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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990629010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-29
- Monat1899-06
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Trübere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernja» »ach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung SO.—, mit Postbefürderung 70 — RnuahMschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Margeu-AuSgabe: Nachmittag» »Uhr. vei den Filialen und Aunahmestellen je eine halb« Stund« früher- Anzeige» find stet» au di« Expedition zn richte». Druck und Verlag von L. Polz tu Leipzig. 325. Donnerstag den 29. Juni 1899. 83. Jahrgang. Ranftsche Gasse 6 Herr Lrledr. Isolier, Colonialwaarenhandlung, Ranftädter Steinweg 1 Herr 0. Lnxelwami, Colonialwaarenhandlung, Schützenstrabe 5 Herr dul. 86l»üm1( Iien, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr L. vittricb, Cigarrenhandlung, Aorkstrahe 32 (Ecke Berliner Straße) Herr L. VV. Llotr, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Stratze 3» Herr V. LÜ8ter, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr kl. kirütLwami, Zschochersche Straße 7», - Reudnitz Herr Luxmanu, Marschallstraße I, - - Herr 0. 8okmltlt, Kohlgartenstraße 67, - - Herr Leinli. Isseder, Mützengeschäft, Leipziger Straße 11, « Thonberg Herr R. Ü!iut8ob, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdors Herr Oeoi'ß Riemann, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). Im Interesse rechtzeitiger und vollständiger Lieferung des Leipziger Tageblattes wollen die geehrten Leser die Bestellung für das III. Vierteljahr 1899 baldgefälligst veranlassen. Der Bezugspreis beträgt wie bisher vierteljährlich für Leipzig 4 50 mit Bringerlohn für zweimaliges tägliches Zutragen 5 50 durch die Post bezogen für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn 8 In Leipzig nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, die Hauptexpedition: JohanniSgaffe 8, die Filialen: Katharinenstratze 14, Königsplatz V und Universitätsftratze 8, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstrasre 35 Herr L. 0. LLtvI, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr Leter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 53 0. L. 8oLud6rt'8 Ruoksolxer, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstr.-Ecke) Herr Otto LIaut86llke,Colonialwaarenhandlung, Löhrstraste 15 Herr Lduurd Letror, Colonialwaarenhandlung, Naschmarkt 3 Herr L. Ö. 8oI»ulLe, Nürnberger Straste 45 Herr Ll. L. Aldreellt, Colonialwaarenhandlung, in 3lnger-Crottendors Herr Lodert 6re!ner, Zweinaundorfer Straße 18, - Connewitz Frau Lieder, Hermannstraße 23, - Eutritzsch Herr Lodert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Lodert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Herr widert Lindner, Wettiner Str. 51, Ecke Waldstr., Buchbinderei, - Neustadt Herr Luul Luek, ^nnoneen-Lxpeltition, Eisenbaknstraßc 3, Studentenschaft und Polizei in Halle a. S. > * Die Hallenser Studentenschaft erläßt zur Aufklärung über die Vorgänge beim Fackelzugr am 21. Juni zur Ehrung des Andenkens an den Fürsten Bismarck folgende Mittheilung an die Presse: „Gemäß den Beschlüssen des Hamburger Vertretertages hatte die Hallenser Studentenschaft am 21. Juni eine Bismarckgedächtnißfeier durch einen Fackelzug zu veranstalten beschlossen. Den Mittel- punct dieser Feier sollte ein Kaiserhoch und eine Bismarck rede auf dem Marktplatze bilden. Nachdem der Studenten, ausschuß von der Polizeibehörde bis zum letzten Augenblicke hingehalten war, wurden schließlich Kaiserhoch und BiSmarckreLe verboten. Auch Vorstellungen beim Herrn Oberbürgermeister fruchteten nichts, vielmehr wurden die drei Vertreter des Studentenausschusses, die sich in letzter Stunde noch persönlich an den Herrn Oberbürgermeister wandten, von diesem in barscher Weije in Gegenwart von Zeugen in einem öffentlichen Locale abgewiesen. Begründet wurde das Verbot mit dem Hin- weis auf zu erwartende socialdemokratische Gegenkund gebungen, die zu verhindern der Polizeibehörde eine genügende Anzahl von Schutzleuten nicht zur Verfügung stände. Die Ver hinderung mit Lieser Begründung mußte in der Oesfentlichkeit um somehr Aussehen erregen, als das Programm des Fackelzuges schon Lurch die Halleschen Zeitungen gegangen war. Als trotzdem von einem Theilnehmcr deS FackelzugeS am Schlüsse desselben aus persönlicher Initiative ohne Auftrag des Ausschusses der Versuch gemacht wurde, ein Kaijerhoch auszubringen, wurde dies sofort von einem Polizeibeamten verhindert. Von der ver- spätcten Erlaubniß, ein Kaiserhoch ohne jede Rede ausbringen zn dürfen, konnte nicht mehr Gebrauch gemacht werden. Statt dessen wurde in der zwei Tage daraus stattfindenden Sitzung deS Studenten- auSschusseS beschlossen, rin ErgebenheitStelegramm an Sc. Majestät abzuschicken. Damit in Zukunft ähnliche Vorkommnisse ausgeschlossen sind, hat der Ausschuß der Hallenser Studentenschaft eine dahingehende Beschwerde an den Herrn Regierungspräsidenten gerichtet." Auf diese Mittheilung schildert die „Saale-Ztg." nach „persönlichen Erkundigungen an zuständiger Seite" den Ver lauf der Angelegenheit folgendermaßen: Seiner Zeit kam der Leiter des Studenten-Ausschusses zum Herrn Polizei-Oberinspector Weydemann mit dem Ersuchen, der Studentenschaft einen Fackelzug zu gestatten. Die Erlaubniß wurde bcreitwilligst ertheilt, ohne daß bei der Unterredung einer Bis- marckrede auf dem Marktplätze und eines Kaiserhochs Er- wähnung gethan wurde. Schwierigkeiten bereitete nur die Bestimmung deS Platze», an dem die Fackeln zusommengeworfen werden konnten, da der Rastplatz wegen der schon aufgebauten Buden zum Jahrmarkt am nächsten Tage keinen Platz bot. Ohne daß die Polizei irgendwie Veranlassung dazu gehabt hätte, bemühte sie sich, einen geeigneten Platz ausfindig zu machen, und fand ihn nach Verhandlungen mit dem Garnisoncommando auf dem Platze zwischen Nordsried hof und Casrrne. Diese Verhandlungen nahmen allerdings mehrere Tage in Anspruch und hätten sich vollständig erübrigt, wenn der Studentenausschuß au» eigenem Antrieb irgend einen geeigneten Platz offerirt hätte. Als das Resultat dieser Verhandlungen dem Leiter deS Fackelzuges mitgetheilt wurde, kam dieser mit dem Ersuchen, eine BiSmarckrede und ein Kaiserhoch auf dem Marktplatz ge- statten zu wollen. Diese Erlaubniß wurde nicht ertheilt, und zwar aus folgenden Gründen: ES erschien glaublich, daß der Sprecher Seitenhiebe auf die Socialdemokraten anzu- bringen versuchen würde, wa» nur unliebsame Gegenkundgebungen derselben veranlaßt hätte. Diese zu vermelden, ist Pflicht der Polizei; rS war also nicht Furcht, solche nicht unterdrücken zu können, sondern nur die Absicht, andere Bürger der Stadt nicht unnöthiger Weise provociren zu lassen. Außerdem er- schien dir Zeit um 11 Uhr Nacht» durchaus nicht geeignet, Reden auf öffentlichen Plätzen zu gestatten; mindesten» hätte der Verkehr auf längere Zeit Unterbrechung erlitten, und di« Anwohner wären in ihrer Nachtruhe gestört worden. Auf der Polizei wurde dem Leiter außerdem noch anheim gegeben, gleichwie in anderen Städten die Studenten es mochten, sich nach dem Fackelzuge in rin geschlossene» Local zu begeben, um dort di« Reden und Hoch» au»zubringen. Die Polizei werde dafür sorgen, daß unruhige Elemente keine Störung derselben verursachten. Mit diesem Bescheid gab sich der Leiter des Studenten« Ausschusses zufrieden und trotzdem geschah der unliebsame Auf tritt auf dem Noßplatze. Dem aufsichtführenden Polizei-Oberiuspector erschien die Einleitung der Rede auf dem Roßplatze, welche eine Kritik der polizeilichen Maßnahmen zum Ausgangspunkt hatte, nicht derartig, als daß sie in ein Kaiserhoch hätte auSklingen können; er verbot deshalb aus Grund des Vereinsgesetzes Las weitere Reden. Der Student antwortete darauf, daß er ein Bismarckhoch, nicht ein Kaiserhoch auSbringrn wollte. Der Beamte ertheilte nun auf eigene Verantwortung noch die Erlaubniß, in knapper Form «in Hoch auf den Kaiser auszubringen. Es wurde jedoch daraus verzichtet. Daß die Vertreter des Studenten-Ausschusses, anstatt im Amtszimmer mit dem Herrn Oberbürgermeister Rücksprache zu nehmen, ihn in der Gaststube deS Hotel» „Stadt Hamburg" über die Sache interpellirten, erschien nach gesell schaftlichen Begriffen demselben ungeschickt und wohl zu einer barschen Abweisung gerechtfertigt. AuS beiden Darlegungen geht hervor, daß derStudenten- qusschuß mehr als einen Fehler gemacht hat. Er hätte, als er mit dem Ersuchen um Genehmigung der Feier an die Polizeibehörde sich wendete, dieser sofort daS ganze Programm vorlegen sollen; er hätte eS weiter vcrmeiven müssen, den Oberbürgermeister in einem öffentlichen Locale zu inlerpel- liren, und hätte endlich, nachdem einmal Kaiserhoch und Bismarckrede verboten worden waren, die Pflicht gehabt, jeden Versuch, dieses Verbot zu übertreten, seinerseits im Keime zu ersticken. Aber diese Fehler waren, wie auS der polizei-officiösen Kundgebung bervorgeht, ohne Einfluß auf die Gründe, auS denen die Erlaubniß zur BiSmarckrede und zum Kaiserboch auf offenem Platze versagt wurde. Der erste Grund war der Verdacht, „daß der Sprecher Seitenhiebe auf die Social demokraten anzubringen versuchen würde". Ueber die Be gründung dieses Verdachts bätte man sich leicht durch Be fragung des designirten Sprechers überzeugen können; und hätte Letzterer zu der Absicht eines solchen SeitenhiebeS sich bekannt, so hätte man ihm bemerklich machen können, daß von dem Verzicht auf diese Absicht dir Genehmigung des Redens abhängig sei. DaS ist unterblieben, und zwar, wie man anzunehmen gezwungen ist, weil die Polizei schon eine auf öffentlichem Platze ohne Seitenhiebe auf die Social demokratie verlaufende Rede für eine uunölhige Provocalion der Socialdemokratie hielt. Diese Annahme liegt auch deshalb nahe, weil die Polizei Reden und Hochs nach dem Fackelzuge in einem ge schlossenen Locale züließ. Auch hierbei war ja die Mög lichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Socialdemokratie sich pro- vocirt fühlen und vor dem Locale in demselben Augenblicke, in dem drinnen BiSmarckrede und Kaiserhoch „stiegen", ein Hoch auf die internationale revolutionäre Social demokratie ausbringen würde. Aber in diesem Falle hätte sich die einschreitende Polizei gegen socialdemokratische Vorwürfe mit dem Hinweise auf daS Verbot der öffentlichen studentischen „Provokation" decken können. Auch der Hinweis darauf, daß die Zeit um 11 Uhr Nachts nicht zu Reden auf öffentlichen Plätzen sich eigne, da der Verkehr auf längere Zeit unterbrochen werde und die Anwohner in ihrer Nacht- ruhe gestört werden könnten, ist nicht dazu angetban, die Annahme zu entkräften, da« Verbot habe seinen Haupt grund in der zu ängstlichen Rücksichtnahme auf die social demokratische Empfindlichkeit. Denn wenn auf dem Markt platze in Halle der Verkehr um 11 Uhr Abends durch eine Rede und ein Hoch gestört werden kann, so kann doch durch dieselbe Rede und dasselbe Hoch die Nachtruhe der An wohner nicht empfindlich beeinträchtigt werden; tbun aber ein: Rede und ein Hoch der Nachtruhe der Bewohner einer Universitätsstadt wirklich Abbruch, dann kann «S mit dem Verkehr um 11 Uhr Abends nicht weit her sein. AuS alledem ist man, wie gesagt, zu der Annahme ge zwungen, der Hauptgrund der Verweisung der für einen öffentlichen Platz geplanten studentischen Redekundgebung in ein geschlossenes Local liege in einer zu großen Rücksichtnahme aus die Empfindlichkeit und den Terrorismus der Social demokratie. Begegnet man dieser Rücksichtnahme doch nicht nur bei vem Herrn Pfarrer Nau mann und seinen national socialen Freunden, sondern auch in immer weiteren Kreisen, die durch ein überspannte« Gerechtigkeitsgefühl sich verleiten lasten, den national und monarchisch gesinnten Elementen zarte Rücksicht auf die Rücksichtslosigkeit der internationalen und antimonarchischen Socialdemokratie zuzumuthen. Und giebt man doch in Preußen an sehr hohen Stellen durch die peinliche Beflissenheit, den Evangelischen rücksichtsvollste Schonung der ultramontanen Schonungslosigkeit zur Pflicht zu macken, ein Beispiel, das nur zu sehr geeignet ist, die Naumann'sche Behandlung der Socialdemokratie als nach- ahmenSwerlb erscheinen zu lasten. AuS diesem Grunde ist eS wünschenSwerth, daß die An gelegenheit noch vor eine andere Instanz als vor den Re gierungspräsidenten kommt. DaS preußische Abgeord netenhaus und die preußischen Minister haben allen Anlaß, sich über die Frage zu äußern, wie weit staatStreue monarchische Kundgebungen auS Rücksicht auf die Möglichkeit einer staatSfeindlich-antimonarchischen Gegenkundgebung durch behördlichen Einspruch zu beschränken sind. Deutsches Reich. /?. Berlin, 28. Juni. (Verdächtigungen.) Die „Kreuz zeitung" benutzt eine phrasenreiche Rebe des greisenhaften Herrn Liebknecht dazu, sich an den — Nationalliberalen und dem Centrum zu reiben. Herr Liebknecht batte gesagt: „Ich getraue mir, in kurzer Zeit, wie jetzt Loubet in Frank reich, ein Ministerium aus unseren Reihen zu bilden, daS die Posadowsky, Brefeld rc. bei Weitem überragt." Hierzu macht die „Kreuzztg." die sinnige Bemerkung: „Wie wäre es also mit Herrn Liebknecht als Reichskanzler; vielleicht überlegen sich Centrum und Nationalliberale diese Combi nation?" — „Wär'der Gedanke nicht verflucht gescheidt, man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen." An sich ist ja diese Bemerkung nichts als eine tbörichte Redensart, aber sie ist beachlenSwerth, weil sie den Zweck zu haben scheint, die im Reichstage ausschlaggebenden Parteien „oben" zu verdächtigen. Man soll an böchstcrStelle darauf aufmerksam gemacht werden, wohin eS mit dem Vaterlande kommen würde, wenn die National liberalen und daS Centrum im Reichstage die Entscheidung besäßen und Vorlagen, wie das „ZuchthauSgesetz" ungnädig behandelten. Selbst wenn die Regierungsvorlage vollständig abgelehnt wird, so braucht man sich noch lange nicht vor einem Ministerium Liebknecht zu fürchten: eine solche Be» sorgniß kann wohl nur in überhitzten Gemütbern spuken. Wenn aber die Vorlage unbesehen angenommen worden wäre, und wenn Alles nach den Köpfen Derer um die „Kreuzrtg." ginge, so brauchte ein Ministerium Freiherr von Wangenheim oder Graf Kanitz keineswegs ein Phantasiegebilde zu sein. Und in diesem Sinne war eS vielleicht ganz gut, den Männern von der Regierung und noch höheren Stellen einmal recht drastisch vor Augen zu führen, daß die conservativen Parteien im deutschen Reichstage für sich allein völlig ohnmächtig sind, und daß eS sich für eine Regierung nicht empfiehlt, sich immer nur aus diesen Reihen zu recrutiren. Außerdem könnte sich ja die gute „Kreuzztg." noch etwas gedulden, ebe sie ihre Verdächtigungen ausspricht. Wenn eö auch sicher ist, daß die Regierungsvorlage nicht zustande kommt, so ist e» noch lange nicht sicher, daß überhaupt nichts zustande kommt. Im Uebrigen widerspricht die „Kreuzztg." sich selbst. Vor einigen Tagen bat sie der Regierung die bittersten Borwürfe gemacht, weil sie die Vorlage in dieser Form eingedracht habe: „Es ist leider mehr und mehr Brauch der Regierung geworden, den Parlamenten im Reiche wie in Preußen ohne vorherige Fühlung mit den Parteien Vorlagen zu überweisen ... Hätte man in der Frage de- Arbeits willigen-Schutzes vorher die nötbige Fühlung gesucht, bätte man alsdann gefunden, daß die Vorlage auf heftigen Wider stand einer großen Mehrheit stoßen würde, so würde man die Einbringung sicherlich vermieden oder aus einen günstigeren Zeitpunkt verschoben haben." Wenn also die „Kreuzztg." am Sonntag dieser Meinung war, warum verhöhnt und ver dächtigt sie dann am Dienstag die Parteien, die die Re gierung in nachdrücklicher Weise auf den von ihr begangenen Fehler aufmerksam gemacht haben? Di« „Kreuzztg." will eben gern nach zwei Seiten Nasenstüber auStheilrn: einmal einer Regierung, die nicht nur den Agrariern genehme Vor lagen einbringt, sondern auch Canalvorlagen und dergl., und zweitens den Parteien, die eine conservative Alleinherrschaft zu verhindern imstande und gewillt sind. * Berlin, 28. Juni. (ZumneuenCurStnBayern.) Unter vorstehendem Titel schreiben die „Münch. Neuest. Nachr.": „Die Anzeichen, daß bei uns in Bayern rin neuer Wind weht, I mehren sich langsam aber sicher. Einen neuen Beleg hierfür I bringen wir in Folgendem: Die dem Lehrstoff der 9. Claffe ent- I nommene Aufgabe au» der katholischen Religionllehre für da» Absolutorium an den bayerischen Realgymnasien lautete in diesem Jahre: „Kennzeichen der wahren Kirche. Die katholische Kirche hat diese Kennzeichen, dieSectenhabensienicht." Daß die römisch-katholischen Abiturienten die „Kennzeichen der wahren Kirche" angeben sollen, dahinter finden wir nicht das Geringste. Auch hat wohl Niemand etwas dagegen einzuwenden, wenn von dem römisch-katholischen Schüler der Nachweis gefordert wird, daß die katholisch« Kirche diese Kennzeichen habe. Selbst die Forderung des Nachweises, daß andere christliche Confessionen diese Kennzeichen nicht an sich tragen, finden wir, wenn wir uns auf den römisch-katholischen Standpunkt stellen, noch begreiflich. Aber daß man eS heute wagt, sämmtliche nicht-römisch-katholische Confessionen — denn daß die Worte „die Serien" so und nicht anders zu deuten sind, steht doch wohl unzweifelhaft fest — in einem vom bayerischen CultuSministerium wenn auch nicht gerade verfaßten, so doch gebilligten, amtlichen Schriftstück „Serien" zu nennen, das verstößt klar und deutlich gegen Rechte anderer christlicher Confessionen in Bayern, insbesondere gegen die Rechte der ein Dritttheil der Bevölkerung ausmachenden Protestanten Bayerns, deren Religionsgemeinschaft verfassungs mäßig die Bezeichnung „protestantische Kirche" zukommt. Den Herren, denen die oben genannte Aufgabe ihre Entstehung ver dankt, erlauben wir uns in's Gedächtniß zurückzurufen, daß laut allerhöchster Entschließung vom 28. October 1824 Ziffer 13 ver ordnet ist, daß in allen öffentlichen Acten der Ausdruck „pro testantische Kirch«" zu gebrauchen ist. Im Interesse des konfes sionellen Friedens unter den Schülern unserer Mittelschulen, der durch weitere Acte solcher offenkundigen Intoleranz bedenklich ge stört würde, und im Interesse sämmtlicher nicht-römisch-katho lischer christlicher Confessionen Bayerns, denen an Zurückweisung römischer Hebelgriffe etwas gelegen sein muß, möchten wir die Hoffnung und Erwartung aussprechen, daß das jedenfalls in erster Linie dazu berufene protestantische Obercon- sistorium beim königl. Cultusministerium geeignete Schritte thun wird, um eine Wiederholung ähnlicher Anmaßungen fern zuhalten." O Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Der Reichskanzler empfing, wie dir „Nordd. Allg. Ztg." meldet, heute Vor mittag den chinesischen Gesandten Lü-Hai-Huan, der dem Reichskanzler im Auftrage der Kaiserin-Witlwe von Cbina die Insignien der zweiten Stufe der ersten Claffe des LrdenS vom doppelten Drachen überreichte. (-) Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Der Chef der Marinestation der Nordsee, Viceadmiral Karcher, ist zum Admiral und Generalarzt Gntschow zum Generalstabsarzt der Marine befördert worden. (D Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Wieder „Reichs anzeiger" meldet, ist der Generalleutnant zur Disposition Werner Otto, bisher Commandeur der 7. Division, geadelt worden. (-) Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" meldet: Der Vortragende Rath im AuSwärtigeu Amt Wirkl. LegationSratb Klehmet ist zum Geheimen LegationSrath ernannt worden. H Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Der vnndeSrath bat in seiner heutigen Sitzung dra Entwurf de» Hypo- IbekenbankgesetzeS und den Entwurf deS Jnvaliden- versicherungSgesetzeS in der im ReichStnz beschlossenen Fassung angenommen. Die Zustimmung wurve ertheilt den AuSschußberickten über die Gesetzentwürfe für Elsaß-Lotbringen, betr. die Pensionsbestimmungen für Richter, betr. das Rechts- verbältniß für Lehrer, betr. den Güterstaud der zur Zeit deS Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehenden Ehen, betr. die Aufhebung von Landesgesrtzen, betr. die Notariats gebühren, betr. daS GrrichtSkosteagesetz für Elsaß-Lothringen und betr. die Feststellung eine» Nachtragsetat» zum HauS- haltSetat für Elsaß-Lothringen für 18SV. (-) Berlin, 28. Juni. (Telegramm.) Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Nachdem zu dem Uebereinkommen vom 12. Juni 1899 über den verkauf der Caroline» und der sonstigen Spanien noch verbliebenen Südsee-Jnseln an Deutschland die spanischen Corte« ihre Zustimmung gegeben und in Deutschland der BundeSrath und der Reichstag die zur Ausführung erforderlichen Mittel bewilligt haben, wird dem Vernehmen nach die Ratification de» Abkommen» nunmehr möglichst beschleunigt werden. Hierdurch wird die Aussicht eröffnet, daß die gleichzeitig zwischen Deutschland und Spanien über wechselseitige meist degüustigte Behand lung der Waarenetnfuhr getroffene Vereinbarung, die vom BundeSrath und vom Reichstag angenommen worden ist, noch Anfang Juli 1899 in beiden Ländern in Kraft treten wird.
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