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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189610310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18961031
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18961031
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-31
- Monat1896-10
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.10.1896
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"eiMer Tageblatt Druck und Berlaq von F. Pol» k» Leivzlg SV. Jahrgang Sonnabend den 31. October 1896. Die nächste Nummer erscheint am Montag früh. Die Morge»-Ue»«gab« erscheint »ar '/,7 Uh«, N» Ab«Ld-AuSgab« wochentags am ö Uhr. ^»nahmeschluß fiir Riyei-e«: Nbrud-Au-gab«: Bormittag- 10 Uhr. Morg«»-Au-gab«: Nachmittags 4llhL Bei den Filialen und Annahmestelle» je ei« halb« Stund« früher. Anzeigen find stet» a» di« GzDetzttt»» za richte». BezugS'Prei- h» d« Hmlptqveditton oder den im Etads< bezirk »ad de» Vororte» errichteten Aus» aab«st,llkn abgebolt: vierteljährlich^ 4.50;, bei zweimalig« täglicher Zu stet lang'ins Laus ^l 5L0. Lurch di« Post bezogen für Leatschlaad und Oesterreich: virrtrliabrlich -sl s.-—. Direkte täglich« Lrea-baadlrnduag ins Ausland: mouatlich ^l 7^0. Red«No« Lrve-itto«: -»Hannes,affe 8. DioCßpeoitio» ist Wochentags ununterbroche» ge^S-et voa früh 8 bis Abend« 7 Uhr. /Malen: Dtt» Klemm'» Lortim. (Alfretz -ahn). U»iv«rsität-strab« 8 (Pauliaum), . Louis Lüsche, fiatbarmenfir. 14, pari, und König-Platz 7- Anzeigrn'Prai- die S gespaltene Petitzelle X> Pf- Neelame» unter dem Redacttousstrtch (4g» spalte») 50-4. vor d«n Familieanachrichteu (6 gespalten) 40/- Gröbere Schriften laut anserem Preis» «erzeichaib. Tabellarischer and Ztsserujatz »ach höherem Darts. Extra «Beilagen (gefalzy, »ur mit da Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbefürderaag ^il 70.—. Anzeiger. ÄmlsVkatt des Lönigkichen Land- UN- Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Deutsche- Reich. -8- Leipzig, SO. Octobrr. Der zum Senatspräfldenten des Reichsgerichts ernannte Direktor der Eolonialabtheilung des auswärtigrn Amtes, Herr vr. Kayser, tritt sein neues Amt derrirs am 1. November an. * Leipzig, 80. October. Die soeialdemokratische Presse schreit sich beinahe heiser nach drm StaatSanwalte, damit dieser wenigstens den Versuch mache, „den rachsüchtigen und boshaften Hintermann der „Hamburger Nach» richten" wegen Schädigung wichtiger Gtaatsinteressen und Verlehung strenger Staatsgebeimnisst persönlich zu fasten." Das Vergnügen, den Fürsten Bismarck auf der Anklagebank zu sehen, wird aber der „Vorwärts" nicht genießen. Der 1. Absatz des ss «2 des R.-Dtr.-G.-B., auf Gründ dessen da« Blatt dem Fürsten den Proceß gemacht sehen möchte, lautet: „Wer vorsätzlich Staatsgheimnlsse oder Feflungspläae, oder solche Urkunden, Aktenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer andern Regierung gegenüber für das Wohl des deutschen Reiches oder eines Bundesstaats erforderlich ist, dieser Regierung mit- thrilt oder öffentlich bekannt macht — wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft." Aus diesem Wortlaut geht ganz klar hervor und das Reichsgericht hat es durch Urthril vom 12./19. Mai 1884 noch besonders betont, daß der Angeklagte, wenn »r schuldig befunden werden soll, sich bewußt gewesen sein muß, daß die Geheimhaltung für das Wohl des deutschen Reiches rc. erforderlich war. E« ließe sich also kaum etwa« Absurderes denken, als gegen den Fürsten Bismarck den S 92 des Straf gesetzes in Anwendung bringen zu wollen. Wenn dies einem „Genossen" geaenüver geschähe, der auf irgend eine Weise in den Besitz eines Staatszehrimnifles gekommen wäre, so würde die Sacke freilich ander« liegen. Warum? Das sollte dem „Vorwärts" da« eigene Gewissen sagen. K Verlt«, 30. October. Daß der Freisinn Alles ver tuscht, was sein« Unterstützung der Lent rum «Politik als compromitttirenv für den „Liberalismus" der Linken erscheinen lasten muß, ist ein« alte Wahrnehmung. Auch auf d«m nationalliberalen Delegirtentage sind — zur Beleuchtung des Verlangen« der „Nat.-Ztg." nach einer Annäherung — er bauliche Beispiele dieser demokratischen Nachsicht vorgebracht worden. Neuerdings ist durch die Afsaire de« Teufels Bitru und verwandte Dinge die Fähigkeit des Freisinn«, unliebsame Cbarakterzüge de« Bundesgenossen nicht zu sehen, auf eine barte Probe gestellt worden, und auch diese bat er be standen. Ueber die trotz aller Bemühungen der „Köln.VolkSztg." und der „Germania", da« Gegentbeil glauben zu machen, für den KlerikaliSmuS charakteristischen Teufelsgeschichten neuester Erfindung ist die freisinnige Presse entweder mit vollkommenem Stillschweigen hinweggegangen, oder sie hat diese Dinge al« politisch und culturell gleichgültige behandelt. Die „Dost. Ztg." glaubt da« Letztere au« irgend einem Grunde, den wir nicht kennen, nicht mehr wagen zu dürfen. Sie verliert also einige Worte über da« ultramontane VerdummungSsysiem. Aber an welcher Stelle? An allrrhinterster, da, wo die „letzten Häuser" stehen, und nachdem sie der Maiblumenzucht in Drosten und der Nach richt von der Verhaftung eine- Herrn Samuel in ArnSwalde den Vorrang gegeben — in einem verborgenen Winkel, in den wohl auch die eifrigsten Leser selten einen Blick werfen. Wir, die wir das bescheidene Veilchen zufällig entdeckt, legen Werth darauf, e« mit der Signatur de« Fortschrittsblattes den Lesern vorzulegen. Die „Voss. Ztg." schreibt: „Während die ultramontanen Blätter ein« Unmasse von Drucker schwärze an die Existenzfrage der Mih Baugban verschwenden — die „Germ." brachte am Sonntag den sechsten Leiter in einer neuen Artikelserie —, verräth auf einmal die „Köln. Bolksztg.", gerade dasjenige Blatt, das den ganzen Teufelsstreit an jene Frage gehängt hat, doh das Nest ultramontanrn Aberglauben», welches in dem ganzen Schwindel so handgreiflich offenbar geworden ist, im Zusammenhang» steht mit der ganzen Entwickelung des römischen Katholirismus, dir dieser feit dem Siege der Jejuiten auf dem vatikanischen Eonctl in rapider Weise genommen hat. Der Teufelsschwindel, wie di« „Köln. Volkszeitung" ihn selbst zu nennen beliebt, stammt aus derselben Quelle mit dem Modonnenscbwindel voa Lourde« und La Galette, von Marpingen und Dtttrichswalde und mit der Duadrrblutwindel von Bois d'Hainr. Das Kölner katholische Blatt hat jetzt auf einmal mit ihrer süddeutschen Eolleain, der „Augsb. Postztg.", herausgesunden, daß der „Pelikan" des Herrn Johanne« Künzle in Feldkirch, de- bi«b»rigen Generaldirektor« de« über ganz Deutsch land verbreiteten und Hunderte von katholischen Geistlichen zu seinen Mitgliedern zählenden Lereins der Priester der Anbetung, sein zugkräftiges Material in dec Teufkltaeschictste einer Schrift des bekannten ultramontanen Kanonikus und Professors August Rohling in Prag entnommen hat. Rohling ist bekanntlich auch einer der Hauptkämpen des katholischen Antisemitismus (»in Um stand, dem die Leier der „Boss. Ztg." vielleicht allein die Bekanntschaft mit diesen hübschen Dingen zu danken haben. Red. de« „L. L."), und so strömen dir sämmtlichen Miasmen ein« ungesunden Zeit richtung hier förmlich in Eins zusammen. Rohling'« Schrift hat den bezeichnenden Lltei: „Die groß« Neuigkeit oder da« Geheim- niß von La Galette, vkrVffrntiicht von Msgr. Gras voa Zola, Bischof von Lecce und Ugento, verdeutscht und erläutert von Kano nikus und Professor August Rohling, zweit« ergänzt« Auslage, Jglau 1896." Da schreibt der Kanonikus und Professor, von dem di« ulttamoatanen Blätter es einst so tief beklagten, daß er seinen Fuß ins Ausland setzen mußte, ganz im Stile der Mis; Vaughan: „Selbst der Trust! hält den baldigen Triumph de« Kirche für sicher. Der Teufel ist aber schon sehr alt und er- fahren, er kennt die hl. Schrift und all« Privatostenbarungen, weiß daher viel von der Zukunft. Der Leusel ist aber un- ermeßllch stolz und würde sicher nie den Triumph der Kirche und sein» eiaen» Niederlage Voraussagen, wenn sie nicht be stimmt eintresten würde." Sodann giebt Rohling auch eine Schilderung der persönlichen Borstrllung des Teufels auf der Insel Malta im Jahre 1889 in Gegenwart vieler Häupter der Freimaurer, bei der Satan also prophezeit hat: „Der Nachfolger des jetzigen Papstes werde von den Freimaurern gefangen gehalten; im Jahr« 1 SOI werd« di« katholisch« Kirche heftig verfolgt in Frankreich, Oesterreich und Kanada: Im Jahre 1902 werd« Satan deinahe obsiegen in Spanien; im gleichen Jahre würden in Belgien ungeheure Schlacht«» sein; ein kleines Hett werd» aus einer Schweizersladt ausgehen und de» Papst befreien, Frankreich werd» durch steuer und Blut geben, Poris werde von den Anarchisten zerstört werdrn. Di« seligst« Jung frau werde nochmals in Lourdes erscheinen vor Tausenden von Pilgern und dem Teufel ungeheuer schaden; eS werde «in französischer Krieger aus fernen Landen kommen und von einem Bischof« zum König« gesalbt werden, dir Katholiken würben sich in Masi« erdete» und siegen, und Frankreich werde wieder streng katholisch sein und alle» Nationen katholische Gesetze vorschreiben; ganze Schaarrn Engländer würden sich bekehren, nur in Oesterreich und Lanada würden di» Christen - Verfolgungen fortgesetzt, ganz Italien werdi dem Papste anhanaen." Di« Herüvernahme solchen und ähnlichen Blödsinns au« der Roh- ling'jcken Broschüre hat di« Zahl der Abonnenten de« „Pelikan" von 8500 «m Jahre l8SS auf 81000 im Januar 18W und 9000>. im Octobrr 1896 erhöht, denn, sagt die „Köln. Bolksztg." „solch Lektüre geht beim Bolk Hand in Hand, nach solch' einer Zeitichris. greift J»d«r." Das also ist das katholisch« „Volk", das gut«, brav Denn je mehr die Stimmungen vordringenden FeuerS und I schwiegen bleiben dürfe: denn diese Leute schaffen, daß ihre «-c—Ul-.:—Hörer „nicht in den Hütten bleiben", d. h. der Kirche untreu werden, und ihnen soll man das Wort des MoseS entgegen halten: „Du sollst nicht offenbaren." Und noch in den Resolutionen zu den Thesen eignete sich Luther das Wort des Amos (5, 13) an: „cS ist eine sehr böse Zeit, drum muß der Kluge zur selbigen Zeit schweigen." Aber schon war ihm diese versöhnliche Stimmung im Ver fliegen, je mehr ihn der Zorn über den Tetzel'schen Unfug übermannte. „Da nun außer den unzähligen Privatpersonen die Kirche auch auf ihren Stühlen die gelehrtesten Leute sitzen hat, so sollte auch ich nach ihrem Exempel stille schweigen, wenn ich hätte für klug wollen gehalten sein." „Aber eS ist besser, daß auch von Narren, von Kindern, von Trunkenen die Wahrheit gesagt, als daß sie ganz und gar verschwiegen werde, vamit die Gelehrten und Weisen in ihrem Muthe desto beherzter werden, wenn sie hören, daß wir, als ungelehrte, gemeine Leute auch endlich einmal schreien, weil sie e- gar zu grob machen, daß man'S nickt mehr mit ansehen kann; wie Ehristus spricht: wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien I" In der That, mit mildem Verschweigen und Be schönigen war hier nichts mehr auSzurichten, da hieß eS Dreingreifen und Aufrüttelnl Und als es nun klar geworden war, welche- Wespennest Luther angestochen batte, wie die Brut auSschwärmte, um sich an dem Friedensstörer giftig zu rächen, ihn zu vernichten und die Wahrbeit mund- todt zu machen, da wuchs er gewaltig empor, schüttelte sich in zorniger Kampfbrgier, warf weit von sich alle zagende Milde und alle Furcht, riß der faulen Kirche und dem un christlichen Papstlhum dir prangende Larve ab, enthüllte alle Schmach, dir er «Hedem mit falscher Schonung bedeckt hatte, und al- «r endlich zu stinen entscheidenden Schlägen aus holte, da that er'«, jene ehemalige Zurückbaltuna laut wider rufend, mit dem grimmig drohenden Worte: „Dir Zeit de« Schweigens ist vergangen, und die Zeit zu reden ist gekommen l" Peterskirchhof L Herr Aax Xlertk, Buchbinderei, Rariftsche Gasse 6 Herr k'rloür. I?l8elrer, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. LnKvImann, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraße 5 Herr ^ut. 8eUünii< Iien, Colonialwaarenhandlung, Westplaü 32 Herr ü. I-Ittrlek, Cigarrenhandlung, Äorkstraße 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. vebus, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straße 35 Herr V. KUster, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr Ll. HrUtzuwun, Zschochersche Straße 7 a, - Reudnitz Herr k'uKmaim, Marschallstraße I, - - Herr vernk. >Vebvr, Mützengeschäft, Leipziger Straße 6 - Thonberg Herr L. üüntsoU, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr V. >üuwaun, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). ZUM Reformalionsfeste.*) Die protestantische Geschichtsauffassung ist darin einig, den Tag, an welchem Luther seine 95 Thesen an die Wittenberger Sckloßkirche schlug, als den Beginn deS Reformationswerkes zu feiern. DaS Recht dieser Auffassung liegt nicht nur in der Logik der Ereignisse, die sich von diesem entscheidenden Puncte aus als geschichtsbildende gel'end machten, sondern auch in dem idealen Motiv, auS dem jener folgenreiche Act entsprungen, unter dessen Zeichen er in die Welt getreten ist: „AuS Liebe und rechtem Fleiß die Wahrheit an den Tag zu bringen, soll daS Nachstehende zur Erörterung kommen — im Namen unserS Herrn Jesu Cbristi, AmenI" Dieser leitende Satz der Tbesenreibe ist nichts Andere-, als daö Symbol des Protestantismus, die erste Verkündigung seiner ganz allein in dem Glauben an Christum gebundenen ForschungSfreibeit. Auch hier ist Luther ganz Empiriker, er verhält sich fragend, prüfend, suchend. Lickt verlangend, er giebt nicht-, waS einem positiven Programm ähnlich sähe, er will vor Allem anrcgen und aufrütteln, selbst seine eigene HeilSlehre bleibt zunächst im Hintergründe und muß gleicysam zwischen den Zeilen gelesen werden. Es ist schlechthin un« erweislich, daß Luther mit einem bestimmten Programm in den Ablaßkampf eingetreten sei, um eS allmählich, wie mit kluger taktischer Berechnung, zu enthüllen - auS seinen eigenen Zeugnissen geht eS ebenso wie auS dem Verlaufe de- Streite- hervor, daß er sich über den Streitpunkt und seine Folgen nicht von ferne klar war, daß zunächst die Mißbräuche der Ablaßpraxis ihm den Zorn erweckten, wie seit lange andere Mißbräuche der Kirche auch, daß seine Anschauung von der Buße dadurch aufs Tiefste verletzt und er somit gezwungen wurde, der Wurzel dieser Mißbrauche nachzugehen, bis er sie in der kirchlichen Bußlchre selbst entdeckte, dieser den Heilsweg seiner eigenen Theologie entgegenstellte und, schließlich aus seinem reliaösen Erlebniß im Kampf mit den widerstrebenden hierarchischen Kräften furchtlos die Eon sequenzen ziehend, sich in eine Existenzfrage verstrickt sah, in der zuletzt dir höchsten Eultursorderungen der Zeit mit den Nrbrrlirserungen einer tausendjährigen Geschichte auf Leben und Tod zusammenstirßen. „Äm Anfänge", beißt es in den Tischreden, „schrieb ich nur gegen die Mißbräuche, de- Papste- gottlose Commissäre, wider die die Eanones selbst redeten, für den Papst. Da aber der Papst jene gegen seine eigenen Canones beschützte, trieb er mich weiter. Luther hatte in der Synodalrrde von 1512 die Reformation der Kirche durchaus auf da» Gebiet der Seelsorge ver wiesen: Predigt de- reinen Evangeliums, Erweckung des lebendtgen Glauben- und der geistlichen Wiedergeburt. Auch in den Thesen nimmt er von dieser Seite, nicht aber von dogmatischen oder kirchenpolitischen Bestreitungen seinen Aus- gang, und wie wenig er auf einem bestimmten reformatorischen Programm dabei fußte, ja nicht einmal auf drm klargefaßten Vorsatz, seine neuen religiösen Ueb«rzeugungen einer öffent lichen Feuerprobe zu unterziehen oder vollend« sie mit der Kirche m Eonflict zu bringen, das zeigt schon die Form seine- Angriffs, welche «in« von der Kirche keinrswtgs osficiell ent schiedene, aber durch di« Mißstände ihrer Ausübung brennend gewordene Lehrtradition «iner wissenschaftlichen Disputation unterbreitet: „als ich zuerst wider den Ablaß schrieb", sagte Luther später, „da that ick'- nicht auS Vermessenheit oder daß ich auf meine Künst und Weisheit gepocht hätte, sondern ich wollte d«n Handel vom Ablaß nur anstechen und g«dackt«, eS würden darnach wohl andere Leute sich finden, die es besser würden hinau-führeu." Er hoffte, di« „Krast d«r Abläff«" dadurch an« Lickt zu bringen, d. h. auS den Entstellungen durch Menschensatzungen und Fabeltand, dir «r schon in jener Rede von 1512 bekämpfte, den „Kern der Nuß" ru enthüllen, die evangelische Wahrheit, den ursprünglichen Sinn, welcher ihnen zu Grund« liegen mußte. Deshalb sondert» er di» Frage, auf welche e- ankam, vorsichtig ab von der naht liegenden Vermischung mit polemischen Gesichtspunkten, er legte sich «ine weise Beschränkung auf, indem er nicht nur unt seiner eiaenen Rechtfertigungslrhre dabei zurückhielt, sondern auch keineswegs der Lockung folgte, Alles, was er gegen di» Kirche seiner Zeit auf dem Herzen hatte, frei heraus- Zusagen, nicht einmal da«, waS er schon in seinen Predigten gerügt hatte. Für und kann das Leipziger Tageblatt durch alle Postanstalten des deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 4 bezogen werden. In Leipzig abonnirt man für 3 mit Bringerlohn 3 7» für beide Monate und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure die Hauptexpeditio»: Johannesgasse 8, die Filialen; Katharineustratze 14, Königsplatz 7 und Universitätsstraße 3, sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraste 3L Herr L. 0. Litte!, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraste 1 Herr lüeoä. keter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 80 (Ecke Goethestraße) Herr Ueiin. Llessiko, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straste (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto k'rLUL, Colonialwaarenhandlung, «öhrstraste 15 Herr Lüuruck Uetxer, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstraste 0 Herr kaut tzellrelder, Drogengeschäft, Nürnberger Straste 45 Herr LI. L. ^tbreellt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr liobert bireiner, Zweinaundorser Strafe 18, - Eutritzsch Herr Robert Htner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - Gohlis Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau Riuckner <Zel8t, Wettiner Straße 51, Ecke Waldstraße, Buchbinderei, - Neustadt 8ebe1t'8 ^uuoneeu-Lxpellltlon, Eisenbaünstraße 1, zügelnder Besonnenheit, kampflustigen AciionSbedürfnisseS und friedliebender Mäßigung in ihm sich befehden mochten, um so geflissentlicher wahrte er der angebornen Pietät, der mönchi schen Demuth, seinem natürlichen Hange zur Selbstbescheidung, zur frommen Bertrauung auf Gotte- Rathschluß die Ober hand und wehrte sich gegen die Versuchungen, die auch ihm nicht fremd sein konnten: in der Kirche öffentlich Aergerniß zu geben. Wie EraSmuS, wie Slaupitz, wie tausend Andere vor und neben ibm empfand er mit tiefem Schmerz die große Verderbniß der Kirche, aber er war sich sehr klar darüber, daß alle Veränderungen und Reformen an ihrem äußeren Körper fruchtlos seien: „Wikleff und Huß", sagte er später einmal, „haben das Leben im Papsttbum angefochten", aber mit der DiScivlinirung deS Leben- nach dem „Gesetz" war eS eben nicht gethan, und selbst die> gelehrtesten und erleuchtetsten Männer vermochten auf diesem Wege nichts auSzurichten, denn „unsere gegenwärtigen Zeiten sind so unglückselig, daß auch die großen Leute der Kirche nicht zu Hilfe kommen können. Denn was heutzutage Gelehrsamkeit und gottseliger Eifer auSzurichten vermögen, da- hat der unglückliche AuS- gang der sehr gelehrten und frommen Männer sattsam auS- gewiesen, die unter Julio II. die Kirche zu resormiren sich bemühten, indem sie, weil eS höchst nöthig, ein Eoncilium anstellten." War doch dies Pisaner Concil vim 1511 bei nahe resultatlos verlaufen und mattgesctzt worden durch da große, 1512—1517 tagende Lateranconcil, da- nicht nur die Stellung deS PapstthumS über allen Concilien neu be- befestigte, sondern auch mit allen seinen Reformdecreten die Regeneration des kirchlichen Leben- lediglich auf Schein erfolge hinanSspielte. DicS Flicken und Bessern an den äußeren Organen, am „Leben", war ja verlorene Mühe, wenn nicht die Herzen rein wurden durch den Glauben an da« Evangelium Jesu Cbristi. Aber diese lebendige Macht kann wiederum nur durch den Mund der Erleuchteten wirten, von Mensch zu Mensch, sie bedarf de- Frieden- und der Stille. E» war die Staupitz'sche Stimmung, die halbe Passivität der mystischen Theologie, von der Luther noch beherrscht war: der Glaube will willig und ungenöihigt sein und angenommen werden ohne Zwang, da- Wort der Wahrheit muß siegen ohne äußere Gewalt. Darum galt ihm Alle-, wa« man bisher für dir Reform der Kirche und der Frömmigkeit getban, als irrig und zweckwidrig: die Ein schränkung de- Leben- durch zahllose Satzungen und Verord nungen von oben, Aufruhr und blutige Empörung von unten, — Alle- traf ja den innersten Kern nickt, die Erneuerung des lebendigen Glaubens im Herzen. Darum war ihm aber auch auf der anderen Seite der offene Kampf gegen da einmal Bestehende, der Lärm der Pamphlete und Streit schriften, da- aufreizend« Eifern wider die Gebrechen der Kirche verhaßt, denn wie sollte die glaubrnwrckend«, auf d«n gnädigen Gott und da» heilige Evangelium liebreich hin- leitende Seelsorge in einer Atmospbare des Zorns, der strafenden Satire und der Empörung gedeiben! Dies» Ueber- zeugung Luther'- scheint lehrreich hervor au» dem Unmutd, mit dem er die scharfe Tonart deS Spötter» Era-mnS, so Viele- er an seiner Polemik innerlich billigen mußte, dennoch abweist, mit dem er auch den Verfasser der Dunkelmänner briefe, die doch in der Bekämpfung der Scholastik mit ihm einig waren, ärgerlich «inen „Comödianten" nennt und an den leidenschaftlichen Erregungen der Reucklinistenfehde Anstoß nimmt, obwohl Rrucklin selbst seine volle Sympathie hat; sie verräth sich auch in der schmerzlichen Milde, mit der er über die Aergtrnifse inn«rbalb seines Ord«nSvicariateS, ohne Schwäche, aber schonend, hinweggleitet: „ich weiß, ich weiß es, daß Aergerniß kommen muß, daß es kein Wunder ist, wenn »in Mensch fällt; aber ein Wunder ist eS, wenn er sich wieder erhebt und steht. Prtru- fiel, damit er erkannt«, daß er «in Mensch sei; es fallen heut« auch die Cedern deS Libanon, di« mit aufrechtem Scheitel den Himmel berühren, aber, wa- alles StaunenSwerthe Übersteigt, sogar ein Engel im Himmel fiel und Adam im Paradiese!" Wir sind ja allzumal Sünder, wozu also einander befehden» uns unsere Fehler hitzig vorwerfen, mit Zorn, Gewalt, Spotten und Toben bekehren und bessern wollen, wo man doch mit Gotte- gnätiaer Hilfe dem Irrenden brüderlich auf den Weg helfen und ibm den Geist durch das Licht der Wahrheit erleuchten . , soll! So soll man denn auch um des lieben Friedens willen 1 A»s dem Serk. Arnold L Berger'«: „Martin Lnthn in nicht hochmüthig und hart den Finger in die Wunden der rÄturaesckichtticher Darstellung". I. (16. u. 17. «and der Sammlung: j K"che legen: auch D.eienigen nennt Luther noch Verleumder, „EwtfüshRdo»". ««lag von Ernst tzofman» st Lo. in Berlin.) I welche memen, daß Alles, was wahr sei, auch nicht ver-
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