Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991009018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899100901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899100901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-09
- Monat1899-10
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis t» der Hauptexpeditto» oder d« l« Stadt- bezirk und den Vororte« errichteten AuS- gabestellen abgeholt: vierteljährliches 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung iuS Haus 5.50. Durch die Poft bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l S.—. Direkt» tägliche Kreuzbaodiendurg ius Ausland: monatlich 7chü. Di« Morgen-AuSgab» erscheint um '/.? Uhr, di« Aoend-AuSgabe Wochentags um - Uhr. Redaktion und LrveLitto«: 2aha»ntSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet vo» früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Filialen: Ott« Klemm'« Sortim. (Alfred Haha), Universitätsslrab» 3 (Paulinum), Louis Lökchr, Kathartuevstr. 14, pari, »ud KüutgS-lutz 7« Morgen-Ausgabe. UWger.TagMM Anzeiger. AMMatt des Höniglichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Notizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die -gespaltene Petitzeile Ly Pfg. «eclame» unter dem RedactionSstrich (sMv spalten) 5O>^, vor de« Familiennachrichtrn (6 gespalten) 40^. Größere Lchrtsten laut unserem Preis- verzeichn««. Tabellarischer «nd Ztffernspp »ach höherem Tarif. Ertru-Beilageu (gesalzt), nur mit da» Morgen»Äu-gabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörturmlg 7V.—. ^nnahmeschluß fir Anzeige«: Abe«d»Au»gab«: vormittags 1ü Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei de« Filiale« «>L Annahmestelle« je et«« halbe Stunde früh««. Anzeige« sind stet« a« die Exposition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz tu L«ipzh> 51L Montag den 9. Oktober 1899. 93. Jahrgang, Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Bei der ain heutigen Tage erfolgten planmäßigen Auslassung Leipziger Ttadtschuldscheine der Anleihe des Aahres 1887 Serie II (ck. ck. 31. Mär; 18VV) sind gezogen worden: je 5800 .6 löt. L Nr. 1143 1281; je 1000 Lil. L Nr. 5549 5619 5620 5913 6804 6847 7128 7442 7774 7778 8092 8294 8444 8616 9252 9898 10078 10130; je 500 .4 Lit. 0 Nr. 10663 10705 11681 11662 11681 12375 12727 13184 13375 13628 14175 14455 14991 15533 15788 15844 15997 16235 16283 16484 16606 16651 16858 17006 17442 17490 17879 18224 18753 18830 18974 19325 19676. je 100.« löt. 0 Nr. 16015 16152 16164 16629 16786 17003 17126 17492 17562 17563 17766 18211 18447 19041 19441 19557 20030 20427 20546 2l219 21571 21994 22432 22797 22815 23738 23793 23835 24189.24291 24429 24648 24785 24889 24998 25172 25659. Der Nominalbetrag dieser Schuldscheine gelangt gegen Rückgabe derselben nebst den dazu gehörenden Zinsleisten und Zinsjcheinen vom 31. Mär; 1800 ab, niit welchem Tage die Verzinsung der Capital« aushört, bei unserer Stadtcasse zur Auszahlung. Hiernächst werden die Inhaber der zur Rückzahlung bereits früher ausgeloosten Schuldscheine der Anleihe deS Jahre« 1887 Serie H (S. ck. 31. Mär; 18V0): zu 5000 ./L Lit. Nr. 1090; je 1000 ./c löt. L Nr. 5341 5611 5753 5869 6018 6228 7439 7924 8306 9313 9687 10344 10352 10375; je 500 .6 löt. 0 Nr. 11065 11468 11636 11706 11800 11996 12110 12221 12698 12879 13454 13495 13745 14128 14704 15297 15802 15945 15963 16681 16724 16898 17249 18602 18609 18770 18773 19782; je 100 Lit. v Nr. 16381 16554 16777 16806 16991 17152 17355 17469 18035 18142 18156 18467 18643 18791 19196 19265 19535 19987 20543 20551 20730 21402 21715 21809 21905 21909 22114 22639 22852 23053 23351 23496 23501 23616 23930 24040 24205 24828 25231 25505 25894 wiederholt ausgesordert, den Betrag dieser seit ihrem Rückzahlungs termine von der Verzinsung ausgeschlossenen Schuldscheine ;n erheben. Wegen der Leipziger Stadtschuldscheine deS JahreS 1884, löt. 0 Nr. 5528 5529 5530 über je 500 -6, des JahreS 1887 Serie I Lit. L Nr. 4576 über 1000 löt. 6 Nr. 298 1055 über je 500 und des Jahres 1887 Serie H (ck. ck. 31. März 1890) Lit. 0 Nr. 10893 über 500 löt. v Nr. 16228 18543 18544 18545 und 21280 über je 100 ist das Aufgrbotsverfahren behufs KrastloSerklärung derselben beim Königlichen Amtsgericht Leipzig auhängig. Leipzig, den 23. September 1899. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. C. Schulze. Hofleben im 15. Jahrhundert. ii. Abgesehen von den Kriegsziigrn, wurden auch hin und wieder Reisen unternommen. Eine solche Reise unternahm Herzog Albrecht im Jahre 1478, als er sein« Nichte, Kurfürst Ernst's Tochter, nach Dänemark zu ihrer Heimführung geleitete. Mehrere sächsische Edle und andere Personen hohen Ranges waren im Ge folge der Braut, z. B. der Bischof von Merseburg, Graf Wil helm von Henneberg, Günther von Schwarzburg und Graf Ernst von Gleichen. Albrecht gab seinem Bruder von dieser Reise einen ausführlichen Bericht. „Auf Sonnabend vecoIlL- tiouis", berichtet Albrecht, „sind wir in die Schiff gangen, und um 9 Uhr dec Nacht mit gutem, sanftem Winde ohne alle Wider wärtigkeit zwischen zwei Inseln, eine genannt Muhne (Moen) und die andere .Psalster (Felsen), kommen, allda eingeankert und übernachtet, sind die anderen Grafen mit etzlichen Edel leuten bei dem Erzbischöfe von Lunden auf seinem Schiff und andere Erbarleute auf Ern Claus von Romanow Schiff gewest." Es mochten die geographischen Kenntnisse allerdings selbst bei gebildeten Männern, zu denen doch Albrecht und Ernst gehörten, sich nicht sehr weit erstrecken, da der ganze Ton der Beschreibung, so weit sie auf erdkundliche Notizen sich erstreckt, immer die Farbe des Neuen und gleichsam erst zu Tage Gekommenen trägt. Der Empfang war überall glänzend, und Albrecht rühmt es, daß man in der Stadt Stobekeppingen (Stubbekiöbing) „mit allen Glocken daselbst nach ihrer Gewohnheit gestonet und ge dehnt; daß dir Priesterschaft entgegen gekommen, in der Kirche das De verun gesungen und das Sacrament seiner lieben Muhme auf ihr Haupt gesehet." Albrecht hatte jedoch auf der Weiteneise aus jener Stadt mit stürmischem Wetter zu kämpfen, daher er sich entschloß, zu Lande zu reisen. Er setzte „seine liebe Muhme und sich, mit denen so er bei sich hatte, auf etzliche Bauerwainigen", während die Pferde auf Schiffen nachge- bracht wurden, „deren «tzliche in den Schiffen Schaden genommen, und andere, bei dreien oder vieren, in die See gesprungen und ersoffen." „Am Freitage", heißt es weiter, „sind wir zu einer Stadt gezogen, die Köke (Kyöge) genannt, hat die königliche Würde sein Gemahl die Königin und der junge König, unser Swager, unser lieben Muhmen den Bischof von Sohelant mit Er Werner dem Parsbergrr und Er Axs Laurents Sohn, Ritter, entgegengeschickt und ein« Meile Weges von der Stadt auf dem Felde ihre Liebe lassen empfahn und fürder in die Stadt ge leiten und bei hundert Pferd« gehabt, da man ihrer Liebe aber mals mit Sacrament und Procession entgegengekommen ist." Der Empfang bei dem dänischen Königshause war, wie Albrecht meldet, sehr würdig. Eine halbe Meile von Kopenhagen war der König und der fürstliche Bräutigam entgegen gekommen. „Es ist", sagt Albrecht, „der alte König und sein Sohn auf eine halbe Meile Weges von Kopenhagen in einem großen Regen mit einem reisigen Zeuge bei 500 Pferden der lieben Muhme ent gegen geritten und beide abgetreten. Ist unsere Muhme mit den Frauen und Jungfrauen auch von den Wägen abgesessen, und unser Oheim Graf Wilhelm und wir haben ihre Liebe ihm ent gegen geführt." Mit Genauigkeit bemerkt Albrecht: „Als wir an Kopenhagen kommen, ist wieder schön Wetter worden; haben wir und ander mehr vor dem Jnnzuge gerannt, und hat uns allen von der Gnaden Gottes glückselig zugestanden." Die Hoch zeit ward prachtvoll gefeiert, doch erwähnt Albrecht die Dauer des Vanquets nur flüchtig, genau dagegen die Ceremonien bei der Begleitung der Braut in das Brautgemach. „Nach dem Essen", heißt es im Bericht, „haben wir unsere Muhme zur Zugelegt geführt, hat die alte Königin ihr allen Hauptschmuck lassen ab nehmen und uns befohlen, sie in das Bett zu setzen, dem wir also gethan, darnach also unser Muhme eine gute Weile in dem Bette gesessen, ist der König kommen und hat lassen Confect und Trinken bringen; ist Herzog Johannes, d«r Erwählte, b«i (unter) den, die solch Confect und Trinken trugen, in das Gemach ge schlichen." Dann, sagt der Herzog, „ward das Confect und Trinken gereicht, danach ist Jedermann ausgegangen, ausge schlossen die Königin, die Frauen und Jungfrauen." Mancherlei gab es wegen der Morgengabe und „Widerlegung" zu besprechen, doch meint Albrecht, „habe di« Fröhlichkeit der Brautschaft darinn zu handeln verhindert." Auf der Rückreise ward Albrecht vom Rath in Lübeck sehr geehrt; er brach daselbst mit Malzahn eine Lanze; besah sich die Merkwürdigkeiten der Stadt, bemerkte aber auch tadelnd, was ihm im Benehmen vieler Frauen auffiel. Die Ausgaben betrugen übrigens die für damalige Zeit bedeutende Summe von 27 661 Gülden. Ueber die Ausgaben auf Reisen ward immer ein genaues Verzeichniß gehalten, welches auch die geringfügigsten Posten enthielt, und von dem die Stelle eines Reisemarschalls vertreten den Beamteten, gewöhnlich aus dem Finanzwesen, z. B. Rent meister, geführt ward. In einem dergleichen Rechnungsbuche vom Jahre 1480 finden sich Ansätze über den Schmeer, womit die Achsen der Räder bestrichen wurden; Ausgaben über den Huf beschlag der Pferde, und Reparaturen der Wagen, welche „ge flickt "werden mußten; auch andere größere Posten: etwa für ein Schwerdt, was getauft word«n war; für silberne Kredenz becher, Trankgelder, welche d«n Dienstleuten befreundeter Fürsten gegeben wurden, die zuweilen sehr ansehnlich waren. Damals, wie jetzt, kamen bei den Reiseausgaben die Mllnzsorten gar sehr in Betracht und der Verlust war bei Verschiedenheit deS Geldes oft nicht gering, wenn man nicht in der Münze des Landes selbst, oder doch nicht in d«r angenommenen die Ausgaben be streiten konnte. Herzog Albrecht nahm darauf sorgfältig Rück sicht, und er schreibt deshalb von Dresden auS, als er sich im Jahre 1479 nach Ollmütz zu Matthias von Ungarn begab, an Ernst: „Wir (haben) durch unsere Unterrichtung vermerkt, daß wir an dem rheinischen Golde dieser Landart und hierfür Merk liches verlieren mußten, auf daß wir solch Verlust nicht dürften (haben), so haben wir hie zu Breslau, von Jeronimus Schewer- lein und Sebald Sauermann auch 600 hungr. Gülden ausge nommen, daß wir ihnen die durch Martin Römer zu Nürnberg wollen zahlen lassen." Martin Römer stand gewiß mit Nürn berg in lebhafter Verbindung, er schaffte, wie berichtet wird, die Silberkuchen dahin, um sie für gemünztes Silber umzusehen. Glaubte man an dem Orte der Bestimmung nicht gehörig Platz für das Gefolge» und nicht genug Stallung für die Rosse zu finden, so wurde dies Alles vorher, oft unter mancherlei Weitläufigkeiten, geordnet. Dies war z. B. der Fall bei Albrecht's Zuge nach Ollmütz, von wo aus des Herzogs Be auftragter, Forenbergrr, an Albrecht selbst über die Raufen und Krippen berichtete, welche man in den Gebäuden, die zur Auf nahme der Pferde bestimmt waren, nicht finde; auch schrieb Forenberger, „es seh auch Noth, Küchen und sonst zu bauen", so wie er über die Zahl der Betten g«nau berichtete, die in des Herzogs Wohnung seien, nämlich 6 Herrenbetten: „ob (im Fall) Euer Gnad jemand von Herren bei euch behalten wollte." Häufig erhirlten die Fürsten in den Orten, durch di« sie kamen, Geschenke, welche natürlich oft mehr Ausgaben veran laßten, als den Reisenden lieb sein mochte. Auch beeiferten sich Spielleute und andere Künstler, freilich oft nicht d«s ersten Ranges, ein gutes Honorar zu verdienen. Da kommen denn unter anderen in einem Reisetagebuche von 1480 vor: „3 Gülden den Pfeifern und Posaunern und Sprecher;" oder eine kleinere Post: „einem Geiger;" ferner finden wir unter Anderem er wähnt: „5 Weißpfennige (Albos) einem, der meinem Herrn 2 große Pfefferkuchen geschenkt." Beim Trankgeld heißt eS ge wöhnlich: „für das Schloßhausgesinde zur Letze." Die in Aufträgen des Herzogs versendeten Staats- und Hof- Feirilletsn. Eine Lureauknnde. Humoristische Skizz« von Wilhelm Frerking. Nachdruck derdct n. Der Herr Bureauvorsteher Möbius befand sich in sehr un gnädiger Laune, und das mit vollem Rechte. War es denn nicht rin Scandal, daß gerade er auf dem nichts nutzigen Obstreste ausgleiten mußte, der gegen alle Vorschriften des Straßenreglements sich auf dem Trottoir vor dem Eingänge des Amtsgebäudes umhertrieb? Wenn man auch Niemand die Absicht nachweisen konnte, dieses so unschuldig aussehende Ueber- bleibsel eines Apfels extra dort niedergelegt zu haben, um den würdigen Beamten zu Falle zu bringen — die Vermuthung eines solchen frevelhaften Beginnens lag für einen Mann, der, gleich Herrn Möbius, die Bosheit der Welt kannte, immerhin nahe genug. Das Erste, was Möbius nach seinem Eintritte in das Ge bäude unternahm, war natürlich eine furchtbare Standrede gegen den Portier und Hausverwalter, dessen nachlässige Trottoir- Reinigung er mit einer förmlich dichterischen Begeisterung aus schmückte und mit allen erdenklichen schlimmsten Folgen bedrohte. Zum Schlüsse verwies er den phlegmatisch dreinschauenden Unter beamten sogar auf die Heiligkeit des Diensteides, durch welchen er sich zu pünktlicher Ausübung aller seiner Obliegenheiten ver bunden habe. Nachdem Herr Möbius sich aus solche Weis« in die Ideal stimmung eines Beamten versetzt hatte, betrat er den Schauplatz seiner täglichen Wirksamkeit. Dem am Tag« vorher ertheilten Auftrage gemäß hatte der Bureaudien«r im Of«n ein Feuer angelegt, dessen Wirkung sich nun in einer Temperatur zeigte, die gegen die draußen wehende Herbstkühle merklich obstach. Ehe er noch den Paletot ablegte, «ilt« der Bureauvorsteher daher auf das Thermometer los und constatirte mit Eifer 16H Grad Röaumur. Auf sein heftiges Klingeln erschien der Bureaudiener im Thürrahmen. „Herr Bureauvorsteher hatten doch gestern befohlen —" „Wie kommen Sie dazu, das Zimmer in solcher Weis« zu überheizen?" „Herr Bureauvorsieher haben doch gester befohlen —" „Daß Sie mich heute hier lebendig braten sollen?" unter brach ihn unwillig der Vorgesetzte, „dazu habe ich Ihnen mein«- Wissens keinen Auftrag gegeben. Aber da meinen solch« Leute, wenn es nicht auf ihre eigen« Rechnung geht, dann nur immer hinein in den Ofen, bis «r zerplatzt! Oeffnen Sie jetzt da- Fenster!" Kaum hatte der Diener diesen Befehl ausgeführt, als Möbius ihn wüthend anschrie: „Sind Si« denn nun ganz des Teufels. Riekenberg? Soll ich mich Ihres Unverstandes wegen denn durchaus auf den Tod erkält«n? DaS ist ja ein Zug, mit dem man sieben Windmühlen treiben könnte!" „Herr Bureauvorsieher haben doch soeb«n befohlen —" „Daß Sie augenblicklich da- Fenster schließen und sich hinauS- scheren", fiel ihm Möbius aufgebracht in die Red«, worauf Riekenberg auch dieses neue Gebot au-sührte und darauf qe- räuschlo» verschwand. Ein nichtswürdiger Mensch, dieser Riekenberg, das stand fest, gar nicht werth, daß man sich über ihn auch nur einen Augen blick aufregt«! Aber das ist leicht gesagt und schwer gethan, ob gleich di« Ausregung Gift ist, besonders für den Zustand eines mit Arbeiten so schwer belasteten Beamten. Seufzend entledigte Herr Möbius sich des Ueberziehers und hängte ihn an den Kleiderhaken. Da indessen das Aufhängsel schon seit einigen Tagen nur noch an einem einzigen Faden ge- hangem hatte, so riß es ab und der Rock lag am Bolxn. Der Fluch über di« Gewissenlosigkeit des Schneiders aber erstarb in einem kläglichen Wehlaute, als der Bureauvorsieher beim hastigen Bücken nach dem Kleidungsstücke mit der Stirn gegen die Wand fuhr. Natürlich wurde nun auch di« Beule, — denn eine solch« lief in der That an der gestoßenen Stell« auf — d«m unglücklichen Schneider zur Last gelegt. Und in solcher Stimmung sollte man nun arbeiten, sollte die wichtigen Geschäft« erledigen, die sicher wieder in der ge wohnten maßlosen Häufung den beklagenswerthen Beamten zu erdrücken drohten! Mit der Miene eines Märtyrers setzte sich Möbius an seinen Schreibtisch und unterzog das Fach, das die zu erledigenden Aufträge zu enthalten pflegt«, einer gründlichen Revision. Die erste Arbeit, auf die er stieß, hatte er sich schon vor einigen Wochen für das nächste Quartal zurückgelegt, weil beim Viertel jahresschluss« dazu noch «irrige wichtige Erhebungen anzustellen waren. Das zweit« Blatt enthielt d«n angefangenen Entwurf zu einem Urlaubsgesuche; di« Sache war vor vier Monaten liegen gebliekxn und hatte nun Zeit bis zum nächsten Frühjahr- Dann kam ein blaues Heft, das die Kladde eines neuen Inventar verzeichnisses für die Burrauräume enthielt. Weiter wa-r nichts zu finden. Also nichts zu thun! Und der Wackere hatte sich — wie ihm nun plötzlich klar wurde — nach den Aufregungen dieses Morgens so sehr nach einer Geist und Gemüth entlastenden Thätigteit gesehnt! Er brat ans Fenster und sah, wie der Portier den Apfelrest von vorhin mit langsamsten Bewegungen des Besens nach dem Rinnstein« zu dirigirte. Ja, nun er, der Herr Möbius, darüber beinahe zu Falle gekommen wäre, nun das tückische Ding somit seine Schuldigkeit gethan hatte, da war es auf «inmal an der Zeit, «S fortzubringen. Vielleicht auch geschah es nur, weil sich d«r Hausverwalter ein geschäftiges Ansehen geben wollt« vor dem Herrn Rath, der eben in würdevoller Gemessenheit di« Straße heraufschritt. Elende Streberei! MöbiuS wandt« sich wieder seinem Arbeitsplatz« zu, um, da es zum Frühstücken noch zu früh, in der anregenden Lectüre von Zola'S neuestem Romane sich über den mancherlei Aerger zu trösten, den die Stellung eines leitenden Beamten immer mit sich bringt. Aber wo war denn dar Buch hingekommen? In steigender Erregung durchforschte MöbiuS die zahlreichen Fächer und Schubkästen deS Schreibtisches, des wüsten Durcheinanders nicht achtend, daS dadurch auS der Fülle von Blättern, Heften, Acten- bündeln und dergleichen aus dem Tische entstand. Aber Alles war vergeblich, der gesuchte Tröster blieb unsichtbar. Ein anhaftende» heftiges Klingeln rief den dienstbaren Rieken berg herbei. „Wer ist hier bei meinem Schreibtische gewesen?" herrschte ihn der Gestrenge an. „DaS ist ja eine ganz unglaubliche Un ordnung! Sehen Sie sich daS gefälligst mal näher an! Wissen Sie nicht, daß Sie für dir Ordnung hier aufzukommen haben?" „Herr Bureauvorsieher, vorhin hab« ich —" begann Rieken berg, wurde aber sofort unterbrochen durch ein zorniges „Schweigen Sie und lassen Sie mich ausreden! Ich vermiss« ein Buch, das ich gestern hier in dieses Fach gelegt habe. Ich er innere mich dessen ganz genau und mache Sie für das sehr werth volle Werk verantwortlich. Verstehen Sie mich?" „Herr Bureauvorsieher —", wagte der Angeredete zaghaft zu entgegnen. „Schweigen sollen Sie!" fuhr jedoch Möbius dazwischen. „Wollen Sie vielleicht bestreiten, daß hier auf meinem Schreibtisch ein Zustand herrscht, der jeden ordnungsliebenden Menschen empören muß? Wie? — Herr, warum reden Si« nicht?" „Herr Bureauvorsieher, ich —" „Ach was — Ausflüchte! Das kenne ich und bin es ja leider bei Ihnen nicht anders gewohnt. Hier aber handelt es sich zu nächst um das Buch. Wo ist das? Wer hat Ihnen erlaubt, das von seinem Platze zu nehmen? Wie?" „Herr Bureauvorsieher gaben mir gestern rin Buch mit dem Auftrage, es nach Ihrem Hause zu bringen. Vielleicht —" „Ich? Gestern?" entgegnete Möbius, indem eine Erinnerung aufzudämmern begann. „Ja, so — richtig — es war dasselbe- Es ist gut, Sie können gehen!" Riekenberg ging und Möbius konnte es sich ganz genau vor stellen, wie er nun draußen lachte über die Aufregung, in welche seine hinterhältige Bosheit den Vorgesetzten gebracht hatte. Warum sagt« der nichtsnutzige Mensch nicht gleich, daß er das Buch nach Hause hab« tragen müssen? Natürlich sollte er es sofort wieder zur Stelle schaffen. Ein Zettel an die Haus hälterin, die nichts ohn« schriftlich« Anweisung verabfolgen durfte, war ja bald geschrieben. Die übereinander geworfenen Hefte und Acten zur S«ite räumend, suchte Herr Möbius ein passendes Blatt Papier, brachte es mit der großen Scheer« sehr umständlich in ein geeignet erscheinendes Format und taucht« die Feder «in. Was gab's denn nun schon wieder! Da war ja fast kein Tropfen Tinte im Tintenfaß! Schrill tönte die Glocke und gehorsam erschien Riekenberg. „Herr, ich habe nicht Lust, mir Ihre groben Pfichtverletzungen noch länger gefallen zu lassen!" fuhr ihn Möbius an. „Da ist wieder kein Tropfen Tinte auf meinem Tische. Sie sehen, wie jede Minunte im Dienste mir kostbar ist, und dabei muß ich nun Ihretwegen müßig sitzen. Unverantwortlich ist das!" Ohne Gegenrede bemächtigte sich der Bureaudiener des Tintenfasses und bracht« es sofort gefüllt wieder herein. Seufzend ob der Nichtswürdigkeit «dieses Menschen, der nicht einmal ein Wort d«r Entschuldigung für nöthig hielt, taucht« Herr Möbius die Feder «in, warf sie aber sofort wieder aus der Hand, da er bemerkt«, daß «in Theil des schwarzen Saftes, der das Tintenfaß jetzt bis oben hin füllte, seinen Mittelfinger befleckt hatte. Daran war wieder dieser Riekenberg schuld. Der mußte doch wissen, daß sein Vorgesetzter imm«r sehr tief «inzutauchen 'pflegte, und gerade darum gab er das Gefäß voll bis zum lieber laufen, nur damit man sich die Finger beschmutzen sollte. MöbiuS sprang auf und eilt« zur Wäschvorrichtung, di« von der Wafserl«itung gespeist wurde. Er drehte den Hahn auf, aber der reinigende Quell schien versiegt. Wieder tönte die Kling«!. „Herr Bureauvorsieher haben befohlen?" „WaS ist daS mit der Wasserleitung? Ich muß doch sehr bitten, daß Sie die Sach« in Ordnung halten." „Die Leitung ist diesen Morgen abg«siellt, w«il im Nachbar- I Haus« «in murr Anschluß gemacht wird." „So? Und das sagen Sie mir jetzt erst? — Da sehen Si« einmal her, wie ick mich durch Ihr« Schuld an dem übervoll«» Tintenglase besudelt hab«! Gießen Si« sofort di« Hälft« der Tin!« wieder aus!" Riekenberg griff nach dem Schreibzeuge, wurde aber in seiner Unternehmung unterbrochen durch den Befehl, zunächst ein« Schale Wasser herbeizuschaffen, worin Herr Möbius nun seine wohlgepflegten Finger wieder in Stand zu setzen sucht«. Dann wurde das Tintenfaß auf die Hälfte seines Inhaltes r«ducirt, und eben wollte der Vielgeprüfte den Zettel an seine Haus hälterin aufs Neue vornehmen, als ein«r der Bureauschreiber mit einer fertigen Abschrift erschien, um dieselbe von dem Vorgesetzten begutachten zu lassen. Immer diese Störungen! Und wegen so einer Kleinigkeit, wegen eines abschlägigen Bescheides an irgend «inen obskuren Menschen! Es waren nur wenige Zeilen Text, und dieser war in Form und Inhalt tadellos. Mit dem besten Willen ließ sich daran nichts aussrtzen. Aber da — in der unten links stehenden Adresse —! „Herr Diätar, ich muß mich wundern über die Achtlosigkeit, mit der Sie die Ihnen übertragenen wichtigen Arbeiten be handeln. Sehen Sie hi«r, — man sollte «S doch nicht für menschenmöglich halten! — da haben Sie es fertig gebracht, hinter dem Wohnorte des Adressaten d«n Punct zu vergessen. Ich muß dringend ersuchen, das sofort zu ändern und in Zukunft mit mehr Sorgfalt zu arbeiten!" Der Schreiber ging, um die wichtig« Verbesserung vorzu nehmen, und in höchster Aufregung über die Unzuverlässigkeit des jungen Beamten nahm Herr Möbius seinen Zettel wieder vor. „Schicken Si« durch den Urberbringer das Buch, das ich auf der Kommode in meinem Zimmer diesen Morgen liegen ließ", schrirb er auf, und während er noch seine Unterschrift hinzu fügte, griff «r schon nach der Klingel, um den Boten herbeizu rufen. „Tragen Sie diesen Zettel sofort nach meiner Wohnung; Si« werden darauf ein Buch ausgehändigt erhalten", herrscht« er -en eintretenden Riekenberg an, riß ihm dann aber schnell den Zettel, den dieser an sich nehmen wollte, unter den Hän den weg. „Mensch, Sie verwischen ja die Schrift! Sie sehen doch, daß die Tinte noch nicht trocken ist!" und griff damit nach dem Sandbehälter. ' War es nach so viel Aufr«gungen dieses Vormittags «in Wunder, daß er sich vergriff und statt des Tandes eine dunkle Fluth bester Bureautinte über den Zettel und von diesem herab auf sein neues hellgraues Beinkleid goß? War es ferner «in Wunder, daß unter solchen Verhältnissen der letzt« Rest von Fassung und Mäßigung schwand? Wüthend riß er seinen Ueberzieher vom Haken, fuhr hinein, daß die Nähte knackten, und schrie txn Unt«rgebenm an: „DaS haben Si« nun glücklich erreicht. Krank haben Sie mich g«ärgrrt! Ich bin gewiß sanftmüthig, aber daS hält ja Keiner auS. Melden Sie dem Herrn Rath, daß ich mich in ärztliche Behandlung hab« geben müssen; vor Ende nächster Woche werde ich voraussichtlich nicht wieder hergestellt sein. Und das gerade in dieser eiligen Zeit, in der sich di« Geschäft« drängen." Er stürzte hinaus, warf krachend die Thüre hinter sich zu und beschloß mit diesem Knalleffect di« «reignißreiche Bureau stunde.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite