nach ihr benannt, um 1156 wird er und s«in Sohn „Grafen von Falkenstein" genannt. Bis zum Jahre 1334 blieb die Burg im Besitz der Grafen von Falkenstein, in diesem Jahre starb der Letzte seines Geschlechts, es war Graf Burchard von Falkenstein. Ein Graf Hoyer von Falkenstein sammelte mit seinem Freunde, dem sächsischen Edelmann« Ecco oder Epko von Repgow oder Repko, den sogenannten Sachsenspiegel; erst in lateinischer Sprache, 1230 aber übertrugen sie ihn in die da malige hochdeutsch« Sprache, wie dies durch eine Strophe, welch» in mehreren Ausgaben zu finden ist, bezeugt wird. Sie lautet: j Nun danket allgemein Dem Herrn von Falkenstein, Der Graf Hoyer ist genannt, Daß in deutscher Sprache ist gewandt Dieses Buch durch seine Beth (Bitte), Ecco von Rebkau es thät. Nach dem Tode des letzten Falkensteiners entbrannte zwischen den nächstbetheiligten Erben eine heftige lange Fehde um den werthvollen Besitz; 1437 besetzte ein Graf von Mansfeld die Burg, 1449 aber ging der Falkenstein mit allem Zubehör i n Besitz derer von der Asseburg über, di« noch heute sich dieses schönen Besitzes erfreuen und unter deren liebevoller Pflege die 'Burg als ein Denkmal längst «ntschwundener Zeiten der Nachwelt erhalten worden ist. Während des dreißigjährigen Krieges kamen die Wallensteiner und belegten die Burg mit 61 Reitern und 20 Musketieren; durch Vermittelung des Kurfürsten Johann Georg von Sachsen wurde der Burgherr von dieser Plage befreit, nach dem sie von 1625 bis 1628 die Burg besetzt gehalten hatten. Von 1641 sah die Veste bald Schweden, bald Oesterreicher. Be merkenswerth ist ein Ueberfall, den der schwedische Feldherr Graf Königsmark ausführen ließ. Von ihm berichtet F. Günther in seinem umfassenden Werke „Der Harz" Folgendes: „Da er schienen plötzlich auf Königsmarck's Befehl 500 S^wedenreiterei, Fußvolk und Geschütz von Mansfeld aus vor der L,urg, um diese wieder zu besetzen, oder im Weigerungsfälle zu verbrennen und zu zerstören. Der Befehlshaber forderte Busso von der Asseburg zu einer Unterredung vor die Burg, ließ aber sofort bereitstehende Leute durch die sich öffnende Pforte eindringen und erklärte, als einer derselben von den Dienern Busso's erschossen wurde, dem in die Falle gelockten Burgherrn gegen sein gegebenes Ehrenwort, daß er s«ine Freiheit nur durch Uebergabe der Burg wieder- etlangen könne. Falle noch ein Schuß, so sollten alle Dörfer seiner Herrschaft in Flammen aufgehen und die Unterthanen wie Hunde niedergeschossen werden. Inzwischen ließen sich Busiö's erschreckte Leute bereits an Stricken von der Mauer hinunter und flohen in den Wald. So blieb ihm denn nichts übrig, als eine Besatzung von achtzehn Mann einzunehmen." Zu hohen Festtagen gestaltete sich die Zeit vom 14. bis 17. November 1843. In diesen Tagen weilten auf der Burg drei deutsche Könige, nämlich Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, Ernst August von Hannover und Friedrich August II. von Sachsen, um an einer Gebirgsjagd theilzunehmen, die der ritterliche Graf von der Asseburg-Falkenstein für diese Tage ge plant hatte. BurgFalkenstein liegt 340 m über dem Meeresspiegel und 134 rn über dem Spiegel der Selke auf einer steil sich er hebenden Bergplatte, die nur für die Burg und deren Mauern Raum gewährt. Nachdem der 'Wanderer den Burghof betreten, fällt ihm sogleich der 230 m tiefe Schloßbrunnen auf, der nie versiegt. Eine andere Sehenswürdigkeit ist die 1832 erneuerte Schloßcapelle mit sehr beachtenswerihen Gemälden aus dem 16. Jahrhundert. Unter dem 60 m hohen Bergfried befand sich das schauerliche Burgverließ, in das vom Burghofe aus durch eine Röhre Wasser und Brod gereicht werden konnte. Die Säle und Zimmer der Burg bergen eine große Zahl hervorragender Merk würdigkeiten und Sehenswürdigkeiten, die dem Besucher gern gezeigt werden. Unter ihnen befindet sich auch ein Becher von starkem, gelblichgrünem Glase, an den sich der Sage nach das Geschick derer von Asseburg knüpft. Die Sage von den drei B « ch « rn der Familie vonAsseburg erzählt Prof. vr. Gröpler in den Sagen der Grafschaft Mansfeld folgendermaßen: „In einer Hellen, klaren Winternacht schlief in einem der Gemächer des Schlosses Asse burg sanft und friedlich mit ihren Kindern die Herrin der Burg, deren "Gemahl im Gefolge des Kaisers in Welschland weilte. Plötzlich fühlte sie ihre Hand sanft gedrückt und lächelte fried lich, weil der Traum ihr vorgaukelte, der Ritter sei heimgekehrt und ergreife zmn Willkommen die Hand seines treuen Weibes. Als sie jedoch darauf ihre Hand schütteln fühlte, erwachte sie unv sah zunächst nur die Scheibe des Mondes, welcher mild zum Fenster hereinlcuchtete, dann aber niederwärts vor ihrem Bette ein kleines Männchen, welches ihre Rechte zwischen beiden Händen hielt. Es war ein Bergmännchen, welches flehentlich sie bat, sie möge mitkommen und seinem kranken Weibe Beistand leisten. Frau Helene, welche schon oft d«n Weibern ihrer Knechte als barmherzige Helferin sich erwiesen hatte, folgt« dem Kleinen in die kalte Winternacht hinaus. Unberührt öffneten und schlossen sich Thürcn und Thore, und bald gelangten sie an den Eingang einer Felsenhöhle unweit der Burg. Auf einem schroff abwärts führenden Pfade, der durch kein Licht, sondern durch das flim mernde Gestein erleuchtet wurde, welches die Wände bedeckte, ge- langtenBeide durch unzählige, sich kreuzende Gänge und Gemächer endlich bis 'dahin, wo das Weibchen des Zwerges lag. Nachdem sie derselben hilfreich beigestanden, drängten sich die Winzigen Basen und Gevatterinnen herbei, um ihr unter lautem Jubel die Hand zu küssen. Die 'Gattin des Zwerges aber überreichte ihr zum Abschied drei gläserne Becher und drei goldene Kugeln mit der Mahnung, alle diese Stücke wohl zu verwahren, denn an sie sei das Bestehen und das Glück ihres Hauses geknüpft. So lang« auch nur eines dieser Stücke im Besitze ihrer Nach kommen sei, werde ihr Stamm grünen und blühen, geehrt und geliebt von Hoch und Niedrig. Seien aber die Kugeln verloren und der letzte Becher zerbrochen, so werde der Letzte ihres Stammes in die Gruft sinken, und nur in Büchern noch werde man lesen, daß es einst ein Geschlecht von der Asseburg gegeben. Sorgsam nahm die Edelfrau Becher und Kugeln zu sich und ließ sich wieder nach ihrem Schlosse zurückführen. Am anderen Morgen wäre ihr alles Erlebte wie im Traume erschienen, wenn nicht vor ihrem Bette di« drei Becher gestanden hätten, in deren jedem eine golden« Kugel lag. In der Truhe, in welcher sie ihre kostbarsten Kleinodien verwahrt«, barg sie die vethängnißvollen Geschenke. Einig« Hundert Jahre später, gegen Ende des 17. Jahr hunderts, als man Helene von der Asseburg kaum noch dem Namen nach kannte und die alte Stammburg bereits in Trüm mer gefallen war, die Nachkommen des Geschlechtes aber auf anderen Schlössern und weit ausgebreiteten Besitzungen wohnten, da befanden sich die drei Becher — die goldenen Kugeln waren im Laufe der Zeit abhanden gekommen — im Besitze einer ver- wittweten Frau von der Asseburg auf Wallhausen, der alten Kaiserpfalz, welche nur zwei Söhne hatte, die in dem benach barten Dorfe Brücken auf dem Gute lebten. Einst waren die selben in Begleitung eines Freundes, eines Herrn von Werthern, nach Wallhausen gekommen, um in zahlreicher Gesellschaft den Geburtstag der Mutter festlich zu begehen. Als die Herren be reits eiwas berauscht waren, bat der ältere Junker seine Mutter um die drei Familienbecher, um daraus auf ihr Wohl zu trinken. Vergeblich machte die Edelfrau Einwendungen, weil sie Unheil ahnte; aber endlich gab sie den stürmischen Bitten des geliebten Sohnes nach, holte die Becher herbei und bat nur die Zecher, ja recht vorsichtig mit denselben umzugehen, weil an si« das Glück des Hauses geknüpft sei. Lachend ob der Besorgniß der Mutter füllte der ältere Junker die Becher, jeder -der drei Freunde ergriff einen derselben, und klirrend stießen sie zusammen. Uber, o weh! ein schriller Ton mischte sich in den Jubel: der 'Becher, welchen der ältereJunkerinderHandgehaltenhatte, lag in Scherben am Boden. Starrer Schreck ergriff Alle, und die Ev«lsrau sank, banger Ahnungen voll, auf einen Sessel. Vergebens sucht« der Herr von Werther durch die Bemerkung, man brauche nicht zu ver zagen, da noch zwei Becher unversehrt und Wohl erhalten seien, die frühe Stimmung oder wenigstens den Gleichmuth dec Ge sellschaft wieder Herzustellen; selbst die redseligsten Zungen waren auf di« Kunde von dem vorgefallenen Unglück verstummt und bald brachen 'die Gäste unter den verschiedensten Borwänden auf. Auch der von Weither befahl seinem Knechte, di« Pferde anzu spannen; da erklärten die Brüder von der Asseburg, sie wollten mit ihrem Freunde nach Brücken zurückfahren. Zwar bat die be sorgte Mutter ihre Söhne, über der jüngere entgegnete, auch bei der Mutter könne sie ein Unglück tretten, und der ältere fügte hinzu, wegen des zerbrochenen lumpigen Bechers würden sie doch nicht wie alte Weiber in den Winkel kriechen. Sie umarmten die Mutter, sprangen hinab in den Hof, und schon im nächsten Augenblicke saßen sie in dem Wagen. Mächtig griffen die feuri gen Rosse aus, und bald lag das Städtchen hinter ihnen. Als aber plötzlich di« raschen Thiere vom Wege ablenkten und über eine Wiese hinweg aus das hohe, abschüssige Ufer 'der Helme zu eilten, da wurde den Dreien doch wunderlich zu Muthe, und un willkürlich gedachten sie des zerbrochenen Bechers. Vergebens suchten sie di« Pferde zu halten, endlich rissen sogar die straff gespannten Zügel, der aufgelockert« Uferrasen gab nach, und Rosse Feuilleton. Tombola. Bon Lore Nilgen. Nachdruck «erbet--«. In einer kleinen Gasse von Bielitz-Biala, in der man sonst selten einem Menschen Leg«gnet, war heute reges Leben. Schon seit Stunden standen die Leute, allmählich immer dichtere Gruppen bildend, beisammen. In der Mehrzahl waren es Weiber; unter diesen aber waren schier am eifrigsten beim Discurirrn die alten. Was hatte nun die Gemüther in solche Aufregung versetzt? — Tombola war heute! Schon seit Wochen hatte das Zauberwort „Tombola" die Gemüther erregt. Der Faule hoffte durch sie ohne Mühe seinen Unterhalt zu erringen, der Geschäftsmann mit dem erwarteten Gewinn seine Verluste decken zu können; jeder Spieler freute sich an den stolzesten Luftschlössern. Und nun die Frauen! Was erhofften sie Alles von d«r Tombola. Dieses alte Mütterchen da läßt seinen Einzigen in Wien stüdiren. Bis vor Kurzem verdiente die Matrone mit feinen Stickereien so viel, daß sie ihrem Sohn leidlich genügend Geld schicken konnte. Er sollte nicht fühlen, daß ihm der Vater fehlt«. Seit einiger Zeit aber ließ di« Sehkraft ihrer Augen viel zu wünschen übrig. Der Arzt hatte sogar die Befürchtung ausgesprochen, daß binnen einigen Monaten völlig« Erblindung eintreten könnt«, falls sie di« Arbeit beim trüben 'Lampenschein nicht oinstellen würde. Was blieb ihr da Anderes übrig, als jetzt auch einmal ihr Glück in der Tombola zu versuchen? Sie hat noch nie im Löben daS Glück geschaut; hoffentlich wird es ihr jetzt einmal lächeln! — Di« schön« Frau, die dort, etwas ab seits, dicht verschleiert stand, hatte bei ihrem -Confcctionär in Wien w«it über ihr«» Manne» Verhältnisse Schulden gemacht. Die Tombola könnte si« retten —? Da stand em armes polnisches Mädchen, das einem ebmso armen Goralen sein Herz geschenkt hatte, aber fie konnten nicht heirathen, weil sie nichts, gar nichts besaßen. Vielleicht würde fie ein Weniges in der Tombola gewinnen, dann —! Kurz, überall Hoffnungen, Luftschlösser! Immer dichter wurde das Gedränge, immer lauter und un» ruhiger zeigten sich die Menschen. Und welch interessanten Ge- spräche konnte man da belauschen! Hier wurde ein merkwürdiger Traum erzählt, in welchem Zahlen eine groß« Roll« spielten, dort wurd« mit scheuer Bewunderung eine Sibylle angestaunt, welcher in feuriger Schrift eine große Zahl an dunkler Wand erschienen war. Selbstverständlich waren alle dies« Zahlen in d«r Tombola gesetzt worden, und heute sollte es sich zeigen, ob die Träum« und Ahnungen sich verwirklicht hatten. Endlich war der große Moment gekommen. Die Spannung hatte ihren Höhepunkt erreicht. All«» drängte, ohne Unterschied des Ranges und Standes, dem kleinen Häuschen zu, an dessen I Fenster eben ein hochgöwachsener Mann trat und mit lauter I Stimm« di« Zahl, die eben gezogen worden war, ausrief. Dann I befestigte er die gezogene Nummer auf dem schwarzen Brett unterhalb des Fensters, daß sie weithin sichtbar war. Unten wurde es, nachdem erst etwas Ruhe «ingetreten war, wieder lebendig. Die Gewinner drängten sich mit ihrem Zettel vor, um im Haus ihr Geld in Empfang zu nehmen. Eine Nummer nach der anderen wurde ausgerufen und auf dem Brett be festigt. Schon wurden zaghafte Besorgnisse laut. Es waren schon so viele, die, wenn auch nur mit kleinem Gewinne, strahlen den Angesichts di« Gasse verlassen haben. Doch — die Tom bola war noch nicht herausgekommen. Wer alle Nummern einer Zahl hatte, dem fiel die Tombola zu; das war der Hauptgewinn. Vielleicht — oh, wer hätte jetzt nicht noch hoffen sollen? Eine neue Nummer war auf dem Brett erschienen. Plötzlich öffnete sich die Thüre 'der dem Tombolahäuschen gegenüber liegenden Tabaktrafik. Ein alter, gebückter Mann in langem schmierigen Kaftan trat heraus und bahnte sich einen Weg durch die sich immer dichter zusammendrängenden Menschen. Dumpfes Murmeln entstand unter der Menge. Der reiche Veilchenstein hatte schon öfter größere Gewinn« fortgetragen — «s konnte und dürft« nicht sein, daß er heute schon wieder gewonnen hakte. Wo blieb« da die göttliche 'Gerechtigkeit? Wie viel« Wachskerzen hatten di« armen Frauen in den letzten Wochen der Madonna geopfert, daß sie doch endlich ein Einsehen haben sollte? Wie viele Wallfahrtrn waren gelobt worden, falls ein Gewinn auf ihre Nummer fiele? Und nun? — Alles, Alles war dem reichen Geiz hals zugesallen, «r hatte die Tombola gewonnen! Wulh undVerzweiflung erfaßte die armen Le«rausgegangenen, als der alte Veilchenstein mit seiner stereotypen finsteren Miene, ein schweres Säckchen voll Silbergulden auf dem Arme, das Haus verließ. Einige der Frauen riefen ihm Schimpfworte zu; am liebsten hätten sie ihm wohl seine Beute entrissen. Doch aalglatt wand er sich zwischen ihnen durch und war nach wenigen Augen blicken hinter seiner Thüre verschwunden. Langsam leerte sich das Gäßchen. Diele entfernten sich in stiller Resignation, viele aber auch, indem si« laut mit dem neidischen Geschick haderten. D«r schönen Dame, di« wir vorhin bemerkt hatten, war «in so unbedeutender Gewinn zugesallen, daß sie davon nicht einmal die kleinst« Hondschuhrechnung bezahlen tonnt«; sie war ver loren. Und auch das alte Mütterchen trat mit einem ver zweifelten Blick nach oben ftinen Heimweg an. Wie leicht war ihm heute Morgen zu Muthe gewesen und wie schwer von Sorgen war jetzt sein Herz. Wie sollte es ferner den Sohn unterstützen können? So zuversichtlich hatte eS gehofft, und nun war Alles vergebens gewesen! Die Alte war trostlos. DaS polnische Mäd chen dagegen band «in paar Kreuzer, die es hatte ausgeben wollen, in «in kleines Tüchlein, um sie für die nächste Tombola aufzu bewahren. Einmal mußte daS Glück ja doch kommen. Einig« Minuten später war die klein« Gaffe still und menschenleer. Die Sonne brütete auf dem holprigen Pflaster und nur ein paar Hühner, die das ungewohnte Leben verscheucht hatte, pickten wieder in den Fugen nach Würmern und Käfern. In einem kleinen, niederen Raum der Trafik aber saß die schöne Tochter des alten Veilchenstein und schaute mit todtblassem Ant litz, wie in Verzweiflung, vor sich nieder. Sie wußte, daß dieser Tombolagewinn über ihr Schicksal entschieden hatte, denn durch ihm wurde die Summe voll, die der ihr vom Vater bestimmte Bräutigam als Mitgift gefordert hatte. Wie sehnlichst hatte das junge Mädchen gewünscht, daß ihren Vater ein pecuniärer Verlust treffen möchte, damit es dem verhaßten Mann nicht seine Hand reichen müsse. Statt dessen hatte «r nun heute die Tom bola gewonnen. Damit war der Tochter Schicksal besiegelt. Soeben hatte er ihr rmtgetheilt, daß die Hochzeit nun aller- nächstens stattfinden werde. Ihr Gefühl empörte sich gegen diese Vermählung, denn sie haßte und verachtete Löbel Veit, ihren zukünftigen 'Gatten. Doch konnte sie sich auflehnen gegen die Bestimmung d«s Vaters? Ihre Freundinnen waren alle ver- heirathet worden, ohne daß man sie nach ihren Wünschen gefragt hatte, und sie waren es zufrieden. Uber sie war nicht zufrieden, nein, sie wollte kämpfen um ihr Glück, und dann, wenn si« im Kampfe unterliegen sollte, lieber sterben, als daS Weib dieses Schacherers werden. ' Am Abend desselben Tages, als Esther eben in der Trafik beschäftigt war, öffnete sich leise di« Thüre und Löbel Beit schob sich langsam herein. „'Hab ich doch gehört, Estherchen, daß der Vater wi«d«r hat gewonnen ä paar Gulden in der Tombola?" Das Mädchen würdigte ihn keiner Antwort. Sie händigte dem Käufer die verlangten Virginia aus und begab sich, nachdem dies«r das 'Geschäft verlassen hatte, in den Nebenraum. Löbel Veit war verlegen. Er wußte nicht, ob er «s wagen dürfe, ihr zu folgen. Di«ser Ungewißheit enthob ihn der alte Veilchenstein, der gerade von einem Ausgang zurllckkehrte, indem er ihn bat, an ihrem Mahl thsilzunehmen, da «r nachher noch geschäftlich mit ihm zu verhandeln habe. Löbel Deit's kleine schwarze Augen funkelten vor Freude. Er wußte ja, welcher Art diese Verhand lung war, und em blitzartiger Seitenblick streifte di« herrliche Gestalt Esther's, die stumm das einfache Abendmahl besorgte. Ein paar Stunden später verließ Löbel Veit die Trafik. Sein sonst ledersarbenes, vertrocknetes Antlitz strahlte und glühte. Normte er doch jetzt das schönst« Mädchen von Biaka sein eigen! Und welche Mitgift! Er hatte schon in seiner Ungeduld auf den fehlenden, immerhin noch bedeutenden Rest verzichten wollen, denn er fürchtete längst, eS könne ihm ein Jüngerer zuvorkommen und Esther, diese P«rle Israels, in sein Haus holen. Aber nun war sie sein, und Niemand konnte sie ihm mehr entreißen. 'Zwar stolz, unnahbar stolz, hatte sie ihm gegenüber gestanden, und als der 'Vater ihre Hand in di« seine legen wollte, war si« zurück gezuckt, -al» habe sie Feuer berührt. Lächelnd, daß die ganze Reihe seiner gelbbraunen Zähne sichtbar wurde, betrachtete er sein« schmal«, knöcherne Hand. „Warte nur, mein Täubchen, Du wirst diese Hand schon noch lieben, wenn sie ächte P«rlen in Deine schwarzen Locken schlingt und Deinen stolzen Nacken mit Brillanten schmückt. Junge Bräutchen sind immer schüchtern und zurückhaltend." Wie ein Trunkener wankte er seinem 'Hanse zu. Am Morgen des anderen Tages betrat Esther das Zimmer ihres Vaters etwas später als gewöhnlich. Sie hatte fast die ganze Nacht wachend und betend verbracht und war erst gegen Morgen in tiefen Schlaf gesunken. Mit -einem Schreckensruf auf den 'Lippen blieb sin an der Thüre wie gebannt stehen. Vor seinem weitgeöffneten Geldschrank saß ihr Vater und starrte wie ein Wahnsinniger in die leeren Fächer desselben. Er war mit starken Stricken so fest am Stuhl angebunden, daß «r kein Glied zu rühren vermochte. Seinen Mund verschloß ein derber Knebel. Esther ahnte sofort, was geschehen war. Sie eilte nach der Küche, um die alte Di«nstmagd zu rufen und ein Messer zum Durch schneiden der Stricke zu holen. Der alt« Veilchenstein war, auch nachdem die Fesseln gelöst waren und der Knebel aus seinem Mund entfernt, noch lange nicht im Stande, sich zu bewegen, noch ein Wort hervorzubringen. Nur in seinen Aug«n lag ein Aus druck furchtbarer Qual. Esther flößt« ihm Wein ein und rieb seine Schläfen mit Essenz. Oesters stieß er einen klagenden Schrei aus, dann rauft« er sein Haar und warf sich verzweifelt zu Boden. Esther suchte ihn zu trösten und -bat ihn, ihr doch zu sagen, wie Idas geschehen s«i. Nur «rneute Schmerzausbrüche waren die Antwort. Er stieß sein Kind zurück, zerriß seine Kleider und geberdete 'sich wie «in Wahnsinniger. Inzwischen waren die durch die Magd herboigerufenen Polizeibeamten eingetroffen. Ihnen gelang es, Veilchenstein zu einem Bericht des Geschehenen zu bewegen. Er hatte bis in di späte Nacht in seinem Zimmer gerechnet und Papiere geordnet. Plötzlich, ohne daß er vorher das geringste 'Geräusch vernommen, waren zwei vermummt« Männer mit Larven vor dem Gesicht bei ihm eingetreten, und ehe er sich noch seiner Lage bewußt ge worden war, hatten sie ihm den Knebel in den Mund geschoben und ihn gefesselt. Nachdem sie dann d«n Geldschrank vor seinen Augen geleert hatten, hätten sie ihn wi« zum Hohn vor dem leeren 'Schrank auf dem Stuhle festgebuniden. Mit zitternden Händen wühlte der alte Mann in den wenigen, fast werthlosen Papieren, die die Dieb« zurückgelaffen hatten. Die Nachforschungen drr Polizei blieben gänzlich erfolglos. Nur ein Gutes hatte der Disbstahl zur Folge. Löbel Veit kam sofort, als das Unglück Veilchenstein's -bekannt geworden war, um sich persönlich von der Wahrheit des Gerüchtes zu überzeugen. Selbst verständlich konnte nun, da Esther ihres ganzen Vermögens be raubt war, von einer Verbindung zwischen ihm und ihr nicht mehr di« Rede sein. In größter Eile zog sich der gute Löbel Veit zurück. Esther aber eilte zu dem Grabe ihrer Mutter, wo sie gestern Gott um Hilfe in ihrer Noth angefleht hatte. Sie war ihr geworden, wenn auch anders, als si« gedacht hatte. Ein heiße» Dankgebet stieg aus ihrem Hirzen empor.
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