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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990626013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-26
- Monat1899-06
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. di» Vornd-AuSgabe Wochentag« um 5 Uhr. Nr-actio» un- Expedition: Johanni«gasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»: ktt» klemm'« Lortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraße 3 (Paulinum), Laut» Lösche» irathariueostr. 14, part. und König-Platz 7. Bezirzs-Preis In der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus« uavrstellrn abgeholt: vierteljährlich^ 4^0, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliüdrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in« Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. Mpziger TaMalt Anzeiger. Nmkskl'att des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Volizei-Ämtes der Lindt Leipzig. 3IS. Montag den 26. Juni 1899. Anzeigen Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclame» unter demRedactionSstrich (4g«» spalten) 50 vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz »ach höherem Tarts. kxtra»veilage« (gefalzt), nur mit der viorgen» Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Ännahmeschluß fir Anzeigen: Ab end «Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet« an die Expedition zu richte». Druck «ad Verlag von L. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vermiethungen: 1) Kleine Fleifchergasse 5/7 ein Cckladen, sofort oder vom 1. Juli u. e. ab, gegen '/»jährliche Kündigung oder fest bi» zum 3I./3. 1903. 2) Kleine Fleifchergasse 2» и. eine Wohnung im Zwischengeschoß für 500 jährlich, к. rin Keller, für Obsthändler passend, für 50 jährlich, vom 1. October u. o. ab. 3) Ttlnsonstratzc LV eine Wolinung im Erdgeschoß, link», für 850 ^l jährlich, vom 1. October event. vom 1. Juli a. o. ab. 4) ReichSktratze 7, I., zu Geschästszwecken paffend, für jährlich 1200 vom 1. October a. o. ab, oder auch früher. Eventuell wird dieses Geschoß auch gethetlt vermirthet. 5) Brühl 57 Stallung für zwei Pferde, zu 190 jährlich, vom 1. Oktober a. o. ab. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 9, rntgegengenommen. Leipzig, den 5. Mat 1899. Der Rath der Ltadt Leipzig. Or. Tröndlin. Hildebrandt. Harzburgen. Nachdruck verboten. (Schluß.) Nun ging der Regenstein in braunschweigischen, später in brandenburgischen Besitz über. Wegen des Regen steines kam es zwischen Braunschweig und Brandenburg zu ernst lichem Streite, den die Waffen entscheiden sollten; dies ver hinderte jedoch Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen; das Kammergericht zu Speier entschied zu Gunsten Braunschweigs; da aber Brandenburg sich nicht fügte, so ging der Proceß weiter bei dem Reichskammergericht zu Wetzlar. Bei seiner Auflösung im Jahre 1806 hatte dieser Gerichtshof noch kein Urtheil gefällt, daher blieb Brandenburg im Besitz des Regensteines. Fried rich Wilhelm der Große Kurfürst ließ den Regen stein zu einer neuzeitlichen Festung umbauen. Es war ein 600 Fuß tiefer Brunnen vorhanden, ein Back- und Brauhaus, und die Höhe ward von einer Windmühle gekrönt. Die Besatzung betrug 1681 160 Mann, 1687 wurden 13 eiserne Geschütze aufgestellt, in späteren Jahren bildeten nur Invaliden die Besatzung. Nach der Schlacht bei Hastenbeck erschienen auch die Franzosen vor der Felsenfestung Regenstein und am 12. Sep tember 1767 mußte der Oberst von Ahlrmb sich mit seinen 72 Mann Besatzung der ganz bedeutenden Uebermacht ergeben. Dieses an und für sich geringfügige Ereigniß ward als glän zende Siegesthat nach Paris gemeldet und dort als solche gefeiert. Lange blieben die Franzosen nicht im Besitz des Rezensteines, im Februar 1768 erschien Prinz Heinrich von Preußen vor der alten Beste, der erste Schuß zertrümmerte das Tretrad deS Brunnens, so daß Wassermangel den französischen Befehlshaber zur Uebergabe zwang. Da nach dem Urtheile Friedrich's deS Großen der Regenstein nicht geeignet war, das Land zu schützen, so ward auf seinen Befehl der Regenstein geschleift, er ward zum zweiten Male zur Ruine. lieber die heutige Beschaffenheit derselben berichtet Steinhoff in seinem Merkchen „Der Regenstein" Folgendes: „Der Theil des Rezensteines, der die Ruinen der Burg trägt, zerfällt in drei Stufen, die Kuppe, einen niedrigeren Felsabschnitt, und eine Art Felsenmauer, von letzterem durch einen schmalen Grasplatz getrennt, auf welchem man besonders viel Urnen, Knochen, uralte Ziegelreste gefunden hat. Der alte Reitweg verfolgte vom jetzigen Thore, damals nur einem Felsendurchbruche, an dessen rechter Seite ein Regensteiner Wappen und eine verwischte In schrift steht, den jetzigen Fahrweg ungefähr bis dahin, wo rechts die erste von sechs, jetzt Wirthschaftszwecken dienenden, Kase matten sich befindet. Hier wandte er sich etwas links, führte über zwei, vielleicht drei Kasematten, aus denen jetzt ein Saal, die Wohnräume des Wirthes und eine Veranda erbaut sind, bis zu letzterer, von wo nach links eine Zugbrücke zur eigentlichen Burg führte. Die genannten Kasematten, deren eine als Schmiede benutzt sein soll, lagen also außerhalb des eigentlichen Burgbezirks. In Ermangelung jener Zugbrücke ersteigen wir die Höhe auf einer Treppe und treffen auf der Novdseite zuerst ein mit Fenster- und Thüröffnung versehenes Gemach, die Wacht- stube; an der Rückseite derselben im Fels ein Knappe mit einer Partisane, wohl die Schöpfung eines Burgmannes in müßiger Stunde. Weiter links gelangen wir an einen Durchgang; an diesem vorbei in der Höhe sind die Reste des durch Blitz zer störten Fräuleinzimmers. Zur linken Seite des Durchganges liegt die wohl nur mit einem, dem heiligen Nicolaus geweihten Altäre auszestattete Capelle, die später, bis 1849, als Tanzsaal benutzt ward; der Pfeiler in der Mitte fehlt und die Decke zeigt Spuren der Zerstörung; zur rechten ist die sogenannte Hofstube oder der Rittersaal, welcher sein Licht durch eine natürliche Oeffnung im Felsen erhält. Wir wenden uns nun, um die Kirche herumgehend, zu dem aus Roggensteinen erbauten, halb verfallenen Thurme. Links hinter ihm erblicken wir eine runde Höhlung im Felsen, ein sogenanntes Burgverließ; da sie indeß mit einer Thür in halber Höhe des Felsens zusammenhängt, so haben wir es wohl eher mit einem Ausstieg zur Burg zu thun, der Anfang, eine Treppe oder Leiter, konnte weggenommen werden, in der Höhlung selbst stand dann eine zweite Treppe bis zur Höhe. Jene Thür mit dem rechts davon eingehauenen preußischen Adler, einer unleserlichen Inschrift darüber und den vielzackigen Reinsteiner Hirschhörnern von 1662 zu betrachten, haben wir vom Tcufelsloche aus Gelegenheit; für jetzt wandern wir am Thurme vorbei, wo noch Spuren der starken, dicken Mauer zu sehen sind, zum Durchgänge zurück und gehen am Fuß der Kuppe bis zu einer hölzernen Treppe; diese führt auf den höchsten Punct, den Generalsitz. Der noch zum Theil vor handene Gypsanstrich und Spuren von Mauerwerk zeigen, daß hier oben Gebäude, die eigentlichen Wohnräume der Grafen, einst standen." Me Aussicht von dieser Höh« ist prachtvoll. Sie reicht bis nach Halberstadt und bei günstigem Wetter erblickt man die Magdeburger Domthürme, gerade im Osten erhebt sich der Thurm der Ascherslebener Stephanskirche. Ferner sind Ballen stedt, Suderode und Gernrode mit Stubenberge, die Georgshöhe, Lauenburg, der Hexentanzplatz, Roßtrappe und Dictorshöhe mühelos zu erspähen. Im Süden erhebt sich die vielgestaltige Teuselsmauer, hinter den vorliegenden Bergen streckt der Bater Brocken sein würdiges Haupt hervor und das freundliche Werni gerode mit der vorliegenden Heimburg treten in den Gesichtskreis. Das ist «wahrlich eine Rundschau, wie man sie nur von wenigen Aussichtspunkten innerhalb der deutschen Mittelgebirge hat. Steigt man von der Höhe hinab, so betritt man rechts ein« große Kasematte, es ist das Zimmer der Burgfrau, auf schmalem Feksenkamme gelangt man weiter zum verlorenen Posten. Bon ihm blickt man hinab in eine Sandwllste. Wendet man sich um, so gelangt man zu einem zweiten Burgverließ. Bon diesem er zählt die Sag«, daß einst ein Ritter in ihm ein edles Fräulein gefangen hielt, weil sie sich seinem unedlen Ansinnen fortgesetzt widersetzte. Aus dem Verließ zu entkommen, schien ihr unmög lich, dennoch wankt« 'sie nicht, sondern vertraute Gott, dem Retter der Unschuld. Wei einem furchtbaren Hagelsturme vernahm sie, wie die Hagelkörner gegen ihr Verließ schlugen. Aus dem Tone konnte sie schließen, daß die Wände gar nicht dick sein konnten, mit einer kleinen Silbermllnze, die man ihr gelassen hatte, schabte sie eine Oeffnung durch die Wand und entkam glücklich zu den Ihrigen. Weiter abwärts steigend, gewahrt man ein in den Felsen eingchauenes „IV.", das Zeichen der Wallenstein'schen Besitzergreifung im dreißigjährigen Kriege. Rechts davon gelangt man zur Folterkammer und später zu einem dritten Burgverließ, in dem der Sage nach ein großer Schatz liegen soll, und zuletzt zum Teufelsloch, zu dem ein langer schmaler Gang führt, in dem die Jahreszahl 1090 zu entdecken ist. Oberhalb des Teufclsloches erhebt sich ein Thurm, der erstiegen werden kann; von ihm herab geniesst noch einmal der Besucher die prachtvolle Rundsicht. Wegen seiner isolirten Lage ist der Regenstein auch reichan Ausbeute für /Pflanzen- und Jnsectensammler. Boller Befriedigung und reich an ganz besonderen Eindrücken verläßt der Wanderer diese merkwürdige Ruine und stimmt sicher lich mit dem Musspruche Hoffmann's überein: „Wer den Regen stein nicht gesehen hat, hat den Harz nicht gesehen." Doch es muß geschieden sein, warten doch noch andere Naturschönheiten und interessante Baudenkmäler der Besichtigung, lieber Rübe land und Schierke hinauf führt der Weg zu dem schon oft aus der Ferne begrüßten Brocken, von ihm geht es wieder abwärts zu dem belebten Harzbuvg und hinauf zu den wenigen und doch so beachtenswerthen Trümmern der Harzburg, die vor dem Beschauer ein Stück deurscher und hochbedeutsamer Geschichte aufrollen. Die Sage weist dieser Burg ein sehr hohes Mter zu; soll doch schon (Julius Cäsar 63 v. Chr. Geb. auf dem Burgberge ein römisches Castell und «inen dem «Saturn geweihten Tempel er richtet haben. Die Deutschen nannten Saturn Krodo; Karl her Große soll diesen Götzentempel zerstört und an seiner Stelle eine christliche Kirche erbaut haben. Diese Angaben, sowie die, daß NöUig Heinrich die Harzburg zum Mittelpunkte seiner Vertheidi- gungsanlagen gegen die Ungarn gemacht habe und daß ferner König Konrad I. ein Ehorherrnstift gegründet, gehören ins- gesammt in das Reich der Sage. Erst 'mit Kaiser Heinrich IV. tritt die Harzburg in die Geschichte ein; er ist der Erbauer derselben, um 1068 war sie bewohnbar. Nach Delius hatte sie folgend« Bestimmung: „Die Anlage der Harzburg aber erfolgte von vornherein nach einem höheren Maßstabc, sie sollte das angenehme und bequeme Hof lager eines jungen, genutzliebenden Herrschers sein, ausgestattet mit allen Erfordernissen eines solchen, würdig des ersten Fürsten der Christenheit, der Aufbewahrung seiner Schätze und der heiligen Reichskleinodien." Großes hatte der junge Kaiser mit dieser Burg im Sinn; hi«r sollte das Erbbegräbniß seines Hauses werden, ein würdiger prachtvoller Dom sollte auf dieser Bergeshöhe entstehen und daneben ein Ehorherrnstift. Da diese weitgehenden Pläne nicht mit einem Male ins Leben gerufen werden tonnten, so entstand vorläufig eine Holzkirche. Bon 1068 bis 1073 weilte Heinrich wiederholt auf dieser so schön gelegenen Burg, es war ihre Glanzzeit. In dem Kampfe Heinrich'» IV. mit den aufständischen Sachsen verfiel sie der Wuth des em pörten Volksstammes, der 1074 die Festungswerke der Burg zer störte, die Kirche aber unversehrt ließ. Heinrich glaubte, die Wuth der Empörer habe sich gekühlt, aber er hatte sich verrechnet; gleich nach seiner Abreise von Goslar ward Alles auf dem Burg berge dem Erdboden gleich gemacht. Die Zerstörung der Harzburg schildert F. Günther mit folgenden Worten: „Schon am dritten Tage nach seiner Ab reise stürzte der Pöbel der ganzen Umgegend wie rasens auf den Burgberg; sie rissen die Grundmauern der Festungswerke aus der Erde- schleuderten die Steine von der Hohe hinunter, zerstörten auch die Wohngebäude bis in den Grund, raubten die Schätz- der Kirche, zerbrachen die Altäre derselben und brannten das Gotteshaus nieder. Damit auch nichts übrig bleibe, wühlten si- die beiden dort beigesetzten Leichname heraus und streuten sie nebst den Reliquien der Heiligen gleich Hundebeinen umher. Da erschien der Abt eines benachbarten Klosters, wahrscheinlich der von Ilsenburg, mit seinen Geistlichen, sammelte die Gebeine uno führte sie ehrfurchtsvoll in seine Kirche." Nachdem Heinrich Vie Sachsen an der Unstrut besiegt hatte, gab er den Befehl zum Aufbau der Harz bürg; der Bau aber ward nicht vollendet, mit den übrigen Burgen Heinrichs ist auch sie wahrscheinlich wiederum in einen Trümmerhaufen ver- Ferrrllrtoir- Ein originelles Naturvolk. Oskar Baumann schließt seine ethnographischen Betrach tungen über die Ureinwohner der spanischen Insel Fernando Po im Golf von Guinea („Eine afrikanische Tropeninsel", 1888. Verlag von Hölzel-Wien) mit folgendem ResumS: Ich habe in den Fernando-Po-Negern („Bube" genannt) ein Volk kennen gelernt, welches zwar im tiefsten Urzustände lrbt und vom Aber glauben umnachtet ist, dennoch aber menschlicher Regungen und wahrhaft großer Joeen fähig ist. Gin berühmter Forschungs reisender hat einmal Afrika ein „Land der Contraste" genannt. Es giebt vielleicht 'wenige Stämme, für welche dieses Wort so angebracht wäre, wie für die Bube. Kann es einen größeren Contrast geben, als wenn ein Volk einerseits so zurück ist, daß die einfachsten Industrien, die gebräuchlichsten Culturpflanzen ihm fremd blieben, während andererseits eine hohe Moralität, Land frieden und ein Volksgericht es über Völker stellen, deren sonstiger Culturzustand dein ihrigen weit überlegen ist? Mag nun die Nachricht, Deutschland stehe mit Spanien wegen des Ankaufs der Perle des Guineagolfes in Unterhandlung, sich bewahrheiten oder nicht, jedenfalls muß es von Interesse sein, ein derartiges, der kulturellen Entwickelung zweifelsohne in hohem Grade zugängliches Volk näher kennen zu lernen. Der oberste König der Bube, dem Alle unterthan sind, ist Moka von Riabba. In einem von grasigen Hängen verschlossenen Kraterkessel liegt Moka's Dorf; dort herrscht er weltverloren, aber jedenfalls einflußreicher als der spanische Gouverneur in Sta. Isabel. Niemals hat ein Weißer ihn geschaut, der Anblick einer bleichen Gesichts würde nach der festen Ueberzeugung aller Bube den sofortigen Tod ihres Führers herbeiführen. Der Anblick des Meeres, über das di« Fremden herüberkommen, ist ihm ver haßt, niemals hat er den Strand betreten. Es ist nicht zu bezweifeln, daß Moka den Dube Einrichtungen gegeben hat, welche von großer Intelligenz und erstaunlich klarem Blicke zeugen. Die Idee der Centralisation z. B. wird von Moka coUsequent verfolgt. Von allen Richtungen führen gut gehaltene Fußpfade nach seiner Residenz. Vor feinem Eingreifen waren die «Bube in zählreiche unabhängige Stämme uNd Gemeinden zer splittert, welche sich fortwährend bekriegten. Zwar herrschten da mals schon Normen, welche die Mattigkeit der Kriege sehr be schränkten (so durften di« Angehörigen eines Dorfes nur mit Stöcken aufeinander losgehen), aber die Unsicherheit war sehr groß, Niemand war seines Lebens und seiner EigenthumS sicher und großer Unmuth herrschte allerorts über diese Zustände. Da entsandte Moka Boten nach allen Gauen der Insel, um aus jedem Dorfe die erfahrensten Männer zu einer allgemeinen Volksversammlung nach Riabba zu laden, di« sich zu einer Art Vorläuferin der Friedenskonferenz der europäischen Mächte im Hus bei Bosch gestaltete. Der erste Beschluß, den man faßte, war die Erklärung der Einheit aller Bube, welche Moka als ihren obersten Häuptling anerkannten. Zugleich wurde beschlossen, daß alle Krieg« aufhären sollten und alle Streitfälle durch die Volksversammlung, di« Jhna, zu schlichten seien. Diese nahm als leitendes Princip den Satz an: „Wer getödtet hat, wird ge- tödtet". Dies kann als das oberste Gesetz der Bübe angesehen werden. Keinem von ihnen ist es gestattet, einen Menschen, sei es nun ein Bube oder ein Potoneger (importirte Mischrasse um Sta. Isabel) oder selbst einen Weißen, zu tödten. Sobald ein Mord sich ereignet hat, vereinigen sich sofort Abgesandte aller Ge meinden auf dem Tanzplatze des Dorfes des muthmaßlichen Mörders; oft kommen bis 2000 Mann zusammen, die von dem Dorfe erhalten werden müssen. Sobald der Mörder ermittelt ist, muß er von seinem Dorfe ausgekiesert werden. Hat er sich in die Wälder geflüchtet, so wird eifrig Jagd auf ihn gemacht, und meist gelingt es, ihn zu fangen. Dann wird er gebunden und möglichst viele Männer schießen zugleich auf ihn, damit es heiße: „Das Volk hat ihn ge- tödtet". Kann der Mörder nicht ermittelt werden, oder gelang es ihm, zu entkommen, so wird das Dorf verantwortlich gemacht und muß eine erhebliche Zahlung von Ziegen und Muschelgeld leisten. D«r größte Theil dieses Strafgeldes entfällt aus Moka, der auch das bewegliche Vermögen eines Mörders einzieht. Die religiösen Anschauungen der Bube sind die eines Naturvolkes, dessen Leben und Sein mit einer großartigen, ur sprünglichen Natur verbunden ist. Ihm belebt die Phantasie die einsamen Wälder mit überirdischen Wesen und Geistern. Auf der Höhe des Pic, in den tiefen Thalschluchten, in den Flüssen, Lagunen und Kraterseen der Heimath erblickt der Aberglaube der Bube die Wohnsitze der Seelen Abgeschiedener, sowie vieler koboldartiger Geschöpfe. Nachts wird die Hütte sorgfältig ge schlossen, denn der Waldteufel treibt sein Unwesen, oft zieht er heulend durch die stillen Dörfer und zerrt an den Thüren der Hütten. Dann kann man einen Bube mit wildem Geschrei aus dem Hause springen und mit dem Zauberstock wüthend auf den unsichtbaren Nachtgeift einhauen schen. Auf der 'Höhe des Pic thront der Geist O-Wafsa, nach welchem der Gipfel benannt ist. Besondere Verehrung wird dem Geiste Lobe zu Theil, der seinen Sitz in dem kleinen Kratertümpel am Nordhange der Cordillere aufgeschlagen hat. Die Bube glauben an einen obersten guten und bösen Geist. Der gut« Geist ist eben seinem Wesen nach ohnehin gut und bedarf keiner Opfer; weit größerer Aufmerksam keit erfreut sich der bös« Geist, dem all das niedere Geistervolk der Wälder unterthan ist. Ganz christlich dagegen muthet es an, wenn der Missionar Barleycorne, der lange auf d«r Insel gelebt hat, Baumann mittheilt«, die Bube erkennten die Existenz eines höchsten Gottes (Watakinaa) an, hielten denselben jedoch für so erhaben, daß er ihrer Verehrung entrückt sei. Die Moralität der Bube ist sehr groß. Ehebruch ist höchst selten und wird strenge bestraft. Früher wurde dem überwiesenen Ehebrecher eine Hand abgeschlagen und der Stumps in siedendes Palmöl getaucht. Jetzt pflegt man den Uebelthäter an einen Baum zu binden, an welchem die bissigen schwarzen Ameisen, die sogenannten DriverS, zahlreich Vorkommen. Obwohl Knaben von 14—16 Jähren es den Männern in allen Fertigkeiten min desten» gleichkhun, ist das Heirathen erst völlig Erwachsenen ge stattet. Sin Bübe kann so viele Weiber nehmen, als er zu er nähren vermag. Da» eheliche Leben gestaltet sich insofern zu einem relativ günstigen, al« die Arbeiten fast gleich auf beide Geschlechter vertheilt sind. Die moralischen Eigenschaften der Bube sind um so auffallender, wenn man sic mit jenen der Poto- neger oder der Dualla Kameruns vergleicht, wo die Moralität auf ein verschwindend geringes Maß beschränkt ist. Der Bube ist mit allen Fasern seines Herzens mit seiner schönen Heimath, mit seiner primitiven sorglosen Lebensweise verwachsen. In dieser Eigenschast basirt sein Hauptcharakter zug: streng konservativer Sinn. Man hat öfters versucht, Bube zu bekleiden, aber meist mit dem Resultat, sie schon nächsten Tags wieder ihrer alten splitternackten Freiheit zustreben zu sehen. Oft ist es sogar gelungen, Bubemänner als Arbeiter zu benutzen. Einer soll ein sehr tüchtiger Seemann gewesen sein, fuhr bereits mit Schoonern nach den Küstenplätzen Westafrikas, sprach fließend englisch und benahm sich äußerst gesittet — um eines Tages seine sämmtlichen Ersparnisse zu verschleudern, die Kleider vom Leibe zu reißen und in 'den Busch zu entspringen, wo er heute noch lebt, seine Kinder tätowirt und sich in nichts von seinen Landsleuten unterscheidet. Auch mit dem weiblichen Ge schlechte machte man Versuche. Bubemädchen wurden in Sta. Isabel aufgezogen, sie trugen städtische Kleider und hatten schon cultrvirte Manieren angenommen, um plötzlich spurlos zu ver schwinden und bald in einem Bubedorfe aufzutauchen, wo sie ganz die Lebensweise ihrer Geschwister annahmen. Vor dem 'Weißen hat der Bube eine abergläubische Scheu, er hält ihn für einen fremden Teufel und geht ihm gern aus dem Wege. Sobald jedoch das Vertrauen der Bübe gewonnen ist, zeigen sie sich wahrhaft freundlich püd es läßt sich mit ihnen dann besser als mit vielen anderen Stämmen leben. Ihr harmloS- litbenswürdiger «Charakter tritt dann offen zu Tage, und wenn man von der Verlogenheit absieht, welche den Schwarzen ange boren zu sein scheint, so lassen sich ihnen nicht viele schlechte Eigenschaften nachsagen. In Ureka, einem Dorfe im Südwesten der Insel, ganz nahe der Küste, konnten die ältesten Leut« sich nicht erinnern, je einen Weißen gesehen zu haben. Trotzdem nahmen sie Baumann nach einigem Zögern freundlich und zutraulich auf, ja sie wollten ihm sogar die Ehre anthun, ihn zum König zu pro- clamiren. Die Bubemänmr hielten ein stundenlanges geheimer Palaver, dann traten die Aeltesten und Angesehensten vor unseren Reifenden und ihr Häuptling hielt folgende Ansprache: „Du weißt, daß wir, wi« -alle Bube, König Moka von Riabba unter than sind. Biele unserer Vorväter waren daS nicht, sie hatten ihren eigenen König. Doch konnten sie mit der Zeit Moka's Macht nicht widerstehen und mußten sich seiner Herrschaft fügei> Wir aber hassen diesen Bube-König, der sein Gesicht verbirgt und die Wege nach feiner Hütte versperrt, und wollen ihm nicht mehr dienen. Wir haben nun gesehen, daß Du nicht so bist, wie man un» Weiße beschrieben, daß Du nicht nur nach Gewinn strebst, wie einst die Portugiesen, sondern es liebst, wie ein Bube in den Wäldern zu streifen. Wir haben gesehen, daß Du die Wildniß nicht scheust, daß Du ißt und trinkst wie ein Bube, ja. diese Nacht ahne Kleider, wie ein Bube, geschlafen hast, drnnock, aber zahl loser Künste mächtig bist, die wir nicht kennen. So baden wir denn beschlossen. Dich aufzufordern, als unser König in Ureka zu bleibin. Du allein, ein Weißer, kannst Moka furchtlos wider stehen. Wir wollen Dir eine Hütte bauen, und au« den Töchtern des Landes magst Du Dir Gattinnen wählen, so viel« Du willst. Wir wollen Dir Farmen anlegen und für Dich jagen und fischen. Diele von uns werden Deine Sprache lernen und Du selbst wirst bald des Bubewortes mächtig fein." Laumann war über dieses Anerbieten natürlich völlig starr. Sich unter diesen harmlosen Naturmenschen niederzulassen und den Pascha zu spielen, erschien ihm einen Augenblick gar nicht übel, doch nur einen Augen blick. Abgesehen von vielen anderen Bedenken erinnerte er sich daran, daß ja die Spanier dieses Land als Colonie bean spruchen, sowie daß Moka denn doch nicht so leicht aus dem Felde zu schlagen sei, wie die Ureka-Leute, auf die Zauberkünste des Weißen bauend, glaubten, ja, daß diese selbst, seiner überdrüssig, ihn eines Tages an die Luft setzen könnten. Er zog es daher vor, diesen sehr ehrenvollen Antrag abzulehnen, und vertröstete die Enttäuschten darauf, daß sein Bruder bald kommen und sich in Ureka niederlassen werde. Er that es in der Hoffnung, dadurch einem etwaigen Nachfolger, sei es ein Forschungsreiscnder, Kauf mann oder Missionar, die Wege zu ebnen. „Doch, schließt Bau mann seinen Bericht über dieses Intermezzo, wenn heute der Zwang und die mannigfachen Unannehmlichkeiten des Lebens in der Civilisakion mir lästig werden, erinnere ich mich oft unwill kürlich des schönen, von Palmen beschatteten Ureka und des An trages der Bube." Fernando Po bietet nicht das einzige Beispiel einer Insel, die, dem Conkinente nahe vorgelagert, dennoch einen eigenartigen Menschenstamm als Einwohnerschaft besitzt, der tiefgehende Unterschiede von den nachbarlichen Festlandsvölkern auswetst. Aehnlich wie die Aino der Insel Deso von den Chinesen und Japanern, wie die Wvstfeuerländer von den Paiagoniern in Sitten und Lebensweise, in Sprache und Körperbau abweichcn, so fällt auch der Gegensatz zwischen den Bube, den Ureinwohnern von Fernando Po, und den Duallas von Kamerun sofort ins Aug«, obwohl nur ein« schmale, übersehbare Meeresstrabe sie trennt. In ihrer insularen Abgeschlossenheit war es ihnen möglich, eine tiefere Kulturstufe und uralte LsbenSgewohnheiten unv Sitten beizubehalten, die dem ewig wüthenden Kampfe ums Da fein am FestlaNde längst schon gewichen sind. Fast Alles, waS man vondenBubebiSherwußte, beruht« auf Erkundigungen, und cs ist Thatsache, daß Baumann vierhundert Jahre nach Entdeckung der Insel und mehr als hundert Jahre, nachdem Fernando Po den Namen einer spanischen Colonie erhielt, als erster Reisender zahl reiche Dörfer der Bube besuchen konnte, wo sein Erscheinen als Weißer größeres Aufsehen erregt« als irgendwo am oberen Congo, tief im Innern Afrikas. Das Schicksal der Guanchen der Carrarischen Inseln, der Karaiben Westindiens und der Eingeborenen Tasmaniens hak ge lehrt, wie entsetzlich schnell jene Jnsrlstämme dahinschwinden, so bald ihre Abgeschlossenheit gestört und di« weiße Raste in ihre heimathlichen Gebiete eingedrungen ist — möchte e» dem gut- müthigen, so eigenartig und in mancher Hinsicht groß veran lagten volle der Bube erspart bleiben. —p.
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