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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991023027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899102302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899102302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-23
- Monat1899-10
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BezukB'PreiS I» der Hauptexpedition oder den fi» Stadt- trzirk und de» Vororten errichteten Aus- «abestrllen abgeholt: vierteljabrlick» t.5O, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus ü.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich- vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzvandiendu.ng in- Ausland: monatlich >ll 7.50. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uh«, di« Abend-Ausgabe Wochentags um ü Uhr. Aedaltion uu- -rpedMon: JahanttiSgaffe 8. ^>ie Expedition ist Wochentag- ununterbroche« geöffnet von früh 8 bis Abend« * Uh«. Filialen: Otts Lleuim'S So.tim. (Alfred Hahn), Universitätsslraße S (Paulinuui-. Lau»« LSsche, Latharinenstr. IO part. «ad KödtaSplstz?. u- SU. Abend-Ausgabe. MpMer TagMalt Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. üeclameu unter dem Nedactiousstrich (4g»> spalten) öO>H, vor den Familienuachrichte» (6gespalten) 40 Größere Cchristeu laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernja» nach höherem Laris. (kxtra-Beilage» (gefalzt), nur mit er Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung 80.-^, mit Postbefvrderung 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Löiüglichett Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Msntag den 23. October 189S. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Ukr. Morge n-AuSgabe: Nachmittags LUHr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sinh stets an die Expeditis« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz la Le'-,k» 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. October. Man bat sich oft vergebens gefragt, worauf sich die An nahme der Preußischen Regierung, die Mittelland- canal-Borlage werde trotz der Opposition der konserva tiven Presse eine Mehrheit im Abgeyrdnetenbause finden, gegründet habe, und man fragt sich nenerdingS wieder, woraus die maßgebenden Kreise in Berlin die Hoff nung schöpfen, die Vorlage werde im bevorstehenden Winter trotz der die canalgegnerischen beamteten Abgeordneten auf ihr früheres Volum festnagelnden Maßregelung ein besse res Schicksal haben, als in der abgelaufenen Landlagssession. In das Dunkel dieser Frage fällt jetzt einiges Licht dadurch, daß von der Tbätigkeit der preussische» Hofeouservativcn etwas bekannt wird, waS bisher nur einem engeren Kreise bekannt war. Es hat sich nämlich zwischen der „Conserv. Corr." und dem „Klein. Iourn." ein Streit enisponncn, in dem das officielle konservative Parteiorgan sich folgender maßen vernehmen läßt: „Das „Kleine Journal" hat schon wiederholt versucht, in die inneren Verhältnisse der conservativen Partei mit friedenslörender Hand sich cinzumischen. Kein Mensch würde freilich von dieser Ein mischung Notiz nehmen, wenn das Blatt sich nicht daS Ansehen gäbe, im Namen maßgebender conservativer Führer zu sprechen. So geschieht dies auch in einem neuerlichen Artikel, der dazu bestimmt ist, ein Zerwiirsniß zwischen unserer Partei und dem Bunde der Landwirthe herbeizusühren. Wir sprechen dem Blatte jedeBe - fugniß ab, derartige Machenschaften unter der Flagge „maßvoller und wirklicher conservativer Kreise" zu betreiben. Wie unser Partei- Vorstand über das Verhältniß zum Bunde der Landwirthe denkt, ist in der von uns unter dem 18. September veröffentlichten osfi- ciellen Erklärung zum Ausdruck gebracht. Wenn aber Las Kleine Journal" sogar die Stirn hat, die Verurtheilung LeS Herrn Klapper wegen Mojesiätsbeleiligung den Conservativen als „Menetekel" vor zuhalten, so beweist das die völlige Unwahrhaftigkeit jenes Blattes; denn es muß ihm bekannt sein, daß sowohl die Organe der conjer- vativcn Partei, als auch die Les Bundes der Landwirthe gegenüber den Auslassungen des Vcrurtheilten in seiner Agrarcorrespondcnz sofort ihre entschiedene Mißbilligung ausgesprochen haben. Die Angriffe des „Kleinen Journals" gegen die Fractionsleituug des Abgeordnetenhauses verdienen aus solchem Munde nicht die geringste Beachtung. Auf eine weitere Polemik mit jenem Blatte einzngchen, erachten wir uns, wie wir von vornherein er klären, als übcrhobcn; wir werden aber stets gegebenenfalls mit Richtigstellungen am Platze sein." Das „Kl. Iourn." antwortet darauf ziemlich hoch fahrend u. A.: ,.2) Das „Kleine Journal" hat unter Leitung seines jetzigen Ver lages lediglich die Politik des Kaisers sich zur Richtschnur ge nommen und in diesem Sinne zu wirken versucht. Es hat daher auch mit den Grundsätzen der conservativen Partei nur so lange übereingestimmt, bis diese Fraction durch ihre Haltung in der Canalvorlage und durch die engere Verbindung mit dem Bunde der Landwirthe und den Antisemiten aufgchört hat, zu den Stützen des Thrones und der Monarchie zu gehören. 3) Wir haben uns nie „das Ansehen gegeben", im Namen maßgebender conservativer Führer zu sprechen, insbesondere nicht bei dem Artikel „Menetekel". Ja denjenigen Fällen jedoch, in welchen die Form unserer Artikel zu einer derartigen Vermuthung Anlaß bieten konnte, haben wir auch thatsächlich im Namen maßgebender conservativer Führer gesprochen." Wer diese „maßgebenden conservativen Führer" sind, erfährt man noch genauer aus folgender Auslassung, welche die „Tägl. Rundsch." au die Erklärung der „Eons, Corr." knüpft: „Wenn dem „Kleinen Journal" jede Brsugniß, über konservativ« Parteiangelegenheiten zu sprechen, parteiamtlich abgesprochen wird, warum empfangen denn conservative Parteiführer und Parteigrößen die Nedacteure jenes Blattes oder seine Mittelsmänner zu politischer Aussprache, warum dulden denn gewisse konservative Hofkreise, daß jenes Journal sich als ihrBlatt gerirt und ihre Kundgebungen bringt? Die Abfertigung des früheren Börsen- und Revolverblattes und die Be hauptung von seiner Befugniß- und Bedeutungslosigkeit mag sehr ehrlich und gründlich gemeint sein; aber sind, um nur zwei Namen zu nennen, die Herren Landesdirector v. Manteuffel, der frühere Chef der conservativen Partei, und Oberhofmeister Graf Mirbach mit ihr einverstanden? Wir glauben, im Gegensätze zu „K. K.", daß leider die politische Bedeutung des „Kleinen Journals" ziemlich hoch angeschlagen werden muß; denn die Bedeutung mancher politischen Artikel liegt zuweilen weniger in ihrem Inhalt und in ihrem Ursprung, als in ihren Lesern, für die sie besonders geschrieben sind. Das „Kleine Journal" aber erfreut sich dank seiner conservativen Connexionen bei Hofe und bei gewissen hohen Kreisen für manche seiner eigens zurechtgeschriebencn Artikel eines sehr hohen und sehr einflußreichen Lesers, und die Kund gebung der „Cons. Corrcsp." hat nur den Werth, jenen sehr hohen Leser darüber zu unterrichten, daß wenigstens die verantwortliche conservative Parteileitung mit jenem Blatte nichts zu thun haben will." Macht diese „Enthülfung" Manches erklärlich, was bisher unverständlich war, so vernichtet der Protest der „Cons. Corr." gegen die Auslassungen d«s „Kl. Iourn." und seiner Inspi ratoren die Hoffnung maßgebender Kreise auf einen Einfluß dieser Inspiratoren auf die conservative Fraction des preußischen Abgeordnetenhauses. Ob man sich infolgedessen au maßgebender Stelle zu einer andern Taktik gegen diese Fraction entschließt, muß abzewartet werden; jedenfalls haben die Berliner Leiter des Bundes der Landwirthe nun mehr ein neues Angriffsobject. Völlig unklar ist noch, WaS die Presse des CcutrumS mit ihren Artikeln bezweckt, die das. Recht deS Königs von Preußen und seiner Regierung, dcu Namen des Bischofs von Münster von der Kölner Erzbischofsliste zu streichen, in Abrede stellen. Soll damit eine parlamentarische Action im preußischen Abgeordnetenhause eingeleitct werden? Es klingt so; aber ganz ähnliche Auslassungen hat man auch früher gelesen, ohne daß es zu einer parlamentarischen Action gekommen ist. So vor kaum einem Jahre, als die Streichungen bekannt wurden, die die preußische Regierung an der Liste für die Kulmer Bischofswahl vollzogen hatte. Damals veröffentlichten die führenden ultramvntauen Blätter über „daS Streichungsrccht der Regierung bei den Bischofs wahlen in Preußen und die preußische Volksvertretung" Artikel, in denen ganz dasselbe sich findet, was sie heute wieder vorbringen: dasselbe Gejammer über die Streichungen von Bischofscandidaturen; genau derselbe Scholasticitmus in der Auslegung des hei Bischofswahlen geltenden Rechtes; genau dasselbe Bemühen, die SlaatSomnipotenz zu Gunsten der kirchlichen Allmacht zu pulverisiren; und den katholischen Volks vertretern wurde versichert, sie würden „das ganze katholische Volk einmülhig hinter sich haben, wenn sie Veranlassung nehmen wollten, über das Vorgehen der Regierung eine recht deutliche Aussprache herbeizusühren, welche die Interessen der katholischen Kirche in Preußen gegenüber ministerieller Bevor mundungs-Politik und kleinlich-geheimräthlicher Behandlung wirksam in Schutz nehme." Und doch fand sich im Ab- georbnetenhause kein klerikaler Redner, der sich das „Verdienst" erwerben wollte, das im Auftrage der Görresgrsellschaft von vr. Bruder und Julius Bachem herausgegebene katholische Staatslexikon, das auf Seite 1078 des zweite» Bandes am Schlüsse eines Artikels über die Bischofswahl in Preußen wörtlich sagt: „So steht eS ganz außer Zweifel, daß der König eventuell alle in derListe aufgeführten Candidaten als psrsouao miuu8 grata» zu bezeichnen, also von der Wahl auszu schließen berechtigt ist" — zu deSavouiren. Glaubt man, der jetzige Zeitpunct sei günstiger, die preußische Regierung mürber? Oder will man dieser nur wieder einmal bemerk lich machen, wessen sie sich vom Centrum zu versehen haben würde, wenn der Herrn v. Miquel von Herrn Dr. Lieber untergelegte Plan, mit Hilse der Conservativen daS Centrum zu isoliren, nicht aufgcgeben werden sollte? Ein Schmerzenskind der französischc» Gesetz gebung, das sich von einem Jahre in das andere hin schleppt, ohne es zu seiner thalsächlichen Anerkennung bringen zu können, ist bekanntlich das Gesetz über die Anfallsteuer der religiösen Genossenschaften, d. h. der Zusatzsteuer für die Erbschaften der toStcn Hanv. Ursprünglich erstreckte es sich unterschiedslos auf alle Genossenschaften, dann aber hat daS Finanzzesetz vom 16. April 1895 die Erleichterung ge troffen, daß diejenigen Genossenschaften, die sich mit Werken der Wohllhätigkect oder Missionsthäligkeit im Auslande befassen, von der Steuer befreit werden können. Diese Erleichterung hat aber keineswegs, wie man hoffte, den einmüthigen Wider stand der Orden gebrochen. Obwohl dies Gesetz zugleich letzteren eine Frist von sechs Monaten einräumte, um die alten Rückstände zu bezahlen, schulden von den 1155 in Frankreich ansässigen religiösen Genossenschaften, von denen 528 mit Ermächtigung, 627 ohne Ermächtigung der Regierung be stehen, doch noch 313 — und zwar von den ersteren 246, von den letzteren 67 — dem Staatsschätze »och die bis 1895 fällige Ansallsteuer. Nach Erlaß der Novolle hat sich das Verhältniß nicht nur nicht gebessert, sondern vielmehr noch verschlimmert. Nach den vom Finanzministerium an gestellten Erhebungen beträgt nämlich die Zahl der auf Grund des neuen Gesetzes von 1895 mit der Steuer im Rückstand befindlichen Genossenschaften 737, von denen 731 die Zahlung förmlich verweigerten. Von letzteren sind 363, die mit, 368, die ohne Ermächtigung der Regierung bestehen. Das Cabinet Waldeck-Rousseau will nun einen erneuten Versuch machen, diesem für die Autorität der Negierung ebenso wie für den Staatsschatz empfindlichen Zustand ein Ende zu setzen. Der Fiiianzminister Hal zu diesem Zweck zunächst die Frage der Steuerbefreiung dahin geregelt, daß außer den 64 Genossenschaften, die auf Grund ihres Woblthätigkeus- charakters auf ihren eigenen Antrag von der Steuer befreit wurden, auch alle anderen Genossenschaften gleichen Charakters, die diesen Artrag aus principiellen Gründen nicht gestellt haben, von Amts wegen als steuerfrei erklärt werden sollen. Der über die gesetzliche Zulässigkeit Lieser Maßregel befragte StaatSrath hat sich zustimmend ausgesprochen. Den anderen widerspenstigen Genossenschaften soll aber dann mit einer neuen gesetzlichen Vorlage ans den Leib gerückt werden. Artikel 7 der Novelle von 1895 bestimmt, daß für die anerkannten religiösen Genossenschaften daS Vorgehen zur Deckung der Steuertaxe giltiger Weste auch gegen den Obern oder die Oberin und für alle anderen Genossenschaften gegen jedes unter irgend einem Rechtstitel ihnen angehörende Mit glied gerichtet werden kann. Tie Genossenschaften haben aber durch Scheineiuschiebunzen dritter Personen die An wendung dieser Bestimmung auf sie zu umgehen gewußt, so Laß der Staat auch in Fällen, wo er auf dem Klagcwege gegen sie vorging, Mißerfolge zu verzeichnen hatte. Beiläufig bemerkt, haben sich in dieser Taktik besonders stark die Jesu iten und die Assomptionislen (Augustiner) gezeigt, die das be kannte nationalistische Hetzblatt „La Croix" von Paris aus in mehr als hundert, nur durch den Kopf und die Ortsnachrichten von dem Pariser Hauptblalte verschiedenen Ableger» über ganz Frankreich vertreiben. Die Negierung soll aber nun entschlossen sein, mit einem Gesetzentwurf vor die Kammer zu treten, der den steuerpflichtigen Genossenschaften diesen Ausweg verschließt. Allerdings ist zu beachten, daß das Cabinet Waldeck-Rousseau, ehe es hierzu kommt, erst selbst über den Berg hinüber sein muß, der sich ihm bei Beginn der ncucv parlamentarischen Tagung entgezenstellen wird. Vom asrikauischcn Kriegsschauplatz wird eine zweite Schlappe der Boerenstreitmacht gemeldet. Bei Elands laagte, Halbwegs zwischen Glencoe und Ladysmith, erfolgte am Sonn abend, also am Tage nach dem ersten für die Boeren un glücklich verlaufenen Gefecht bei Glencoe, ein weiterer Zu sammenstoß, über den schon im Morgenblatte kurz berichtet wurde. Ergänzend fügen wir noch das Folgende an: * Loudon, 22. Lctobcr. (Telegramm.) In einer Trahtnieldung aus Ladysmith »heilt der Berichterstatter des „Tailu Marl" in einer Schil- Serung deS Gefechtes bei EtanSst nagte mit. Ter Sturmangriff gegen die feindlichen Linien wurde mit großer Bravour ausgrfirhrt. Tie Infanterie ging zweimal mit gefälltem Bajoncrtc vor. Tie britische» Truppe» gcriethen dann, Sa sie durch ei» heftiges Gcwehrfeircr ausgchaltcu wurden, für einen Augenblick ins Stocken, aber gleich Saranf stürzte» sie sich mit branscndcu Hurrahrufcn von Neuem auf Sen Feind und durchbrachen seine Linie». Tie Boeren, die sich übermannt sahen, traten nun Sen Rückzug au, hißten die weiße Flagge und ergaben sich, (smigc hundert Boeren, die die Flncht ergriffen hatten, wurden von Sen Lanzcnreitcrn nicdergeritten. Ter Berichterstatter fügt hinzu, man glaube, daß der Verlust der Boeren über 4U(» Mann betrage. Kommandant TrmeiUo» von Johannesburg befinde sich unter Sen Gefangene». Auch der Führer des deutschen Freikorps Oberst Schiel ist bei (slandslaagte gefangen genommen. — Nach einem Telegramm aus Capstadt zogen sich die bei Claudslaugte geschlagenen Boeren nach Waichbank (Richtung auf Glencoe) zurück, wo sie am Montag angegriffen werben sollen. — Ter Bocrengc ucral Kock ist gefallen. * CapstaSt, 23. Oktober. (Telegramm.) Tie Verluste der Boeren bei Hlandslaagte wäre» beträchtlich, die der Engländer betrage» etwa Feuilletsn. Auf freien Lahnen. 19j Roman von Rudolf von Gottschalk Nachdruck vrrboten. Und auch die andern Mädchen hatten allerlei Besorgungen und Fragen; Vagenow war hier das geschäftliche Factoium. Für Alexandrowna hakte er die Adresse eines hier weilenden russischen Diplomaten ausfindig gemacht, die er am Totalisator erfahren; für Paulowna diejenige einer reichen Französin, mit der sie in Zürich zusammengekommen war. Vielleicht brauchte diese ein« Neisegesellschafterin — und wenn Paulowna zugleich als Leibarzt dienen konnte — um so besser! Ihre Baarschast schien erschöpft zu sein. Vagenow konnte die erfreuliche Kunde bringen, daß die Dame bereit sei, Paulowna unter günstigen Bedingungen mit nach St. Petersburg zu nehmen. Vagenow stürzte einige Gläser Grog hinunter, dann ver abschiedete er sich zugleich mit der Baronin. Er hatte sie zu fällig kurz vorher au'f der Straße getroffen; sie wollte ihm wichtige Mittheilungen machen; doch erst mußte er seine Auf träge bei den jungen Damen erledigen. So ging sie mit ihm, sie war nicht zmn ersten Mal« in diesem flotten Kreise, der ihr iNdeß wenig sympathisch war und sie hatte den Geschäfts mann oft mit Blicken von wachsender Ungeduld angesehen. So brach er denn auf — und sie gingen zusammen in eine wenig besuchte Conditorei an der nächsten Ecke, wo sie in einem Zimmer ganz allein waren. Die Baronin ließ sich etwas Schlagsahne geben, Bagenow blieb beim Grog. „Ich habe einen sehr wichtigen Brief von meinem Manne erhalten; denken Sie sich, er willigt ein." Sie löffelt« behaglich die Crßme, nach der sie sich schon unge duldig umgesehen, und ließ inzwischen manches gewichtige Wort aus dem Gehege der durch die Sahne weißgeschminkten Lippen entfliehen, soweit dadurch nicht der Genuß des köstlichen Labsals verkümmert wurde. „Er willigt ein, das hätt' ich eigentlich doch nicht erwartet; es ist doch eine Beleidigung, daß er jetzt so bereitwillig ist, sich von mir zu scheiden. Eine so glatte Einwilligung — er zögert nicht, er sträubt sich nicht — ist das seine Liebe zu mir?" „Aber, liebste Baronin,'Sie haben ihm doch selbst die Ehe aufgekündigt." „Das darf «r sich nicht gefallen lassen; da muß er Himmel und Erde in Bewegung setzen und vor Allem — kein Ausdruck des Bedauerns über eine solche Trennung. Das ist ihm auf einmal ganz selbstverständlich; er habe mit seinem Juristen ge sprochen; es scheint, er glaubt das recht vorthcilhaft arrangiren zu können." Und die Baronin klapperte ärgerlich mit dem Löffel auf dem Schlagsahneteller. „Bitte", sagte Vagenow, „geben Sie mir den Brief!" Clara von Siebeneck zog ihn aus dem Versteck in der Nähe ihres Busens hervor, wo si« ihn so heimlich sicher wie in früheren Zeiten die Liebesbriefe des Barons aufbcwahrt hatte — mit einem Seufzer überreichte sie das schwerwiegende Schreiben dem Agenten. Während dieser in die Lectüre ver tieft war, suchte Clara in seinen Zügen zu lesen; sie hatte sich in der letzten Zeit enger an ihn angeschlossen und darüber ihre juristischen Rathgeber vernachlässigt. Er vermochte sie Alle zu ersetzen; was er sagte, hatte Hand und Fuß; er wußte Bescheid in allen Lebensverhältnissen, war auch mit den Paragraphen der Ge setze vertraut, und nahm stets einen so energischen Anlauf zum Handeln, wie seine Pferde, wenn sie über Gräben und Hecken setzten. Sein ganges Wesen hatte etwas Ermuthigendes; man fühlte sich in seiner Nähe zu kühnen Thaten so aufgelegt, wie das Schlachtroß, wenn die Trompete tönt. Und auch seine äußere Erscheinung war sympathisch, besonders für Naturen, wie die Baronin, die sich durch Chic und Eleganz bestechen ließen. Er hatte die tadellose Correctheit ein«s eng lischen Sportsman, war gleichsam von Kopf zu Fuß aus einem Guße, hoch und schlank, ein wenig „trainirt", doch ohne jed« freudlose Magerkeit, gang wie seine Racepferdc, und auch das Zugeknöpfte seines Wesens erinnerte an die Gentleman vom Turf. Wie er so versaß, in die Lectüre vertieft, ohne den Brief vor die Augen zu halten, ihn mit scharfem Blick von ferne lesend, so daß sein Gesicht gänzlich frei blieb; — er hakte doch etwas sehr Einnehmendes in seinen Zügen. Feingezeichnete Augen brauen, eine nicht unschön sich abzeichnende Spürnase, vor Allem feine Lippen, um di« auch jetzt, während er las, «in vielsagendes Lächeln spielte — das ganze glatte, bartlose Gesicht gleichsam der Spiegel eines klaren Geistes. Das war wenigstens der Eindruck, den di« Baronin empfing, als sie ihn wohlgefällig beobachtete. Hätte sie ihre eigenen Empfindungen einer ebenso sorgfältigen Prüfung unterzogen, sie hätte sich gestehen müssen, daß sich in ihr eine stille Neigung für den Sportsman regte, wie für keinen anderen Sterblichen, dm Gatkeü ausgenommen, von dem jetzt nicht mehr die Rede sein konnte, nachdem er so leichten Sinns auf ihre Wünsche betreffs der Scheidung eingegangen war. Vagenow gab ihr den Bries zurück und beseitigt« dann ein« Fliege/die ihm in sein Glas Grog gefallen war, mit der gleich- giltigen Miene, mit der er kleine* Hindernisse aus dem Wege räumte. „Da haben Sie ja, was Sie wünschen", sagte er, auf die Baronin einen schlauen Blick werfend. „Doch Ihre Ansicht, Herr Vagenow —" „Wenn der Baron einverstanden ist, wird ja der Scheidung nichts im Wege stehen. Das Gesetz ist klar; Kinder sind nicht vor handen, das würde die Sache erschweren. So geht Alles ganz glatt von Statten, und auch die bösen Zungen finden wenig Beschäftigung. Gegenseitiges Einverständniß — das ist ja der Himmel auf Erden. Wenn dasselbe schon früher stattgefunden hätte, so wär« es jetzt gar nicht einmal nöthig." „Ich kenne Sie, Herr Vagenow; ich kenne Ihr böses Lächeln, da verbergen sich noch Hintergedanken, die Sie nicht aussprechen; doch ich verlange Wahrheit von Ihnen." „Was ist Wahrheit? sagte Pilatus und so kann ich dasselb- wohl zu Ihnen sagen, meine reizende Clara. Wenn Sie rasch geschieden sein wollen, so ist die Sache ja jetzt im Lothe. Auch den Herrn Juristen ist's so am bequemsten, sie nehmen nicht Rück sicht auf Ähre Empfindungen, auf die Kränkung, die der Gatte Ihnen zufügt, indem er so rasch, man möchte sagen, so freudig auf Ihr Verlangen «ingrht. Ich würde ihn so leichten Kaufs nicht freigeben." „Sie meinen —" „Auch die Verrechnung wird nicht sehr zu Ihren Gunsten aus fallen. Ich bin kein Jurist, doch ich glaube, daß jeder Theil das Seinige behält, Sie also das Ihrige, aber — so weit es noch vorhanden ist. Denn für seine Nutznießung und Verwaltung braucht wohl der Gatte nicht Rede zu stehen; das war sein gutes Recht; Jrrthümer, Unglücksfälle, Verluste — daS kann nicht weiter in Betracht kommen." „Sie meinen, daß ich schlecht bei dieser Scheidung fahren würde?" „Ich glaube es wenigstens, doch ich bin ein Laie; fragen Sie hierüber Ihre Juristen, jedenfalls aber giebt es einen anderen Weg, der Ihnen mehr Vortheile sichert und Ihnen für das Ver lorene Ersatz bietet." „Und dieser Weg —?" „Sie müssen eine Ehescheidung nachsuchen, weil der Gatte sich der Untreue schuldig gemacht hat. Dieser Scheidung wird er nicht so vergnüglich entgegenkommen. Da haben Sie ihn in Ihrer Gewalt; er ist von Ihrer Gnade abhängig; denn wenn Sie geschieden sind, können Sie ihn noch begnadigen, so daß er keine Bekanntschaft mit den Paragraphen des Strafgesetzbuches macht. Da wirb er schon demüihig und wehmüthig um Ihre Gunst und Güte sich bewerben müssen —" „Und was die Vermögensfrage betrifft —" „Mag er Sie noch so sehr geschädigt haben, — wird er für schuldig erklärt, so beerben Sie ihn gleich, als wenn er ver storben wäre." ES trat «ine längere Pause ein. „Ich war bisher darin sehr langmülhig", sagte Clara, „doch Sie Haden Recht; er verdient Strafe. Ich hab- mich bisher weder um seine Eloiren, noch um seine Zerlinen gekümmert, obschon ein verheiratheker Don Juan eine Mißgeburt ist und jedenfalls seine Gattin das eherne Pferd des Comthurs besteigen müß:e, um ihn in di« Hölle zu schicken. Es ist eine empörende Nicht achtung, die darin liegt, daß sein ungenügsames Herz sich außer der ehelichen Gattin noch Liebschaften suchi. Ich habe das früher nicht start genug empfunden. Jetzt aber, wo es sich um Ver- mögensangelegenhciten handelt, wo so wichtige Dinge auf dem Spiele stehen —" „Da wollen Sie ihn auch dafür zur Rechenschaft ziehen, daß er Sie treulos verrathen hat. Entschließen Sie sich nur dazu, liebe Freundin — es wird nur zu Ihrem Vortheil sein." Clara blickte sinnend vor sich hin. „Doch hab' ich noch ein Bedenken —" „Und das wäre —?" „Die Schuld mag ja vorhanden sein, aber das genügt doch nicht; in den Processen verlangt man eben Beweise!" „Da hab' ich Sie, liebe Baronin, wo ich Sie schon längst er wartet habe, und ich preise mich glücklich, daß ich bei dieser Wendung des Weges Ihnen meinen Arm bieten kann." „Ich habe viel Vertrauen zu Ihnen, lieber Vagenow, und zögere nicht, mit Ihnen zu gehen, wenn Sie den Weg mir zeigen wollen." „Nicht bloä zeigen, sondern auch bahnen — das ist jetzt meines Amtes: der Geschäftsmann Vagenow wird seine Schuldigkeit thun. Der Baron ist treulos, das ist ein« Thatsache — und Thatsachen kann man beweisen. Legen Sie das Alles in meine Hand! Wozu habe ich mein Bureau, meine Detectivbeamten? Sprenkel für die Drosseln wissen wir schon zu legen. Wir lassen den Aermsten schuldig werden und dann muß er bezahlen — und Sie erhalten auf diesem Wege wieder, was er Ihnen durch gebracht hat."
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