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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991014028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899101402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-14
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Aus diesem Glauben erst wuchs die Hoffnung und Zu versicht auf die bessere Welt, die nach Expropriation der gegenwärtigen Besitzer und Machthaber alles in Gleichheit, Frei heit und Brüderlichkeit schlickten und ordnen soll, und führte der Socialdemokratie die Massen ihrer Anhänger zu.. So war es denn begreiflich, baß die Rede Bebeles auf dem hannoverschen Parteitage, die das Erfurter Programm der socialdemokratischen Partei in seiner gegenwärtigen Gestalt retten sollte, vor Allem diese, aus dem eigenen Lager als unhaltbar angefochtene Theorie um jeden Preis zu retten versuchte. Da die Thatsachen aber deutlich dagegen sprechen, half sich der socialdemokratischc Führer mit der Construction einer „relativen Verelendung", die dahin zu verstehen sei: Für die große Masse der Bevölkerung habe sich trotz des durchschnittlich höheren Einkommens die allgemeine Lebenslage um kein Iota verbessert, nämlich — im Bergleichzu den reichen Classen. Mit überraschender Schärfe ist aus der eigenen Partei Vie Antwort gekommen, daß eine „relative Bereleudungstheorie", die dem Arbeiter beibringen will, daß cs ihm darum viel schlechter gehe, weil einige reiche Leute noch reicher geworden sind, die Aufgabe der „Bereleudungstheorie" überhaupt sei. Eine „Verelendung", die nur der Reid zu construiren ver mag, kann in der Thal nicht als Verelendung gelten. Noch bedeutsamer aber war, daß direct als Gegenbeweis aus der Partei heraus an den englischen Ziffern bewiesen wurde, wie enorm der Eonsum an allen Lebensmitteln und Artikeln deS täglichen Bedarfs gestiegen ist, während die Arbeits zeit fiel und die Löhne erheblich gestiegen sind. Wir gehen noch weiter; wir behaupten, daß auch relativ die äußere Lebenshaltung der Arbeiterbevölkerung weil größere Fort schritte gemacht habe, als die der Bourgeoisie. Dafür einige Stichproben. In den Werken der Firma Krupp, die gegen 42 000 Personen beschäftigen, beträgt der Durchschnitts lohn für mehr als zwei Drittel aller Arbeiter täglich 4 die übrigen verdienen über 3 und der Rest von noch nicht 10 Proc., der unter 3 Tagelohn bat, besteht größtentheijü aus jugendlichen Personen und Lehrlingen. Als Alfred Krupp im Jahre 1826 als Knabe vaS väterliche Erbe übernahm, war der Tagclohn für Schmiede und Sckmelzer „von 18 Stüber auf 7^/z Silbergroschen erhöht." Kanu im Handwerk oder im Handel, namentlich bei den kleineren Betrieben, auch nur annähernd von einer ähnlichen Durchschnittssteigerung gesprochen werden? Ver gleichende Zahlen geben weiter die Ausweise über die Berg- arbeitcrlöhne. Im Jahre 1808 hob sich der IahreSverdienst des Arbeiters beim Steinkohlenbergbau in dem nahezu die Hälfte aller preußischen Bergarbeiter beschäftigenden Oberbergamtsbezirk Dortmund, wo der durchschnittliche Nettolohn im Jahre 1897 bereits 1128 betrug, um 4,2 Proc., in Oberschlesien um 7 Proc. Der Reinverdienst der im Dortmunder Bezirk unter Tage beschäftigten Arbeiter stieg von 1897 zu 1898 von 1328 auf 1387 .L jährlich pro Kopf oder von 4,32 auf 4,55 pro Schicht. Im ersten Vierteljahr 1899 trat eine weitere Steigerung auf 4,72 ein, das macht gegen 1897 eine Erhöhung von 40 pro Schicht oder über 9 Proc. Gegen 1895 ist der Durchschnittsverdienst aller Bergarbeiter reS Dortmunder Bezirks um mehr als 200 .L oder 21 Proc. gestiegen. In den Jahren 1867 bis 1872 waren die Durchscbnilts- löhne von 765 auf 1093 .^l, also um 43 Proc., gestiegen. Nach denSchwankungen der Zwischenzeit betrögt die Steigerung gegenüber 1867 also rund 410 .L, oder 53 bis 54 Procent des Lohnes von 1867. Sämmtliche preußischen Bergarbeiter überhaupt, einschließlich der jugendlichen und weiblichen, verdienten im Jahre 1898 durchschnittlich pro Kopf 1010 gegen 961 im Jahre 1897, 900, 848 und 838 in den drei vorangehenden Jahren. Dabei sind alle Nebenkosten (für Versicherungsbeiträge rc.) abgezogen. Die Lohnerhöhung betrug also gegen 1894: 172 -6, d. i. mehr als ein Fünftel. Jahraus jahrein werben die Nachweise veröffentlicht über die Summen, die der deutschen Arbeiterschaft aus der Versicherungsgesetz gebung zuströmen. Täglich sind eS jetzt eine Million Mark, die dem Arbeiter vor Unfall, Alter, Krankheit und Invalidität einen Schutz verleihen, den der „Bourgeois" sich auf seine Kosten und mit vielem Gelbe auf eigene Rechnung beschaffen muß. Was die Arbeiter früher statt dessen hatten, werden die älteren von ihnen noch wissen, und die jüngeren könnten wissen, daß diese ganze Gesetzgebung, welche auch die „relative" Verelendungstheorie über den Hausen wirst, gegen dieSocialdemokratie von der „Bourgeosie" hat durchgesetzt werden müssen. Gegen die „relative" Verelendung sprechen noch mebr die statistischen Nachweise über die allgemeine Lebenshaltung. Der Bierconsum ist gestiegen von 1878 bis 1898 von 87,4 I auf den Kopf auf 123,1 I; der Tabakconsum in derselben Zeit von 1,3 kg auf 1,8 kg. Der Verbrauch an Zucker in derselben Zeit von 7,4 kg auf 11,8 kg, an Baumwollenwaaren von 4,19 auf 6,30 kg, an Kaffee von 2,3 auf 2,8 kg, an Reis von 1,7 auf 2,5 kg, nur durch die Zunahme des Verbrauchs in Arbeiterkreisen. Jeder Arbeiter braucht nur um sich zu sehen, in seiner Erinnerung zurückzugreifen und die Steigerung seiner Lebenshaltung mit der Steigerung der Lebenshaltung der arbeitenden Mittel- classcn zu vergleicken, die ihm als „ausbeutendr Capitalisten- gesellschafl" vorgesührt werden, dann wird er sofort erkennen, daß eS kein hohleres Schlagwort geben kann, als die Bebel'sche „relative Verelendung". Als der Oberpräsident von Westfalen, Herr Studt, auS Münster schied, um Nachfolger des Herrn vr. Bosse im Eultusministerium zu werden, wurde ihm selbst in klerikalen Blättern die Anerkennung nicht versagt, daß er mit „Wohl wollen" sein Amt verwaltet habe. Jetzt wird ihm diese Censur von der „Germania" wieder entzogen und zwar darum, weil auf der nach vielen Wirrungen endgiltig zur Kölner ErzbischofSwahl dem Domcapitel wieder zuaestellteu Eandivatenliste der Name des Bischofs von Münster, deS Herrn Dingelstad, fehlt. Die Staatörcgierung habe diesen Namen gestrichen, weil ibr der Bisckof von Münster „persona minus grata^ gewesen sei. Die Staatsregierung hat damit nichts Anderes gethan, als waS ihr volles Recht ist; dazu wird ihr ja die Eandidatenliste bei Bischofswahlen unterbreitet, damit sie die ihr minder „genehmen" Personen davon streichen kann. Wir müssen aber gestehen, daß wir auch noch auS anderen Gründen den frommen Eifer des klerikalen Blattes nicht zu würdigen vermögen, daS in der Kölner Erzbischofswahl bald so geheim- nißvoll, bald „best unterrichtet" that und vor sieben Tagen noch „bestätigte": die Liste sei nach Köln mit drei Namen wieder zurückgegangen; „der Name eines vierten Candivaten sei auf dessen eigenen Wunsch gelöscht worden". Dazu schrieb eS dann weiter: „Da nun noch drei Namen auf der Liste stehen geblieben sind, so ist eine Bischofswahl nack- kanonischen Vorschriften immerhin noch möglich." Jetzt heißt eS: „Auch in Zuschriften an uns auS Münster giebt sich große Ueberraschung über die Streichung deS Namens des Bischofs von Münster von der Kölner Vorschlagsliste kund, und nickt nur Ueberraschung, sondern auch eine gereckte Erregung deS Un willens. Man erblickt darin die Kundgebung eines Miß trauens von Seiten des neuen Cultusministers gegen den Bischof Dingelstad und eine bittere Kränkung, welche die ganze Diöcese mit empfindet. Vom Herrn CultuSminister I)r. Studt hätte man, zumal nach den Vertrauenskund- gebungen bei seinem Abschied vvn Münster, so etwas nicht erwartet." Da hätte also der neue CultuSminister das „katholische Volk" richtig wieder in den dicksten Culturkampf getrieben! Vielleicht tröstet er sich aber mit dem Kölner Domcapitel, daS von drei Candidaten nur einen schließlich nehmen kann und damit zwei Bischöfen eine „bittere Kränkung zufügt", die dann von zwei ganzen Diöcesen „mit empfunden" wird. Die Londoner „Times" veröffentlicken den Bericht der Lamoa-Comnrisfivn. In dem den Bericht besprechenden Leitartikel wendet sich das City-Blatt mit heftigem Tadel gegen die deutsche Presse, die während der Unruhen England fortwährend angegriffen und beschimpft, dagegen die Vereinigten Staaten von Amerika, die in herzlichem Ein vernehmen mit England handelten, umworben und um schmeichelt (?) habe, nachdem sie kurz vorher während des spanisch, amerikanischen Krieges Amerika mit Beschimpfungen (?) über häuft hatte. Zum Schluffe besprechen die „Times" die Möglichkeit einer endgiltigen Lösung der Samoa-Angelegenheit und bemerken, der Plan der Commission sei wahrscheinlich der beste Noihbehelf, den die Commissare aufzufinden vermochten, aber immerhin nur ein Nothbehelf. Eine dauern de Wohlfahrt und Rübe auf der Inselgruppe, führen die „Times" au-, dürften wir nach dem Bericht nur von der Herrschaft einer einzelnen Macht erwarten. Wie diese Lösung zu erzielen, sei nicht leicht abzusehen. Nach den letzten amtlichen Angaben belaufe sich 1897 der englische Handel aus einen Werthbetrag von 40 000 L (800 000^S), gegenüber dem amerikanischen mit 17 000 und dem deutschen mit 20000 L Die Bereinigten Staaten besäßen andererseits in Pago-Pago einen sehr werthvollen Hafen, aus den sie beträchtliche Summen verwendeten, und die Deutschen legen großen Werth auf ihre materiellen Interessen in Upolu. Es gebe natürlich Bedingungen, unter denen Englandvielleicht bereitwäre, bezüglich seiner Rechte zu einem Vergleiche zu kommen. Aber bei etwaigen Verhandlungen über den Gegenstand müßten, was diese Bedingungen betrifft, gewisse Thatsachen zugrstanden werden. „Wir können nichts thun, was unsere vortrefflichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten irgendwie beeinträchtigen könnte. Wir können keinem Plane zustimmen, der unser» Handel mit der Inselgruppe schädigen könnte. Wir können weder die unabhängige öffentliche Meinung unserer australischen Colonieu verletzen, noch unsere Flottenstellung im Stillen Meere schwächen. Falls aber ein Maß wesentlicher Entschädigung für uns unter den deutschen Besitzungen jenes Welttheils zu finden wäre, daS uns tiefe Ziele sichert, so besteht kein Grund, warum man nicht über die ganze Frage verhandeln sollte, aber es müßte nach dem Grundsätze sein: äo ut äes." DaS ist doch wenigstens etwas. Schon daß die „Times" zugestehen, daß der unglückseligen Dreiherrschaft auf Samoa nothweudiz ein Ende gemacht werden und eine einzige Macht die Inseln in Verwaltung nehmen müsse, ist ein Fortschritt. Aber wenn Deutschland sich mit England ja auf einen Handel einlassen sollte, so müßte es ein ehrlicher sein. Daß den „Times" ein solcher nicht vorschwebt, geht auS den falschen Ziffern hervor, die sie über den Handel der drei Signatarmäckte mit Samoa angeben. Nach deutschen Fest stellungen nimmt Deutschland mit 1,6 Millionen Mark die erste Stelle ein, die zweite die nordamerikanische Union mit 264 000 Mark, und England kommt erst an dritter Stelle mit 252 000 Mark. Also nicht mogeln! Auf dem südafrikanischen Kriegsschauplatz haben die Boeren und zwar im Westen an der Betfchuanalandgrenze, 37 Meilen südlich von Mafeking, den ersten Erfolg erzielt. Es bestätigt sich die Nachricht, daß sie den einen der gepan zerten Züge des Cavallerie-Obersten und Freischaarenführers Baden-Powell zerstört haben. Hierüber wird uns des Näheren berichtet: * London, 13. Oktober. Das KricgSamt hat fol gende Depesche vom Lbercommandirenden in Enpstavt erhalten: Ein gepanzerter Zug aus Mafeking mit zwei TicbenpfüttScr-Grschützrn, der von hier nach Mafc- king abgrsanSt war, wurde in der letzten Nacht bei Kraai Pa» angegriffen; augenscheinlich waren die Schiene» entfernt, so das; der Zug cntgleistc. Tic Boeren richteten eine halbe Stunde lang Gcschützfcucr auf den Zug und nahmen ihn sodann. Tie telegraphische Verbindung nach Mafeking ist in Kraai Pa» unterbrochen. Ans Mafeking sind Frauen und Kinder nach Kapstadt gesandt worden. Die beiden Geschütze gehörten der Eapcotonie und waren leichte Geschütze alten Modells. Einzelheiten über Brrlnste an Menschenleben sind noch nicht ein- gegangen. * Kapstadt, 13. Lctober. (Meld, des „Rcntcr'schcn BureauS") Alle Personen, welche in dem ab- gkjqugeueu gepanzerten Zuge sich befanden, wurden gefangen genommen, mit Ausnahme des Lokomotiv führers. Ter Zug sollte Kanonen nach Mascking bringen. Angesichts dieses gelungenen Handstreichs, bei dem die Boeren die Engländer noch dazu mit Geschützen der englischen Colonie beschossen haben, ist der Spott der „Times" über die ersten Avancen der Boeren sehr wenig an gebracht. Sie drohten gestern Krüger mit einer „unangenehmen Ueberraschung". Nun ist eine solche zuerst den Engländern und den hochnäsigen „Times" zu Tbeil ge worden! DaS KriegSglück kann natürlich, besonders bei der artigen Vorpostengefeckten rasch wechseln. So sollen nach einem uns vorliegenden Telegramm ter „Daily Mail" aus Capstadt die Boeren gestern zum Angriff auf Mafeking geschritten sein und bereits mehrere Niederlagen erlitten haben. Eine Bestätigung dieser Nachricht stebt aber noch auS. In Mafeking sind alle Straßen verbarrikadirt, außer halb der Stadt sind Erdwerke aufgeworfen und Minen ge legt; alle Civilisten sind bewaffnet. Oberst Baden-Powell hak an der Spitze von 3000 Mann, größtentbeilS Sckutzlruppe mit einer Abtheilunz Regulärer und FrcicorpS, die verschanzte Stadt verlassen, um außerhalb eine feste Stellung einzunehmen. Commandant Cron je, der seiner Zeit Jameson's Scbaar abfaßte, steht ihm mit einer Streitmacht von 3000 bis 6000 Feuilleton. Auf freien Sahnen. 12s Roman von Rudolf von Gottschall. Nachdruck verbot,». „Der arme Oswald thut mir leid! Bei seiner Erbschaft überwiegen die Passiva die Actioa; bei mir ist's umgekehrt! Und daß mir mein Papa so feurige Lebenslust hinterlassen, das dank' ich ihm noch Uber's Grab hinaus!" Es war ein schönes Liebespaar, das da in der Laube unter dem rothblühenden, abwelkenden Laube des wilden Weins sich küßte; doch es war ein Herbstidyll, cs fehlte der Frühlingsrausch; etwas verdrossen versilberte und vergoldete der Mondschein den Farbencarneval des Herbstes, das buntscheckige Blättergewand der Bäume und die späten Blumen mit ihrer duftlosen Fülle. Der Baron strich sich einige welke Blätter aus dem Bart, welche der Abendwrnd abgcpflückt und ihm angeweht hatte. „Die alten Bäume können ihr Zeug nicht mehr zusammen halten; es ist etwas Müdes in der ganzen Natur; auch wir können für „Romeo und Julia" nicht mehr Modell sitzen." „Und bist Du auch kein Romeo", sagte Dalesca, „Du bist mehr. Du bist ein Mann; ja, wenn ich Dich so ansehe, Alles an Dir ist gestählt, edle Kraft, sieghaftes Feuer; Thatenlust blitzt aus dem Auge, Haupt und Glieder sind in schöner Harmonie. Romeo — ein Knabe, der zum ersten Male die Lieb« fängt wie «inen bunten -Schmetterling! Wir kennen das unerschöpfliche Glück, das sie im Schooße trägt, und zittern und jauchzen, wenn die Stunde schlägt, diesen Schatz zu heben." „Nun — und diese Stunde — o sprich das erlösende Wort! Valcsca entzog sich plötzlich seinen Umarmungen. „Nein, nein, da giebt's eine Schranke! Du bist vcrhcirathet!" „Das also ist es! Ich glaube nicht, daß eine Valesca von Landolin zurückschreckt vor der Kühnheit, einen Paragraphen des Gesetzes zu übertretcn." „Nicht nur um das Gesetz handelt es sich — um mich, um mein Gefühl! Mißversteh' mich nicht! Frei muß der Mann sein, den ich liebe, und nur sich selbst gehören! Wer eine Kette am Fuße trägt, der klirrt mit einer Sclavenfessel hinein in das Glück der Liebe." Siebeneck stand betroffen, hier stieg auf einmal ein Hinderniß aus der Erde, nicht nur unvermuthet, sondern auch fremdartig seinem ganzen Denken und Empfinden. „Eine Andere sollte ein größeres Recht haben, ein wirkliches Recht? Das könnt' ich nicht ertragen, mich immer mit einem ge stohlenen Glücke zu begnügen! Das verbietet mir mein Stolz. Daß ich Dich liebe, weißt Du — ich kann meiner Leidenschaft manches Zugestänbmß machen, doch nicht das letzte!" „Du stellst mir also die Wahl." „Ich weiß, ich verlange viel! Du sollst ein dauerndes Band zerreißen gegen ein vielleicht kurzes Glück." Der Baron stand, in Gedanken verloren. „Ja, mit der Ehe ist's nicht so ein leichtes Ding", sagte er dann; „wenn sich's dabei blos um die Liebe handelte, so könnte man leicht damit fertig werden, doch in diese Kette ist hunderterlei mit hineingewickelt — -was im Grunde gar nichts damit zu thun hat. Die Vermögens-Verhältnisse, der Besitz, Hab' und Gut — da fliegt Vieles mit in die Luft, was auf festerem Grunde vuht! Valesca — es ist «in« Laune von Dir — Du g«währst mir ja so Vieles schon!" „Heißblütige Freundschaft, sehnsüchtige Leidenschaft, Alles, was die Braut gewähren darf — mehr nicht! — Bedenke Alles wohl — und laß uns heute scheiden. Mich fröstelt — die Nacht wird kalt! Auf Wiedersehen!" Er war verstimmt im Innersten; sie ans Herz zu drücken, wagte er nicht; etwas Fremdes war zwischen sie getreten! Mißmuthig ging er nach der Gartenthüre zu, während sie ins Haus schritt. ZweitesCapitel. Sein« liebe Clara erschien dem Baron von Siebeneck aus einmal in einem ganz neuen Lichte; sie war ihm wichtig ge worden, weil sie ihm hinderlich war, hinderlich in seinen leiden schaftlichen Neigungen — und das war bisher nicht der Fall gewesen. Sie machte ihm zwar kein« EifersuchtSscenen, aber der Trauschein, der ihm selbst gleichgiltig war und auf den auch sie keineswegs pochte, wurde ihm jetzt von einer Fremden zur Abwehr entgegengehalten. Das kam ihm unerwartet und stimmt« ihn ärgerlich und verdrießlich. Sie mochte die nachsichtigste Frau .von der Welt sein; aber daß sic überhaupt seine Frau war, das war jetzt auf einmal zu einem Stein des Anstoßes geworden. Zum ersten Male kam ihm der Gedanke, ob dies Band denn unlös bar sei, doch cs war ein unausdenkbarer Gedanke; es stand für ihn zu viel auf dem Spiele. Das Vermögen seiner Frau konnte ihm dabei leicht verloren gehen, und was wurde dann aus seinen Gütern? Clara hatte ihn wegen seiner Verschwendung und der schlechten Verwaltung ihre» eigenen Vermögens -ur Rede gestellt und war dann mit ihrer Zofe zu ihrer Schwester in die Stadt gezogen, einer reiselustigen Dame, deren Quartier oft wochen- und monatelang leer stand. Er sah darin weiter keine bösliche Verlassung, t'c ließ sie gewähren; er hatte eine Zeit lang Ruhe vor ihren Straf- und Gardinenpredigten, die sich aber stets auf die Finanzen bezogen und nur hin und wieder mit einem verächt lichen Seitenblick kostspielige Vergnügungen streiften. Er kam öfter nach der Stadt, wo der Bund der Landwirthc seine Sitzungen hielt, dem er als ein ziemlich lauer Anhänger ange hörte, nur, um es nicht mit seinen Nachbarn zu verderben, welche im Bund eine führende Stellung einnahmen. lieber sein« Frau erfuhr er, daß sie sich der Frauenbewegung angeschlossen hatte. Jetzt seitdem er sich wieder lebhaft mit ihr beschäftigte, war er neugierig zu sehen, welche Rolle sie bei dieser Bewegung spielte; er hatte das dunkle Gefühl, es könne dabei irgend ein Licht fallen in die dunkle Rathlosigkeit, in dir ihn das Ultimatum der schönen, feurigen Valesca versetzt hatte. Ein« große Fraurnverfammlung war angezeigt worden, natürlich nur für Mitglieder des Vereins; sie sollte in einem Saal stattfinden, der sich im Hintergebäude des Restaurants be fand, in welchem er selbst bisweilen verkehrte. Der Oberkellner war ihm freundlich gesinnt, denn der Baron kargte nicht mit Trinkgeldern, und als er ihm ein Goldstück in Aussicht stellte für einen Versteck im Orchester, willigte er g«rn ein. Der Kellner hatte den Schlüssel zur Thür«, durch welche man auf ein« kleine Treppe zur Galerie gelangen konnte, wo die Instrumente bereit standen für die Frühprob« des nächsten Tages; ein« Festtafel sollte di« Versammlung abschließen. Der Baron stieg dort hinauf und fand hinter einer riesigen Baßgeig« und zwei Pulten, die mit übergroßen Notenheften bedeckt rvaren, «in Plätzchen, wo er ungesehen die Vorgänge im Saal beobachten und vor Allem die Reden der Sprecherinnen mit anhören konnte. Er versprach sich viel Vergnügen davon, denn er sah auf diesen Sport mit hohn lochender Ueberlegenheit herab. Der Saal füllt« sich allmählich; der Baron hatte sich mit einem Operngucker bewaffnet, um diese kampflustigen Schön heiten näher ins Auge zu faffcck. Einige riefen in ihm die Er innerung an di« komischen Alten der Bühn« wach, Andere sahen schmuck und herausfordernd aus; auch jüngere Damen trugen Brillen, die ihnen einen sehr gelehrten Anstrich gaben. Der Baron mustert« di« Toiletten ... sie waren meistens eng« anliegend und zugeknöpft; doch hier und da gab es auch ausge schnitten«, offenherzige Kleider, und es waren nicht gerade die Jüngsten, wclche ihr« körperlichen Vorzüge geltend machen wollten. Auf einem Podium saßen an einem Tische di« Vorstandsdamen; einige davon waren jungfräuliche Matronen; andere bewiesen durch ihren leiblichen Umfang, daß der Geist nicht den Körper aufgezehrt hatte; noch andere waren nichts als fleischgeworden: Intelligenz mit einer spärlichen Andeutung des körperlichen. Täuschten den Baron seine Augen? War jenes auffallend kleine Dämchen mit dem langen Kirchenfenstergesicht nicht Eulalia, des Schulmeisters Tochter? Hatte sie jetzt hier in der Stadt eine Anstellung gefunden? Und wie beweglich sie sich zur Rechten und zur Linken wendete, bald hier, bald dort etwas orakelte, in den Papieren wühlte, die Blätter umdrehte — das mußt« ein wichtiges Persönchen sein! Er hatte allerdings gehört, daß sie in der Großstadt ein« Lehrerinnenstelle an einer öffent lichen Schule' angenommen und außerdem irgend etwas redigirte. Balo hatte sich der Saal gefüllt; am Vorstandstnck war noch ein leerer Stuhl; doch die Präsidentin griff zur Klingel und eröffnete die Versammlung. Es war eine stattliche Dame, schlank und groß, von fragwürdigem Alter und fraglosen Vorzügen für das Amt einer Vorsitzenden; denn sie besaß offenbar Sicher heit und Energie und ein sonores Organ; sie las den Geschäfts und RechenschaftSbe'richt mit volltönender Stimme ab und empfing die dem Vorstände «rtheilte Decharge mit huldvoller Verneigung. Eine kleine Paus« trat ein, da wurde der leere Stuhl besetzt. Der Baron nickte wohlgefällig; es war sein« liebe, kleine Clara, die wie immer natürlich zu spät kommen mußte. Eigentlich war's doch eine reizende Frau; die Würdenträgerinnen zur Rechten und Linken dienten ihr als Folie; es waren zwei knorrige Eichen, zwischen denen das Zierpflänzchen sich so zart und niedlich ausnahm. Das blonde Köpfchen mit den lebhaften, fragenden Augen, dem unrhig hin- und herwogenden Gelock — sie war die hübschest« am Vorstandstisch, und in der Versammlung konnten es nur Wenig« mit ihr aufnehmen. Da erhob sich die eine umfängliche Dame zu ihrer Rechteck; es war Fräulein Doctor Fegewisch, die Leiterin des neu be gründeten Gymnasiums, eine sehr gelehrte Dam«, mächtig des Lateinischen und Griechischen, wie nur irgend eine der mit dem Lorbeer geschmückten Doctorinnen, deren Nam« auf dem Uni versitätshof von Padua in Stein gegraben sind; aber von einer etwas stotternden Beredsamkeit. Bisweilen ging ihr der Athen, aus; ihr Geist glich einem an den Flügeln gepackten Vogel, er konnte sich nicht frei in die Lüfte schwingen; die Last der Materie zog ihn herab. Doch ein« gewaltige Schleuder lag in ihrer Hand und wie die Schiller'sche Jungfrau führte sie einen Donner keil im Munde. Ihre Kriegserklärung galt dem CultuSminister, der sich jetzt
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