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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990621011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-21
- Monat1899-06
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Jahr hundertlange Kämpfe haben die Boltsstämme auf der Halb insel verwildert, die Verschiedenheit von Raffe und Religion, Eifersüchteleien, kleine Grenzstreitigkeiten und dergleichen lassen nur zu leicht die Gewehre losgehen. An Einfälle bulgarischer Banden auf türkisch-makedonisches Gebiet ist man so gewöhnt, daß man schon gar nicht mehr darauf achtet, wenn, wie letzthin gemeldet wurde, derartige Einfälle statt gefunden haben. Die Türken halten an der makedonischen Grenze sorgsam? Wacht, und so werden solche Banden rasch mit blutigen Köpfen heimgeschickt, ehe es zur Organisirung eines Aufstandes der christlichen makedonischen Bevölkerung kommen kann. Blutige Grenzzwischenfälle an der türkisch-serbischen Grenze sind immer hin schon seltener, und wenn die Streitigkeiten einen derartigen Umfang annahmen, daß reguläre Truppen beider Staaten ein ander ein förmliches Gefecht liefern, das viele Stunden hindurch andauert und bei dem es auf beiden Seiten zahlreiche Er schossene und Verwundete giebt, so ist ein solcher Vorfall denn doch beachtenswerth und besorgnißerregend. Es erscheint ja gewiß unzweifelhaft, daß die Kämpfe der letzten Tage einen wirklichen Krieg zwischen beiden Staaten nicht herbei führen werden. Dazu fehlt es beiden Staaten — insbesondere den Serben — an Bereitschaft, Neigung und schließlich auch ge nügendem Anlaß. Aber eine starke Verstimmung zwischen der Türkei und Serbien zu erzeugen, ist der Fall gewiß geeignet. Wer der schuldige Theil gewesen ist, läßt sich so leicht nicht be urteilen, denn die Quellen, auf die man angewiesen ist, sind viel zu gefärbt, um klar auf den Grund sehen zu lassen. Jeden falls aber wird der Theil, der sich entschuldigen und dem Ver langen des anderen Theils entsprechend die Schuldigen bestrafen muß, nach dem Sprichworte „der Beleidiger verzeiht nie", dem anderen Theile die Demüthigung nachtragen. Ganz abgesehen davon, daß dieser Vorfall also genau dazu beiträgt, die schwüle Temperatur auf der Balkanhalbinsel noch gewitterschwangerer zu machen, zeigt er, wie naheliegend die Gefahr eines ernsthaften, nur durch einen Krieg zu erledigenden Konflikts jederzeit ist. Wenn die Gewehre so leicht losgehen, wenn man sich förmliche Gefechte liefert, ohne aus die Weisungen von Konstantinopel oder Belgrad zu warten, so kann es auch einmal zwischen größeren Truppenmengen zu einem Kampfe kommen, der so viele Opfer erheischt, daß eine friedliche Beilegung nicht mehr möglich ist, oder es können sich so böse Grenzverletzungen ereignen, daß sie sich ein Staat nicht gefallen lassen kann, der feine Hoheitsrechte nicht von der übermüthigen Soldateska eines benachbarten Staates mit Füßen treten lassen will und darf. In militärischer Hinsicht — danach kann nach dem serbisch montenegrinisch-türkischen Kriege von 1876, nach dem russisch türkischen Kriege von 1877 und nach dem griechisch-türkischen Kriege von 1897 kein Zweifel sein — ist die Türkei jedem ihrer früheren Vasallenstaaten, vielleicht sogar einer Coalition mehrerer dieser Staaten, bei Weitem überlegen. Ihr Heer ist den Truppen dieser Staaten nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ „über". So könnte also die Türkei einer Herausforderung gleich- müthig entgegensetzen, oder sich selbst Herausforderungen ge statten, wenn es nicht „über'm Berge auch noch Leute gäbe". Im griechisch-türkischen Kriege konnte die Türkei zwar' den Kampf ohne eine Einmischung der Mächte führen, aber als es sich für sie darum handelte, die Früchte des Kampfes und des Sieges- zu ernten, hielt ein Theil der Großmächte schirmend die Hand über Griechenland. Und dabei war in diesem Kampfe Griechenland durchweg im Unrecht. Wie würde es aber wohl im Falle eines zwischen der Türkei und einem der Balkanstaaten entstehenden Kriege werden, der durch eine Gewaltthat der Türkei herbeigeführt worden wäre? Würde dann nicht Rußland, ge gebenenfalls auch Oesterreich oder England, von vornherein ein greifen und der Türkei ihr Unrecht so handgreiflich vor Augen führen, daß dabei der Rest türkischen Besitzes auf europäischem Boden leicht zur Liquidation gelangen könnte? Will sich die Türkei im Besitze erhalten, so muß sie erstens selbst stets correct handeln und im Falle von Streitigkeiten immer den anderen Theil moralisch ins Unrecht setzen können, und sie muß zweitens die Taktik verfolgen, die Eifersüchtelei zwischen den Balkanstaaten rege zu erhalten. Beides hängt mit einander zusammen, denn wenn.die Türkei sich correct und ruhig verhält, werden die anderen Staaten sich an einander reiben, wenn aber die Türken Händel mit einem dieser Staaten suchen, werden die anderen Staaten, der Eifersucht vergessend, leicht geneigt sein, gemeinsame Sache gegen die Türkei zu machen. Aus der Ursache des gegenwärtigen Grenzconflictes läßt sich leicht entnehmen, wie die Türkei ihrerseits derartigen Zwischenfällen vorbeugen kann. Die ärgerlichen Zwischenfälle sind zurückzuführen auf Reibereien zwischen irregulären Truppen; erst nachher griffen die regulären Soldaten ein. Die Türkei wird deshalb zur Vermeidung solcher „Mißverständnisse", die doch einmal zu recht folgenschweren Conflicten führen könnten, gut daran thun, ihre bestdisciplinirten Truppen nach den Grenz- districten zu schicken, statt durch die besten Soldaten den Sultan vor eingebildeten «Gefahren schützen zu lassen, und nach der Grenze die Truppen zu schicken, die man gern möglichst weit von der Hauptstadt forthaben will. Zuchtlose Soldaten an der Grenze können den „Beherrscher der Gläubigen" in ernstere Gefahren bringen, als alle „Jungtürken" und Armenier zu sammengenommen. Deutsches Reich. -8- Leipzig, 20. Juni. Wie wir erfahren, bestätigt sich das Gerücht, daß Herr Landgerichtsdirector Dum reich er in Elberfeld an Stelle des zum Oberrcichsanwalt ernannten Herrn vr. JustuS OlShausen zum Neichsgerichtsrath vorgeschlagen worden sei. Die amtliche Bestätigung der Ernennung durch den Kaiser war bis heute noch nicht hier eingegangen. * Leipzig, 20. Juni. Ueber den Gesetzentwurf zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhält nisses fand heute gegen Mittag eine Besprechung hiesiger Mitglieder de« Vorstandes deS nationallibrraleu Landesvereins statt, die folgende Resolution an die nationalliberale Fraktion deS Reichstags tele graphisch abzusenden beschlossen: Angesichts der feststehenden Thatsache, daß die Socialdemo kratie durch einen maßlosen Terrorismus gegen die Arbeits willigen nicht nur die persönliche Freiheit und die ökonomische Wohl fahrt des einzelnen Arbeiters auss Höchste beeinträchtigt, sondern auch die Gesammtinteressen von Gewerbe und Industrie schädigt, erachten wir es für dringend nothwendig, daß diesem Terrorismus wirksam Einhalt gethan werde. Die gesetzlich verbürgte Coalitions- fre ih e it der Arbeiter muß aufs Strengste gewahrt, aber ebenso streng muß jedem Versuch eine» CoalitionSzwanges gewehrt werden. Dieses ist nach unserer Auffassung Sinn und Zweck des dem Reichstage von den verbündeten Regierungen vorgelegten Gesetz entwurfes zum Schutze de» Arbeitsverhältnisses. Wir wünschen — vorbehaltlich einer näheren Prüfung seiner Einzelbestimmungen — das Zustandekommen eine» solchen Schutzgesetzes. Prof. vr. Biedermann; vr. Gensel; Fabr. Habenicht; vr. Häbler; Stadr. Nagel; Lberm. Pfeiffer; vr. Stenglein. --- Berlin, 20. Juni. Ueber die Erbfolgefrage in Coburg-Gotha hat sich dieser Tage das „Coburg. Tagebl." folgendermaßen geäußert: „Die Salbadereien der meisten Berliner Blätter über unsere Thronfolgesrage entspringen nur der Unkenntnis; der Artikeischreibcr über unsere staatsrechtlichen Verhältnisse. Das dem Staatsgrund gesetz gleich geachtete Tomänenabkommen vom Jahre 1855 be stimmt, daß da» gesammte Domänengut im Falle Le» Nichtmehr- regirren» der jetzigen Linie an dieselbe al» Haus- und Familien- Eigenthum zurücksällt. Das will so viel sagen, daß, wenn wir dem Rate der Berliner Blätter folgen und mit Zuhilfenahme der Reichs gesetzgebung eine neue Dynastie berufen, bezw. anerkennen wollten. da» gesammte Erträgniß der Domänen (gegenwärtig etwa 1300000 für daS Jahr) dem Lande völlig verloren gehen würde. Außerdem hätte das vereinigte Herzogthum noch für die Civilliste der neuen Dynastie aufzukommen. In solchen tief ein schneidenden Geldsachen hört aber nicht nur die Gemüthlichkeit, sondern selbst der hochgradigste Mund-Patriotismus aus." Dazu bemerkt die „Köln. Ztg.": „Danach scheint es in Coburg Kreise zu geben, für die die Erb folgefrage lediglich eine geschäftliche Seite hat. Wir finden das nicht gerade schön, aber es entbehrt nicht ganz einer gewissen Be rechtigung, und wir erkennen diese um so leichter an, als diese Schwierigkeit, wenn nur sie vorhanden wäre, sich unschwer zur Zufriedenheit der Coburger aus der Welt schaffen ließe. Das Reich wird in Kurzem 20 Millionen Mark zum Ankauf der Karo linen bewilligen; die gleiche Summe und uöthigenfallS mehr würde unseres Erachtens unter freudiger Zu stimmung des ganzen Volke» aufgebracht werden, wenn man damit den Auskauf der englischen Erben bewerkstelligen könnte. Der heutige Zustand ist so unwürdig, daß man zu feiner Beseitigung auch vor Opfern nicht zurückscheuen soll, und wir sind überzeugt, daß die deutsche Regierung, die diesen Weg einschlüge, sofort aus der allgemeinen Zustimmung erkennen würde, wie sehr sie damit dem Volksgefühl entspricht." Der Vorschlag, die englischen Erben deS coburg-gothaischen Thrones mit Reichsmitteln auszukaufen, würde gewiß zahl reiche Anhänger finden, aber die „Köln. Ztg." weiß selbst, daß die „geschäftliche" nicht die einzige Schwierigkeit ist, die einer Neuregulirung der coburg - gvkhaischen Thronfolge im Wege steht. Auch in den vereinigten Herzogtümern sehnt man sich schwerlich nach Zwischenfällen, wie sie der Streit um den lippischen Thron gebracht hat. Zunächst wird man also die Rückkehr des Staatsministers v. Strenge aus London und den Erfolg seiner Mission abwarten müssen, bevor man AuSkaufs- und ähnliche Gedanken ernstlich in Erwägung zieht. Aus dem Umwege über London erfährt man übrigens, daß am Sonnabend eine geheime Sitzung des gotbaischen Landtags stattgesunden habe, in der Herr von Strenge angekündigt habe,Herzog Alfred werde wahrschein lich während des laufenden JahreS abdanken. Der Minister habe ferner gesagt, er könne seinen früheren Erklärungen über die Nachfolge nichts hinzufügen, ehe er auS England zuriickgekebrt sei, wohin er reisen wolle, um mit den interessirten Parteien persönlich zu verhandeln. Auf die Rede deS Ministers sei eine hitzige Debatte erfolgt. Weiter erfährt man, die Sucession des Herzogs von Albany könne nicht in Frage kommen, da die Gesundheit des jugendlichen Prinzen den Anforderungen der deutschen militärischen Ausbildung nicht gewachsen sei. Die Lage ist hiernach verwickelt genug. * Berlin, 20. Juni. (Ausschluß der Anwalt schaft vomRechtsbeistande.) Das Reichsgesetz über die Gewerbegericht« schließt bekanntlich von der Partei vertretung vor diesen Gerichten aus „die Rechtsanwälte und Personen, welche das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig be treiben". Man kann es den Rechtsanwälten nicht verdenken, wenn sie ihre Zusammenstellung mit Winkeladvocaten, Volks anwälten u. s. w. nicht gerade für schmeichelhaft halten, wenn sie vor Allem in jener 'Bestimmung den Ausdruck des Miß trauens gegen ihren Stand erblicken. Aber die Anwälte haben sich die sonderbare Bestimmung gefallen lassen, weil es sie nicht verlocken konnte, die Vertretung der Streitigkeiten vor den Ge werbegerichten mit ihrem meist geringfügigen Streitwerthe, ihrer vielfach verwickelten und deshalb viel Arbeit bereitenden Natur anzustrcben. Es kommt hinzu, daß die Zahlungsfähigkeit der Parteien häufig nur gering ist, daß also kein rechter Anlaß vorhanden war, eine Action gegen die betreffende Bestimmung des Ausschlusses der Anwälte von einer ganzen Kategorie von Rechtsstreitigkeiten ins Leben zu rufen. Die Sache wird nun aber doch ernster dadurch, daß jene Vorschrift des Reichsgesetzes über die Gewerbegerichte ansängt, Schule in den Einzelstaaten zu machen. In der „Deutschen Juristenzeitung" wird hierüber mitgetheilt, daß neuerdings eine für Hamburg erlassene Dienstboten-Ordnung ein summarisches Verfahren für Ge sindestreitigkeiten vor der Polizeibehörde vorschreibt, für welches dann der Senat eine Ausführungs-Verordnung erlassen hat. In dieser erscheint nun wieder die Bestimmung, daß den „Rechtsanwälten und Personen, welche die Wahrnehmung fremder Rechtsstreitigkeiten geschäftsmäßig betreiben", die Ver tretung der Parteien im Gesindestceitverfahren vor den Vcr waltungsbehörven nicht gestattet ist. Niemand wird behaupten wollen, daß die Vertretung von Dienstbotenprocessen zu den an genehmen oder gar lucrativcn Beschäftigungen gehört. Um so mehr wird es klar sein, daß ein Protest gegen den Ausschluß der Anwaltschaft vom Rechtsbeistande, wie er allmählich zum Princip werden zu sollen scheint, nicht aus der Befürchtung einer Ein kommensschmälerung, sondern vom Standpunkte der Wahrung der Standesehre aus beurtheilt werden müßte. Wenn immer neue Gesetze kommen, in denen dem Anwalt verboten wird, seinen Beruf auszuüben, in denen er von dem Auftreten vor Gerichten ausgeschlossen wird, dann kann es nicht Wunder nehmen, wenn das Publicum dem Rechtsanwaltsstande die ihm gebührende und durchaus erforderliche Achtung immer mehr versagen lernt. Berlin, 20. Juni. (Privattelegramm.) Der dem Reichstage soeben zugegangene zweite RachtragSctat fordert 17 850 000 -L, und zwar 17 300 000 ^ als an Spanien zu zahlende Entschädigung für die Abtretung der Karolinen, Palauinseln und Marianen; sowie 550 000 als Zuschuß zur Bestreitung der Ausgaben für die Verwaltung der Inselgruppen. Die Summe von 17 300 000 entspricht 25 Millionen Peseta«, wobei der gegenwärtige WechselcourS von 67 für 100 Pesetas zu Grunde gelegt ist. Beigefügt ist der französische Text und die deutsche Üebersctzung deS Uebereinkommen» zwischen Spanien und Deutschland vom 12. Februar d.J. — unterzeichnet v. Rado witz und Herzog de Almodovar del Rio —, deren Wortlaut vom Staatssekretär v. Bülow in der Reichstagssitzung vom 6. Juni mitgetheilt worden ist. — Unter den 550 000 .6 VerwaltungSkosten sind 440 000 einmalige, also künftig fortfallende Ausgaben. Die fortdauernden Jahresausgabeu für die nächsten äahre sind auf 220 000 veranschlagt, von denen für das laufende Jahr nur die Hälfte mit HO 000-6 gefordert wird. Von der Ausstellung eines im Einzelnen gegliederten Etats, zu dem vorläufig die Grundlagen noch feblen, hat man Abstand nehmen müsse», bis die Neu organisation durchgeführt ist. Inzwischen soll, nach dem Vor gang in den übrigen Schutzgebieten die Wirthschasts- führung mit einem Pauschquantum erfolgen. — Eine beigefügte Denkschrift besagt: Tie Inselgruppen sind unter spanischer Herrschaft in drei von einander unabhängige Verwaltungsbezirke eingetheilt gewesen, die dem Gencral- Capitanat der Philippinen in Manila unterstellt waren. Die gesammten Kosten der Verwaltung einschließlich der Subvention für die regelmäßige spanische Postdampserverbindung von und nach Manila mit zweimonatigen Rundfahrten durch den ganzen Archipel wurden aus den Einkünften der Philippinen bestritten. Diese drei Verwaltungsbezirke, rein militärisch orga- nisirt und einem eignen Gouverneur mit großem Beamten apparat unterstellt, dem zwei eigens für diese Inseln gebaute kleine Kanonenboote zur Verfügung standen, waren 1) die östlichen Karolinen mit dem Regierungssitz in Ponaps, um fassend die hohen Basaltinseln Ponapö, Kusaie, Nuk und die Korallenatolle dieses TbeilS der Karolinen bis znm 148"östl. LängeGreenwich, also einschließlich derAtolleNamounito,Ollap, Enderby und Sek. 2) Die westlichen Karolinen und die Palau- inseln mit dem Regierungssitz in Jap, umfassend die Korallen atolle jenseits des 148» östl. L. Greenwich und die übrigen Basaltinseln der Palaugruppe bis zur südlichsten Karolinen- Insel Mapia (fast unter dem Aequator). 3) Die Marianen mit dem Regierungssitz in Guam (etwa lObvhe Inseln und denAnson- atoll umfassend). — Nach dem Uebcrgang der Inseln in deutschen Besitz würde eS rathsam erscheinen, an dieser Eintheilung in drei Verwaltungsbezirke, die eine durchaus natür liche und durch die geographische Lage gebotene ist, mit der einen Aenderung festzuhaltrn, daß in dem dritten Verwaltungsbezirke, der die Marianen umfaßt, an Stelle der in amerikanischen Besitz übergeaangenen Insel Guam die Insel Saipan mit dem Hafen Tanapaz Feuilleton. Goldfelder und Goldjiadt.*) Einstige Alpenwelt Australiens. — Mr. Bayley. — Eine Goldmine. — 280 Fuß unter der Erde. — Der „Willie- Willie". — Coolgardie von 1896. — D. A. Simon. — Nach Broad Arrow. — Ein Salzsee. — Verirrt! — Ein Neger trupp. — Auf der Hillend Mine. Auch in Australien gab es einst vor so und so vielen Millionen Jahren hohe schneebedeckte Berge mit tiefen Kratern voll höllischen Feuers. Dann kamen gewaltige Fluthen und heftig« Erdstöße; sie erschütterten, zerspülten und zerrissen die Riesenwänd«. Nichts ist davon geblieben als die blauen Berge von New-South-Wales und hier und da ein einsamer Ueberrest; das Alpenreich Australiens hat sich in ein flaches Hügelland verwandelt, in eine wasserarme Landsteppc. Wer reiche Erz massen, Gold und Silber, Kupfer und Zinn lagen in jenen Bergen aufgespeichert — sie sanken mit den Riesen in den Sand; doch sie verschwanden nicht, sondern ballten sich zu festen Klumpen in dem Schoß der Felsen, oder sie ließen sich fort treiben, fortschwemmen von Wind und Wellen. -Auf demselben Fleck bin ich heut«, wo einst Mr. Bayley im Spätherbst 1892 sein Alluvialgold aufhob. Im hellsten Glanze lag eS da, rein gewaschen von Sand, Sonne und Wind, und in so reicher Menge, daß es schwer auf einmal fortzuschaffen *) Wir entnehmen diesen interessanten Artikel mit Erliobniß der Berlaq-Handlung B. Elischer Nachfolger in Leipzig dem soeben in ihrem Verlag erschienenen Werk „Auf australischer Erde", Ernste» und Heitere» von Richard Lehmann, vr. jur. (Band 4 einer Samm lung mod«rn«r R«isew«rkr). Preis 8 war. Aus drn Felsentrümmern der umliegenden Höhen hatte es sich losgelöst vor vielen, vielen Jahren, war dann von Sturm und Wolkenbrüchen ins Thal gerollt worden, und hier erwartete es nun den Glückspilz von Goldsucher. — Ich kann nichts finden; mein Stock wühlt sich umsonst durch die heiße Erde; meine Finger heben nur Sand und Steine und Ameisen . . . „Bayley's Reward Claim" heißt die Goldmine, an der sie drüben auf dem Anberge arbeiten. Keine Maschine ächzt und seufzt, kein Schmelzofen glüht, kein Hammerschlag durchzittert die Luft. Nur ein Windseil ist errichtet, an dem die erde- und steingesüllten Eimer sich ausrollen; der Schutt wird dann auf Karren über eine Holzbrücke geschafft und hier aus ebener Erde aufgehäuft. Schwarzgelockte Italiener sind es, die dies Ge schäft besorgen; sie singen und lachen bei der Arbeit und rauchen ihre kurze Pfeife. — Wo die Thalsenkung am tiefsten ist, wird an einem großen Viereck gegraben; acht, neun Fuß mögen schon ausgehoben sein. Hier soll das Regenwasser ge sammelt werden. Ein schauderhafter Durst plagt mich in dieser Januarhitze von 38 Grad Reaumur im Schatten. Schatten? Wo ist der? Nirgend» außer in den paar Zelten vielleicht, die über fahle Salzstrauchbüsche hervorgucken. Trostlos diese Oedt, wohin das Auge schaut. So todt, so lüft- und leblos ist die Erde hier unter dem 29. Breitengrade Australiens. Das bischen Baum und Busch sieht aus wie künstlich auS Pappe aufgebaut. So heiß ist es, daß die Luft vibrirt; man sieht, wie sie zittert, glüht, auf und nieder fluthet. Der „marueser", der Ärubenverwalter, geht langsam auf mich zu. Alles ist weiß an ihm, Mütze, Rock, Hose, Stiefeln. Ich erzähle ihm, daß ich auf dem Wege nach Coolgardie bin, daß ich so elend und durstig bin. Wasser soll ich haben — und wie wir uns freuen! Wir sind Landsleute! Ja, da» lob ich mir; 20 000 Mk. JahreSgehalt, freie, ganz unabhängig« Stillung, obendrein Pferd und Wagen grati» — da hält man's selbst auf Bayley's Reward Claim eine gute Weile aus. Als Landsmann erhalte ich einen Blechtopf Regenwasser! Welche Erquickung, wenn man sonst nichts als entsalztes Koch wasser trank ... so fade schmeckt das, so nach nichts und gar- nichts. Die Arbeiter müssen sich ihr Trink- und Waschwasser zwei Meilen weit abkaufen; 40 Pf. kostet die Gallone. Doch solch Miner verdient wöchentlich 90—100 Mk., Tischler und Schmied sogar 1 Pfund — 20 Mk. pro Tag; da können sie sich am Ende auch den Luxus von Waschwasser gestatten. Ob ich in die Grube steigen will? Welche Frage — natürlich will ich das. Ich erhalte eine Laterne; wir klettern los. Der ganze 280 Fuß tief« Schacht ist mit glatten, festgefügten Holzwänden versehen. Wenn sich ein Brett löste, von oben nieder So kühl, so angenehm wird das Hier unten. Ich soll links das Tau erfassen und mich daran zu Boden lassen. Auch das geht gut. Wir sind auf festem Grunde. Kein Arbeiter zu sehen. Eine kl«in« Dynamitexplosion wird abgewartet. Buff-baff-buff! es spritzt und streut; schweres Steingeröll poltert durcheinander. Sogleich geht's wieder darauf mit den schweren Eisenhaken, die Eimer werden gefüllt — Hai, ho! schon werden sie hinaufgewunden. An den feuchten Steinwänden glitzt und blitzt es im Laternenschein. Das ist Gold, grob und fein verstreutes Riff gold, in zwei bis drei Fuß breiten Adern zieht es sich durch dm weißgrauen Quarz. Wir müssen durch einen Salzwassersee — das wird meinen Canvasschuhen den Rest geben; der Herr mana^r will mir seine Schatzkammer zeigen. Im Nu sind wir hinüber. Freilich, auf solchen Fund kann man stolz sein. Wa» der goldige Quarzblock dort wohl werth ist? „Für 17VOOO Mk. können Sie ihn mitnehmen", sagt Herr S. und schlägt zum Andenken für mich ein »psoirneu ab. Wieder am Oberlicht. Ich muß mit ins Zelt und eine Flasche Bier trinken; in dieser Zone kosten drei Wassergläschen voll Bier 3,50 Mk. Auch einen guten Cognac giebt es. Unsere Cigarren kosten das Stück 1 Mk. Die Herren wanaxer lassen sich eben nichts abgehen. , Weil nichts darin steht, ist viel Raum im Bureau; ein Tisch und zwei Holztisten, die als Stühle dienen, sind die ganze Einrichtung. Ich gebe meinem Erstaunen Ausdruck üb^r di« Doppelthür und die Doppelfenster. „Passen Sic nur auf, wenn der Willie-Willie kommt!" „Willie-Willie! Was soll ich dabei denken, bitte?" „Ach so — Verzeihung .... Sie sind ja noch nevsüam, noch Potsdamer hier in der Wildniß. Ich sprach von unserem westaustralischen Wirbelwinde. Hu! — wo der Willie-Willi- antobt, — kein Stein bleibt mehr auf dem andern, und der Staub! Die feinsten Ritzen weiß er auszufinden. Ohne Glas fenster und feste Thür blieb auch kein Stückchen heil hier; meine ganze Buchführung ginge zum Teufel, und ich könnte dann nur gleich selbst mitfliegen; die Herren Aktionäre gäben mir doch den Laufpaß." Ich brach auf, ich wollte unbedingt noch vor Sonnenunter gang in Coolgardie sein. Wenn doch einmal todtgeschlagen, dann je «her je besser, dacht« ich. Ich schleppe mich den Fahrweg entlang. Auf olivgrünem Busch sitzt «in Vogel: «in weißer Kerl mit rothem Schnabel; er sieht mich groß an, dreht die Augen und lacht auf einmal — hi, hi, hi! So — das wäre überstanden! Endlich wieder Kies unter den Füßen; ich bin in der Hauptstraße, in der Bayley-Street vom Februar 1896. Die Straße ist breit. Radfahrer, Reiter, Kameeltreiber, Kutscher aller Art fahren an un» vorüber. Auch die Fuß gänger eilen schnell dahin; sie wollen zeigen, daß sie der Arbeit wegen und nicht zum Vergnügen in Coolgardie sind. Au»
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