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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189906119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18990611
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18990611
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-11
- Monat1899-06
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1899
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Größere Schriften laut unserem Preis-- verzeichaiß. Tabellarischer und ZisfernsaA nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmefchlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr- Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uud Verlag von L Polz in Leipzig. 292. Sonntag den 11. Juni 1899. 93. Jahrgang. Aus der Woche. DaS absonderlich thörichte Geschrei von Freisinnigen und Socialdemokraten gegen den Ankauf der Karolinen kommt der Negierung zu Statten. In der Abwehr der „erbarmungslosen" Discreditirung der Insel» bleibt eS nicht aus, daß in deren Bewerthung und in der deS Lerdienstes der Regierung zu hoch gegriffen wird. Wir haben hier nicht Blätter im Auge, die durch eine Art Apotheose des Herrn v. Bülow den Nachfolgern ihrer Gingold - Stärks eine gute Behandlung im Auswärtigen Amte sichern mochten; auch sonst wird der für dergleichen sehr empfängliche neue CurS in den Irrthum gewiegt, er habe Großartiges geleistet und Zanzibar, Witu rc. wett gemacht. Der Hinweis, daß Bismarck die Karolinen nehmen wollte, vermag ebensowenig überschwängliches Lob der jetzigen Regierung zu rechtfertigen, wie die Thatsachc, daß der erste Kanzler die Inselpruppe ein mal — vergleichsweise — eine „Lumperei" genannt hat, den Besitz als werthlos erscheinen lassen kann. Fürst Bismarck sagte dieses, als er vor der Wahl zwischen den Karolinen nnd einem — gewiß nicht aus Schwäche ver miedenen — Kriege mit Spanien stand, und er wollte jene — ohne Entgelt. Die so außerordentlich gepriesene und von großen Blättern — eS ist dies keine Uebertreibung — über den Mann von Gastein, Nickolöburg und Frankfurt gesetzte Regierung zahlt Spanien eine sehr ansehnliche Summe und bewilligt ihm außerdem die zollpolitische Meistbegünstigung. Bei der Einfuhr von Wein und Korken wird sich der dem Inselverkäufer eingeräumte Vorlheil bemerkbar machen, womit wir nicht der Hoffnung Ausdruck gegeben haben wollen, daß die heimischen Shcrry-Berbraucher ihren Trunk künftig billiger haben werden. Die Zolldifferenz werden wohl die Importeure in die Tasche stecken und man darf schon zufrieden sein, wenn den deutschen Weinproducenten der Empfang eines Andenkens an die Erwerbung der Karolinen auf die Dauer erspart bleibt. Und noch zufriedener, wenn das auffällige Wohlwollen, mit dem England den Zuwachs Deutschlands begleitet, nicht einer theuer erkauften Stimmung entspringt. Die „Nordd. Allg. Ztg." dementirt, daß die Negierung England in Afrika Concessionen gemacht, um englischen Einwendungen gegen den neuen deutschen Eolonialerwerb vor zubeugen. Das von dem „freiwillig-gouvernementalen" Blatte Bestrittene haben wir keinen Augenblick geglaubt. Aber das lange vor dem Karolinenankauf abgeschlossene deutsch-englische Abkommen kann so — einseitig sein, daß selbst Groß britannien nicht beifallen mochte, gegen einen geringfügigen Erwerb seines großmüthigcn Gegencontrahenten zu protestiren. So lange jenes Abkommen nicht veröffentlicht ist, werden wir nicht wissen, waS Deutschland die Karolinen kosten. Wenn der Reichstag — der „Senioren-Convent" hat sich merkwürdigerweise dazu bereit erklärt — die erste Lesung des Arbeitsschutzgesetzes wirklich noch vor seiner Ver tagung absolvirt, so wird kaum mehr dabei herauskommen, als einige zum Fenster hinausgesprochene socialdemokratische Hetzreden, vor denen man sich freilich auch nicht zu fürchten braucht. Wenn selbst ein Blatt wie die „Kreuzztg." dem Einwande der Vieldeutigkeit der Bestimmungen des Entwurfs nicht entgegentritt und das Anlegen der bessernden Hand des Reichstages für nothwendig hält, dann kann von einer ersten Berathung im Hochsommer nicht erwartet werden, daß sie über Richtung und Ziel der Neichstagsthätigkeit Klarheit verbreite. Ein Bild von dem Zustande, den daS ganze Gesetze und gewisse Einzelheiten schaffen würden, wird sich so rasch nickt leicht Jemand machen können. Die paar Blätter, die ein unbedenkliches Ja schon gesprochen babcn, hätten daS wohl auch zu Wege gebracht, ohne die Vorlage überhaupt gesehen, geschweige denn durchdacht zu haben. Diese sofortige unbedingte Zustimmung erachten wir für das Gesetz bedrohlicher als oas socialdeiuokratisch-sreisiunig-national- sociale Oppositionsgeräusch. Und geradezu ruinös würde für den Plqn eines besseren Schutzes der Arbeitswilligen sich die Fortsetzung einer schon bemerkbar gewordenen politischen Erpressertaktik werden, die darauf binauSläuft, daß Allen, die nicht für Alles in der Vorlage sich cinzusctzen vermögen, die „Loyalität" gebiete, zu erklären: „Wir wollen keine Aenderung des jetzigen Zustandes, wir wollen, daß die soliden arbeitswilligen Elemente von bezahlten Aufwieglern und ihren Leibtrabanten mit Füßen getreten werden, wenn sie Miene machen, zu arbeiten, wo die Socialdemokratie das Gegentheil befohlen hat." Das ist der rechte Ton, um den guten Kern in der Absicht deS Gesetz gebers zu zerstören, eine Wirkung, die er um so sicherer haben wird, wenn man, wie gleichzeitig geschehen, mit den Versuchen fortfährt, unter den Flügeln des Schulgesetzes dem Centrum die lex Heinze, wie sie jetzt auSsiehk, unter Dach zu bringen. Vorläufig ist noch gar kein Anhaltspunct zur Beurtheiluug der Haltung dieser Partei zum Schutzgesetze gegeben. Die „Germania" erklärt, ihre" Stellungnahme demnächst präcisiren zu wollen. Sie hat bis jetzt in zwei langen Artikeln Präludien zum Besten gegeben, die, wenn man es nicht eben mit dem Centrum zu tbun hätte, auf die Absicht eines durchweg negativen Verhaltens schließen lassen müßten. Das Blatt giebt sich den Anschein, nichts in der Vorlage als im Arbcilerintercsse gelegen anzusehen, außer der Erweiterung der Coalitionsfreiheit im Kl. Es will Weiteres, so soll eS scheinen, jedenfalls vor der Erthciluna der Rechtsfähigkeit an die Berufsvereine nno vor Erricht, g von ArbcilSkammern und Einiguugsämtern nicht für discutabcl halten. Man wird ja sehen, ob an diesen Bedingungen fest gehalten wird. Tie zweite Lesung der Mittellandcanalvorlage soll doch noch zu dem ursprünglich in Aussicht genommenen Zeitpunkte stattsinden. Es beginnen auch die „Compensationcu" Gestaltung anzunehmen; wir meinen die dirccten wirthschast- lichen, nicht die mittelbaren, wie die am Freitag mit über raschender Geschwindigkeit in erster Lesung abgemachte Gemeindewahlrechtsvorlage. Bis jetzt ist bekannt geworden, daß Herr v. Miguel der schlesischen Kohlenindustrie ihren bisherigen Absatz nach Berlin sicher zu stellen gedenkt. Ter Berliner Bedarf an Kohle in der Höhe von über N/2 Millionen Tonnen wird bisher zu ungefähr von Schlesien gedeckt, während Westfalen nur etwa 148 000 Tonnen dahin liefert. DaS Verhältnis) würde sich verschieben können, wenn nach Fertigstellung deS Canals, wie ohne künst lichen Eingriff kaum vermeidlich, die Transportkosten der wefälischen Kohle um nahezu 3 — von 0 60 auf 6 „L 70 — sich ermäßigen würden. Herr v. Miquel wird aber den Eingriff machen und in einer für die zweite Lesung vor bereiteten Erklärung deS Staatsministeriums der schlesischen Kohle — die englische wird nach Ansicht der Aeltesten der Kaufmannschaft durch den Canal gänzlich auS Berlin ver drängt werden — die bisherigen Concurrenzverhältnisse „in dem Schnittpunct Berlin" garantiren. Weiteres folgt. An eine Auflösung des Abgeordnetenhauses, an die vorgestern der conscrvative Abg. v. Heydebrand zu glauben andcutete, glaubt kein Mensch. Im preußischen Abgeordnetenhause hat dieser Tage eine Erörterung über Fürsorge für Arbeitslose stattgefunden, ein Thema, daS trotz des gegenwärtigen vorzüglichen Standes des Arbcitsmarktes von der Ne gierung wie von den Parteien, die freisinnige natür lich ausgenommen, nicht für unzeitgemäß gehalten wurde. Der nationalliberale Abg. HauSmann meinte unter fast all gemeiner Zustimmung, ein Rückschlag in der industriellen Entwickelung sei unvermeidlich, müsse dem Aufschwünge wie Ebbe der Fluth folgen. Das sollte auch das in Industrie papieren sein Capital anlegende Publicum be herzigen, was eS aber nicht thun wird. Die Preistreibereien auf diesem Gebiete sind ungeheuerlich nnd waren es besonders auch im letzten Halbjahre. Eine CourSsteigerung um 30 und 40 ist etwas Gewöhnliches seit Beginn dieses Jahres. In einer Tabelle der „Kreuzztg." finden wir aber häufig die Steigerungszisfer von 50, von 60, kaum seltener Gewinne von mehr als 80, mehr als 100, ja von 130 uud eine Steigerung von 359 auf 690, d. s. 331! Wird das krachen, wenn eS einmal kracht! Der „Dischof von Siebenbürgen". Daß in Ungarn die Regierung selbst mitunter die Landes gesetze zu umgehen sucht, ist auch außerhalb der roth-weiß- grllnen Pfähle bekannt. In letzter Zeit heiligte solche Mittel der Zweck der Unterdrückung aller nicht magya- Nscheu P^sel-cmen'-- und Pollsrechtr,-nckmenArch aller dcutjchen. Mit Entrüstung hat die ernste deutsche Tagespresse wiederholt gegen solche Uebergr'iffe ministerieller Machtbesugniß das Wort ergriffen, leider immer vergeblich, häufig sogar unter dem Hohn der magyarischen Bedrücker. Deshalb wäre es aber nicht richtig gehandelt, wollte man resignirt dem Treiben der Pestec Gewalthaber zuschauen und schweigen, besonders dann, wenn es gilt, für deutsch« Stammesgenossen, gar aber erst für ihre gute protestantische Kirche eine Lanze einzulegen. Und der neueste, mit den Bestimmungen dec Gesetze über die Gleichberechtigung der Konfessionen in Ungarn in argem Wider spruche stehende ministerielle Erlaß ist ein Anfang zu weiteren Forderungen der „Macht" der römisch-katholischen Kirche in den siebenbürgischen Landcstheilen, wie in Ungarn überhaupt. Er ging vom Cultusminister Or. Wlassics aus. Wenn er auch „nur" in der Verleihung eines Titels besteht, so ist doch diese völlig unrechtmäßige, weil ungesetzliche Verleihung und die eben falls ungesetzliche Führung des Titels eines „Bischofs von Siebenbürgen" wichtig genug, um auf die ernsten Folgen, welche den anderen Kirchen, insonderheit der protestantischen, drohen, hinzuweisen. Denn dieser Erlaß ist in der That, wie sich ein deutsches Blatt in Siebenbürgen treffend ausdrückt, nichts Anderes, als «in „Fühler, der ausgestreckt wird, um zu tasten, wie weit man 'sich vorwagen darf", nämlich katholische Pro paganda zu machen, als welche dies« Ernennung einzig und allein bezeichnet werden kann, ganz wie in der Mitte der 50er Jahre, als der österreichische Minister nach Siebenbürgen schrieb: „Es läßt sich nicht verkennen, daß die Interessen der kaiserlichen Regierung mit der Befestigung und Verbreitung der katholischen Wahrheit wie überall, so auch in den östlichen Grenzländern des Reiches auss Innigste verknüpft sind und es daher auch ein politisches Bedürfniß ist, daß die Regierung sich das Vertrauen der katholischen Bischöfe zu wahren verstehe und das kirchliche Wirken derselben unbeschadet der Gerechtigkeit gegen alle Unter khanen Sr. Majestät, was immer für einem Bekenntniß sie an- gchören mögen, auch durch den moralischen Einfluß ihres Ver trauens unterstütze."- Eine Ungesetzlichkeit ist diese Verleihung, denn bereits 1556 wurde, eine Folge der Reformation, durch den siebenbürgischen Landtag das katholische Bisthum Siebenbürgen aufgehoben. Bis 1716, wo König Karl VI. die Wiedererrichtung des katholischen Gisthums dekretirte, gab es überhaupt keinen katholischen Bischof in Siebenbürgen, und als dem Be fehle Folge geleistet wurde, legte 1743 der siebenbürgische Land tag zu Hermannstadt -besonderes Gewicht auf die Benennung so wohl des einzelnen localen Bisthums als des Bischofs, denen beiden er ausdrücklich die Bezeichnung „römisch-katholisch" zu- ertheilt wissen wollte. Die allgemeine Bezeichnung üpiooopus rcmmrco- aatlac>Iiou3 TransHvauisnsis führten die Herren in Karlsburg also unrechtmäßig, und unrechtmäßig be stätigte schon 1854 der Cultusminister diesen Titel, un rechtmäßig jetzt wieder der gegenwärtige Minister. Einen „Bischof von Siebenbürgen" giebt es nicht mehr und kann es nicht mehr geben, denn der römisch-katholische Bischof in Karlsburg führt den Bischofstitel nicht mehr allem in Sieben bürgen. Der evangelische Bischof der Siebenbürger Sachsen und der griechisch-orthodoxe Bischof könnten, da ja das Gesetz Gleichberechtigung der Confessionen verlangt, ebensogut wie der römisch-katholische diesen Titel «irres „Bischofs von Sieben bürgen" verlangen. Es ist also in dieser Verleihung thatsächlich nur eine Her vorhebung der katholischen Kirche als der angeblich „herrschenden" zu erblicken. Das ist «in wichtiges Moment, das die anderen, nicht römisch-katholischen Kirchenbehövden nicht gleichgiltig lassen darf, dem gegenüber sie kraft der gesetzlichen Gleichberechtigung energisch Stellung nehmen müssen. Ist es doch erwiesen, daß in Ungarn nichtsBedeutendesmehrgeschieht, wozu die römisch-katho lische Kirche nicht ihre Zustimmung gegeben hat, daß selbst Re formen im Staatsleben, die anderswo als Waffe gegen die Macht des Episkopats gebraucht worden sind, hier mit größter Klugheit in den Dienst der Römischen gezwungen werden. Gott wolle Siebenbürgen vor der Wiederholung jener traurigen Zeiten des vorigen Jahrhunderts bewahren, in denen di« katholische m Technische Nundschau. Bon vr. A. Neuburger (Berlin). MaLdruck verboten. Eine Frage, an deren Lösung schon viele Chemiker und Techniker vergeblich gearbeitet haben, ist die der Herstellung eines Streichholzes, das erstens „phosphorfrei" ist und das sich zweitens an jeder Reibfläche entzündet. Unter „phos phorfrei" ist zu verstehen, daß das Hölzchen keinen freien gelben Phosphor enthalten darf; da Hölzer, die mit unschädlichen und ungefährlichen Verbindungen des Phosphors versehen find, eben falls als „phosphorfrei" bezeichnet werden, so ist dieser Ausdruck nicht ganz correct und präcise. Kehren wir nach dieser zum besseren Verständniß des Folgenden unbedingt nöthigen kleinen Abschweifung zu unserem eigentlichen Thema zurück. Die alten, mit Phosphorköpfen hergestellten Streichhölzer waren gefährlich wegen ihrer leichten Entzündbarkeit und 'Giftigkeit; die „Schweden" hingegen entflammen bekanntlich nur an präparirter Reibfläche (und wie wir unseren Lesern verrathen wollen, auch an ganz trockenen Stiefelsohlen, Glasflächen und Preßkohlen). Ihre Anwendbarkeit ist deshalb eine beschränkte. Trotz aller Preisausschreiben ist es bisher noch nicht gelungen, ein Streich holz zu schaffen, daS sich überall entzündet und das frei ist von einem Gehalt an gelbem Phosphor. Die französische Re gierung, die bekanntlich das Monopol zur Streichholzfabrikation für Frankreich besitzt, hat nun einen wissenschaftlichen Ausschuß eingesetzt, der vor die angenehme Aufgabe gestellt wurde, sich an diesem schon so oft versuchten Probleme die Zähne aus- zubeißcn. Zu seinem Glücke wurde ihm vor Kurzem von Seiten zweier Angestellter der staatlichen Streichholzfabrik, Namens S^vöne und Cahen, ein Streichholz vorgelegt, das allen An forderungen entsprach und das ihn somit aller weiteren Arbeiten überhob. Dieses neue Hölzchen enthält den Phosphor in einer vollkommen gefahrlosen und giftfreien Verbindung, dem Phos- phorseSquisulfid. Außerdem ist noch etwas chlorsaures Kali beigemengt. Die Phosphorverbindung wird durch Erhitzen von Phosphor und Schwefel erzeugt; sie ist von gelblich-grauer Farbe und sehr beständig. Da sie sich bei 95 Grad Celsius entzündet, so kann sie durch einfaches Reiben zum Entflammen gebracht werden, und auch die Mischung mit chlorsaurem Kali brennt ruhig, ohne zu spritzen. Die staatlichen Fabriken in Frankreich haben zum Theil bereits die Fabrikation der neuen Streichhölzer ausgenommen; es sollen diese an einzelnen Stellen sogar schon käuflich zu haben sein. Erfüllen sich die in sie gesetzten Hoffnungen, so dürfte sich in der Zündholzindustrie vielleicht bald ein durchgreifender Umschwung vollziehen. Auch die Reinigung schlechten Trinkwassers ist ein Gegenstand, an dem sich schon Viele versucht haben. Von den vorgeschlagenen Verfahren hat in jüngster Zeit das von Baron Tyndal erdachte Aufsehen erregt. Als über dieses die ersten Nachrichten auftauchten, hatte es sogleich heftige Angriffe zu bestehen. Trotzdem brach cs sich siegreich Bahn, und bereits in den nächsten Monaten werden die zwei ersten Anlagen in Betrieb gesetzt werden, in denen nach der von Tyndal angegebenen Methode reines Trinkwasser mit Hilfe des elektrischen Stromes resp. vermittelst der durch diesen veranlaßten Ozon-Entwickelung geschaffen wird. Die eine Anlage ist in St. Maur bei Paris im Bau, sie hat den Zweck, das Seine-Wasser, das bekanntlich in seinem Exterieur einer Erbsensuppe gleicht und ein wahrer Gifttrank ist, zu reinigen und als Trinkwasser benutzbar zu machen. Die andere Anlage ist fast fertig und wird in den nächsten Wochen bereits den belgischen Hafen und Badeort Blankenberghe mit ozonisirtem Trinkwasser versehen. Das Wasser wird dem Canal von Brügge entnommen, und da es ebenfalls nicht an allzu großer Reinheit und Sauberkeit leidet, so sammelt man es zunächst bei dem Orte Schoorebrugghe in Gruben, in denen sich die größten Verunreinigungen allmählich zu Boden setzen. Von dort wird das Wasser durch eine Ro tationspumpe in zwei Cylinder getrieben, wo es durch Zusatz einer genau bestimmten Menge Carbolsäure desinficirt wird, und von hier aus gelangt es in drei Filter, die aus Seesand mit abwechselnden Lagen von Kies und Kohle zusammen geschichtet sind. Nach der Filtration pumpt man das Wasser in einen zweiten Behälter, von wo cs nach Bedarf in die Sterilisatoren geleitet wird. In diesen erzeugt ein starker elektrischer Strom von 1000 Volt Spannung im Wasser selbst Ozon; dieses vernichtet mit absoluter Sicherheit alle etwa noch vorhandenen Bakterien und organischen Stoffe, so daß das von den Sterilisatoren aus direct zum Consum gelangende Trink wasser vollkommen balterienfrei, rein und gesund geworden ist. (Wäre also auch bei Schleußenwasser anwendbar.) Ebenso wie die Reinigung des Wassers ist auch die Reinigung der Luft von Rauch und Ruß von den Technikern schon oft angestrebt worden. Welche Rußmengen, besonders in Städten, wo große technische Betriebe sich befinden, in die Luft entweichen, mag man daraus ermessen, daß z. B. in Manchester nach amtlicher Feststellung in drei Tagen auf einen Quadratkilometer 256 Kilogramm Ruß fielen, nach O. Gruner's Untersuchungen liefern die Feuerungen Dresdens pro Jahr etwa 1000 Tonnen Nuß! Dabei ist Dresden noch nicht einmal eine Industriestadt! Schon im Mittelalter erkannte man die durch den Ruß erwachsenen Schädigungen, denn bereits 1348 verbot der Stadtrath von Zwickau die Verwendung von Steinkohlen, und in England, dem ersten Industriestaat- der Welt, existirt eine ganze Sammlung von Gesetzen gegen die Rauch- und Nußplage, so aus den Jahren 1590, 1673, 1773, 1821, 1843, 1853, 1858, 1863, 1866, 1875!! Alle diese Gesetze und Polizcimaßregcln haben aber die Sache nicht zu ändern vermocht, und erst der Technik selbst ist dies gelungen. Die seit ein paar Jahren aufgetauchtcn Kohlenstaubfeuerungen liefern fast gar keinen Rauch mehr; doch benöthigen sie, ebenso wie die anderen Feuerungssysteme, hoher Schornsteine, um den er forderlichen Zug zu erzeugen. Diese Schornsteine sind aber sehr theuer und beeinträchtigen das Landschafts- oder Städte bild in höchstem Maße. Mr. Walter Snow, ein englischer Ingenieur, hat daher dieser Tage den ersten erfolgreichen Versuch gemacht, die Fabrikschlöte durch Ventilatoren zu ersetzen. In einer Fabrik in Birmingham, die 16 Kessel in Betrieb hatte und deren Gase und Rauchmassen durch einen mächtigen Schorn stein (Herstellungskosten 136 000 <:/() in die Luft geführt wurden, ist von Snow ein Ventilator aufgestellt worden, der durch den von einem Kessel gelieferten Dampf betrieben wird und dessen Kosten sich auf 26 Ö00 beliefen. Mit Hilfe dieses Ventilators gelang es, mit 14 Kesseln dieselbe Dampfkraft zu erlangen, wie bei Anwendung des Schornsteins mit Isi Kesseln; der Grund für diese Erscheinung liegt darin, daß durch den Ventilator die Luft in innigere Berührung mit dem Brennstoff kommt, so daß dieser letztere besser ausgenutzt wird. Es ist zu hoffen, daß die Versuche Snow's die weiteste Beachtung finden und der so häßliche Fabrikschlot mit der Zeit von der Bildfläche ver schwindet, so daß in einer späteren Zeit auch die Industrie städte ein schönes und sauberes Ansehen gewinnen. Die sogenannten „E l e k t r o ma g n e t e" wurden bereits am Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts erfunden. Sie bestehen bekanntlich aus einer mit einem Leitungsdrahte umwickelten Spule, in die ein Stab von weichem Eisen gesteckt ist. Das Eisen wird in dem Momente zum Magneten, in welchem durch den Leitungsdraht ein elektrischer Strom fließt, und in dem nämlichen Momente, wo der Strom unterbrochen wird, verschwindet auch der Magnetismus. Die Stärke dieser Magnete ist eine ganz ungeheure und man hat sie mancherlei technischen Zwecken mit Erfolg dienstbar gemacht. Trotz dieser Erfolge hat man lange Zeit Bedenken getragen, diese Kraft auch zu Hebezwecken zu benutzen. Erst in letzter Zeit hat man Versuche in dieser Richtung angestellt, und diese Versuche bewiesen den bisherigen Vorurtheilcn gegenüber aufs Glänzendste die praktische Brauchbarkeit derartiger Hebevorrichtungen. Solch elektromagnetischer Krahn wurde jetzt auf den Schießständen im Arsenal zu Woolwich errichtet, wo er zum Heben von Geschossen bis zum Gewichte von 815 Kilogramm dient. Die Fortbewegung der in dem Arsenal schichtenweise übereinander lagernden Ge schosse, die früher äußerst mühsam und umständlich sich gestaltete, erfolgt jetzt einfach sicher und schnell. Der Kern des Magneten hat die Form eines umgekehrten II; das Gewicht desselben be trägt 20 Kilogramm und die Stärke des elektrischen Stromes, die nöthig ist, um ihn in Betrieb zu setzen, ist sehr gering; sic beläuft sich auf 2 bis 3 AmpLre bei 20 oder 30 Volt. Dieser schwache Strom genügt, um Lasten von über 2000 Kilogramm fortzubcwcgen; doch kommen, wie schon erwähnt, meist nur 815 Kilo zum Transport. Aehnliche Einrichtungen sind jetzt auch in den „Illinois Steel Company's Works" in Amerika, sowie in. den „Sandy croft Jronworks" bei Chester in England in Betrieb gesetzt worden. Es werden dort Lasten bis zum Ge wichte von 5000 Kilo bewegt. In der kurzen Zeit des Be- stchensdieser Vorkehrungen haben sich nicht nur keine Unglllcksfälle ereignet, sondern es sind im Gegentheil durch die große Sicher heit und die niedrigen Betriebskosten die Vortheile dieses Systems überzeugend bewiesen worden. Die Verwendung des Torfes war bisher eine ziemlich einseitige. Man benutzte ihn fast ausschließlich zu Brennzwecken; einige andere Verwerthungsarten, wie zur Her stellung von Papier, als Packmaterial u. s. w. datiren erst aus neuerer Zeit. Doch ist man nun einmal auf die werthvollen Eigenschaften dieses Naturproductes aufmerksam geworden, und so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß jetzt die Vorschläge zur Ausnutzung derselben zahlreicher und auch alte Ver fahren neu ausgenommen und verbessert werden. Solches Ver fahren ist die Herstellung von Wolle aus Torf. Bereits im Anfänge des Jahrhunderts hatte Beraub in Paris diesbezügliche Versuche gemacht. Das von ihm erzielte Producr, BSraudine genannt, war aber nur von geringer Brauchbarkeit, cs zeigte größere Härte, ließ sich schlecht spinnen und selb': gegen seine Verwendung als Watte sprach die geringe Aun'augungs- fähigkeit für Flüssigkeiten, vr. Karl Geiger in Dü^elberf hat nun Beraud's Versuche wieder ausgenommen und in mir einer Torfwolle an die Öffentlichkeit getreten, die auch merrgebende Ansprüche befriedigen dürfte. Das von ihm gefundene Ver fahren besteht darin, daß die Torffaser zunäLn mi: Natron lauge behandelt wird, um alle aus dem Erdboden nammenden Säuren zu zerstören. Hierauf wird sie a::is Fe:nüe zerfasert und einem Gährungsprocesie unterworfen, durch den das im Torf enthaltene Stärkemehl und die Eiweißstoffe ent fernt werden. Die Fasern kommen dann in einen Kessel, in dem durch Aether, Benzin oder dergleichen die Fettsubstanzen extrahirt werden. Das Product wird dierauf sorgfältig ge waschen und zum Zwecke der Zerstörung noch vorhandener Gerb säure abermals mit Natronlauge behandelt. Es ist dann nur noch nöthig, dasselbe zu bleichen, und die Torfwolle ist fertig. Man sicht, das Verfahren ist etwas umständlich; dafür liefert es aber ein Endproduct von vorzüglicher Beschaffenheit, das allen Anforderungen entspricht, denn dasselbe ist spinnbar, färbefähig, geschmeidig, indifferent gegen Chemikalien und von großer Auf saugefähigkeit, eine Eigenschaft, durch die es sich auch als Ver bandwatte verwenden läßt. N. Reiser, der Director der Webe schule in Aachen, hat aus dieser Wolle Tuche, Decken und Teppiche Herstellen lassen, die den aus den bisherigen Materialien bereiteten in keiner Weise nachstchen sollen. — Dieser Erfolg ist nicht nur vom technischen, sondern auch vom nationalökonomischcn Stand punkte aus freudig zu begrüßen, denn die Torfmoore sind die ärmsten Gegenden des deutschen Vaterlandes, und es wäre zu wünschen, daß mit neuen aus der Verarbeitung des Torfes hervorgegangenen Industriezweigen auch Wohlhabenheit in diese heute so trostlosen Landstrecken einzöge!
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