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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-08-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189508308
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18950830
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18950830
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-08
- Tag1895-08-30
- Monat1895-08
- Jahr1895
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 30.08.1895
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138 Die Fabrik wuchs, wurde größer und größer, und als T öring nun eine wichtige Erfindung im Maschinenfache machte, welche ihm für die ganze Welt patentirt wurde, war der Grundstein zu den enormen Reichthümern und den ausge dehnten Werken gelegt, welche Döring einen Weltruf ver- fchaften. Es ging damals zwar in eingeweihten und ihm näher stehenden Kreisen das Gerede, die Erfindung an der Dampfmaschine, welche so großes Furore gemacht hatte, sei richt ganz seiner eigenen Idee entsprungen oder einer seiner Ingenieure habe sie zu gleicher Zeit gemacht und sei von Döring überholt worden, doch alle diese Gerüchte schwiegen bald. Ter Fürst verlieh dem Großindustiellen den Titel .Geheimer Commerzienrath," Döring wurde bei Hose einge- sührt, und alsbald darauf ein größeres Fest am Hofe be gangen wurde, bei welchem Döring sich besonders auszeichnete, wurde ihm der erbliche Adel zu Theil. Run war der vom armen Jnstrumentenmachersohn bis zum Besitzer großartiger Werke und Maschinenfabriken empor gestiegene Wilhelm Döring am Ziele angelangt. Und den größten Theil dieser glänzenden Laufbahn hatte seine treue und kluge Gattin mit ihm zusammen zurückgelegt. Es war rin wahrhaft ungetrübtes Glück, welches diesen beiden Menschen lachte, da noch zwei prächtig sich entwickelnde Söhne dieses Glück vollendeten, Franz und Hellmuth, von denen der erstere des Vaters Fabriken mitleiten, der jüngere aber in Leipzig Staatswisjen jchast studiren sollte. Als Döring dann noch, da er ein warm klopfendes Herz in der Brust und Mitgefühl für Anderer Armuth und Elend sich bewahrt hatte, rin großes Krankenhaus, das musterhaft eingerichtet war, sür seine Arbeiter und ein noch größeres Waisenhaus sür Kinder verunglückter Arbeiter des ganzen Landes ans eigene Kosten erbauen, einrichten und ver walten ließ, wurde ihm von dem, solche Verdienste aner kennenden Fürsten der Titel Baron verliehen, während nran ihn im ganzen Lande nur den König Döring nannte. Ta trat vor noch nicht zwei Jahren plötzlich ein Er- eigniß ein, welches ein unbeschreibliches Aussehen machte und mit einem Schlage das reiche Glück zerstörte, wie wenn die Vorsehung Allen, welche den König Döring und sein Glück priesen, grell vor Augen führen wollte, daß es um das irdische Glück und die irdischen Güter doch sehr unsicher bestellt sei. Tas große, schloßartige Haus, welches in Rudelsburg schon vorhanden gewesen war und einer adeligen Familie ge hört hatte, war vor vielen Jahren schon in dem Besitz Dö- ring's ügergangen, und er bewohnte das „Schloß", wie es allgemein genannt wurde, seitdem mit seiner Familie. In diesem alten Hause, das allerdings sowohl äußerlich als auch im Inneren den Eindruck eines alten Schlosses wachte, befand sich ein Zimmer mit einer hellgrünen seidenen Topete. Es war jedenfalls nur ein Zufall, daß, während die meisten anderen Räume des Schlaffes längst renovirt worden Warrn, gerade dieses grüne Parterre-Zimmer noch so war, wie Döring es von dem früheren Besitzer übernommen hatte, ja selbst die sehr schön gearbeitete Gipsfigur an der einen Wand, welche einen schwebenden Engel darstellte, war noch unverändert jo geblieben. Und doch hätte vielleicht gerade dieses Zimmer eine gründliche Erneuerung verdient, weil die Tapete durchaus nicht mehr sehr schön aussah. Döring aber hatte sich nicht entschließen können, den an der Wand ange brachten Engel entfernen zu lasten, da derselbe mit seinen lebenswahr«, lächelnden Zügen, mit seiner wunderbaren Schön heit auf jedeu, der ih» sah, einen tiefen Eindruck machte. Das grüne Zimmer wurde aber auch nur j,hr selten benutzt, daher war «S in seinem früheren Zustande geblieben. Nun war vor noch nicht zwei Jahren Wilhelm von Döring plötzlich an einem heißen Sommertage, als er zufällig dieses kühle Hinterzimmer des Schlosses ausgesucht hatte, iu demselben vom Tode ereilt worden. Als Frau von Döring ihren Gatten vermißte und in dem grünen Zimmer endlich fand, war der letzte Athemzng längst aus ihm gewichen, und die trauernde, verzweifelte Frau hatte sich auf den theuren Mann geworfen und ihn mit Thränen und Rufen bestürmt, um ihn wieder aufzuwecken. Doch alle ihre verzweifelten Versuche waren umsonst ge wesen und auch die sofort aus der Stadt herbeigeholten Aerzte hatten den König Töring trotz allen seinen Schätzen nicht wieder ins Leben zurückzurufen vermocht. Da aber die Ba ronin erklärte, daß ihr Gatte, bevor er das grüne Zimmer betreten, ganz wohl und kerngesund gewesen, entstand der Verdacht, daß der Aufenthalt in dem Zimmer den Tod her beigeführt habe, und es wurde eine genaue und umständliche Untersuchung Vorgenvmmen, welche aber zu einer Aufklärung nicht führte. Die grüne Scidcntapete wurde einer chemischen Prüfung unterworfen, da man Arseniktheile in derselben vermnthete und da man sich garnicht über Dörings Tod beruhigen konnte, doch rS wurde nichts gesunden. Tic trauernde Wiltwe, welche nun in Gemeinschaft mit ihrem ältesten Sohne Franz die Leitung der ihr von dem Verstorbenen hinterlassenen großartigen Unternehmungen über nahm und, unterstützt von bewährten Ingenieuren, mit sicherer Hand führte, ließ sogleich die grüne Tapete entfernen und durch eine neue ersetzen, ließ eür großes, sprechend ähnliches Bild des Unvergeßlichen in dem Zimmer, in welchem er so plötzlich aus dem Leben geschieden, anbringen, und ordnete an, daß der schwebende Engel nicht entfernt, sondern unbe rührt so bleiben sollte, wie er gewesen war, da der Ver storbene die schönen milden Züge desselben immer so gern ge sehen hatte. Doch die Baronin hielt es nun im alten Schlosse nicht aus, in w: . ihr jetzt alles unbeschreiblich unheimlich vor kam. Sie . , in demselben Jahre noch in der Nähe des Schlossest., neuen Prachtbau aufführen, und als dieses neue Palai. s war, verließ sie das alte Schloß und be zog die Rä > im neuen Hause. Ta aber zwei Räume im alten Schlo i , ch befanden, welche die Baronin ost aussuchte, die alte Kä wi e in welcher sie ihr Gebet zu verrichten pflegte, und das grüne Zimmer, in welchem das Erinnerungsbild hing, ließ sie das Palais mit dem alten Schloß durch einen ver deckten Gang verbinden. Es waren nun fast zwei Jahre seit jenen Vorgängen verflossen und es war seitdem nichts vorgesallen, was daran erinnert hatte, daß Döring s Tod so plötzlich im grünen Zimmer damals eingetretcn war, welches noch immer so im Palais genannt wurde, obgleich es längst nicht mehr grün war. Seit dem Tode ihres Gatten hatte kein Ereigniß, kein Schlag die Baronin so schwer getroffen wie jetzt das Ver schwinden der 70000 Mark. Nicht der Verlust des Geldes schmerzte sie — sie wäre bereit gewesen, wohl die zehnfache Summe, ja ihr ganzes Vermögen dafür hinzugeben das sie heftig erschütternde Ereigniß ungeschehen zu machen. Es hatte ihr Mutterherz auf das Tiefste gekränkt und verwundet, daß ihr Sohn, daß gerade Hellmuth zu einer solchen ehrlosen That fähig gewesen. Ja, sie hatte, als sie allein gewesen war, Thränen des Schmerzes, aber auch des Zorns vergossen — und nun war sie in ihrem Innern fertig mit diesem Sohne, sie hatte mit ihm abgeschlossen, sie war eine eherne Frau jeder Ehrlosigkeit gegenüber. Hätte Hellmuth von ih die doppelte Summe gefordert, sie würde sie ihm zu guten — 139 — Zwecken nie verweigert haben. So aber hatte er die Summe, wie Franz geäußert, verspielt — Ehrenscheine ausgestellt — und dann das Geld heimlich aus der Kasse geholt. Frau von Döring erhob sich hastig von ihrem Sessel, nun in später Abendstunde diese düsteren häßlichen Bilder immer wieder von Neuem an ihrer Seele vorübcrzogen — ihr sonst so gütiges Gesicht hatte wieder den finsteren strengen Aus druck angenommen — sie verscheuchte energisch und mit aller Gewalt die weichen Regungen, welche sich soeben in ihr Herz drängen wollten — ihre weichen, weißen Hände ballten sich unwillkürlich — und die noch unberührt vor ihr stehende, mit Thce gcfüllle Tasse zitterte und klirrte, so heftig war die Baronin aufgesprungen. An der anderen Seite des Tisches saß Franz, der in ein Journal vertieft gewesen war und nun schnell von dem selben ausblickte, durch das Geräusch erschreckt. Er blickte zu seiner Mutter hinüber, die im tageshellen Schein der im Zimmer brennenden elektrischen Glühlichter geisterhaft bleich aussah. Da erhob sich Franz, um zu ihr hinzutreten und sie zu beruhigen. In diesem Augenblick wurde die hohe, schwarze, mit Gold reich verzierte Ebenholzthür geöffnet. Hellmuth erschien in der Tbür. Der junge, eben zu n:i...,l;cher vollendeter Schönheit sich entwickelnde Mann sah nach dem langen Umherirren aus wie ein gehetzter Mensch mit einem bösen Gewissen. Sein Haar war wirr, seine Augen loderten unruhig und sein Ge sicht hatte vor Aufregung und von dem Erlebten eine fahle Farbe angenommen. So stand er einen Augenblick da in dem schwarzen Rahmen der Thür. Tann stürzte er plötzlich zu der Baronin hin, wie wenn das volle Herz gewaltsam überströmte. „Mutter!" rief er mit bewegter Stimme und, auf sein Knie nieder sinkend, streckte er seine Arme zu derjenigen hin, die ihn geboren, die ihn so unsäglich geliebt, die ihn immer stolz und jreudig ihren Liebling genannt hatte. Und jetzt? Hellmuth fuhr zurück — Eisig wehte es ihn an. — Seine Mutter hotte sich einen Schritt vor ihm zurück gezogen. „Mutter!" schrie Hellmuth auf, „Sie mich nicht so an wie einen Schuldbeladenen, nicht so mit diesem starren Blick - " „Kniest Tu vor nur, um meine Vergebung zu erbitten, so ist das ein unnützes Beginnen," erwiderte Frau von Döring mit unbeugsamer Kälte „für solche Verbrecher gicbt es bei Menschen keine Vergebung! Der Rendant Richter ist todt! Wende Dich an Gott mit Deiner Bitte oder zur späten Reue!" Hellmuth erhob sich — es flammte Entrüstung, es stanimte Stolz plötzlich in seinen großen Augen auf. „Ich verschulde den Tod des alten ehrlichen Mannes nicht, Mutter", erklärte er mit lauter fester Stimme, „ich mußte her, um Dir zu sagen, daß es ein falscher Verdacht ist, der auf mir ruht! Wie ist es denn möglich, daß Du mich sür einen Elenden halten kannst! Ich würde mich selbst ver achten, wenn ich der Schuldige wäre! Ich habe das Geld nicht gebraucht und nicht geholt! Ich biu der Schuldige nicht!" „Nicht? Nun" — fragte die Baronin ohne eine Miene zu verziehen, „wo ist dann die fehlende Summe geblieben? Zivei Menschen nur besitzen und besaßen die Schlüssel zum Kassengewölbe: der Rendant Richter und ich! Richter kann der Dieb nicht sein — dann bleibe ich nur übrig! Doch ge nug! Deine Vertheidignng, Dein Leugnen hat keinen Zweck und drückt Deiner Schuld, Deiner erbärmlichen That nur noch ein häßlicheres Gepräge auf. —" „Mutter" fuhr Hellmuth empor. „Was soll dieser Ruf? Ich verlange Ruhe!" schnitt Frau v. Döring den Ausruf ihres Sohnes ab, „die Beweise Deiner Schuld sind erdrückend! Der Dir unbekannt gewesene Apparat an der eisernen Thür hat Dich verrathen — ver- rathen! Den Thäter verrathen o, hätte Dein Vater damals ahnen können, sür wen er den Apparat in der Thür anbringen ließ! Hätte Dein Vater geahnt, daß das erste Bild genug! Hier ist keine Rührung am Platze. Hierher gehört der kalte Ernst. Wo ist das Geld geblieben? Gesteh'! Gieb cs zurück, damit der ehrliche Richter im Grabe von dem schändlichen falschen Verdachte erlöst wird. Gesteh', habe wenigstens den Muth nun, Deine Schuld aus Dich zu nehmen!" „Mutter, ich kau» es nicht mehr mit ansehen, wie Tu Dich erregst, wie Du Dir schadest", wandte Franz voller Sorge sich an die Baronin, und ergriff ihre Hand. Doch sie entzog sie ihm heftig. „Störe nicht dieses nothwendige Gespräch", befahl sie, „ich habe mit dem dort abzurechnen!" Tann fuhr sie zu Hellmuth fort: „Hast Du den Muth zu gestehen, damit wenig stens dem Todten die Genugthuung zu Theil werden kann, daß er unschuldig gewesen?" „Ich bin nicht der Thäter, ich schwöre cs, ich schwöre es beim Angedenken an meinen theuren unvergeßlichen Vater —" „Fort! Aus meinen Augen mit Dir!" rief Frau von Döring im Uebermaß des Schmerzes und der Entrüstung und winkte krampfhaft mit der abwehrenden Hand — „Fort! Ich will Dich nie mehr sehen! Du bist mein Sohn nicht mehr! Tas ist zu viel" — sie sank schwer athmcnd und nach Lust ringend, auf den Sessel, und Franz schlang seine Arme unr sie. „Mutter — bedenke, was Tu thnst — Du verstößt einen Unschuldigen! Bedenke, was in dieser Stunde geschieht", rief Hellmuth mit zitternder Stimme, „Tn glaubst mir nicht." — - „Fort! Ich habe nur einen Sohn noch! Fluch und Schande über den Ungerathenen!" rang cs sich über die Lippen der Baronin, und nun drückte sie ihr Gesicht in das Spitzentuch, das sic in ihren Händen ganz zerknittert hatte. Liebevoll beugte Franz sich über die Mutter. „Erbarme Tich", sagte er leise, „schone Tich. —" Einen Augenblick stand Hellmuth noch da, starren Blickes zu der Unbeugsamen hinsehend. — Dann schritt er znr Thür. — Er hatte Lisbeth sein Wort gehalten. — Nun war alles entschieden! Als Hellmuth, fast ohne zu wissen, was geschah und wo er war, durch einige Nebenzimmer gegangen war und dann sich umjah, wie aus einem schweren Traume erwachend, ge wahrte er, daß er in den verdeckten, matt erleuchteten Gang gerathen war, der nach dem alten Schlosse führte. Das kam ihm vor wie ein Fingerzeig! Bevor er ging, für iminer ging, wollte er Abschied von seinem todten Vater nehmen. Und zu seinem großen lebens wahren Bilde führte ihn ja dieser Gang! Im alten Schloß hing es im früheren grünen Zimmer. Dorthin begab sich Hellmuth. Er war ruhiger geworden, nun sein Entschluß gefaßt war. Das Bewußtsein der Schuld losigkeit richtete ihn empor. Er gelangte zu der Thür des
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