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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991006011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899100601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899100601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-06
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Die wichtigen deutschen Interessen in Liberia behandelt der folgende Aufsatz, den wir der „Deutschen Colonial- zeitung", Organ der Deutschen Colonialgesellschaft, ent nehmen: Mehrfach sind in letzter Zeit Notizen durch die colonial» freundlichen deutschen Blätter gegangen, die auf die Bedeutung hinwiesen, welch« die Negerrepublik Liberia an der Westküste Afrikas für die gesammte deutsche Colonialpolitik und für unsere Colonie Kamerun im Speciellen hat, aber immer dringlicher scheint sich nach uns neuerdings zugegangenen Nachrichten die Lage für das deutsche Interesse daselbst zu gestalten, da die Franzosen ernstlich Miene zu machen scheinen, der morschen Herr, schäft der amerikanischen Neger dort ein Ende zu machen. Viel leicht besteht schon ein stilles Einvernehmen diesbezüglich zwischen Frankreich und dem gleichfalls interessirten England, das bei Cap Mount im Norden mit seiner Sierra-Leone-Colonie an die Negerrepublik grenzt, während Frankreich in stiller, zielbewusster Colonialarbeit nicht nur das gesammte Hinterland von Liberia in seine Hand gebracht, sondern sogar im Süden des Landes an der Küste seine Grenze bis an den Cavally-Fluß auf liberiani sches Gebiet vorgeschoben hat. Die Errichtung eines stehenden diplomatischen Postens seitens Frankreichs in Monrovia sollte gleichfalls zu denken geben. Die Republik Liberia, die von freigelassenen Negersklaven aus den Südstaaten Amerikas an der westafrikanischen Küste unter amerikanischem Protectorat gegründet wurde, hat nie eine staat» liche Ordnung in dem von ihr occupirten Lande herzustellen ge» wusst, sondern von jeher ihre Herrschaft auf wenige Küstenplätze, deren hauptsächlichste neben der am St. Paul's River gelegenen Hauptstadt des Landes, Monrovia, Cap Mount, Gran Bassa, Sinu und Cap Palmas sind, beschränkt. In Folge des ungeregelten Zoll- und Geldwesens, der Cor» ruption der Beamten, ständiger Kriege mit den Eingeborenen gcht Liberia seiner demnächstigen Auflösung entgegen, die sicher längst erfolgt wäre, wenn England nicht den erschöpften Finanzen des Staates bereits mehrmals unter die Arme gegriffen hätte. Ein Punct, der wieder zu denken giebh, da unsere Vettern von jenseits des Canals äusser in einem grösseren rubber sxnciiestö überhaupt nicht kommerziell in Liberia interessirt sind. Ein Zusammenbruch Liberias aber muss nicht nur in Folge des nothwendigerweise nächstens erfolgenden StaatsbankerottS eintreten, sondern auch, weil die Eingeborenen allenthalben im Lande sich zu regen beginnen, um sich gegen die schonungslose Ausnutzungepolitik aufzulehnen, welche die schwarzen „American gentleman" gegen sie anwenden. Nun ist Liberia ein Plantagenland, wie äusser Kamerun wohl kaum ein zweites an der ganzen Westküste Afrikas. Der Liberia-Kaffee ist berühmt. Die lange Küste besitzt vorzüglich« Reeden. Dass das Hinterland französisch ist, kommt nicht in Betracht, da die Plantagenwirthschaft, so lange nicht Eisenbahnen das Land erschliessen, nur in den Küstenbezirken wirklich gewinn bringend sich gestaltet. Zwei Drittel sämmtlicher in Liberia handeltreibender Firmen befinden sich in deutschen Händen. Soll all' die deutsche Arbeit, all' das interessirte deutsche Capital einst in fremde Hände fallen, nur weil wir vielleicht zu spät zugreifen? Doch viel werthvoller als die weitesten Strecken fruchtbaren Plantagenlands, als die Gummiwälder und die Piassavasträucher in dem gesegneten Liberialande sind die tüchtigen, arbeit- samenEingeborenenvomStammederKruund Wey. Kein Schiff an der ganzen Westküste Afrikas vom Sene gal bis zum Cap, das nicht seine Kru-Besatzung aus Liberia an Bord hätte. In der sengenden Fieberhitze ist kein Europäer im Stande, Wache um Wache in den engen Heiz- und Maschinen räumen zu gehen, Tag und Nacht im Raume des Schiffes zu bergen und zu stauen. Da treten helfend die athletischen Kru- Neger an die schwersten Posten. An der langen, flachen westafri kanischen, so hafenarmen Küste kennt Keiner die Brandung, die verborgenen Riffe und Felsen so gut wie der Kru-Mann, der als Kind schon zur Bootsarbeit auf den steamer hinausgefchickl wird. Eine westafrikanische Handelsschifffahrt ohne Kru-Leute ist kaum denkbar. Und die Wey-Leute wieder, diese munteren, gewandten Burschen, bilden bei allen Expeditionen, die von der Westküste Afrikas ausgehen, den Stamm der Soldaten und Träger. Dcm Europäer unbedingt ergeben, sind die Kru- und Wey-Neger überall in Westafrika zu Wasser und zu Lande un entbehrlich; für unsere Kameruncolonie mit ihren grossen auf blühenden Plantagen aber würde ein Ausbleiben der Arbeiter aus Liberia geradezu einen wirthschaftlich«n Ruin bedeuten; denn die Duallas in den Küstendistrictrn sind jeder geregelten Thätig. leit abhold, und die Eingeborenen aus Inner-Kamerun müssen erst allmählich an systematisch« Arbeitsleistungen gewöhnt werden Gerade eine junge Plantage aber braucht verhältnissmäßig viel geschultes Personal. Was nun also, wenn Frankreich oder Eng- landinLiberiazugreiftundunsdieArbeiter- zufuhr stoppt? Noch ist es Zeit! Sehen wir zu, daß wir uns auch in Westafrika unseren Platz an der Sonne wahren! Die bevorstehende australische Föderation. Nachdruck auch mit Oukllenanqabr «erboten. L. Melbourne, Ende August 1899. Nach jahrelangen, immer wieder an Particularbedenken scheiternden Bestrebungen ist das Einigungswerk, welches die australischen Colonien zu einem Staatenbunde zusammen fügen soll, jetzt endlich in das Stadium praktischer Ausführbarkeit getreten. Mit überwältigend starken Majoritäten haben sich Neu-Süd-Wales, Victoria, Süd-Australien und die Insel Tas manien durch Plebiscite für die Föderativ-Verfassung erklärt. In Queensland erfolgt die Abstimmung, deren Resultat noch fraglich erscheint, voraussichtlich am 2. September, während West- Australien, auf Concessionen begierig, in abwartender Haltung verharrt. Der Grund für diese Zögerung ist in der Finanzfrage zu finden. Die Staatseinkünfte werden in West-Australien hauptsächlich durch Einfuhrzölle gebildet, und da die Föderativ- Verfassung die Zollgrenzen, welche bisher Colonie von Colonie trennten, aufhebt, jene Provinz aber einen Theil ihrer Importen aus Neu-Süd-Walrs und Victoria bezieht, so ist ein wesentlicher Ausfall in der bisherigen Einnahmequelle sicher, und zwar um so sicherer, als durch den internen Freihandel der Import b e - steurrterfremd ländischer Fabrikate zum Vortheil australischer Jndustrie-Producte nothwendiger Weise zurück geh« n muß. Und da ferner über den Charakter des föderativen Zolltarifes noch Alles im Dunkel liegt, so lässt sich kaum erwarten, dass die nationale Begeisterung in den gewerblich armen Colonien dieses Continents gleichen Schritt mit dem in industrieller Be ziehung am weitesten vorgeschrittenen Victoria halten sollte. Uebrigens wird die Föderation der vier bereiten Colonien durch «in «twaiges Nein der westlichen und nordöstlichen Flanken nicht aufgehalten, sondern nur eingeschränkt, und es darf mit ziemlicher Sicherheit vorausgesagt werden, daß, wenn das „Australische Gemeinwohl" erst zum kait aaaompli erhoben ist, sich in absehbarer Zeit Mittel und Wege finden werden, die geographische Vollendung des Werkes zu ermöglichen- Was die Bundesverfassung angeht, so galt als erster Zank apfel die Lage der Bundeshauptstadt. Hatte Neu-Süd-Wales als Muttercdlonie, und auf die stärkste Einwohnerzahl fußend, ein unleugbares Anrecht, so durfte Victoria mit Recht auf seine centrale Lage verweisen- Man einigt« sich zwar, die «ndgiltige Bestimmung, dem Bundesparlamente zu überlassen, doch wußte der Premier von Neu-Süd-Wales, Mr. George Reid, dessen zwei deutiger Haltung das negative Resultat der vorjährigen Volksab stimmung in der Mutter-Colonie zum Theil zuzuschreiben ist, auf der bald nach dem Fiasko folgenden Conferenz der Premiers in Melbourne es durchzusetzen, daß, seinem Wunsche entsprechend, die Capital« für Neu-Süd-Wales reservirt blieb. Zum Leid wesen Sydneys soll die Bundeshauptstadt jedoch nicht weniger als 100 Meilen von Port Jackson entfernt liegen; bis dort Alle» unter Dach und Fach gebracht, bleibt Melbourne Sitz der Re gierung, und Victorias Hauptstadt besitzt begründete Aussicht, dies Interregnum auf Jähre hinaus zu führen, denn die Er richtung der Föderativ-Capiiale mit all' den dazu gehörigen Monumentalbauten erfordert heidenmässig viel Geld, zu dessen Bewilligung das Bundesparlament durchaus kein« Eile verspüren dürfte. Die Verfassung des föderativen Gemeinwohles bestimmt ein aus Senat und Repräsentantenhaus gebildetes Parlament. Erstere Kammer, zu welcher jede Colonie ohne Rücksicht auf die Bevölkerungsziffer 6 Abgeordnete entsendet, vertritt nach dem Muster des Senates in Washington die Interessen der einzelnen Bundesstaaten, während das Repräsentantenhaus, für welches auf je 50000 Bewohner ein Vertreter fällt, den Vokkswillen re- präsentirt. Die Wahl der Abgeordneten für beide Kammern er folgt auf Grund des allgemeinen Wahlrechtes, nur mit dem Unterschiede, dass für die Senatswahlen jede Colonie nur «inen Wahldifirict bildet, mit anderen Worten, jeder Wähler einer Colonie für 6 Senatorin stimmt, während die Wahl für die populäre Kammer in abgesonderten Distrikten vorgenommen wird- Angenommen, Queensland und West-Australien treten dem Bunde bei, so würde der Senat aus 36, das Repräsentantenhaus aus 75 Mitgliedern bestehen. Die Legislaturperiode für das Re präsentantenhaus beträgt 3, für den Senat 6 Jahre, und zwar soll alle drei Jahre Neuwahl für die Hälfte des Senats statt finden. Daß die Interessen der Einzelstaaten gegenüber dem Willen der Gefammtnation zurückzutreten haben, ist durch das Stimmverhältniss beider Kammern documentirt. Der hartnäckige Versuch seitens der ultra-radicalen Partei, außer diesem Sicher heitsventil g«gen Uebergrisfe des Senats noch ein Referendum als letzte Instanz zu schaffen, ist gottlob gescheitert; sonst wären wir in Australien aus den Wahlen gar nicht mehr herausgekommen. Sofort nach Publicirung der Föderationsacte gehen die Zoll einnahm«» in die Bundescaste über; für die «rsten zehn Jahre darf jedoch nicht mehr als der vierte Theil dieser Einnahme für Bundeszwecke verwandt werden, der Rest wird den einzelnen Provinzen zurückerstattet. Nach spätestens zwei Jahren muß ein gemeinsamer Zolltarif nach außen und absolvier Freihandel zwischen den Colonien unter einander in Kraft treten- Sobald dies irgend thunlich, werden das Postwefen, die Telegraphie, die Landesvertheidigung, die Sicherheit der Küstenschifffahrt un-d di« Quarantäne zu Bundesangrlegenheilen erhoben. Da gute Aussicht vorhanden ist, dass das englische Parlament noch im Laufe dieses Jahres zu dem speciellen Zweck Zusammen tritt, der Föderation Australiens den gesetzlichen Stempel auf zudrücken, so wird aller Voraussehung nach der Geburtstag der australischen Nation mit dem Anbruch des neuen Jahrhunderts gefeiert werden können. Auch hier zu Lande macht sich eine gewisse Stimmung auf Einführung von Differentialzöllen zu Gunsten britischer Industrie geltend. Da angesichts der steigen den Handelsbewegung zwischen Deutschland und Australien diese Frage einer eingehenden Erörterung werth ist, so möge dieselbe einem besonderen Berichte Vorbehalten bleiben. Deutsches Reich. * Leipzig, 5. Oktober. Der Gesammtvorstand der hiesigen Ortsgruppe des Alldeutschen Verbandes bat in einer Sitzung vom 4. October folgende Beschlüsse gefaßt: 1) Die Absendung einer Drahtung folgenden Inhalte» an Ihre Majestät die Königin Wilhelmine der Niederlande: „Eurer Majestät als der höchsten Vertreterin des so schwer bedrängten Brudervolkes sendet, durchdrungen von der Gemeinsamkeit der Interessen niederdeutschen und hochdeutschen BolkSthums ehrerbietigste Huldigung die Ortsgruvpe des Md. Verb. Leipzig". 2) Die Absendung eines Gesuches an die Gesellschaft vom Rothen Kreuze, bei etwaigem Ausbruche des südafrikanischen Kriege- dem stammverwandten Brudervolk« der Boerev ihre Hilfe angedeihen zu lassen. 3) Die Abhaltung einer großen öffentlichen Volks versammlung in nächster Zeit, um der Bürgerschaft Leipzig- Gelegenheit zu bieten, ihren Gefühlen für das Brudervolk der Bo er en, sowie ihrer Entrüstung über di« Engländer AuSdru" zu geben. -r- Berlin, 5. Oktober. (Die Polenpolitik und das Verhältniss zu Rußland.) „Eine antipolniscke Politik in Preußen läuft darauf binaus, daß wir den Russen die polnischen Sympathien bewusst zuwcndcn, obgleich wir unS klar sein müssen, daß eine russisch-polnische Verbrüderung zur Stärkung der panslawistischen Bestrebungen fübrt und nur eine antideutsche Spitze haben kann." Also verkündet das Polenblatt am Rhein, und eS bringt damit eine neue Nuance in die von ihr so eifrig betriebene Vertheidigung deS Polentbunis binein. Zunächst ist auf diese Behauptung zu erwidern, dass von einer russisch-polnischen Verbrüderung darum nicht die Rede sein kann, weil, wenn auch gegen wärtig in Rußland eine etwas mildere Praxis gegenüber den Polen walten mag, die preußische» Polen noch lange keine Fenilleton. Davos. Bei der regen Anteilnahme am Leben und Treiben unserer Landsleute im Auslande über See dürfte es intercssiren, ein mal etwas über die in Europa „höchstwohncnden" Reichsdeutschen und ihre Umgebung zu erfahren, wir meinen die deutsche Colonie in Davos. Wer auf der Reise in das Engadin mit der Rhätischen Bahn die Station Davos-Wolfgang erreicht hat, wird di« wunderbar schöne gegen Süden sich erschliessende Aussicht nicht vergessen. Zwischen Wiesen und Wald gebettet im Vordergründe ein stiller, dunkelblauer See, hinter ihm, umrahmt von mit kräftigem Nadelwald bestandenen Bergen von grünen oder felsigen Häuptern, Wiesen Pläne, auf denen sich die stattlichen Ortschaften von Davos erheben. Trotz der gewaltigen Hochgebirgsnatur hat man nach einer Weiterfahrt von nur wenigen Minuten beim Be treten des Curorts Mühe, sich vorzustellen, daß man sich 1560 rn über dem Meere befindet. Gut unterhaltene Fuss- und Fahr wege, großstädtische Kaufläden, Curhäuser, Villen und Pensionen, von Gärten und Anlagen umgeben, so daß Sonne und Luft überall freien Zutritt haben, lassen uns vergessen, dass vor 30 Jahren Davos ein erst seit Kurzem mit einer Poststraße zugängliches einsames Hochgebirgsthal war. Ungewöhnlich gün stige klimatische Verhältnisse und Curerfolge müssen es gewesen sein, die diese Villenorte haben entstehen lassen. Davos verdankt sein rasches Erblühen aber nicht zum Wenigsten dem Umstande, dass seine Bewohner, und unter ihnen dürfen wir die Reichs deutschen nicht vergessen, mit eminenten Kräften Schöpfungen ins Dasein gerufen haben, die dem ganzen Thale zu Gute kommen. So ist z. B. der Hauptfluss des Thales auf einer Strecke von sieben Kilometern eingedämmt worden. Aus den Seitenthälern hat man das herrlichste Quellwasser in verschwenderischer Fülle zugefllhrt. Ein ausgezeichnetes CanalisationSnetz sorgt dafür, dass alle Unreinigkeiten sofort aus dem Bereich« der Curorte entfernt werden. Natürlich fehlt «ine durch den ganzen Curort sich erstreckende Hydrant«nanlage nicht, um im Sommer die Strassen staubfrei erhalten zu können. Straßen und Häuser sind elektrisch erleuchtet und an manchen Orten wird nicht nur mittel» Elektricität bereits geheizt, sondern auch gekocht. Während' sich vor dreißig Jahren nur vereinzelte Curgäste in Davos einstellten, hat sich die JahreSfrequen, heute auf 15 000 Besucher gesteigert, wobei dir groß« Zahl derer, die ihren Wohnsitz dauernd in Davos aufgeschlagen haben, nicht mit» gerechnet ist. Im März d. I. dürft« unter Einschluß der zahl reich aus Geschäfts- und Gesundheitsrücksichten in Davos Leben den die Zahl der deutschen Reichsangehörigen 1600 überschritten haben. So fleißig auch menschliche Kunst in Davos gewirkt hat, sein« Blllthe und Bedeutung hat es hauptsächlich seinem Klima zu verdanken, das sich bis heute als das wirksamste Heilmittel, besonders bei Lungenleiden, erwiesen hat. Dass Davos im Winter, und zwar von Mitte November bis April, von Schnee bedeckt ist, ist bei seiner Höhenlage selbstverständlich. Von d«r einzigartigen Pracht sonniger Wintertage — im Januar und Februar 1891 wurden 56 wolkenlos« Tage gezählt — vermag sich nur der einen Begriff zu machen, der sie erlebt hat. That- sochr ist, daß bei einer Lufttemperatur von 5 bis 10 Grad unter Gefrierpunct dir Kranken bei sonnigem Wetter stundenlang im Freien sitzen können, ohne wärmer gekleidet zu sein als im ge heizten Zimmer. Die Gefahr, die Curgäste zu verweichlichen, die bei längerem Aufenthalt in einem milden südlichen Klima wohl eiNtretrn wird und häufig die Rückkehr der Kranken in die nördlich« Heimath erschwert, fällt bei Davos vollständig weg. Wunderlicher Weise herrscht auch heute noch in weiten Kreisen die Auffassung, Davos müsse, da es als Wintercurort berühmt sei, im Sommer unerträglich heiß sein. Meteorologische Be obachtungen haben ergeben, daß das Sommerklima von Davos genau die Mitt« hält zwischen dem d«S Ober- und de» Unter engadins, deren Vorzüge als Sommerfrische über jedem Zweifel stehen. Im internationalen Curorte Davos hat das reichsdeutsche Element eine angesehene Stellung errungen. Deutsche Heilan stalten, Gasthäuser, Schulsanatorien, Geschäftsbetriebe aller Art, ein deutscher Club mit behaglichen Räumen legen davon Zeugniß ab. Bekannt dürfte sein, daß einige deutsch« Herren in Davos sich zusammengefunden haben, um eine deutsche Heilstätte für minderbemittelte Lungenkranke im Davoser Thal ins Leben zu rufen, unterstützt von den Gesandten deS Reichs und Bayerns in Bern und einer großen Anzahl der hervor ragendsten Laien und Aerzte unseres Vaterland«-. Unweit der Station Wolfgang sind in schönster und günstigster Lage, nach Süden frei, auf den Seiten von Wald umgeben, Grund und Boden für die deutsch« Heilstätte in Davos erworben, in der Hoffnung, noch in diesem Jahre den Bau der Heilanstalt zu be ginnen, die allein in der Lage sein dürfte, dem Nothstand deut scher minderbemittelter Curgäste in Davos obzuhelfen. Die eng lische und holländisch« Colonie in Davos, sowie die Basler Cantone haben mit ihren Sanatorien zu Gunsten Minder bemittelter in Davos die günstigsten Erfahrungen gemacht. Für die Dringlichkeit der deutschen Bestrebungen dürfte sprechen, daß vom internationalen Curverein zur Unterstützung unbe mittelter Lungenkranker in Davor im Jahre 1897 Reichsdeutschen mit 11600 Frc»., im Jahre 1898 mit 9190 Frei, eine Be endigung ihrer Cur ermöglicht wurde, und daß dieser Verein nicht mehr im Stande ist, den Davos zahlreich aufsuchenden reichsdeutschen minderbemittelten Lungenkranken in einer den wachsenden Bedürfnissen entsprechenden ausreichenden Weise zu Helsen. Es ist gelungen, nahezu 230 000 o/i für den Bau der deutschen Heilstätte durch freiwillige Gaben zusammenzubringen. Weitere 100 000 c/( sind dem Davoser ComitS durch ein Ver- mächtniss zur Gewährung von Freibetten zugefallen. Es fehlen ihm noch etwa 70 000 zu deren Aufbringung unsere Lands leute ausschließlich durch freiwillige Beiträge angewiesen sind. Möge ihr Unternehmen bei allen Denen Unterstützung finden, die für Werke christlicher Nächstenliebe ein Herz haben. Es gilt, ein deutsches, mit vielen Schwierigkeiten kämpfendes Unter nehmen zu fördern! Das deutsch« Vice-Consulat zu Davos theilt Näheres gern mit. Vas Erste Jahres-Supplement zu Meyer's Conversations-Lerikon. Meyer's Conversations-Lexikon besitzt vor allen Werken dieser Art den unbestrittenen Vorzug, daß es alljährlich eine Ver jüngung erfährt, sozusagen einen neuen Sproß treibt, der es vor dem Veralten schützt. Es ist keine Frage, daß hierdurch jedem Besitzer des Lexikons die Freude an seinem werthvollen Besitz wesentlich dauerhafter gemacht, ja bis zum Erscheinen einer neuen Auflage vollkommen gewährleistet wird. PUnctlich in Jahres frist nach Abschluß der fünften Auflage des Riesenwerkes ist soeben das „Erste Jahres-Supplement" erschienen, der 19. Band in der ganzen Reihe. Diese Meyer'schen Jahres-Supplemente verfolgen nun einen doppelten Zweck. Einmal sollen sie das Hauptnnrk vor dem Veralten bewahren, indem sie alle Artikel, die dessen bedürfm, ergänzen bezw. fortführen. Sie setzen also z. B. Biographien noch lebender Berühmtheiten fort und ver zeichnen vor Allem die seit Abschluß deS Hauptwerks bis Mitte 1899 eingetretenen Todesfälle. Sie nehmen den Faden der ge schichtlichen Darstellung (z. B. der Staatengeschichte) da auf, wo ihn das Hauptwerk abschneiden mußte, und ergänzen gleicher Weise die geographischen Artikel durch neuere statistische Daten, Ergebnisse neuerer Forschungsreisen in den außereuropäischen Erdtheilen u. s. w. Ebenso werden die jüngsten Erscheinungen und Bestrebungen auf dem Gebiete der Nationalliteratnren in ausführlichen Abhandlungen gewürdigt. Da» große Gebiet der neuesten Gesetzgebung wird sehr ausführlich behandelt (neues Bürgerliches Gesetzbuch, neue Militärstrafgerichtiordnung vom 1. December 1898!). Neu aufgetauchten Berühmtheiten werden zahlreiche neue Artikel gewidmet u. s. w. AndererfeitS erhebt sich jedes Meyer'sch« JahreS-Supplement auch zu einem wahren encyklopädischen Jahrbuch durch «ine Fülle solcher Artikel, die sich zwar auch irgendwie an das Hauptwerk anlehnen, aber da neben doch vollkommen selbstständigen Werth besitzen. Diese in sich abgerundeten, meist längeren Abhandlungen berühren so ziemlich alle die unmittelbare Gegenwart interessirenden Fragen und Erscheinungen und besprechen sie in formvollendeter, sach kundiger und, was die Hauptsache, wissenschaftlich-objectiver Weise. Die Artikel eines Conversations-Lexikons sind natürlich in erster Linie für den Nichtfachmann geschrieben, der sich über Dinge, die ausserhalb seiner Brrufssphäre liegen, unterrichten will. Aber nicht wenige Artikel des vor uns liegenden „Supple ments" werden auch von Fachleuten gelegentlich gern zu Rathe gezogen werden, wie z. B. die Artikel „Geographische Literatur", „Musil" und „Musikwissenschaft" (gedrängte geistvolle Ueber- sichten über das Schaffen der Gegenwart), der Artikel „Volks- wirthschaftliche Literatur", der einen Ueberblick über den „fast beängstigenden Umfang" der Neuerscheinungen der letzten Jahre auf diesem Gebiete giebt, u. a. Ein wahrer emdmi-as ckr iioste886 hindert uns, eine auch nur Halbwegs vollständige Auf Zahlung der vielen hochinteressanten Abhandlungen dieses Bandes zu geben. Die Spracht ist allenthalben klar und allgemein ver ständlich; unnöthigen Fremdwörtern begegnet man höchst feiten. Das ist kein geringes Lob für die oberste Schriftleitung in Anbetracht der großen Zahl von Mitarbeitern, die Beiträge zu diesem Bande geliefert haben. Und bei jedem Artikel merkt man alsbald: das hat ein Meister in seinem Fach geschrieben. Ganz besonders wohlthucnd berührt auch in diesem Bande die dem Meyer'schen Conversations-Lexikon durchweg eigne ruhige Sachlichkeit, die auch bei noch strittigen Dingen das Für und Wider ohne Voreingenommenheit erörtert. Dies gilt namentlich auch von der Darstellung der jüngsten Staatengeschichte, so z. B. im Artikel „Oesterreich", der die greulichen slawischen Ver gewaltigungen des Deutschthums leidenschaftslos bespricht, damit aber um so schärfer verurtheilt. Man darf kühn behaupten: dieses Meyer'sche JahreS-Supple- ment ist eine unerschöpfliche Fundgrube der Belehrung auf allen Gebieten der vielgestaltigen Gegenwart. Dazu ist die Kunst de» Zeichners und Malers aufs Ausgiebigste diesem Zwicke dienstbar gemacht: nicht weniger als 622 Abbildungen, Karten und Plän« im Text und auf 45 Tafeln, darunter 4 prächtige Farbendruck tafeln und 9 selbstständige Kartenbeilagen, sind in dem Band« enthalten. Auch die besonderen Textbeilagen talxllarischer Natur, wie die „Statistik der Reichstagswahlen 1871 bis 1898", di« „Landwirthschaftlich« Betriebsstatistik im deutsch«» Reich", die „Ergebnisse der Viehzählung 1892 und 1897 nebst Statistik der Fleischeinfuhr in Deutschland", dir „Uebersicht der deutschen ReichSgesehe" u. a., dürften Dielen willkommen sein. Der Preis von 10 für den schön gebundenen Halbledrrband ist in An schung des Gebotenen außerordentlich gering.
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