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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991021024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-21
- Monat1899-10
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Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und ZiffernjaA nach höherein Tarif. Crtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Poslbesörderuag 60.—, mit Postbesörderung 70c—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei Len Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leivzi» 538. Sonnabend den 21. October 1899. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. October. Die Rede, die der Kaiser am 18. d. M. im Ham burger Rathbause gehalten, hat durch ihren Hinweis auf den alten Erbfehler der Deutschen, über kleinliche Streitig keiten und untergeordnete Fragen die wichtigsten nationalen Ziele aus dem Auge zu verlieren, wie durch ihre Betonung der Nothwendigkeit einer dem Umfange unsrer überseeischen Interessen entsprechenden Flotte besonders die demo kratischen Reichsnvrgler höchst unangenehm berührt. Sie befürchten, auch in den Reihen ihrer bisherigen Anhänger werde diese Rede aus fruchtbaren Boden fallen, und suchen dem entgegenzuwirkcn. Die „Franks. Ztg." glaubt dies dadurch zu erreichen, daß sie den Kaiser in Gegensatz zu sich selbst zu bringen sich bemüht. Sie erinnert nämlich an die Thronrede, mit ver am 6. Mai 18!)8 die erste sünf- lährige Legislaturperiode schloß und in der wörtlich gesagt wurde: „Mit hoher Befriedigung erfüllt es mich, daß ich unter Ihrer patriotischen Mitwirkung erreichen konnte, unsere Flotte aus eine feste und dauernde gesetzliche Grundlage zu stellen. Indem der Reichstag die Bedeu tung des Flottengejetzes für unsere wirthschastliche Entwicklung und für die Stärkung unserer maritimen Wehrkraft anerkannte, hat er die Hand zu einem Werke geboten, welches die dankbare Würdigung kom mender Geschlechter finden wird." Mit dieser Anerkennung harmonire nun die Hamburger Kundgebung des Kaisers nicht; Liese „lese sich ganz ähnlich wie manche Kundgebung des Floltenvereins", „der polemisch gegen Len Reichstag den Werth des FlottcngesctzeS herabsctze und ebenso heftig wie unklar große weitere Vermehrungen der Flotte verlange". Thatsächlich aber enthält die Hamburger Rede des Kaisers genau dieselbe Würdigung des Flouengesetzes, die in der Thronrede vom 6. Mai lb'.)8 ausgesprochen war, und beklagt nur, daß ein solches Gesetz infolge des alten deutschen Erbfehlers nicht schon früher zu Stande gekommen ist. Denn wörtlich sagte der Kaiser in Hamburg: „Gerade diese alten politischen Sünden rächen sich jetzt schwer an unseren Seeinteressen und unserer Flotte. Wäre ihre Verstärkung Mir in den ersten acht Jahren Meiner Regierung trotz inständigen Bittens und Warnens nicht beharrlich verweigert worden, wo bei sogar Hohn und Spott Mir nicht erspart geblieben sind, wie anders würden wir dann unseren blühenden Handel und unsere überseeischen Interessen fördern können!" Nur wer unverbesserlich mit der „alten politischen Sünde" des Suchens nach Stoss zum Nörgeln behaftet ist, kann die eine Kundgebung als im Gegensätze zu der andern befindlich bezeichnen. Allerdings klingt aus der neueren der Wunsch nach einer weiteren Verstärkung unserer Flotte heraus, aber wer dem Kaiser unterstellt, er habe im vorigen Jahre gemeint, keine neuen Erfahrungen und keine neuen Anstrengungen der übrigen Seemächte könnten uns bewegen, jemals über Len Rahmen des damals geschaffenen Flottengesetzes hinauSzu- gehen, der fälscht bewußt und absichtlich die Ansicht des Monarchen, der zu gut weiß, daß jede Macht, die mit anderen Mächten nicht gleichen Schritt in der Ausgestaltung ihrer Kriegsmarine geht, die verhängnißvollsten Rückschritte macht. Jedenfalls irren aber auch diejenigen Blätter, die in der Hamburger Rede deS Kaisers eine Aufforderung an den Reichstag erblicken, seinerseits eine Aenderung des Flotten- gesetzeS zu beantragen und eine Abkürzung der in diesem festgesetzten Banfristen für die großen Linienschiffe an zuregen, gründlich. Die Geschichte der preußischen Mittellandcanalvorlage und der im Reichs tage demnächst zur zweiten Berathung kommenden Vor lage zum Schutze des gewerblichen ArbeitS- verhältnisses beweisen doch wohl zur Genüge, daß der Kaiser nicht auf die Initiative der parlamentarische» Körper schaften wartet, wenn er ein ihm vorschwebendes Ziel er reichen will. Und gerade auf einem Gebiete, wo die ge nauesten fachmännischen Kenntnisse unerläßliche Vorbedingung der Feststellung eines Planes sind, wird er die Initiative am allerwenigsten von einer Körperschaft verlangen, in der die Herren vr. Lieber und Eugen Richter sich für die höchsten Autoritäten aus diesem Gebiete halten. lieber die Aussichten ciuer neuen Canalvorlagc veröffent licht die „Kreuzztg." an leitender Stelle einen sehr be- merkenöwertben Artikel. Nachdem das Hauplorgan der preußischen Eonservativen den Verzicht auf den Eanal als die beste Lösung der vorhandenen Schwierigkeiten bezeichnet und die Meinung ausgesprochen bat, die StaatSregicrung werde aus Furcht vor dem Preßlärm der Eanalfanatiker nicht denMuth haben, „dem Könige von der Wiedereinbringung der Eanalvorlage abzuratben", theilt es als zuverlässig eine Nachricht mit, der zufolge die preußische Regierung beabsichtigt, „durch angemessene Umgestaltung und Erweiterung des ursprünglichen Entwurfs" die Bedenken der Canalgegner zu beseitigen, lieber die Gesichts- pnncte, deren Berücksichtigung hierbei Wünschenswerth sein würde, hat die „Kreuzztg." auS der Provinz Posen „von beachtenSwerther Seite" eine Zuschrift erhalten. Auch diese Zuschrift berichtet von „Maßregeln positiver Natur" zur Zerstreuung der berechtigten Befürchtungen des Ostens. Zu jenen positiven Maßregeln rechnet die Zuschrift den Ausbau der östlichen Wasserstraßen, sowie die energische und planvolle Verbesserung und Vermehrung der bestehenden Eisenbahnverbindungen, und fährt alsbald fort: „Sodann aber müßte die Landwirthschaft außer dem bereit- in Aussicht gestellten Zollschutz durch eine Reihe kleinerer und gröberer Mittel gegen die gefürchteten Schädigungen durch den Canal sicherzestellt werden. Ueberhaupt aber müßte die Staats regierung sich entschließen, die von ihr wiederholt mit so viel Emphase verheißene nationale Politik für den Osten endlich in Thaten umzujetzcn. Liegt ein so einheitliches Programm vor, das sich nicht auf allgemeine Redewendungen beschränkt, sondern in bündigster Form erscheint, dann wäre wohl eine erneute Prüfung derjenigen Gesichtspunkte möglich, welche bei vielen patriotischen Männern die scharfe und berechtigte Stellungnahme gegen den Canal hervor gerufen haben." Die „Kreuzztg." giebt dem Einsender deS Vorstehenden „ohne Weiteres" zu, daß auf dem dort bezeichneten Wege eine Verständigung nicht ausgeschlossen sei. Der „dort bezeichnete Weg" ist der Weg, welchen der Bund der Landwirthe in seinen Organen schon längst als Mittel der „Verständigung" bezeichnet hat. Es ist daher einigermaßen irreführend, wenn die „Kreuzztg." einen Artikel der „Deutschen TageSztg." mit der Einleitung citirt: die „Deutsche TageSztg." gebe einem „ähnlichen Gedanken" wie die beachtenswerthe Seite aus der Provinz Posen Ausdruck. Will die „Kreuzztg." etwa die Thatsache ver schleiern, daß die couservative Partei in Preußen die Canal frage genau so wie der Bund der Landwirthe beurtheilt? Mit diesem Bemühen wird das konservative Hauptorgan eben so wenig Glück haben, wie seine Versicherung, der conservativeu Partei liege „eine ihr untergelegte Politik der Zweideutigkeit und der Verschleppung fern" — Glauben finden wird. Ter obige Hinweis auf den Zollschutz, auf eine Reihe kleinerer und größerer Mittel:c. zeigt nur allzu deutlich, daß die couservative Partei Preußens in der Canalfrage eine Politik der Verschleppung treibt, um für die Berathung der Handelsverträge ein Compensationsobject in der Hand zn haben. Der Genter Bischof WillemanS, der dem Abbe Daens den Befehl ertbeilte, den Prieslerrock aus zuziehen, bat dem klerikalismus in Belgien großen Schaden zugefügt. Tausende von Katholiken in den Arbeiter kreisen, die bisher treu zur Kirche hielten, haben die auf niedrigen Parteibaß zurückzufübrende Degradirung eines Priesters mit Abschwenkung zu Len Radicalen beantwortet. Der gemaßregelte Priester hat übrigens in dem „Messager Le Bruxelles" eine Erklärung veröffentlicht, die in Belgien großes Aufsehen mackt. Die Kundgebung lautet: Am Sonnabend, Len 14. October, also am Tage vor den Wahlen, wurde mir der Befehl zugestcllt, nachdem er schon Tags zuvor den gegnerischen Blättern bekannt gegeben worden war. Mit Trompetcnschall wurde meine Degradirung als Priester in den Straßen von Aalst verkündet und durch Ausrufe und Rundschreiben wurden sämmtli'che Einwohner davon benachrichtigt. In allen Dörfern, wo am nächsten Tage ein Wahlkampf geliefert werden sollte, ver lasen die Geistlichen die bischöfliche Verordnung von der Kanzel und begleiteten sie mit Commentaren. In Brügge waren die Mauern buchstäblich mit Plakaten bedeckt, uni die Degradirung des Priesters Daens zu verkünden. In Aalst wurden in den katholischen Vereinslocalen und in den Wirthschasten, wo die gegnerischen Wähler mit Speise und Trank vollgepfropft wurden, über meine Degradirung gemeine, widerliche, wüste Lieder gesungen. Ich ent- halte mich jeden Commentars. Ich werde mein Bürgerrecht und die Sache des vlämischen Volkes bis zum Aeußersten vor meinem höchsten Richter, dem Papste Vertheidigen. Ich werde ihn fragen, ob er mir mein Bürgerrecht, Wähler und wählbar zu sein, nehmen will. Lautet die Antwort bejahend, so werde ich ihm die zweite Frage stellen, ob ich, falls ich auf meinem Recht bestände, mit der wirklichen Degradirung bestraft werde, die im kanonischen Rechte vorgesehen ist und nach der schwerer Verbrechen überführte Kirchendiener früher dem Arm der weltlichen Macht überliefert wurden, um gepeinigt oder hingerichtet zu werden. Wenn der Papst mir auf diese zweite Frage nur die Wahl lassen würde zwischen meinem Bürgerrecht und meiner Priesterwürdc, so würde ich sagen: — Rom» loeuta c>8t, causa. üuila. Ich würde in Zukunst — Schweigen beobachten und meinem Bischos Stillemans die Verantwortlichkeit sür die unheilvollen Folgen der gegen mich veranlaßten Maßregel überlassen. Ein Luther ist Abbe Daens freilich nicht! Ein britischer Tieg bei Glencoe! Die Londoner Blätter sind voll von dieser den etwas im Abflauen begriffenen KriegSentbusiasmuS der Engländer wieder mächtig hebcnten ersten Tbat der britischen Truppen und im Unterhaus wurde die Meldung mit lautem Beifall ausgenommen, lieber den Verlauf des heißen Kampfes wird berichtet: London, 20. Oktober. Ter „Central News" wird ans Glencoe vom 20. Oktober 8,2'» Bormittags gemeldet: Ter Angriff der Boeren auf Glencoe begann heute Morgen bei Tagesanbruch. Tie Bocrcn hatten während der Nacht Arttll cric nusgciahren und sic auf cmem Tnudec beherrschenden Hügel in Position gebracht. Beim ersten Morgcnlichtc eröffneten sic tas Feuer; sic warfen Geschosse in die Nähe der englischen Stellungen, zielten aber schlecht. Tic englischen Ge schütze antworteten sofort. Tic Bocren-Artilleric war der englischen Artillerie nicht gewachsen, ein Geschütz nach dem andern wurde zu in Schwelgen gebracht. Nach einer halben Stunde ant wortete kein einziges Geschütz Ser Boercn Sen englischen Geschütze» mehr. Tann wurden Schützen vorgcschickt und, das Terrain benutzend, unter hielten diese ein heftiges Feuer. Tie Bocrcn erwiderten dasselbe von ihren Stellungen aus, die eng lischen Soldaten waren ihnen aber zu zahlreich, und nach einem hartnäckige» Kampfe zöge» sich Sic Boercn zurück. Tic eng lischeu Truppe« frürm- tcu San» dcu Hügel hinaus und nahmen die Verschanzungen Ser Boercn und fünf ihrer Geschütze. Ten grösztcn Anthcil am Jnfantcricgcfechk hatten Sic Tublin Fünlicre; ihr Ansturm war ausge zeichnet, sie kämpften kühl und anhaltend, während Sie kugeln flogen; sic waren zuerst in den Linien der Boercn nnd nahmen die Geschütze. tFrtf. Ztg.) * London, 21. Oktober. tTclcgramm.) Ter „Standard" veröffentlicht folgendes Telegramm ans dem Lager von Glencoe von gestern Mittag: Als Sie Füsiliere und Sie Nohal Nislcs (Königl. Schützen) auf 1000 ParSs hcraugekommeu waren, waren Sic Batterien Ser Bo er en von Sen britischen Ge schützen, die jene auf 2»00 Aards mit vernichtender Wirkung beschossen hatten, vollständig zum Schweigen gebracht worSen. Tie Boercn unter hielten immer noch rin heftiges Gewchrfcncr, das Sic Nciheil öerCnglänöer stark lichtete. Gegen !) Uhr früh schwärmten Sic Füsiliere und die Nislcs über Sic Anhöhe und die Boercn ergriffen Sic Flucht. Inzwischen waren die 18. Husaren, sämmtliche berittene Colonial-nnS drei Fnsantcrlc-Ncgimcntcr, sowie Sas Lcicestcr-Negiment nach Norden »nd Osten vorgescho ben worden, wodurch SenBocrcn dicHanptrück; >igs - linie abgeschnitten wurSc. Ter Feind gcricth nunmehr zwischen zwei Feuer und hatte schwere Bcrlnstc. Im Augenblick, wo dieses Telegramm ab geht, dauert der k a mpf noch so r t. Tie N iederl a g c ist aber bereits eine völlige und vernichtende. CS hat de» Anschein, als ob nur wenige Boeren entkommen würden. Unsere Bcrlnstc werden sich wahrscheinlich ans ZOO Mann an Todtcn nnd Bcr- wnnSctcn belaufen, während die Bcrlnstc der Boercn dreimal so groß sein dürsten. Das wären arge HiobSposten für die Bvsren und für Alle, die ibren Freiheilskamps mit aufrichliger Theilnahme verfolgen. Was „Central News" und „Standard" berichten, stimmt bis auf Einzelheiten überein, und man muß daher anuchmen, Laß die Melkungen im Großen Ganzen Len Tbat- sachen entsprechen, d. h. baß das von den Boeren auf Las Lager Glencoe (nördlich von Ladysmith) eröffnete Artillerie feuer ohne wesentliche Wirkung geblieben ist, Laß die eng lische Infanterie die Position der Boeren gestürmt und daß diese sich zurückgezogen haben, weil sie sich der Uebermacht gegenüber saben. Die im Unterbaus ver lesene amtliche Mittbeilung besagt nicht mebr, namentlich erwähnt sie nickts davon, daß die Boercn fünf Geschütze ver loren hätten. Was an den Londoner Privatmelcuuzen noch drum und dran hängt, was über die Zahl Ler Verluste auf Seite der Boeren :c. berichtet wirk, ist mit größter Vorsicht aufzunehmen. So heißt cS in der „Stankar0"-MelLung in Feirilletsn. Äuf freien Lahnen. 18j Roman von Rudolf von Gottschall. Nachdruck verboten. Der junge Dichter war befremdet von dieser plötzlichen Wen dung: er hatte Alles zusammengerafft, was ihm zur Abwehr dienlich schien, zur Abwehr des Neuen, was in sein Leben trat, zur Abwehr von Empfindungen, die sich seiner bemächtigen wollten; es war eine Kriegserklärung gegen den einbrechenden Feind, der sein wohlassortirtes Lager von unanfechtbaren Grundsätzen und guten und schönen Vorsätzen zu zerstören drohte. Und er hatte sie erlassen mit einer krampfhaften Energie. Und jetzt — dies Alles sollte nutzlos verpuffen? DaS Schlimmste war, während er so begeistert, so salbungsvoll sprach, regte sich in ihm selbst ein leiser Unglauben, was die Wahrheit seiner Worte betraf, vor Allem, ob dies für ihn noch eine Wahrheit sei, und um diesen Zweifel zu übertäuben, sprach er so laut, so nachdrucksvoll — und doch schien es ihm dabei, als ob er einen Andern sprechen hörte. Und dies Lächeln der jungen Dame — ein so überlegenes Lächeln! .Hatte sie eine Ahnung davon, was in seinem Innern vorging? „Wer weiß, gnädige Frau, ob diese Sympathie nicht auf Täuschung beruht. Sie' leben in einer gänzlich andern Welt und ich fürchte, daß die meine Ihnen fremd bleiben wird." „Fürchten Sie das nicht, Herr Blomcr! O, ich bin oft dieser Geistreichigkeit müde, die zuletzt doch ihren letzten Heller ausgiebt, da sie immer solvent sein will, immer an ihre Tasche schlägt — und ich l>abe diesem geistigen Prohenthum zu große Zugeständnisse gemacht. Zur Einfachheit, zur Natur zurück- zukehven — das würde auch dem Herzen wohl thun, das sich zu sehr den Verlockungen des geistigen Luxus hingegeben l>at — und ivenn Sie mir dazu die .Hand bieten, so werde ich Ihnen sehr dankbar sein." Konnte er die dargobotrne Hand ausschlagen? Und wenn es auch keine Bekehrte war, die sich ihm zuwandte — konnte er blind und taub sein, wenn ein so schönes Geschöpf sich erbot, in seine Bahnen einzulenken? Sie kehrten zu den Andern zurück, die sich schon mehrfach nach ihnen umgesehen hatten. Mama, die eine Art altge wordener Pomona war und das Obst unter ihre besondere Obhut genommen hatte, lud zum Nachtisch in den Salon ein. Timotheus wurde von Frau von Bergen mit Augenzwinkern empfangen. „Nun, wohl ein schönes pas cko ckoux da unter den Trauer birken? Zu traurig wird es da nicht zugrgangen sein!" „Wer könnte hier traurig sein, wo uns so viel Lebenslust entgegenlacht?" meinte Timotheus, und in aller Stille verglich er seine gesprächige Tischnachbarin mit der stolzen Valesca! O wie tief trat jene in den Schatten —, feurig und üppig erschienen Beide, doch dort war's nur ein flackernd Strohfeuer der Geselligkeit; hier brannte das Feuer auf dem Altar einer göttlichen Schönheit. Kreuzmaier hatte sich indeß zu Valesca gesellt und sagte zu ihr, indem er sich seinen Schnurrbart strich: „Nun, was hatten Sie denn vor mit meinem Junggesellen von der Redaction? Lady, an dem ist Eure Kunst verloren." Valesca zuckt« mit den Achseln. „Die Zukunft wird es lehren." „Und Sie finden Gefallen an ihm?" „Er intercssirt mich; er ist nicht wie die Andern." „Nun immerhin! Nichts gefährlicher, als ein Schulmeister, der über dick Schnur haut. Wenn er tanzt, so tanzt er gleich Tarantella." „Ein Schulmeister? Er hat in der That etwas Geistliches in seinem Wesen." „Nun, wie man's nimmt", sagte Kreuzmaier einlenkend, da er sich im Eifer verplaudert hatte; „ich meine nur, er hat einen so gelehrtes Anflug. Ich bin auf seine nächste Novelle be gierig! Wenn Sie ihm dieselbe in die Feder dictiren, so wird sie gewiß nicht langweilig, sondern pikant sein!" „Nun, unser« Apfelsinen und Aepfel warten. Kommen Sie!" „Ich fürchte, der Evasapfel wird darunter sein, doch nicht für mich. Ich bin schon längst aus dem Paradies vertrieben; doch er ist für «inen andern Adam bestimmt, und ich bin sehr neugierig, ob er zugreifen wird!" Drittes Buch. Er st es Capitel. Fräulein Doctor Mergenthin hatte ihr Groglränzchen: ein Nachmittagskaffee entsprach weder ihren Wünschen, noch hatte sic Zeit und Muße dazu; denn die Züricher Aerztin hatte eine aus gebreitete Praxis. Zu ihrem Abendkränzchen wurden auch Herren eingeladen, doch keiner von der Facultät; sic stand mit denselben wegen ihres Concurrenzneides, wie sic sagte, auf schlechtem Fuße. Höchstens widerfuhr einmal einem älteren Studenten der Medi- cin, der noch nicht den Doctorhut auf sein bemoostes Haupt ge stülpt hatte, diese Auszeichnung; doch nur dann, wenn er ein Kneipgenie war; denn darauf legte Fräulein Doctor das größ:e Gewicht. Sonst wurde nur dieser oder jener Sportsman ein geladen, mochte er auch von der Eultur nicht allzu sehr beleckt sein: denn darauf legte Fräulein Doctor das geringste Gewicht. Sie selbst war eine Freundin Les edlen Sports; wäre es nach ihrem Wunsche gegangen, so würde sie Feuer verschluckt und Tische auf der Nasenspitze balancirt haben; auch meinte sie, daß sie sich nicht übel ausnehmen würde, wenn sie ihre anatomisch correcten und ästhetisch reizvollen Glieder um ein Trapez schlingen könnte. Doch leider! war ihre Erziehung vernachlässigt worden; sie hatte nicht die nöthige Vorbildung genossen und mußte sich mit dem Sport der artistisch ungeschulten Sterblichen begnügen. Wer in den Korridor ihrer Wohnung trat, den belehrten bald einigedenRaumverengendeFahrräder und einamSIänver hängen der Amazonenhut nebst Schleier und Reitgerte, daß hier der Sport ein Hauptquartier aufgeschlagen hatte, noch ehe das Aller heiligste sich erschloß, wo die Göttin aus einem dichten Tabaks- gewölk hervorsah nnd mit kräftiger Stimme den Eintretenden nicht mit pytchischen Orakelworten, sondern meistens mit lustigen Scherzworten begrüßte. Heute hatte sich auch Eulalia eingefunden; weder Trinken noch Rauchen war nach ihrem Geschmack; auch nicht das Rauhe und Rohe, das zottige Gewand, in welches Fräulein Mergenthin ihre aus dem Groben gehauene Schönheit hüllte; doch das Fräu lein Doctor hatte etwas erreicht: akademische Ehren, eine tüchtig; Wirksamkeit — und das imponirte der jungen Lehrerin; das war für die anderen Gleichstrebenden ein Ziel, das erst von fern; winkt«. Ein paar durchreisende Russinnen, ebenfalls der medi- cinischen Facultät angehörig, die etwas deutsch radebrechten, hatten als Ehrengäste auf dem Sopha ihren Platz eingenommen und bliesen aus ihren Havannas in die Luft so dichte Rauch wolken, daß die an ver Wand hängenden gekreuzten Schläger nur matt hindurchblinlten — kräftige Asiatinnen, denen man schon zutrauen konnte, daß sie gelegentlich ein- Dynamitbombe in der Schürze trugen. Neben ihnen saß ein sanftes, stilles, blondes Mädchen, die ebenfalls eine Cigarre raucht«, wohl nur. um als gleichberechtigt in diesem Kreise zugelassen zu werden; cs war die anatomische Zeichnerin Hertha Gunsberg, hochgeschähl von den Universitätsprofessoren, die sonst von freier weiblicher Berufswahl nichts wissen wollten. Neben Hertha saß eine junge Telegraphistin, Martha, ebenfalls eine zarte Blondine, die wegen eines Augenleidens beurlaubt war. „Heute hab' ich fünf Studenten genäht", sagte Fräulein Doctor Mergenthin, „dem Einen hing die Nase ganz bedentlicki herunter. Sie wollen uns nur als Frauenärzte dulden — pah! Ich habe schon eine recht gediegene Praxis unter den Männern; wir müssen uns doch dafür revanchiren, daß uns Jahrhunderte hindurch diese Barbaren auf Conto ihrer Gelehrsamkeit, mit der es gar nicht so weit her ist, die Kleider vom Leibe gerissen haben. Höhere Hebammen wollen wir nicht sein, das wäre ein geringe: Fortschritt, wir wollen auch den Herren der Schöpfung an den Puls fühlen, ihr gegerbtes Fell ihnen zurechtflicken, ihr vergiftetes Blut ihnen ausheilen." „Doch das stößt", meinte Alexandrowna, „auch bei uns an der Newa noch auf Hindernisse, obschon wir Eurem hochg - priesenen Deutschland, dem bezopften Reich der Mitte, wei: vor aus sind und schon ärztliche 2taatsstellen erlangen können." „Ich genire mich nicht", meinte Paulowna, „wo man heilen will, muß man eben Hinsehen, das sagt schon das ABC der Medicin." „Ich glaube", sagte Hertha, „wir lammen weiter durch kluge Beschränkung; es ist schon viel gewonnen, wenn wir die Frauen zunächst den rohen Händen der Männer entreißen." „Du bist ein Gänschen, Hertha", sagte Fräulein Doctor, „immer diese Prüderie! Was Du Alles zeichnest, kann man auch nicht in ein Confirmandinnenalbum legen. Schon weil sie neidisch und gehässig sind, muß man diesen Doctoren alle Patienten fortnchmcn, t'emini und masenlini Annens. Tie Männer werden sich von uns gerne behandeln lassen, warum denn nicht? Nur müssen wir ihnen gleich zeigen, daß uns an ihrer Liebe nichts gelegen ist, ihnen auf die Finger klopfen, wenn sie zärtlich werden wollen, und im klebrigen ihr oorpus ckeUcli als „ein sehr gleichgiltiges Versuchsobject" betrachten." „In meinem Beruf", sagt: Eulalia, „machen wir hierin auch Fortschritte. Neulich habe ich eine Knabenclasse bekommen, und ich fuchtele gehörig darauf los, wenn die Bengels ungezogen werden." „Seht Ihr", meinte Fräulein Doctor, „das ist eine gute Vorbereitung für den Frauenschuh, jene segensreich wirkenden Vereine, wo die Männer von den Frauen für ihre Missekhaten gerichtet und geprügelt werden. Ist die Baronin von Siebeneck diesem Vereine noch nicht beigetreten.' Sie Halle allen Anlaß dazu — und dem Baron würden so viel: Prügel zudictir! werde daß dies für die zarten Executiv Beamten eine ermüdende Arbel! wäre! Doch wo sie heute nur bleibt! Wie es scheint, bat es lyr neulich bei unserem Grogkränzchen nicht gefallen." „O doch!" sagte Eulalia, .mein« Freundin wird schon
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