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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991012013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899101201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899101201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 7889 - 7891
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-12
- Monat1899-10
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Morgen-Ausgabe eipMr.TlUMatt Anzeiger Druck aud Verlag von E. Pvlz in Leipz^v 5M Donnerstag den 12. Ottober 1899. 13- S7:- z,—dr ea Di« Morgen-Au-gab» erscheint um V,? Uhr, di« Avead-Au-gabe Wochentag» um L Uhr, *) Der nachfolgende Brief ist zwar durch die jüngsten Ereig nisse überholt, giebt aber so interessante Einblicke in die Vor geschichte derselben, daß wir ihn unseren Lesern nicht vorenthalten zu dürfen glauben. D. Red. Er wird heute nachsichtig gegen die Mannschaft sein, morgen, wenn er übermüdet ist und obendrein noch viel verloren hat, mißmuthig und ungerecht. Wenn die spielenden Officiere aus Blücher oder Gäben Hinweisen wollen, die stark spielten und doch große Feldherren waren, so sei ihnen gesagt, daß der Durch schnittsleutnant noch kein Blücher oder Gäben ist und daß er sich jedenfalls viel eher zu deren Feldherrnqualitäten entwickeln wird, wenn er mit dem Kriegsspiel vertrauter ist, als mit den Whist karten, mit denen er beiläufig nicht das sehr geistvolle Spiel, noch dem die Karten benannt sind, betreibt, sondern das ödeste und geisttödtendste Hazardspiel. Und schließlich, ist es nicht ein wahres Fressen für die Socialdemokratie, wenn sie den Arbeitern zurusen kann: Da seht Ihr die Leute, die Euch führen sollen, wenn Ihr den Hunten Rock anhabt, oder deren Anordnungen Ihr gehorchen sollt, wenn sie Landräthe oder Polizeidirectoren werden; da seht Ihr sie, wie sie sich mit Leuten zusammen setzen, die ein ehrlicher Arbeiter aus seiner Stube hinauswirft; wie sie, statt sich wie Ihr vor neuer Arbeit rechtschaffen durch Gottes werthvolles Geschenk, den Schlaf, zu erholen, die Nacht zum Tage machen. Da seht Ihr sie, wie sie in einer Nacht 10 000 verlieren, eine Summe, für die Ihr acht oder zehn Jahre hindurch Tag für Tag in Mühsal und Gefahr arbeiten müßt. Graf Caprivi hat einmal gesagt, er prüfe jede Maßregel hin sichtlich ihrer Wirkung auf die Socialdemokratie. In seiner Allgemeinheit ist der Satz falsch, aber hier trifft er zu. An der Regierung ist es, eine eingreifende Maßregel zu treffen, die die Socialdemokratie hindert, die vornehmsten Berufe verächtlich zu machen. Die Maßregel ist sehr einfach: Jeder Officier werde, bevor er sein Patent erhält, jeder Referendar, bevor er den Dienst eid leistet, durch Handschlag an Eidesstatt verpflichtet, niemals, so lange sie im Dienste sind, an solchen Spielen sich zu betheiligen, die das Gesetz als Hazardspiele ansieht. Gerade die Angehörigen der bevorzugten Stände haben so viel Gelegenheit zu anderen und edleren Vergnügungen — viel mehr Gelegenheit, als die Angehörigen sonstiger Berufe —, daß sie wahrlich nichts ver lieren, wenn sie dem Hazard entsagen müssen. Straßen Capstadts begegnet, sehen recht gut aus; das Heloien- Dasein in Johannesburg — um einen Ausdruck Sir Alfred Milner's zu gebrauchen — scheint den Uulanders wenigstens ihrer äußeren Erscheinung nach keinen Nachtheil bereitet zu haben. Wie lange Liefe Flüchtlinge sich hier aufhal:en werden, hängt ganz von dem weiteren Verlauf der diplomatischen Verhandlungen ab. »rk ovo. ganz Bestimmtes, Reelles läßt sich musikalisch nicht wiedergeben, so sehr das auch die Anhänger der Programmmusik bestreiten mögen. Zugegeben, daß das betreffende Programm, das ein Componist seinem Werk« zu Grunde legt, dem Hörer, der es kennt, sehr charakteristisch in Tönen dargestellt erscheinen kann, so wird wiederum ein zweiter Zuhörer, der das zu Grunde liegende Programm nicht kennt, wohl in den seltensten Fällen genau festftellen können, was d«r Componist mit seinen Tönen hat sagen Wollen. Also während der Eine behauptet, daß Pro gramm und Musik vollkommen eins sind, daß die Musik wirklich bis in die kleinsten Details hinein alles Das wic'dcrgiebt, was das Programm vorschreibt, ist sich der Andere durchaus ni.l: völlig klar darüber. Woher kommt das? Man spricht von muü kalischer „Tonmalerei", das ist di« Kunst, bestimmte Geräusch:, z. B. das Rauschen des Wassers, das Klappern der Mühle, das Rollen des Donners und Aehnliches, tonlich darzustellen, und die Musik hat hierzu wirklich sehr geeignete Hilfsmittel. die hier näher zu erörtern natürlich zu weit führen würde. Ich will nur einige Beispiele anführen. Wie trefflich hat Schubert das Rauschen des Bächleins in dem berühmten Liede: „Ich hört' ein Bächlein rauschen" Lurch die charakteristische Beglei:ungsfigur musikalffch illustrirt, wie hat eS derselbe Meister verstanden, im „Erlkönig" den nächtlichen Ritt in Tönen zu versinnbildlichen, die ganze Pastoralsymphonie von Beethoven ist voll von unübertroffener Tonmalerei. Und doch giebt es auch hier eine Grenze: so lange ein bestimmter, beigegeb«ner Text die betreffende musikalische Eb-arakterisiruna verständlich macht — und «das ist be- Lei Vokal musik stets der Fall —, wird der Componist auch die bealsichtigie Wirkung erreichen, anders aber ist es. wenn der Tex! fehlt- wenn wir es mit der reinen Instrumentalmusik zu tbun haben. Wie will es der Componist 'Verbindern, daß siL unter einer bestimmten Tonmalerei der Eine das Rollen des Donners vorstellt, während der Andere daS Grollen Les Hevden oder das brausende Meer zu vernehmen glaubt, daß, während der Tondichter die innere Unruhe des Helden, das Sichjagen der Gedanken ha! ausdrücken wollen, der Zuhörer da» Fliehen der feindlichen Truppen sich aas- malt u. s. w.? Ist aber dem Zuhörer daS Programm, nach dem die be treffende symphonische Ditlung gearbeitet ist, bekannt, so wird -DZ xL 83 oo-L 33. Jahrgang. Annahmeschluß für Anzeigen: Abrud-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde frühcr- Anzeigen sind stet» an die ErpeSitiau zu richten. Filiale«: ktt» Slcmm's Darti». (Alfred Hah»), UniversitStSstraße 3 (Paultnum), Laut» Lökche, Katharineustr. 14. pari, mrd Köutu»Pluh 7, Ne-acNon «n- Erve-Mo» r Johannis,affe 8. Di«Expedition ist Wochentag» nnunterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit de, Morgen«Auegabe, ohne.Poslbeförderung 60.—, mit Poslbeiörderung 70.—. Etwas vom Eomponiren. Von HanS Hiller-Leipzig. Nachdruck verboten. Heutigen Tages gehört es zum guten Ton und zur gesell schaftlichen Bildung, daß man ab und zu ein gutes Concert be sucht, und sei es auch blos aus dem Grunde, um mitreden zu können. Und da kann man denn manchmal interessante Beob achtungen anstellen, wie Der oder Jener von einem solchen „klassischen" Concerte befriedigt wird. Während der Eine sich gründlich langweilt, ohne es sich selbst ringestöhen zu wollen, studirt der Andere emsig in der Partitur oder dem Clavier- auszuge, oder er hat eine Erläuterung oder ein erklärendes Pro gramm in der Hand, das er während LeS Vortrages eifrig ver folgt, ein Dritter wohl sitzt still versunken in einer Ecke, mit ge schlossenen Augen dem Eindrücke der Töne sich hingebend. Mit dem zweiten Concertbesucher wollen sich diese Zeilen zunächst be schäftigen, auf d«n Drittem kommen wir später noch zurück; von dem Ersten aber wollen wir gar nicht erst reden, obgleich er gewiß nicht der Einzige seiner Art sein wird, denn, wer nun einmal keinen Sinn für gute Musik hat und keinen musikalischen Ge schmack besitzt, der lhäte besser, wenn er sich daS Geld sparte, das er für diese Concerte ausgiebt. Also sehen wir uns den an zweiter Stelle genannten Concertbesucher einmal näher an! Do steht auf dem Concertprogramme verzeichnet: 1. Sym phonie von L. van Beethoven. Sofort rennt er in die Musikalien handlung und verlangt daS Clavier-Arrangement der genannten Symphonie; hat er eS im der Tonkunst etwa» weiter gebracht, so wird natürlich die Partitur genommen, da» macht auf alle Fälle einem gelehrten Eindruck, und wenn man auch nicht im Stande ist, richtig nachzulesen, di« paar Blasinstrumente, die anders erklingen, al» sie „stirb sind (die tranSponirenden In strumente in der Kunstsprach« genannt), hört man ja ohnehin ganz deutlich Henaus. „Giebt e» nicht auch «ine Erläuterung dieser Symphonie?", so lautet die zweit« Frage beim Musikalien ¬ gebilden immerhin etwas Irdisches an, erst die Kunst der Töne hebt uns empor zu lichten Höh'n, sie ist es, die unmittelbar unser Herz und Gemiilh ergreift. Dem stimmen selbst unsere größtem Dichter bei: Schiller sagt in seinen Votivtafeln über die Ton kunst: „Leben athme die bildende Kunst, Geist fordr' ich vom Dichter; aber die Seele spricht nur Polhymnia aus." Ver einigt sich die Musik mit der Poesie, so muß sie sich selbstver ständlich der letzteren unterordnen, soll sie in Stimmung uno Ausdruck mit dem Texte übereinftimmen. Ferd. von Hiller ver gleicht diese Vereinigung mit der Ehe: „Die Vermählung von Rede und Ton ist die edelste Ehe, die je geschlossen worden." Diese innige Verbindung kann aber nur dann stattfinden, wenn das Gedicht stimmungsvoll ist; fehlt ihm diese Eigenschaft, so eignet es sich eben nicht zum Componiren und wird keinen Com- ponisten dazu begeistern können. Wir sehen also, daß alle Musik, auch die Vokalmusik, von der Stimmung hervorgerufen wird, daß sie also etwas Abstraktes, Unbestimmtes aus-zudrücken in höchstem Grade geeignet und berufen ist. Schmerz, Freude, Glück, Sehnsucht, Lieb«, Trotz u. s. w., das ist die eigentliche Sphäre der Musik, in der sie von keiner anderen Kunst erreicht wird. Eduard Devrient erzählt in seinen Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy, wie Mendelssohn seinem Schmerz über den Verlust seines Freundes Eduard Rietz in Tönen Ausdruck verlieh: „Wir sprachen von den Trefflichkeiten des Verstorbenem (E. Rietz)", so schreibt er, „Felix (Mendelssohn) brach ab, machte einen Gang durch das Zimmer und blieb vor dem Flügel stehen. So präludirte er und vertiefte sich Sann in eine über-stundenlange Phantasie. Wir saßen regungslos (B 's Familie) uns in An dacht vor dielen Offenbarungen des tiefsten Seelenschmerzes, der stürmenden Verzweiflung, der heiligen Mebmu h und des frommen Trostes. Es war das schönste Denkmal der Freuno schaftstreue, in unseren Herzen bleibend errich et. Ich habe vor- und nachher nie einen ähnlichen erschütternden Eindruck von Musik empfangen." Ja, so soll Musik geschaffen, empfunden, nachempfunden werden. Aber einen Roman oder irgend «ine philosophische Idee in Tönen ausdrücken zu wollen, erscheint mir ebenso unnatürlich und unmöglich, alt etwa einen Blinden von der Schönheit der Farbe überzeugen zu wollen. Da ist eben die Grenze der musikalischen AutdruckSfähigkeit überschritten, etwas Lrieg-in-Zichl-Ztimmung im Laplande.*) Nachdruck auch mit Quellenangabe verboten. äV. X. Aus Capstadt, 19. September, schreibt unser ständiger Herr Berichterstatter, der soeben durch eine längere Reise in das Inner« der Kolonie Gelegenheit gehabt hat, die Stimmung in verschiedenen Theilen des Landes kennen zu lernen: Noch gestern äußerte der Premier-Minister, Herr Schreiner, im Freundeskreise, er glaube nicht, daß ein Schuß fallen werde. Heute aber wurde der Inhalt der am 16. d. M. in Pretoria an den englischen Residenten übergebenen Note hier bekannt, und die holländische und unabhängige englische Presse ver urteilen die Diplomatie Sir Alfred Milner's und das Verhalten des englischen Residenten in Pretoria aufs Schärfste und werfen beiden Herren Jnconsequenzen und Unaufrichtigkeit vor. Die Ansicht, daß England zum Kriege treibe, welcher man überall in Afrikander-Kreisen begegnet, hat wesentlich dazu beigetragen, in der Boerenbrvölkerung der Kolonie und im Freistaate eine so tiefgehende Mißstimmung und Entfremdung oder vielmehr feind selige Stimmung gegen England hervorzurufen, wie sie niemals vorher feit der Herrschaft der Engländer in Süd-Afrika vor handen gewesen ist. — Vor drei Wochen wurde in allen Ge meinden der holländisch-reformirten Kirche Süd-Afrikas wegen der drohenden Kriegsgefahr ein Buß- und Bettag ange ordnet, an welchem sich auch viele Gemeinden anderer Glaubens bekenntnisse betheiligten. Von der englischen Presse wurde vielfach der heftige, leidenschaftliche, zum Aufruhr reizende Ton gerügt, welchen sich viele reformirte Prediger bei Liefer Gelegenheit angeblich haben zu Schulden kommen lassen. Es ist ferner für die jetzige Stim mung unter den Afrikandern sehr bezeichnend, daß afrikanische Familien, die bisher als völlig anglisiert betrachtet wurden, sich öffentlich von diesen Beziehungen losgesagt haben und ihre Sympathien mit Transvaal in den Zeitungen kund thun. In der Kolonie giebt es kein noch so kleines Städt chen oder Dörfchen mit Afrikander-Bevölkerung, in welchen nicht während dieser bewegten Zeit Versammlungen statt gefunden haben, um di« Sympathien der Afrikander mit Trans vaal zum Ausdruck zu bringen. Von diesen Versammlungen schweigt natürlich die Rhodes-Presse; es sei denn, daß es bei diesen Gelegenheiten so rebellisch zugeht, wie es vor einigen Wochen in dem Städtchen Burghersdorp in der Ostprovinz der Kolonie der Fall war, wo der Wunsch des Redners, daß es den Kolonisten bald gelingen möge, das eng lische Joch abzuschüttelni, mit lautem Beifall ausge nommen wurde. Diesen Aeußerungen der erregten Afrikander-Bevölkerung stehen die Massenversammlungen gegenüber, welche in Capstadt, Port Elizabeth und East London von der englischen „Politischen Liga" organisirt werden. Diese Versammlungen werden vorzugsweise von Arbeitern und Farbigen besucht und von den Führern der Liga geleitet. In denselben werden immer wieder dieselben Themata behandelt: die Leiden der Uitlanders, Verurthrilung der Transvaal-Regierung, Lobpreisung des Herrn Rhodes u. s. w. Die bei diesen Gelegenheiten gefaßten Reso lutionen billigen die bisherige Politik Englands gegen Transvaal. Die betreffenden Resolutionen werden dann sogleich der eng lischen Presse zugekabelt und di« Versammlung singt zum Schluß: ffritanuia." Die schroffe Trennung, wie sie zur Zeit in Süd-Afrika zwischen der englischen und der Afrikander-Bevölkerung besteht, muß natürlich auf die Entwickelung des Landes lähmend wirken. Leider übt dieser Rassenhaß seine hemmende Wirkung auch in der ge setzgebenden Thäkrgkeit des colonialen Parlaments aus. Um nämlich den Ausfall der Einnahmen für daS kommende Finanz jahr zu decken, hatte die Regierung «ine „Einkommen- und Land-Steuer" vorgeschlagen, welche im Unterhaus mit großer Majorität angenommen wurde. Durch diese Steuer würde die De Beer's-Gesellschaft in Kimberley, deren Borsitzender Herr Rhodes ist, nicht weniger als 140 000 Lstrl. zu den Ein nahmen des Landes beitragen müssen. Die Rhodes-Partei im Oberhaus hat jedoch diese Vorlage mit einer Majorität von 2 Stimmen verworfen. Obwohl nun auch andere weniger wichtige Vorlagen der Regierung im Oberhaus nicht zur Annahme kamen beabsichtigt die Regierung doch nicht, das Parlament aufzulösen, sondern wird versuchen, durch Ersparnisse, vor Allem an den öffentlichen Bauten und Arbeiten, das voraussichtlich entstehende Deficit so viel wir möglich zu reduciren. Die Geschäftslage in der Kolonie ist zur Zeit sehr traurig, Handel und Wandel liegen überall darnieder. Der Güterverkehr auf den östlichen Eisenbahnlinien von Port Eliza beth und East London via Bloemfontein nach Transvaal ist auf ein Minimum gesunken und der Personenverkehr auf den colo nialen Eisenbahnen wird nur einigermaßen durch denExodus der Uitlanders von Johannesburg nach den größeren Städten der Kolonie noch im Gange gehakten. Wer den ernsten und im Grunde menschenfreundlichen Charakter der afrikanischen Boeren kennt, wird die übertreibenden Phantasiegebilde von einer Wiederholung der sicilianischen Vesper in Johannesburg als eite' Faselei erklären. Kapstadt und die Küstenstädte der Kolonie sind voll von Uitlanders, welch« alle Hotels, besonders die bestenundtheuersten, und allefreienWohnungen beseht haben. Nur wenige dieser Uitlanders sind wirklich hilfs bedürftig, und für diese wird von den zu diesem Zwecke ins Leben gerufenen Hilfsvereinen Alles gethan, um die vorhandene Noth zu lindern. Die meisten Uitlanders, denen man in den Die Lehren -es Lpielerprocesses. Aus Beamtenkreisen schreibt man uns: Die drei Männer im Berliner Spielerproceß sind aus dem feurigen Ofen einer achtmonatigen Untersuchungshaft gerettet worden und das zu erwartend« freisprechcnde Unheil entspricht nicht nur den Buchstaben des Grsetzes — denn der 8 284 R.-Str.- G.-B. bestraft nur das gewerbsmaßige.nicht aber daS gewohnheits mäßige Spiel —, sondern es entspricht auch der Gerechtigkeit, denn die drei Angeklagten haben nichts Anderes und nichts Schlimmeres gethan, als was Hunderte ihrer Standesgenossen gethan haben und noch thun und wohl auch, wenn die vorgesetzten Behörden nicht eingreifen, in alle Ewigkeit thun werden. Für Denjenigen, der die Verhältnisse in diesen Kreisen kennt, hat ja der Proceß durchaus nichts Neues ergeben. Er hat wieder einmal gezeigt, daß junge „Lebemänner", Officiere und Beamte, insonderheit der Verwaltungscarriöre, es durchaus nicht als ein Unrecht betrachten, stundenlang dem Spiele zu fröhnen und Zeit und Geld, Nerven und Gesundheit leichtfertig zu ver schleudern, den guten Ruf aber, auf den diese Kreise doch be sonders achten sollten, zu gefährden. Denn wenn Jemand, der nicht gewerbsmäßig, aber gewohnheitsmäßig spielt, auch nicht nach dem Gesetze belangt werden kann, so gilt er doch in der öffentlichen Meinung als ein Spieler, was weder seinem Ansehen, noch dem seines ganzen Standes förderlich sein kann. Und dieses Ansehen wird noch obendrein dadurch gefährdet, daß die Spielenden Gefahr laufen, mit anrüchigen Personen in Be rührung zu kommen. In diesem Falle war es der flüchtige Falschspieler Wolff, vor sechs Jahren waren es der „olle ehrliche Seemann" und Konsorten. Es ist ohne Weiteres zu glauben, daß die Spielenden die schlimme Qualität solcher Personen nicht kennen, aber die Thatsache bleibt darum doch bestehen, daß sie mit solchen Personen in engere Berührung gekommen sind. Das Sprichwort „Wer sich in Gefahr bezieht, kommt darin um" trifft hier zu. Würden die Herren von Kayser, von Kröcher rc. nicht hazardirt haben, so wären sie wohl kaum jemals mit Herrn Wolff — es scheinen übrigens außer diesem Herrn noch einige andere „feine Nummern" dabei gewesen zu sein — in Berührung gekommen sein. Es ist überhaupt eine bekannte Thatsache, daß auch die exclusivsten Kreise beim Spiel ihre Exklusivität ein- viißen und sich mit Personen an einen Tisch setzen, von denen am anderen Tage gegrüßt zu werden, ihnen sehr peinlich ist. Den jungen „Lebemännern", die, wenn man so sagen darf, als Rentiers geboren lverden und deren Lebensberuf dadurch ansgefüllt wird, das von ihren Vätern angesammelte Geld mit mehr ober weniger Grazie auszugeben, kann der Staat nichts anhaben. Es ist im Grunde genommen auch nicht von großer Bedeutung, in welcher Weise derartige Drohnen der menschlichen Gesellschaft ihr durchaus überflüssiges Leben todtschlagen. Ganz anders aber ist es mit Beamten — und zwar ganz besonders Verwaltungsbeamtcn — und Officieren. Diese Be rufe sollen den bestehenden Staat stützen, sie sollen es sogar in erster Reihe thun. Denn — es hieße Vogel-Strauß-Politik treiben, wollte man die Thatsache leugnen —: wir leben in Deutschland nun einmal noch in gewisser Weise in einem Kasten staate, und das Officiercorps und die höhere Verwaltungs carriöre stellen die beiden obersten Kasten dar. Daß das An sehen dieser Beamtenkategorien durch das Grassiren des Spiel teufels leidet, haben wir bereits erwähnt. Wir möchten aber noch hinzufügen, daß auch die persönliche Tüchtigkeit und Leistungs fähigkeit der Beamten leiden muß, wenn sie einer Leiden schaft fröhnen, die die Nerven mehr strapazirt, als irgend eine andere Passion. Wenn «in Officier die Nacht hindurch gejeut bat — uns hie und da geht das Tag für Tug oder vielmehr Nacht für Nacht so fort —, dann kann er im Dienste nicht leisten, was er leisten soll. Es wird vor allen Dingen des gleich mäßigen Temperaments ermangeln, durch das der Officier nicht blos die Disciplin der ihm unterstehenden Mannschaften er halten, sondern deren Vertrauen und Zuneigung erwerben soll. Händler. „Gewiß", wird ihm geantwortet, „da kann ich Ihnen ein Werk von L. sehr empfehlen: L. v. Beethoven's sämmtliche Symphonien, nach dem Srimmungsinhalte programmatisch er läutert u. s. w." Nun, meine geehrten Leserinnen und Leser, lassen Sie uns ein solches Buch einmal genauer betrachten! Nehmen wir an, die Erklärung des ersten Satzes der O6ur- Symphonie begänne folgendermaßen: „Da liegt sie vor uns, Gottes herrlich« Natur, vom rosigen Scheine der Sonne golden beleuchtet, das ist ver Schauplatz unserer Tondichtung." Darauf folgen nun die Noten, die diese Phrase rechtfertigen sollen. Im weitern Verlaufe Les Tonstllckes wird dann ein von Thatendurst und LiebeSsehnen erfüll!« Jüngling eingeführt — natürlich wird Alles durch Notenbeispiel« gewissenhaft „erklärt" —, eine holoe Mädchengestalt, die ihn begeistert, darf natürlich nicht fehlen, und nach einigen leicht genommenen Hindernissen „kriegen sie sich" am Schlüsse der Symphonie. Und so wird denn der groß« Musrkheros Beethoven zum Romandichter gestempelt. Und da giebt es wirklich Leute, sogar Musiker, die so e.was nicht nur schreiben, sondern allen Ernstes glauben, der Welt dadurch einen großen Dienst erwiesen, ihr erst zum rechten Verständniß deS Werkes verhalfen zu haben. Das Publicum, daS di« schön er fundenen Phrasen liest, ist entzückt von der poetischen Auslegung einer sonst so langweiligen Symphonie und schwört nun darauf, daß sich der Componist das und nichts Anderes dabei gedacht haben könne. — Nun, Scherz bei Seit«! Sollt« das wirklich das Ideal der Instrumentalmusik sein — denn von der ist hier selbstverständlich die Rede —, irdische Vorgänge in Tönen dar zustellen, das vom Erdenstaub Befleckt« musikalisch zu versinn bildlichen? Da möchte ich doch, ein entschiedener „Nein" zur Anlwort geben und vielmehr die Behauptung aussprechen: „Dort, wo daS menschliche Wort versag!, beginnt die Musik zu sprech'»." Bekanntlich ist der größl« Schmerz stumm, auch daS höchste Glück kennt keine Worte; da ist eS nun die Tonkunst, die dazu berufen ist, beider Stimmungen sich voll und ganz zu bemächtigen. Und dar scheint mir di« hohe Aufgabe der Musik zu sein, Stimmungen wiederzugebrn, Stimmungen hervorzurufen, dazu ist sie geeignet wie keine andere Kunst. Wohl kann man sich an einem stimmungsvollen Gemälde erbauen, wohl kann un» ein herrliche- Gedicht mir Begeisterung erfüllen, aber doch hastet beiden Kunst- Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclomen unter dem Redactionsstrich (4 g» statten) bO^j, vor den Familiennachrichtei« (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zissernja» »ach höherem Tarif. Deutsches Reich. u Berlin, 11. Oktober. Die Wahlen ZU den Handwerkskammern werden jetzt in den verschiedensten der von den Regierungen der Einzelstaaten festgesetzten Bezirken vorgenommen. Fast überall erfolgen dieselben so, daß zunächst Verzeichnisse der zu den Wahlen berechtigten Corporäuonen zur allgemeinen Einsichtnahme und eventuellen Beschwerde ausgelegr uno nach Ser envgiltigen Feststellung der Wahlberechtigten Sie Wahlen der Handwerkskammermitglieder vorgenommen werden. Bekanntlich betheiligen sich an den Wahlen nicht nur die Innungen, sondern auch die Gewerbevereine und sonstigen Ver einigungen, welch« die Förderung der gewerblichen Jn:eressen des Handwerkes verfolgen und mindestens zur Hälfte ihrer Mit glieder aus Handwerkern bestehen. Es ist also so ziemlich sämmt- lichen corporirten Handwerkern eine Einwirkung auf die Schaffung ihrer Vertretung in den Handwerkskammern gewährt. Man hofft, Laß sich noch im laufenden Jahre die Wahlen werden vollziehen lassen, so daß dann an die innere Organisation der Handwerkskammern wird herangetreicn werden können. Selbst- dersiündlich wird hiervon recht viel für die gute und den Hand- wcrksinteressen möglichst entsprechende Wahrnehmung der Ge schäfte abhängen. Daß die Wahl tüchtiger Handwerks- kammersetretäre auch eine wichtige Rolle spielt, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Man wird gut thun. diese Stellen von vornherein so zu dotiren, daß sich geeignete Kräfte um dieselben bewerben. Allzu große Sparsamkeit aus diesem Gebiete würde durchaus verfehlt sein. * Berlin, 11. October. (Der neue Marine etat.) Die „B. N. N." schreiben: „Ein hiesiges Blatt brachte einige Angaben über den neuen Etat der Reichs marineverwaltung, die, wie wir aus gur unterrichteter Quelle erfahren, hinsichtlich der Linienschiffsneubauten nicht ganz Zutreffend sind. Richtig ist, daß sich die Ausgaben innerhalb de- Nahmens des Flottengesetzcs halten werden. Auf keinem der drei Hauptgebiete des Etats wird die zulässige obere Ausgabengrenze erreicht werden. Bei den Schiffsneubauten sind etwa 800 000 bei den fortdauernden Ausgaben rund 300 000 c/( und bei „sonstigen einmaligen" Ausgaben etwa Itz Millionen weniger angeseht, als das Flottengesetz zulassen würde." — Die Blätter meldung, aus welche hier Bezug genommen wird, lautete: „Der neue Etat der Reichsmarineverwaltung ist festgestellt, und die bevorstehenden Forderungen lassen sich präcisiren. Da im Großen und Ganzen die im Flottengesetz vorgesehene Belastung des Etats innegehalten wird, ist das zahlenmäßige Material mit ziemlicher Genauigkeit anzugeben. Der Betrag für die bereits im Bau befindlichen und die neu zu bewilligenden Schiffe beläuft sich auf 65,5 Millionen Mark. Diese Summe vertheilt sich auf acht Linienschiffe, acht Kreuzer und zwei Torpedobootsdivisionen. Von den Schiffen sind sechs Panzer, „Kaiser Wilhelm der Große", „H.", „D", „6", „v" und „L", die großem Kreuzer und „D", die kleinen Kreuzer „Niobe", „8", „6" und „v" und zwölf Torpedoboote bereits bewilligt; für dieselben werden zweite uns dritte, beziehungsweise vierte Ra.-en verlangt. Dazu kommen jetzt die Neuforderungen für zweite Linienschiffe, einen großen und zwei kleine Kreuzer und eine Torpeooboots- division. Außer den aufgesührten 28 Kriegsschiffen und Kriegs fahrzeugen befinden sich, nachdem die beiden erstklassigen Linien- schiffe „Kaiser Friedrich III." und „Kaiser Wilhelm II." voll endet sind und vor ihrer Indienststellung stehen, noch der Panzer kreuzer „Fürst Bismarck", die Kanonenboote „Tiger" und „Ersatz Habicht", sowie eine Torpedobootsdivision im Bau. Von diesen 8°zs Vezrrg-Prei- W der HauptexpeRtiou od« de» t» Etadd> de»irk aud den Vororte« errichteten An»- aaorstellen abgeholt: vierteljährlich ^»4.üO, bei zweimaliger täglich« Zustellung in» Hau» 5.Ü0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsenduog tu» Ausland: monatlich 7H0. Amtsblatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Molizei-Ämtes -er Stadt Leipzig.
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