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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990621029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-21
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4882 Die überraschende» Siege, welche die radicale und socialistische Partei in Italien bei den (Gemeinde wad len in Turin, Mailand und Parma gefeiert, sind für die inneren Verhältnisse des Landes ein bedenkliches Zeichen, und die Verständigen sind nicht wenig betroffen Darüber. Diesen Triumph haben die Socialisten nur dem Umstande zu verdanken, daß sich dic Ueberreste der alten italienischen Parteien, die Mazzinianer, Republikaner und Garibaldiner, jetzt zu ihnen gesellt haben. Jede einzelnewäredermonarchisch-liberalenPartei gegenüber für sich allein vollkommen machtlos gewesen. Die mazzinistiscke Partei löste sich schon im Jahre 1859 auf, die republikanische bestand ohne den Namen Mazzini'S nur mehr auS einem Häuflein harmloser Schwärmer, und die garibal- dinische erlosch nach der Einnahme Roms im Jahre 1870 und der französischen Expedition Garibaldi'S. Zwar trug man sich mit der Hoffnung, daß der „JrredentiSmuS" diese zersplitterten Parteien unter einer Fahne vereinen würde, allein der Dreibund vereitelte alle derartigen Versuche. So gesellte man sich denn zu den Socialisten, die jenen feurigen KampfeSeifer zeigen, welcher allen neuen Parteien eigen ist. DaS wirthschaftliche Elend, das im ganzen Lande herrscht, wird von den Socialisten natürlich erfolgreich auSgenutzt. Merkwürdig aber ist dabei der Umstand, Daß sie in jenen Provinzen, wo das Elend am größten ist, wie in Sicilien, im Neapolitanischen, in der Gegend von Mantua und in der lombardischen Ebene, am wenigsten An hänger finden. Wo hingegen die Lage der Arbeiter eine bei Weitem günstigere ist, wie in Mailand und Turin, da fallen die Marx'schen Lehren auf nur allzu empfänglichen Boden. DaS haben Die Unruhen im Mai des Vorjahres genügend bewiesen und das beweisen auch die jüngsten Siege der Socialisten bei den Gemeindewablen. Man glaubt im All gemeinen, daß dieselben die Vorläufer weiterer Erfolge sind, ja daß diese unfehlbar eintreffen werden, wenn sich die Negierung nicht aus der Ohnmacht aufrafft, zu der sie der italienische Parlamentarismus verurtheilt. Auf die Pforte wird gegenwärtig auS Anlaß der letzten Zwischenfälle a» der serbisch-türkische» Grenze von den Mächten ein starker diplomatischerDruck geübt, die Albanesen im Zaum zu halten. DaS ist freilich leichter gesagt, als ge- tban. Der Pforte ist die albanesische Bewegung über den Kopf gewachsen. Man hat seit zwanzig Jahren, feit dem Entstehen der albanesische» Liga, von Konstantinopel aus das nationale Bewußtsein der Nordalbanesen mit allen erdenk lichen Hilfsmitteln gereizt und gehoben, man hat die locale Stammesorganisation zu nationaler Einheit sich entwickeln lassen. Die Arnauten Durften thun, was ihnen beliebte, wenn sie nur dem gegebenen Winke, die Serben oder die Bulgaren anzufallen, in jedem Augenblick gehorchten. Je un beschränkter sie sich aber geberden durften, desto mehr gelangten sie zum Bewußtsein ihrer Gewalt und so vollzog sich unter ihnen während der letzten Jabre in aller Stille eine ausgesprochene nationale und provinziale Organisation, die schließlich mit der Centralgewalt in Stambul wie eine Macht mit der andern verkehrte. Alle Versuche der Pforte, die albanesische Verbrüderung — die Kongra — zu sprengen, blieben bisher ohne jeden Erfolg. In Ipek tagten in den letzten Monaten wiederholt Versammlungen der Nordalbanesen, in Dibre solche der Südalvanesen und Alle betonten die Nothwendigkeit administrativer Reformen, wie die Errichtung einer neuen, Albanien genannten Provinz, Die mit einer ziemlichen Auto nomie auszustatten wäre. Dabei erwiesen sich die Notabeln, die Häuptlinge wie alle geistlichen Würdenträger so klug, den Sultan ihrer unwandelbaren Treue zu versickern und zu betonen, daß sie den albanesischen Boden wie die Rechte ihres Volkes gegen Jedermann bis auf de» letzten Blutstropfen zu vertheidigen gewillt seien. Auf diese Art ist im Westen der Balkan halbinsel ein neuer Machtsactor entstanden, mit Dem man, natürlich die Pforte zuerst, bei jedem gebotenen Anlasse wird rechnen müssen. Ein solcher ist jetzt gegeben, aber die Pforte wird eS nach allen bisherigen Erfahrungen nicht wagen, mit wirk licher Gewalt gegen Die Ruhestörer an der serbischen Grenze einzuschreitcn. Es wird daher wieder ein magerer Ausgleich mit unendlichen Verhandlungen und Noten stattfinden und zum Schluffe bleiben die Zustände die alten. Schließlich wird einmal Oesterreich-Ungarn gezwungen sein, seiner bosnisch-herzegowinischen Interessen wegen, in den sauren Äpfel zu beißen und dort Ordnung zu schaffen, getreu dem TheilungSabkommen mit Rußland, betreffend die Interessen sphären auf der Balkanhalbinsel, und der Verpflichtung, die Ruhe im ottomanischen Gebiete zu erhalten. Abermals scheint der persische Hafen Bender Abbas berufen, eine größere Rolle in dem Verhältnisse zwischen Rußland und England in Wcstasien zu spielen. Wie erinnerlich, kam bereits vor etwa zwei Monaten, kurz nach dem englisch-französischen Zwischenfalle von Mascat, auS Indien die Nachricht nach Europa, daß sich die Ruffen mit Zustimmung der persischen Negierung den Hafen von Bender AbbaS sichern wollten oder gesichert hätten. Nun ist Bender AbbaS ein sehr wichtiger Punct am persischen Golfe. Dicht an der Straße von OrmuS gelegen, vermag Bender Abbas die Einfahrt in den persischen Golf zu beherrschen; außerdem ist der Ort aber noch deshalb von Wichtigkeit, da er bei den Eisenbahnplänen Rußlands in Persien viel genannt ist. Bender Abbas soll angeblich die Endstation werden für eine große Bahn, die, von der russischen Grenze durch ganz Persien bis zu dessen Südwest küste führend, dem russischen Handel und der russischen Macht endlich den ersehnten directen Weg nach dem indischen Meer busen erschließen würde. Zudem ist von den Hafenplätzen Persien» am persischen Golfe Bender Abbas wohl Der bedeutendste. Die Nachricht von dem russischen Erwerb erregte deshalb in England großes Aufsehen und große Beunruhigung, wurde dann aber sowohl von englischer wie von russischer Seite in Abrede gestellt. Jetzt taucht die Nachricht von Neuem auf. Freilich sind eS abermals die „Times of Jndia", welche die alarmirende Nachricht bringen, und dieses Blatt deS VicekönigS von Indien, des temperamentvollen und unruhigen ehemaligen Unter- NaatSsekretärS Curzon, ist erst in der MaScat-Affäre von Lord Salisbury gründlich desavouirt worden. Man wird also weitere Bestätigungen der gemeldeten Gerüchte abwarten müssen, ehe man ihnen Glauben schenken darf. Bestätigen sie sich aber. Dann hat man eS aller Wahrscheinlichkeit nach nit einem Ereigniß von weittragender Bedeutung zu thun. Deutsches Reich. * Berlin, 20. Juni. (Zum Lohnkampse der Maurer.) Eine vom Arbeitgeberbunde deS Maurer- und Zimmerer gewerbe» einberufene, zahlreich besuchte Versammlung der Berliner Arbeitgeber beschäftigte sich heute Mittag im Architektenhause mit dem Lohnkampf der Maurer, der zur Aussperrung der Maurer geführt hat. Der Vorsitzende, RathSmaurermeister Westphal, berichtete, daß die Vorstände Der in Breslau begründeten Arbeitgeberverbände gestern im Abgeordnetenhause unter dem Vorsitz des Baumeisters Fetisch dem Berliner Bunde einmüthig ihre Sympathien be kundet und die getroffenen Maßnahmen gebilligt, sowie ihre Unterstützung zugesagt hätten. ES sei beschloßen worden, heute über acht Tage alle Vorstände der in Deutschland bestehenden Arbeitgeberverbände, Innungen rc., soweit sie auf das Maurer- und Zimmerergewerbe in Frage kommen, nach Berlin ein zuladen, um zur Arbeitseinstellung der Berliner Maurer und Bauarbeiter Stellung zu nehmen. Baumeister Döbler bade zu der Sitzung im Abgeordnetenhause den Fabrikanten O. Weigert eiogeführt, der sich erboten habe, auf Grund lage eine» KO-^-MaximalstundenlohneS Frieden zu stiften. Baumeister Felisch habe sich dahin geäußert, daß man mit Freuden die Hand zum Frieden biete und deshalb Herrn Weigert zu den Verhandlungen willkommen heiße. Al» man aber Herrn Weigert die Zustände auf den Berliner Bauten schilderte, soll er geäußert haben: „Sind Sie denn nicht mehr Herr auf Ihren Bauten?" Der Vorsitzende der heutigen Versammlung, Herr Westphal, fügte seinem Bericht hinzu, daß nicht die Lohnfrage, die sich stets nach Angebot und Nachfrage regele, der Kernpunkt deS Streites sei, sondern in erster Wie die Machtfrage, wer auf den Bauten Herr sein solle. Der Kampf habe deshalb für das gejammte Reich große Bedeutung und nicht allein für das Maurergcwerbe, sondern für alle Gewerbe und Industrien. Deshalb sei auch eine gemeinschaftliche Sitzung sämmtlicher Berliner Arbeitgebervereinigungen in Vor bereitung. Der Bund im Maurergewerbe umfasse jetzt schon 424 Mitglieder und erstarke täglich mehr. Maurer meister S ch v p p e - Magdeburg hielt alsdann einen Vor trag über den letzten Lohnkampf im Baugewerbe Magde burgs, der schließlich zu einem beide Theile befriedigenden Frieden von anscheinend längerer Dauer und zu einem festen Zusammenschluß Der fortwährend bedrängten Arbeitgeberschaft geführt habe. Maurermeister Gehricke theilte mit, daß die Verhandlungen mit den Mörtelwerken und Lieferanten von Baumaterialien einen sehr günstigen Verlaus nähmen. Director Gröning von den Vereinigten Mörtelwerken habe seine Unterstützung zugesagt, waS dieser bestätigte, was »bereinigen Herren nicht genügt, die, falls die Mörtelwerke weiter Mörtel liefern würden, mit der Gründung eines eigenen Mörtelwerkes drohten. Auch Director Maaß vom Syndicat der Stein- und Ziegelbrenner habe sich sehr sympathisch geäußert und ein Canell vorgeschlagcn, das bei Ausständen der Maurer und Ziegelstrcicher auf Grundlage der Gegenseitigkeit in Kraft zu treten habe. Beschlossen wurde einstimmig, den geplanten Arbeitsnachweis bald ins Leben zu rufen und an der bis herigen Taktik und den getroffenen Maßregeln festzuhalten. Es wurden mehrere Commissionen gewählt, die alle Fragen deS Streites zu bearbeiten haben. Von den Brandenburger College» ging während der Sitzung eine Sympathiekund gebung ein. Eine Störung erregte die Ausweisung deS Vertrauensmanns Silberschmidt von der socialdemo- kratiscken Centralorganisation, der sich unter dem Namen eines Fliesenlegers Horn mit dessen LegitimatiouSpapieren ein geschlichen und in die Listen eingetragen batte. Aufsehen erregten die Mittheilungen, daß in mehreren Fällen die Bau herren die Bauten von solchen Maurermeistern für eigene Rech nung sortsühren lassen, die ihre Arbeiter entlasten haben. Diesen soll auch der höhere Lohn bewilligt worden sein. Ueber ein Schreiben der Accordarbeiter vom Verein „Arbeiterschutz", die ihre Dienste anbietcn, wurde zur Tagesordnung über gegangen. In einem Rundschreiben, daS an Behörden, Zeitungen, Arbeitervereinigungen und interessierte Personen versandt worden ist, giebt der Arbeitgeberbund eine ein gehende Darstellung der Lage des AuSstandeS, seiner Ursachen und Anfänge. Das Schreiben und der Verlauf der heutrgen Versammlung läßt den Schluß zu, daß auf eine baldige Beendigung des Kampfes trotz aller Bemühungen nicht zu rechnen ist. * Berlin, 20. Juni. (Versetzung von richterlichen Beamten in den Ruhestand.) Der Bericht der Com mission des Abgeordnetenhauses über den Gesetzentwurf be treffend die Versetzung richterlicher Beamten in den Ruhe stand, verfaßt vom Abg. Stockmann (Göttingen), ist er schienen. Die obere Altersgrenze von 75 Jahren ist im tz 1 von der Commission beseitigt und die Möglichkeit früherer Pensionirung, jedoch frühestens mit dem Ablauf des 30. September 1899, geschaffen worden, indem das Warte geld drei Jahre lang von dem früheren Zeitpuncte ab bezogen werden kann. Justizminister vr. Schönstedt hatte um Ab lehnung der in diesen Beschlüssen zuGrunde gelegten Anträge ge beten. Die Staatsregierung habe im Entwurf den älteren Richtern weitgehendes Wohlwollen bereits gezeigt; er könne nicht die Aussicht eröffnen, daß daS Staatsministerium weiter gehen werde, als im Entwurf geschehen sei. Dieser Standpunct der StaatSregierung beruhe nicht sowohl auf finanziellen als materiellen Gründen. Der Umstand, daß so viele Richter noch im hohen Alter in ihrem Amte verharrten, beruhe darauf, daß mit Rücksicht auf daS unantastbare Privilegium derUnabsetzbarkeit den Richtern gegenüber daS Recht der Verwaltung, einen Beamten nach vollendetem 65. Lebens jahre obne Rücksicht auf Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, nicht bestehe. Im Interesse der Rechtspflege sei es keineswegs immer wünschenSwerth, daß Richter in so hohem Lebensalter in ihrem Amte verblieben. Dies geschehe auch viel weniger deS Staates wegen, als auS Gründen, die in den persönlichen Verhältnissen de» Richters lägen, und des halb sei es auch nicht durchweg richtig, daß diesen alten Richtern ihr Verbleiben im Amte als besonderes Verdienst anzurechnen sei. Es sei bedenklich, eine Prämie darauf zu setzen, daß die in Rede stehenden Richter in ihrem Amte so lange verblieben seien, indem man ihnen noch für weitere drei Jahre das volle Gehalt gewähre, ohne ihre Dienste weiter in Anspruch zu nehmen. Für diese alten Richter liege keine Härte darin, wenn sie im Falle ihres Eintritts in den Ruhestand auf die gesetzliche Pension beschränkt blieben. — Mr. HollS, einer der amerikanischen Delegirten zur FriedenSconferenz im Haag, ist heute Vormittag hier vom Staatssekretär deS Auswärtigen AmtS Staatsminister vr. v. Bülow empfangen worden. Da die amerikanischen Delegirten auf der FriedenSconferenz den englischen Vorschlag auf Einsetzung eines ständigen Schiedsgerichtshofes mit großer Wärme unterstützen, wird man wohl nicht fehl gehen mit der Annahme, daß dieser Besuch darauf abzielte, die Stellung der deutschen Regierung gegenüber diesem eng lischen Vorschlag kennen zu lernen und zu ermitteln, welche Aenderungen an demselben vorgenommen werden müssen, um die deutsche Zustimmung zu gewinnen. — Bekanntlich haben im Juli vorigen Jahre» im Reichs gesundheitsamte Berathungen über die Revision der Im Pfvorschriften stattgefunden. Auf Grund der damals gefaßten Beschlüsse wurden seitens der zuständigen Reichs behörde Vorschläge aufgestellt. Diese liegen dem BundeS- ratbe zur Beschlußfassung vor. Der Erlaß neuer Vollzugs vorschriften zum Jmpfgesetze steht nahe in Aussicht. — Der Bund der Industriellen hat angeregt, der gesammten deutschen Industrie in einem deutschen Jn- dustrieratbe eine Vertretung zu geben, ähnlich wie die Landwirthschaft, die einen LandwirthschaftSrath hat. — In Sacken des Gesetzentwurfes zum Schutze deS gewerblichen Arbeitsverhältnisses faßte der „JnnungS-Verband Deutscher BaugewerkSmeister" in seiner letzten Versammlung eine Resolution, welche er am Dienstag dem Reichstag und dem BundeSrath in Form einer Petition übersandte. ES heißt in derselben: „Der JnnungS-Berband hält fest an dem Grundsätze de» freien Vereinigung-rechte» zur Erzielung günstigerer Lohn- nnd Arbeitsbedingungen, er geht jedoch von der Ueberzeugung aus, daß solche sich innerhalb der Grenzen de» Erlaubten halten müße, aber nicht, diese überschreitend, dahin führen dürfe, durch Gewalthond- lungrn oder auf andere Weise in La» Recht de» Einzelnen au Arbeit »inzugreisrn, d. h. seine WillenSeotschließung durch Zwangsmittel dem Besammtwillen einer Mehrheit gefügig zu machen. Er hält dafür, daß der am 1. d. Mt». dem hohen Reichstage zugegangene Entwurf eine» Gesetze» zum Schutze de» gewerblichen Arbeit-Verhältnisse» im Principe von der gleichen Voraussetzung au-grht und La« gleiche Ziel im Auge hat. Weil in größerer Zahl Versammlungen von Arbeitern Resolutionen dahin gefaßt und wohl auch dem hohen Reichstage oder doch den ihren Absichten günstigen Parteien desselben zugrstellt haben, welch» be- zwecken, de» Entwurf zu verabschieden, ohu« ihn erst einer Com mission zur Durchberathung bezw. Verbesserung zu überweisea, so sieht der Janungt-Verbaud Deutscher vaugrwerk-meister sich veran ¬ laßt, auch feiten» der in ihm vertretenen Arbeitgeber de» Bausache» eine Gegenresolution dem hohen Hause mit der ebenso ehrerbietigen wie dringenden Bitte zu überreichen, hochgenrigtest in der ersten Lesung deu Gesetzentwurf nicht oblehnea, vielmehr beschließen zu wollen, denselben einer Commission zur Prüfung und eventuellen Besserung zu überweisen." — Einen Hauptcoup beabsichtigen die Gegner der Canalvorlage schon in der ersten Sitzung der auf den 23. d. Mts. zusammrnberusenen Commission auszuführen. Sie wollen nämlich die Einsetzung einer Enquetecom mission beantragen und glauben sich dabei auf Artikel 82 Der Verfassung berufen zu können, der besagt: „Eine jede kammer hat die Befugniß, behufs ihrer Information Com missionen zur Untersuchung von Tbatsachen zu ernennen." Sollte dieser Antrag in Der Commission durchgehen, so wäre Das fast gleichbeDeutend mit der Ablehnung der Vorlage, denn eine Euquetecommission über Canalfragen kann Jahr und Tag arbeiten. — Da in den Der preußischen Ostgrenze benachbarten russischen Grenzgebieten Die Pocken in beträchtlicher AuS- Debnung aufgetreten sind, so ist ministeriellerseits angeordnet worden, daß alle aus Rußland kommenden Arbeiter, welche in landwirthsckaftlichen oder industriellen Betrieben Beschäftigung sucken, sich vor ihrer Annahme zunächst einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen baden und, wenn sie ich nicht glaubhaft darüber auSweisen können, Daß sie inner- ialb Der letzten zehn Jahre geimpft sind, auch Der Schutz rockenimpfung unterworfen werDen müssen. Arbeitgeber, welche russische Arbeiter, ohne Daß Diesen Bestimmungen ge nügt ist bezw. sofort genügt wirb, in Beschäftigung nehmen, können nach ß 327 R.-St.-G.-B. eventuell yiit Gefängniß bestraft werben. — Erbprinz Danilo von Montenegro hat sich nach kurzem Aufenthalt in Berlin zunächst nach Wien begeben. — Der bisherige Gouverneur von Berlin, General der Kavallerie Graf v. Wedel, wird den Posten als Botschafter in Rom erst Anfang October antreten. — Der am hiesigen Hofe beglaubigte türkische Botschafter, General Tewfik Pascha, hat Berlin für einige Zeit verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Bot- chaftsrath Morel Bey als Geschäftsträger. — Der Kriegsminister v. Goßler hat die Garnison verlassen. — Der altenburgijche Be vollmächtigte zum Bundesrath, Staatsminister v. Helldorff, ist in Berlin eingetroffen. — Der Oberpräsident der Provinz Pommern, Staatsminister v. Puttkamrr, ist heute aus Stettin hier eingetroffen. — Der königl. sächsische Geh. Finanzrath a. D. Jencke, Mitglied deS Staatsrathes, hat sich nach längerem Aufenthalt von hier nach Kiel begeben. — Der Abgeordnete Eugen Richter hat sich zur Wieder herstellung seiner Gesundheit nach Wiesbaden begebtn. * Posen, 20. Juni. Auf dem 22. Deutschen Fleischertag erklärte Der Abgeordnete Vielhaben, mit Den südbeutschen Bauernvereinen sei ein Einvernehmen erzielt über an- zustrcbenDe Verbesserungen DeS Entwurfs eines Flei sch - schaugesetzeS. Das Centruu: werbe Diese Bestrebungen unterstützen. * Elberfeld, 20. Juni. Die Maurer und Zimmerer unserer Stadt sind in einen Lohnkampf eingetreten und haben erhöhte Lohnforderungen gestellt, sowie eine Herabsetzung der Arbeitszeit von lOVü auf 10 Stunden verlangt. Die Bau unternehmer bezw. Maurermeister haben Die ihnen gestellte Frist verstreichen lassen, ohne Die Forderungen zu bewilligen. Bei Den Zimmerern läuft Der EntscheidungStermin erst am 25. Juni ab. * M.-Gladbach, 20. Juni. Die hiesige Färber bewegung greift nach Rheydt und Odenkirchen über; in einer Odenkirchener Färberei ist Der Ausstand schon auS- gebrochen. In sämmtlichen Rbeydter Färbereien sollen am nächsten Sonnabend zehnstündige Arbeitszeit und 20 Wvchenlohn verlangt WerDen. * Gotha, 20. Juni. In der heutigen LandtagSersatz- wahl in Dem vielumstrittenen 14. Laudtagswahlbezirk wählten von 42 Wahlmännern 23 Den liberalen GasthofS- besitzer Jusatz in Großtabarz gegen Den Agrarier Kammer herrn v. Haeseler-Gotha. Die Socialisten stimmten für Jusatz. — Die Mittheilung der „Daily Mail", daß eine geheime Sitzung des Landtags wegen Der Erbfolge frage stattgefunden und in Dieser Sitzung Minister v. Strenge geäußert habe, Herzog Alfred werde wahrscheinlich noch in Diesem Jahre abdanken, ist, nach Der Versicherung DeS hiesigen „Volksblattes", Dessen Redacteur ebensowohl wie Der Verleger LandtagSabgeordneter ist, von Anfang bis Ende erfunden. * BreSlau, 19. Juni. Der Verband Der Deutschen Schub- und Schäftefabrikanten hielt gestern unter dem Vorsitz DeS Commerzienratbs Manz-Bamberg seine au- allen Theilen Des Reiches beschickte diesjährige Hauptversamm lung ab. DaS ReichSamt Des Innern hatte einen Vertreter entsendet, Der speciell in Der Frage Der HanDelsverträge Fühlung mit Dem Verband nahm und sick Gutachten für Die Fragebogen, Die Erhebungen in Den beiden Branchen betreffend, erholte. Den breitesten Raum Der sechsstündigen, interessanten Verhandlungen nahm Die Arbeiterfrage ein. Der Verband erklärte sich gegen Die sogenannte Zuchthausvorlage, Da er stets die Coalitionsfreiheit hochgehalten habe und keine Derartige Beeinträchtigung Der Coalitionsfreiheit billigen könne. Er halte die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für aus reichend und füble in seiner Vereinigung Die Kraft, etwaige Uebergriffe zurückzuweisen. Als Ort Der nächstjährigen Haupt versammlung wurde Straßburg i. E. gewählt. * Darmstadt, 20. Juni. Die Besserung in Dem Befinden DeS Großherzogs ist soweit fortgeschritten, daß er bereits am Sonntag auf einige Zeit daS Bett verlassen konnte. * Heidelberg, 20. Juni. Eine Abtheilung Heidelberg des Deutschen FlottevvereinS hat sich soeben hier constituirt. Vis. Stuttgart, 19. Juni. Der seit längerer Zeit an gekündigte Gesetzentwurf über da» sogenannte Umgeld ist heute erschienen. Es handelt sich Dabei um eine Erleichterung Der in Procenten DeS Ausschanks oder Verkaufserlöses er hobenen Weinsteuer. Der Entwurf steht auf Dem Stand- puncte. Daß DaS Umgeld für Die württembergischen Verhält nisse Die relativ beste Besteuerungsform DeS Wein» und DeS ObstmostS sei und Daß Die Erträgnisse DeS UmgelDS für Den Staatshaushalt unentbehrlich seien. Was Der Entwurf bietet, sind bedeutende Erleichterungen Der Controlen und sonstige Erleichterungen, Die Dazu Dienen, DaS Verfahren zu verein fachen, Den Anlaß zu Beschwerden und Differenzen zu be seitigen und DaS Vertrauen Der Abgabepflichtigen zu Der Steuerverwaltung zu heben. Frankreich. Sur Lage. * Pari», 20. Juni. Ein erregter Zwischenfall er eignete sich beute AbenD in Der Rue Royale. Der anti semitische Deputirte für Constantine, MorinauD, sprang auS seinem Wagen in den DeS vorüberfahrenden socialistische» Deputaten Rouanet und ohrfeigte ihn, indem er ibm zurief: „Dies ist Die Antwort aller Algerier!" Rouanet, Der völlig verblüfft war, ver suchte seinem Angreifer einen Hieb mit Dem Stock zu ver setzen, traf ihn jeDoch nicht. Sodann zog er einen Revolver heraus, indem er Morinaud einen Gauner nannte. MorinauD erwiderte, er solle nur schießen, er sei ein Feigling. Schließlich trennte Der Kutscher Rouanet'» Di« Gegner und trieb Die PferDe zum Weiterfahren an. * Haag, 21. Juni. (Telegramm.) Auf Die Berufung De» PräsiDenten Loubet ist Bourgeoi» gestern nach Pari abgereist. * Pari-, 21. Juni. (Telegramm.) Die meisten repu- blikanischen Blätter Der verschiedenen Parteirichtungen, ab gesehen von denen, die streng der Richtung Mslmr'd an gehören, erklären, daß sie bereit seien, ein Ministerium Bourgeois obne Rücksicht auf die Zusammensetzung zu unterstützen. In parlamentarischen Kreisen wird em MinisteriumBourgeoi», Poincars, Waldeck-Rousseau für nicht unwahrscheinlich gehalten. Mehrere Blätter be zweifeln, daß Bourgeois ernstlich beabsichtige, die Bildung de» Cabinet» zu übernehmen. Italien. Tepntirtenkammer * Rom, 20. Juni. Nach Beantwortung mehrerer An fragen untergeordneter Art und Constatirung der Beschluß unfähigkeit de» Hauses wird Die Sitzung aufgehoben. Gvanierr. Die Anarchisten von Monjuich. * Madrid, 21. Juni. (Telegramm.) In Der gestrigen Sitzung DerDeputirtenkammer verlangte Pi hMargall Die Revision De» ProcesseS Der Gefangenen von Mon juich. ES wurde kein Beschluß gefaßt. Rußland. Finnische». * Petersburg, 20. Juni. Großfürst Wladimir ist nach Vornahme militärischer Besichtigungen in Wiborg, Helsing- forS und Tawastebus gestern AbenD zur Fortsetzung Der Besichtigung nach Abo abgereist. Der Großfürst, der von Der Bevölkerung überall glänzend empfangen wurde, sprach den von ihm besichtigten Truppentheilen seine volle Zufrieden heit au». Orient Agrarische Unruhen. * Bukarest, 21. Juni. (Telegramm.) Gestern suchten etwa 1500 Landleute, wie Die „Agence Roumaine" be richtet, in die Stadt Slatina einzudringen unter dem Vorwande, sie wollten gegen Die Dortige Deputirten- wabl Einspruch erheben, bei Der ein gewisser wegen anar chistischer Umtriebe aus Frankreich auSgewiesener Pitesti unterlegen war. Die Bauern griffen DaS herbeigeholte Militär mit Steinen, Stöcken und Revolvern an, wobei mehrere Soldaten verletzt wurden. Die Truppen feuerten schließlich auf Die Angreifer, von denen mehrere, Darunter einige tödtlich, verwundet wurden. Die Urheber Der Unruhen sind verhaftet. Bulgarische Adretzdebatte. * Sofia, 81. Juni. (Telegramm.) Vor Beginn DerAdrcß- Debatte in Der Sobranje beantragte ein Deputirtrr von Der Partei RadoSlawow'S, Das Haus zu befragen, ob es in Das auf unparlamentarischem Wege in's Amt gelangte Cabinet Vertrauen setze. Dir Minister Grekow und RaDoslawow sprachen gegen Den Antrag. Schließlich votirte Die Sobranje Der Regierung ihr Vertrauen. Afiett. Philippinen * New Kork, 20. Juni. Der hiesige „HeralD" meldet. Daß Die Amerikaner Den Rückzug antraten nach Dem Treffen mit Den Filipinos bei RcmuS. Der Verlust Der Amerikaner betrug 40 Todt» und VerwunDete. Afrika. Englische Kriegsvorbereitungenk * Eapstadt, 20. Juni. (Reuters Bureau.) Die hiesigen Militärbehörden haben Die Verträge auf bestimmte Lieferungen für Das Militär einstweilen aufgehoben, mit Der BegrünDung, daß Die Regimenter sich bereit halten müßten, auf kurzem Befehl EapstaDt zu verlassen. Ein anderes Anzeichen für Vorbereitungen zum activen Dienste ist, daß Die Detachements Des Lancashire-RegimentS in Wynberg unD Stellenbosch sich mit Dem Regimente in CaptstaDt vereinigt haben. * Loudon, 12. Juni. (Telegramm.) Den „Times" wird auS Capstadt unter Dem gestrigen Tage berichtet: Alle Führer Der Fortschrittspartei in der Capcolonie unter stützen Den Gouverneur Milner. Hofmayr und Schreiner weigern sich, ihre Ansichten bekannt zu geben, weil, wie Hof mayr angiebt. Dies Den von ihm und AnDeren gemachten Anstrengungen zur Herbeiführung einer alle Theile be- friedigenDen Regelung Der Dinge hinDerlich sein könnte. Amerika. Russisch-nordamerikanische Verhandlungen. I. 6. New Kork, 18. Juni. Die angestreote Verstän digung zwischen Rußland und Den Vereinigten Staaten, betreffend Die ostasiatischen Fragen, befindet sich augen blicklich im Stadium Der Vorbesprechungen. Nord amerika wünscht von Rußland zunächst Die Zustimmung zur Erwerbung eines Hafenplatzes an Der chinesischen Küste zu erlangen. Diesen Plan verfolgt Mac Kinley schon seit Dem Friedensschlüsse mit Spanien und hatte Die Durchführung nur wegen Der auf Den Philippinen enstandenen Schwierigkeiten verschoben. Sodann verlangt Nordamerika von Rußland Die Anerkennung mehrerer BergwerkSconcessionen und einer Eisenbahnconcession, welche amerikanische Staatsangehörige in Korea erworben hatten, Die aber in Folge russischen Einspruchs widerrufen worden war. Bezüglich der Robbenfrage erstreben Die Vereinigten Staaten die Zuerkennung Der obersten Polizeiaufsicht über Die Robbensischerci an Nordamerika, welches Recht bisher von Canada und England aufs Schärfste bekämpft wurde. — Als Gegenleistung wünscht Rußland Die Abtretung eines FlottenstützpuncteS auf Den Philippinen. Militär und Marine. * Die österreichischen Kaisermauöver in Der Gegend von Bühmisch-Lripa finden in Der Zeit vom 30. August bis zum 2. September d. I. statt. Das Goethefest der Leipziger Finkenschaft. Leipzig, 21. Juni. Am gestrigen AbenD fand in Der Albert- Halle Des Krystall - Palastes unter zahlreicher Betheiligung ein akademisches „Goethefest" statt, welches von Der hiesigen „Jinkenschast" aus Anlaß Des bevorstehenDen 150. Geburts tages Goethe's veranstaltet worben war. Jllustre Kräfte hatten sich in Den Dienst Dieser schönen Feier gestellt, welche Den Beweis erbrachte. Daß es Goethe unvergessen bleibt. Daß er Dem scheidenben Jahrhunbert einst den Stempel seines Geistes auf gebrückt hat. Ein schwungvoller, ideenreicher „Prolog" Heinrich Bulthaupt's, markig gesprochen von Dem Vorsitzenden Des Goetheausschusses Der Leipziger Finkenschaft, Herrn vr. Max Poensgen, leitete Das Fest in würdiger Weise «in. Dann folgte eine vollendete Wiedergabe Der klassischen Ouvertüre zu „Egmont" von Beethoven seitens Der verstärkten Capelle des 134. Regiments unter Leitung Des Herzog!. General - Musik- dir«ctors Herrn Fritz Steinbach-Meiningen, Dessen energische, belebende Führung viel zum Gelingen Des WerkeLVbei trug. Die Festansprache hielt Herr Professor vr. Albert Köster, welcher ein Bilb Der Entwickelung Des jungen Goethe gab und Die 'Lsbensschicksale Des Dichters bis zur Rückkehr von Straßburg lebenbig schikbe.te. Er verglich in Der Einleitung Goethe mit BiSmarck und hob hervor, Daß hinsichtlich Goethe'», wie eS auch bei Biimarck Der Fall sein werbe, erst Die Zukunft gelehrt habe, wie groß sein Verlust war, Den sein Tob mit sich brachte. DaS Deutsche Volk ist heute von Der Denkart Goethe's Durchdrungen, Darin liegt seine Unsterblichkeit auf Erben. Ein Denkmal für Goethe müßte eigentlich ein „GötOrbild" sein. Zwei Universitäten haben sich gerüstet, Dem Dichter an seinem 150. Ge-
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