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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189606128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18960612
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18960612
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-06
- Tag1896-06-12
- Monat1896-06
- Jahr1896
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1896
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S4 Stefan hatte keine Bewegung gemacht, sich de» stählernen Armen feines Vaters zu entziehen. WaS er gehört, wirkte niederschmetternder auf ihn, als — die mißhandelnde Hand Sein Gesicht war todtenbleich, und solch' ein Ausdruck tiefen SeelenschmerzeS log darauf, daß der Vater von ihm weg und in daS Zimmer zurücktrat. DaS war eS also gewesen — da» BSrsenspiel! Und daS so viele Jahre I Und trotzdem noch die riesigen Unternehmungen! Und ihm hatte man nie ein Wort darüber geschrieben, ihn in nichts eingeweiht! . . . . Wie ei» Fremder, wie ei» Sind war er behandelt worden!.... Ein Gefühl starker Empörung ging durch da» Herz des jungen ManneS. Als er aber die gebeugte Gestalt deS allen Manne» dort sah, der aus einen Stuhl gesunken war, da» Haupt in die Hände gepreßt, er, der sonst so stolz, so statllich, so selbstbewußt einherging, schmolz sein Zorn und ein tiefe» Mitleid über kam ihn. .Jetzt kannst Du Dich zu meinem Richter auswerfen," unterbrach Gabor mit heiserer Stimme da» tiefe Schweigen, »kannst «ich verdammen, verachten? . . . WaS verstehst Du auch von mir? Du gehst Deinen gewöhnlichen Ochsenschritt. Weißt Du von dem Ringen eines starken Geistes, der wie die keimerfüllte Saatfrucht seine Fesseln sprengen muß. .. Was weiß da» stehende Gewässer, da» nie sein Bett verläßt, nie seine Richtung ändert, von dem gewaltigen Drang eine» Stromes, der über Felsen und Tiefen sich seinen Weg sucht? Ich hab' mich viel gemüht in meinem Leben, so manches zu stände ge bracht, aber ei» Man» mit einem heißen, unermüdlichen Herzen bleibt nicht ans dem einen Gipfel stehen, den er erklommen, und je steiler er »ar, desto mehr Mühe er gekostet, umsoweniger; er will die anderen, die höheren auch gewinnen, — aber Glück muß man dabei habe», Glück!" schrie er plötzlich auf und preßte die Hände fester aus die Stirn. »Und — ich habe kein», weder bei mchnen Unternehmungen, noch — bei meinen Söhnen. Der eine war ..doch wie erschrocken hielt er inne, sah auf und mit einem forschenden Blick seinem Sohne inS Gesicht. .Run, de» ei»en nahm mir Gott und der andere — ehrlicher, gerechter, braver al» sein Vater, wird «» ruhig mit ansehen, wen» sich derselbe seinen greisen Kopf an einem der Mühl räder draußen zerschlagen wird. .." .Vater, um Gottes willen!" rief Stefan im tiefsten er schüttert und aufgewühlt. Er trat auf ihn zu und faßte seine Hand. »Sprich nicht solch' entsetzliche Worte und denk nicht solch' entsetzliche Gedanken! Ich will nicht Euer Richter sein, wie käm' ich dazu? Wer einen stellen Berg heruntereilt, in dessen Macht'liegt es nicht mehr, aufzuhören wann er will; daS eigene Uebergewicht treibt ihn vorwärts, und ob er hell unten ankommt oder ander», — das ist — Gottes Fügung. Ich hab' Euch schon einmal gesagt, ich bin ein zu einfacher Man«, um Euch zu versteh'»; den» für mich ist Recht — Recht, und llnrrchl — Unrecht. Aber an meinem Herzen dürst Ihr nicht zweifeln. Es war beschlossene Sache bei mir, »och heute durch Handschlag mit Hanka die Verlobung zu be siegel» ; morgen oder übermorgen kam, dann der öffentliche Versprach sein und — die — Hochzeit, wann Ihr es be stimmt .... Aber wollt Ihr nicht mit ihr sprechen, Vater? Ich glaub', «S wär' besser. Sie hat mir kaum den Will- kommenSgrnß geboten und weicht mir auS. Warum? da weiß ich jetzt. Euch hält sie hoch, Vater, und -- sie wird nicht d« Muth habe», da» Jawort zu verweigern." Sein Lawr ahnte nicht, was Stefan diese Worte kostete». Eie kamen auch so schwer und mühselig über die Lippen! Und er batte sich zum Fenster gewandt, um Gabor sein Gesicht nicht sehe» zu lassen. .Gwt, so will ich gleich jetzt mit ihr sprechen," sagte der Richter ausstehend, und seine Brust hob sich wie befreit. .Heute Handschlag, morgen Verspruch und in vierzehn Tagen Hochzeit. Das Aufgebot kann zweimal an einem Sonntag erfolgen, Bor- und Nachmittags. ES wird ein bissel auffallen, diese Eile' aber wir wollen schon einen Grund dafür finden. . . ." »So wär' jetzt nichts weiter zu sprechen, Vater! Wenn Ihr mit Hanka einig seid, so ruft mich ... ich bin im Speicher drüben; die leeren Säcke müssen noch bei Seite gebracht werden." Stefan war schon bei der Thür, da sagte der Alte mit etwas sanfterem Ausdruck: »Du sollst nicht glauben, daß eS mir gleichgültig ist, ob Du bei dem Handel. . . glücklich wirst oder nicht. . . . Wärest Du durch eine andere Neigung ge bunden —"er sprach die Worte langsam und scharf betonend; da aber die Gestalt ruhig und ohne Bewegung zu machen still dort verharrte, fuhr Gabor selbst beruhigter fort: .ES wär' mir bei Gott schwer geworden, Stefan, da» von Dir zu ver langen, obwohl ich nicht weiß, wie .. . eS . . . ander» hätte sein können. So aber denke ich mir, Du sträubst Dich nur, well Du das, was Du für Hanka fühlst, noch nicht als rechte Liebe anerkennen willst, und Dein Herz spricht d'rum «och nicht so heiß, weil Du vom ersten Augenblick gewußt hast: sie gehört so wie so Dir. Aber sei unbesorgt, Stefan, diese heiße Liebe pflegt oft auch nach der Hochzeit zu kommen; sie springt wie ein verborgener Quell im Herzen auf. Ich hab's selber — bei Mareks Mutter — erfahren." Stefan stand scheinbar ruhig an der Thür, die eine Hand am Drücker, aber er hatte sein Gesicht dem Vater nicht zuge wendet, und das war sein Glück. Zuerst bedeckte es eine dunkle Röthe, dann folgte Todtenbläffe, seine Hand krampfte sich so fest um den Drücker, als wollte er ihn abbrechen. Dann, als Gabor weiter sprach, hatte er Zeit, sich zu sammeln. .Wozu so viel Worte," antwortete er dann. »Erich soll's die Last erleichtern ... so ist ja alles gut. — WaS an mir liegt, will ich thun, die Hanka glücklich zu machen. Doch jetzt laßt mich hinaus, Vater. Mir ist der Kopf eingenommen; eS ist gewiß von der langen Fahrt.. ." .Noch eins, wa» ich Dich schon fragen wollte: Was hört mau von den E.schen Loosen? Wird der Fürst bald heirathen? Was spricht man in Pest davon?" .Es heißt, in kürzester Frist schon und daß dann die Papiere bedeutend steigen werden. Ich hab' viel davon sprechen hören, eS aber nicht weiter beachtet, well ich nicht gewußt habe, daß auch Ihr bethelligt dabei seid," sagte Stefan. Dann, al» ertrage er es nicht länger» verließ er das Zimmer. * G Es war zu spät für Gabor, denn die jungen Leutchen waren schon einig geworden, einige Tage, bevor Stefan zurück kam .. . Herr Jozi Barkas verstand sich etwa» auf Strategie. Während sein Gegner die Truppe» auf einen Punkt zusammen zog, einen Ausfall zu wagen, besetzte er die offenen Posten . .. Sie saßen wieder wie gewöhnlich Abend» in der Laube, Hanka hatte sich eine Strähne Wolle mitgebracht und Barkas ließ ihr keine Ruhe bi» sie dieselbe ihm zu halten gab. So hielt er und sie wickelte und dabei entwickelten sich allerlei Neckereien. Einmal hielt er ihre Hand fest, und obwohl Hanka eine recht derbe, kräftige Hand hatte, küßte er sie doch so verlangend, so zärtlich, als ob sie fein und zierlich und weich wie Sammet gewesen wäre; dabei sah er sie so verliebt und schmachtend an, daß sie gluthrofh wurde und ein leise» Beben durch ihren Körper ging. .Fräulein Hanka," sagte Jozi, .wer in Ihre lachenden Augen, Ihr rosige» Gesicht sieht, wird e» kaum glauben, daß Sie schon solch Schwere» erlebt haben. Wie alt waren Sie dmmll»?" „Noch nicht sechzehn Jahre," versetzte Hanka. „So jung und schon verlobt! Sie haben Ihren Bräutigam wohl sehr geliebt?" „Das kann ich gerade nicht sagen," sprach Hanka, und ihr hübsche» Gesicht veränderte sich mit keiner Miene. „Ich wurde nur die Braut MarekS, weil mein Pflegevater es so wünschte und weil es mir auch schmeichelte, mit sechzehn Jahren eine junge Frau zu sein, was den Neid und Aerger aller Mädchen Hervorrufen mußte." DaS Mädchen log hier nicht, um vielleicht in den Augen Jozi BarkaS noch mehr zu gewinnen, indem sie ihm .... die noch völlige Unberührtheit ihres Herzens zeigte. Es verhielt sich in Wirklichkeit so. „Sah Ihr Bräutigam Herrn Stefan ähnlich?" „Nein, er war viel größer, breiter und viel häßlicher. Er hatte ein rechtes Bauerngesicht, dick, mit aufgeworfenen Lippen. Sein schreckliches Ende ging mir natürlich nah'; da ich ihn aber in Wirklichkeit nicht geliebt, so könnt' es nicht lang' anhalten." „Und — haben Sie noch nie geliebt, Fräulein Hanka?" fragte Barkas und hielt wieder ihre Hand fest. „O, so ein bischen gefallen hat mir schon manch' einer," sagte sie befangen lächelnd, besonders, als ich in Preßburg war. Da hab' ich manchmal gedacht: Den und den möchtest wohl haben. Aber das, was man Liebe nennt, wo man alles für einen Mann thun könnt', wo das ganze Glück davon ab hängt und man glaubt zu Grund gehen zu müssen, wenn man ihn nicht kriegt, das ... . hab ich — noch nie empfunden." „Nie, Fräulein Hanka, nie? !" unterbrach er sie. Er sagte es leise, gedämpft, zog sie näher zu sich heran und sah ihr mit einem brennenden Blick in die Augen. „Nie, auch jetzt nicht?" „O, lassen Sie mich, Herr Barkas!" versetzte sie stockend und mit einem heftigen Zittern und versuchte, sich ihm zu ent ziehen. „Wozu soll daS? ES ist ein Unrecht, daß — daß Sie so mit mir sprechen, daß — ich Ihnen zuhör' ... Sie meinen'» ja doch nicht ernst, und es kann nie etwas daraus werden." „Was sprichst Du da! WaS kann nicht werden!" rief er. „O, Hanka, weißt Du denn nicht, daß ich Dich liebe, daß ich keinen heiseren Wunsch kenne, vom ersten Augenblick, da ich Dich gesehen, als Dich zu gewinnen, mein Weib zu nennen ? So sag' mir, daß Du mich auch liebst, dann ist alles gut! Denn wenn Du nichts von mir wissen willst, sc geh' ich heute, morgen von hier fort. Ich kann in dieser Qual nicht leben." „Herr Barkas!" murmelte sie und wandte ihr Gesicht zur Seite, als könne sie den Strahl seiner Augen nicht ertragen. Er aber zog sie auf seinen Schoß, umschloß sie fest mit einem Arm, und während er mit der anderen Hand ihr Ge sicht zu sich-emporhob, sagte er halb schmeichelnd, halb ge bieterisch: „Sieh mir in die Augen, Mädchen, und sag' mir, daß ich Dir gleichglltig bin! Von der ersten Stunde haben mir Deine Blicke gesagt, daß Du mir gut bist, und haben es schon hundertmal wiederholt; sieh mich nun an!" Sie that eS mit halbverschleierten Augen, und als das Feuer seiner Blicke sich über sie ergoß, da konnte sie nicht anders, sie schlang ihre Arme um seinen Nacken und barg ihr Haupt an seiner Brust. Jetzt hatte das Spiel mit Liebesworten und daS zärtliche, hjngebende Anschmiegen sein Blut erhitzt, sein leicht empfäng liches Herz erwärmt und aus dem Spiel war Natur geworden. SÄne Küsse und Liebkosungen waren in diesem Augenblicke so echt, wie sie nur wahre Liebe geben und empfangen kann. »Liebst Du mich so, Hanka, wie Du vorhin sagtest, daß da» Mädchen alles für den Mann ihrer Liebe thun könnte?" sprach Baäas. 95 — „O, mehr als mein Leben, Geliebter." „Und Du willst mein Weib werden?" „Wie gern, wie gern! Was wird aber mein Pflegevater dazu sagen?" „Fürchtest Du ihn, Hanka?" „Ich war immer gewohnt, seine Worte hochzuhalten und ihm zu gehorchen." „So willst Du von mir lassen und Stefan heirathen?" .. . „Lieber sterben!" rief sie mit großer, starker Leidenschaft und umschlang ihn noch fester. „Siehst Du, das hat Dein Herz gesprochen! Jetzt hör' an, Hanka! willst Du Dich mir in allem unterwerfen, alles thun, was ich Dir sage?" „Alles, alles, Geliebter!" „Was Dein Pflegevater verlangt, darf nicht einmal ein eigener beanspruchen. Schon einmal wollte er Deine Jugend verleiten zu einer lieblosen Ehe; damals hattest Du Keinen, der Dich aufmerksam machen, der Dich schützen konnte, auch war Dein Herz frei; jetzt liebst Du mich, gehörst mir von heute an und kein Mensch hat das Recht, so etwas von Dir zu fordern. Hat er Dich wie ein Kind gehalten, so warst Du ihm treu und nützlich wie eine Tochter, und er hat Dir mehr zu danken, als Du ihm. Aber klug müssen wir sein, Hanka, klug und verschwiegen! Du bist erst mit vierundzwanzig Jahren mündig, er ist Dein Vormund, er wird seine Einwilligung nicht geben, wird mich entlassen, um sich freie Bahn zu machen. Mit Ge walt läßt sich aber da nichts machen, dafür giebt s kein Gesetz. Fürs erste darf es also keiner wissen, daß wir unS lieben, daß wir eins sind." „Und wenn er mich mit Stefan drängt?" warf sie ein. „So hältst Du ihn hin. Du bist klug und wirst wissen, wie Du das zu- machen hast. Der Stefan soll erst Deine Liebe gewinnen, erst zeigen, daß ihm Dein Besitz lieb ist." „Und wenn er eS thut?" „So führst Du ihn am Narrenseil, das versteht jedes Mädchen." „Soll das lange währen?" fragte sie fast bange. „Das weiß ich noch nicht. Wir müssen cs erst abwarten. Du bist meine Braut, aber damit ich hier bleiben kann, darf es keiner ahnen. Dauert es zu lang, ko gehst Du mit mir davon und wir lassen uns in meiner Heimathstadt trauen. Bist Du erst meine Frau, so muß er nachgeben und ei.iwilligen. Aber wirst Du mir auch folgen?" „Wohin Du willst und wann Du willst, Geliebter," sagte sie und mit heißen Küssen wurde der Bund besiegelt. Gabor war verhindert worden, gleich, wie es seine Ab sicht gewesen, mit Hanka zu sprechen. Er war ins Gemeinde haus geholt worden, da vom Oberstuhlrichteramt eine Anfrage in Betreff einer Militärangelegenheit gekommen war. Erst vor dem Schlafengehen, als sie ihm den Gutenacht gruß bot, hielt er sie zurück. Sie waren allein im Zimmer, Stefan hatte, Müdigkeit vorschützend, sich schon zur Ruhe be geben. Und hatte nur Gabor das Jawort, so konnten die jungen Leute morgen früh einig werden und, wie es üblich, durch Handschlag bekräftigen. Und nun fing der Richter an, mit seinen Plänen herauszurücken: wie doppelt schrecklich und weh es ihm damals gewesen, als das Unglück geschah und daS Bündniß derart zerrissen wurde, weh, daß er einen Sohn ver loren und auch — daß sie nicht seine rechte wirkliche Tochter wurde, wie eS immer sein Herz verlangte. Nun habe er sich die folgenden Jahre im Stillen mit der zweiten Hoffnung herumgetragen: daß sie sich nicht zu trennen brauchen, daß sie zusammen bleiben würden, da ja noch der Stefan da sei. „Du weißt, Hanka, wie wir von der ersten Stunde miteinander ge standen haben," fügte er dann mit warmem Ausdruck hinzu.
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