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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991024010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899102401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899102401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-24
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5^2. L Z. 3. Di« Morgen-Au-gabe erscheint um '/,? Uhr, dir lkdrnd-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-actton und Erpeditio«: Iotzaiint-gafi« 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend- 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemm'» Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsstrah« 3 (Paulinum), Louis Lösche, Natharinevstr. 14. part und Köitu-plah 7« ü-ti. ü. s. m.vp/« m.Lv Uv L L S z. L. Bezugs-PreiS in der Hauptexpedition oder den lm Stadt- bezirk und den Vororten errichteten AuS« aavestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendu»» in» Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. KiWgcr.TagMM Anzeiger. AarkMatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Nazeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzetle 20 Pfg. Rrclamea unter dem Redactionsstrich (4go- spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeicknitz. Tabellarischer und Ziffern!«» nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit dn Morgen. Ausgabe, ohne Postbefördernng 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Annahmeschluß sur Anzeigen: Ab end »AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richte». » o«» » Druck und Verlag von E. Polj in Lkiptjs. Dienstag den 24. October 1899. 83. Jahrgang, s. s. «j. tt. ». LI. IE. <». 0. s. 6. «. S. « s. s. o. o. lZ. ü. s LtivIILII. IS li. IS <; - tt.ll. 89,506. >c> o >c>«. io >o «. io Ü. >o u is o. io n. — 6. — 6. — tt rar.v.87:— :o 6 — 6 — L. 75 -0 a )i. o. 0 Der Lerliner Spielerproceß. ^2 Nachdem er nahezu drei Wochen gewährt, hat am Sonnabend der drei Mitgliedern de» sogenannten ElubS der Harmlosen gemachte Proceß mit der Freisprechung der schon vor der vom Gerichtshöfe aus der Untersuchungshaft, in der sie acht Monate gesessen, entlassenen Angeklagen geendet. Den Ver dacht des Falschsviels hatte die Staatsanwaltschaft bereits vor der Erhebung der Anklage fallen lassen, dem Gerichte lag nur ob, über die Beschuldigung des gewerbsmäßigen Glücksspiels zu befinden, es giebt aber, wie übrigens auch der Staatsanwalt in seinem Plaidoyer gethan, im Urtheile die Erklärung ab, es habe die Ueberzeugung geschöpft, daß den Angeklagten betrügerisches Spiel nicht zur Last falle. Hin sichtlich der vom Staatsanwalt bis zuletzt mit besonderer Energie anfrcchterbaltenen Anklage auf gewerbsmäßiges Glücksspiel spricht sich die erkennende Behörde nicht mit der gleichen Bestimmtheit aus. Sie bekennt, wie be richtet, einem non liquot, gegenübergestanden zu haben und zu einem freisprechenden Erkenntniß gelangt zu sein, nickt weil die Unschuld der Angeklagten erwiesen worden, sondern weil deren Sckuld nicht unzweifelhaft auS der Verhandlung hervorgegangen sei. Dieser Vorbehalt ist rechtlich bedeutungslos, die Thatsache aber, daß er in die Urtheilsbegründung ausgenommen ist, wird der politischen Vcrwerthung des Protestes zu Statten kommen. Ganz so scrupellos wie vom Beginn der Ver handlung bis zur Freilassung der Angeklagten dürfte jedoch die vom Parte'- und Elasfenhaß geleitete Ausbeutung der vor Gericht zu Tage getretenen socialen Erscheinung nicht noch einmal betrieben werden. Wir haben in unsrer letzten Sonn- tagSauSgabe an einem drastischen Beispiele zu zeigen vermocht, daß die Identisicirung der drei jungen Leicht fertigen mit der bürgerlichen Gesellschaft, die von Partei genossen deS Herrn Klotzsch auf dem Parteitage der Social- vemokratie und in eincmTheile ihrer Presse versucht worden war, selbst Organen dieser Partei als Ausfluß boshafter Albern heit, deren man sich zu schämen habe, erscheint. Herr Bebel selbst hat denn auck, im Widerspruche mit seiner beifälligen Aufnahme der von dem schon häufig der Heuchelei überführten FreundeLiebknecht aufgestellten Gleichungen: v.Sclluciitmover— Luerß-oiliclw (iesellLctmtt, v. Xrooeiior — Okticierstuuck, auf dem Parteitage zu Hannover dem deutschen Bürgertbum noch recht gesunde moralische Knocken zugefprvchen. Was sodann die würdige demokratisch-freisinnige Presse anlangt, so wird sie sich wobl auck einige Zurückhaltung auferlegen, nachdem noch zuletzt in die Berliner Gerichtsverhandlung der Schatten eines Gewohnheitsspielers gefallen ist, der gleichfalls dem höchsten Kreise jener Gesellschaftsschicht an gehört und dessen Vorfahren jedenfalls, wie vielleicht auch die der Herren von Kayser und von Kröcher, im gelobten Lande gewesen sind, aber lange vor Kaiser Rothbart. WaS immer aber diese wie jene Herren belieben mögen, wir dürfen nach dem Abschlüsse deS Processes erneut der Ueber zeugung Ausdruck geben, daß, gewisser Aeußerlichkeiten ent- kleivet und nackt menschlich angesehen, die aufzeveckten Vor gänge nichts gezeigt baden, was nicht inallen Schichten der Be völkerung zu den häufigen Erscheinungen gehört und hier, falls nicht ebenfalls Polizei oder Gericht eine Lampe daneben halten, ohne Geräusch mit angesehen wird. Eine Entschuldigung der Heiden des Protestes bildet diese Wahrnehmung freilich nicht, wenigstens in den Augen Derjenigen nicht, Lenen ihr Bürger oder, wenn man will, ihr „Prolctarier"-Stolz verbietet, beim Adel eine höhere Moral, als sie der eigene Stand pflegt, vorauSzusetzen. Das Bild, das sich im Gerichtssaale von Moabit entrollt, ist, seitdem wir einen Blick darauf geworfen, nickt Keller geworden. Im Gegentbeil hat in das dort enthüllte liederliche Leben der betbeiligten jungen Leute die Art, wie Spiclsckulden häufig unbeglichen blieben, noch mehr aber, wie Spielschulden nicht selten eingetrieben wurden — einmal er weislich unter Drohung mit der Anzeige beim Regiments kommandeur des in Verlust geratbenen Osficiers! —, die Entnahme von Darlehen bei Weibern und Anderes neue dunkle Schatten eingezeichnet. Es wird wohl auch noch mancher militärische Ehrenrath Arbeit bekommen. Aber im Ganzen und Großen trat nichts Schlimmeres entgegen, als allerdings bodenloser Leichtsinn von jungen Männern, die zumeist, und zum Tbeil nach der Natur ihres Berufes, noch der thatsäcklichen wirthschaft- lichen Selbstständigkeit entbehren, eine Lage, die gerade einfachste Lebenshaltung als Pflicht erscheinen lassen sollte, aber erfahrungsgemäß gemeiniglich das Gegentbeit bewirkt, weil sie eS erschwert, den Werth des Geldes kennen zu lernen. Auch bei völliger Würdigung dieses Umstandes läßt sich nicht verkennen, daß durch den Spielerkreis,der sich vordem Gerichte zeigen mußte, ein Sumpfbauch weht. Aber diese Referendare — es befindet sich nur ein einziger Assessor unter ihnen — sind nicht die junge Beamtenwell und diese Leutnant» — keine höhere Ebarge war vertreten — sind nicht das OfsiciercorpS. Wenn die „Germania" von einer grauenhaften Perspective spricht, die ihr die Gerichtsverhandlung eröffne, so empfehlen wir ihr einen Blick, nicht auf die Scheusäligkeiten des Pfarrers von Pocking, aber auf die von wahrhaft entsetzen erregender Perversität zeugende Gleichgiltigkeit, der die Unthalen dieses Geistlichen bei den Frauen und Mädchen einer untadelig katbolisch-kircklichen Bevölkerung begegneten. Auch auf andere Weise könnte gerade das ultramontane Blatt, wenn eS Lust dazu empfände, seine durch den Spieler proceß angeblich erzeugten Nervenzustände steigern. In die geistlichen Seminaricn leuchtet freilich keine weltliche Fackel. Nicht einer Heuchelei, wie sie die „Germania" zeigt, aber einer übermäßig rigorosen Austastung entspringt eS, wenn der Umgang mit dem ehemaligen Sträfling Wolff als moralisch vernichtend für die „Harmlosen" bingestellt wird. DaS Urtheil räumt ein, daß die drei Angeklagten wie die meisten ihrer VergnügungSgenossen Wolff für einen anstän digen Menschen hielten. Sie haben sich hierin gröblich ge täuscht. Aber wer sich erinnert, daß die so exclusive und kritische Welt akademischer Lehrkörper kleinerer Universitäts städte mehr als einmal das Opfer von Betrügern, die zu der Anständigkeit noch Gelehrsamkeit heucheln konnten, ge worden ist, und wer an den noch frischen sonderbaren Fall eines katholischen „Nichtstudirten" denkt, der Jahrzehnte als evangelischer Psarrer passiren konnte, der wird den Jrr- thum über die Persönlichkeit des gewandten, anscheinend auch gebildeten Abenteurers nicht für geradezu unverzeihlich halten. Uebrigens, dieser Mensch konnte entschlüpfen und an dem Herrn vr. Kornblum, der auS Nachsucht, weil er auS einem Spielclub auSgestoßen war, als Denuntiant auftrat, hat man kein Fehl gefunden, obwohl er sehr wenig Vermögen besitzt, spielt und zum Unterschiede von wenigstens einem der drei ins Untersuchungsgesängniß Gesetzten nicht arbeitet, vr. Korn blum hat sich allerdings um die Polizei verdient gemacht, aber das war natürlich nicht der Grund, ihn nicht für einen gewerbsmäßigen Spieler zu halten. Daß die Drei, deren einer u. A. mit dem Prinzen von Wales zusammen das Glück versuchte, dafür gelten sollten, ist Rechtskundigen und Kennern deS Lebens von Lebemännern auffallend geblieben. Der ganze Habitus der Freigesprochenen konnte sie nur schwer als Leute, die vom Spiele sich ernähren wollten, erkennen lassen, und die hartnäckigen Versuche, ihre Lebenshaltung als eine auf die Karten gegründete darzuthun, haben — mau erinnert sich aus den Berichten vielleicht noch der langwierigen Ver handlung Uber die Beweiskraft eines Teppichs — der Gerichts verhandlung stellenweise etwas Burleskes gegeben. Als gewerbsmäßiger Spieler, so sollte man meinen, hätte eher als die drei Verfolgten der unbehelligt gebliebene fHerr ».Zedlitz angeseben werden können, an welchem jungen Herrn ein al» Zeuge vernommener Gastwirth merkwürdig fand, daß er immer aufbrach, wenn er gewonnen hatte, während andere Gewinner gewöhnlich bliebe», bis sie e» nicht mehr waren. Fachmännern ist auch die Verhängung derUntersuchungS- baft und deren lange Dauer auffällig geblieben und diesem Umstande scheinen Staatsanwalt wie Urtheil Rechnung tragen zu wollen. Beide verweilten ungewöhnlich lange bei der Rechtfertigung dieser Maßregel. Dies ist der Punct, an dem die jüngste gerichtliche „Sensation" an den Fall Kotze ge mahnt, während sie in mancher anderen Beziehung die Erinnerung an den Tausch-Proceß wachruft. In die Ver wunderung über die Tbätigkeit deS Polizeicommistars v. Man teuffel theilen sich mit den Sachverständigen die Laien. Dieser Beamte bat einen ZeitungSverlezer Dinge veröffentlichen lassen, die für das Zustandekommen eines Strafverfahrens wichtig, aber nicht richtig waren; er hat seine Eigenschaft als Landwehrofsicier mit einer Hingabe in den Dienst seines Polizeiberufs gestellt, die der fungirciide Oberstaatsanwalt vr. Isenbiel in ein vielleicht dock allzu strahlendes Licht gestellt, und die Fähigkeit des Herrn v. Manteuffel, Zeugen aussagen den Weg zu ebnen, bat sich in einer Weise bewährt, die daS allgemeine Gefühl der Rechtssicherheit nicht gerade steigern dürfte und wahrscheinlich jetzt sogar von dem amtircnden Untersuchungsrichter bedauert wirt. Freilich, die Polizei hatte Auftrag, in dieser Sacke sehr energisch und schroff vorzugehen. Das bat Herr v. Manteuffel verrathen. Zu welchem Zwecke ein solcher Auftrag erging, ist nicht bekannt. Es ist an die Möglichkeit gedacht worden, daß man auf gewobn- beitsmäßig spielende active Ofsiciere abschreckend wirken wollte, indem man Nichtactive und reine Eivilisten Folgen des Spieles bis zu einem gewissen, nicht gerade milden Grade kosten ließ. Aber dieser Vermuthung steht die Ueberzeugung von der GesetzcStreue der Behörden entgegen. Nichtig ist, daß unter den mannigfachen beklazenswertben Aufschlüssen, die der Proceß giebt, der bedauerlichste der ist, daß eine das Glücksspiel der Ofsiciere streng verbietende Ordre deS Kaisers nickt allgemeinen Gehorsam gefunden bat. Der entschuldigende Hinweis auf den im Deutschen steckenden „Spielteufel" ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil die ganz überwiegende Mehrheit der deutschen Ofsiciere nickt spielt, mithin die Ueberwindlichkeit des „germanischen National- lasterS" selbst unter den Nachfolgern der in diesem Puncte besonders übel beleumundeten alten „Kricgsgcsellen" dartbut. Zu der Erklärung aus dem „Blute" ist kein zwingender Grund Vorbünden, und sie ist geradezu gemeingefährlich, renn das Spiel ist, wie auch der Berliner Proceß wieder gezeigt hat, ein Laster, daS Laster gebiert; eS zieht früher oder später die ihm Fröhnenden herab, indem eS die Gewissen einlullt. Den Griff zu dem gefährlichen Behelf des promissorischen Eides möchten wir aber trotzdem nicht empfehlen, befürchten auch nicht, daß er getban wird. Voraussichtlich wird man aber auch dem Turfwesen, daS Spieler züchtet, und zwar nicht blos mittels des Totalisators, zu Leibe gehen. LS 6. 25 S 25 ite» 50 so 50 6. 50 v. 25 25 25 25 — 6. — 6. 75 0. — L. — » — (r. 50 ». 50 « 50 O. — 6 — 6. «. N. N. ». V. U. ». kl. tt. tt. tt ,l. > Stück Llrrlr )rr.lm.»2200ü. ». 8 ». lj. s. tt jj. — s 75 s 75 0 SA Ätz kl. s. broceot r Stüclc Uer* kl. kl. U. (). »N.s -- Feuilleton. Kartenspiel und Aberglaube. Von M. Aolticincano (Berlin). Nawrnick »erboten. Bei den Moralphilosophen ist das Kartenspiel sehr schlecht angeschrieben; seit seiner Verbreitung in Europa bis auf unsere Tage wurde es als eine Anleitung zum Müßiggang angesehen, der bekanntlich aller Laster Anfang ist. Die Karten wurden als „Teufels-Gesangbuch" verdammt, als ob nicht die menschlichen Leidenschaften, sondern die dünnen bunten Blätter die Urheber des Nebels seien, und als ob es nicht noch andere Mittel gäbe, der seelischen Erregung zu fröhnen und die Wandelbarkeit des Zufalls herauszufordern. Wer indessen einmal Gelegenheit hatte, zu beobachten, mit welcher Leidenschaft'beispielsweise die Italiener ihr Morraspiel betreiben, wird zugeben müssen, daß die Karten zur Erregung der Spielwuth keineswegs unentbehrlich sind. Schopenhauer ist in seinem Pessimismus weit nachsichtiger als die Moralisten und sieht in dem Kartenspiel verächtlicher Weise nur ein Mittel für geistlose Leute, die Langeweile todtzuschlagen. Weil sie keine Gedanken auszutauschen haben, behauptet er, tauschen 'sie Karten aus und suchen einander Geld abzunehmen. Daß in dieser Ausführung eine Uebertreibung liegt, braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Woher die Spielkarten stammen, ist noch nicht festgestellt. Die Meinung, daß die Egypter die Erfinder seien, hat zwar unter den Culturhistorikern große Verbreitung gefunden, allein unwiderlegliche Beweise sind dafür nicht erbracht worden. Die Karten sollen, dieser Meinung zufolge, ursprünglich eine in alt- egyptischer Bilderschrift entworfene Allegorie gewesen sein, die in den vier Farben die vier Stände Adel, Geistlichkeit, Bürger- und Bauernstand darstellt. Aus Egypten sollen die Karten nach Arabien und China gewandert sein. Nach Europa sind sie wahr scheinlich durch die Theilnehmer an den ersten Kreuzzügen gebracht worden, die sie im Orient kennen gelernt hatten. Dafür spricht die feststehende Thatsache, daß das Spiel an verschiedenen Puncten der europäischen Christenheit gleichzeitig auftauchie. Gleich dem Schachspiel, besten Ursprung ebenfalls unbekannt und mit dem es nah« verwandt ist, kam es zu uns aus Asien. Trotz der wesentlichen Veränderungen, die es im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat, ist seine Ähnlichkeit mit dem Schach, besonders mit dem außer Gebrauch gekommenen Vierschach, dem indischen Tschatarunga, auffallend. In Italien hießen die Kartenbilder früher Re, Cavallo, Fante, was den Namen der Schachfiguren König, Springer, Läufer entspricht. Nebenbei bemerkt, erscheint «- uns keinektwegs ausgemacht, daß die Bezeichnung „Fante" für den Jungen von Infante herrührt; sie will uns vielmehr als ein« Corrumpirung von Elefant«, der orientalischen Be zeichnung für den Thurm im Schachspiel, bedünken. Was Deutschland betrifft, so werden die Karten zum ersten Male in einem Buch« erwähnt, das 1472 erschienen Ist, und in dem das Nustauchen deS „Spiels voll Unirew" in daS Jahr 1300 verlegt wird. AuS Italien kamen sie über die Alpen nach Deutschland. DäS Tarockspiel ist zweifellos italienischen Ur sprungs; auch den norddeutschen Scat, ursprünglich ein Bruder des EcarkL, will man von ein«m alten italienischen Spiel her leiten, da- scLtars (bei Seite legen) hieß. Ob das Spiel in früheren Zeiten verbreiteter war als in der Gegenwart — wer möchte das entscheiden? In früheren Jahrhunderten, als sich die Obrigkeiten die überflüssige Mühe gaben, das Privatleben der Bürger zu reglementiren, war das Spiel in der That start verbreitet. Nach einer Fastenpredigt des Cardinals Capistrano in Nürnberg wurden etwa dreitausend Schachspiele, vierzigtausend Würfel und ein Haufen Spielkarten auf dem Marktplatze verbrannt. Allein, ist in unseren Tagen eine Herrengesellschaft denkbar, in der nicht ein Spielchen gemacht wird? In unserem weitverzweigten Vereinsleben nimmt das Kartenspiel einen breiten Raum ein. Gut ein Drittel unserer geselligen Vereine sino dem Spiel gewidmet; in Norddeutsch land heißen diese Vereine Soatclubs, in Süddeutschland Tarock gesellschaften. Die Junggesellen pflegen das Kartenspiel mir großer Vorliebe; doch soll damit nicht gesagt sein, daß die Ehemänner kein Gefallen an den Karten finden- Da sei Gott vor! Wer nicht selbst spielt, kann sich keinen Begriff machen von der Genugthuung, die der Kartenspieler empfindet. Viele nütz liche und noihwendige Dinge hat die Menschheit im Laufe der Jahre entstehen und vergehen sehen; Staaten wurden gegründet und gingen unter, aber das Kartenspiel hat der Zeit getrotzt; vom Ausgange des Mittelalters an hat es sich dauernd erhalten, und aller Voraussicht nach wird es noch manches Jahrhundert überdauern. Wird es doch mit einem Ernst und einer Äusdauer betrieben, die auch ernsteren Dingen keine Schande machen würden. Das Kartenspiel ist bei allen Völkern zu einer der popu lärsten Zerstreuungen geworden, und da es dabei nicht aus schließlich auf die Geschicklichkeit der Spieler, sondern sogar zum größten Theil auf die Launen des Zufalls oder „Glücks" an kommt, hat sich mit d«r Zeit eine Menge von abergläubischen Bräuchen herausgebildet, die der Spieler beobachten muß, wenn er sein Geld nicht los werden will. Da die Karten „Teufels- Gesangbuch" genannt werden, erscheint cs selbstverständlich, daß der Teufel der Schutzpatron des Spiels ist. „Den Karten spielern sieht der Teufel über die Schultern und zählt die Augen", sagt ein Sprichwort, und ein anderes behauptet, „zwischen den Kartenspielern sitzen junge Teufel". Dee Gottseibeiuns verleiht Glück im Spiel, wenn etwas dabei für ihn herauskommt, oder er schickt eins der ihm zugeeigneten Thiere, den Kuckuck, den Geier oder den Kibitz. Was der Wunsch, daß einen d«r Kuckuck oder der Geier hole, bedeutet, weiß wohl Jedermann. Die gleiche Bedeutung hat am Rhein und besonders in Westfalen das Wort: „Fort juw de Kiwitt weer her?" (Führt dich der Kibitz wieder her?) Die Bezeichnung „Kibitz", mit dem man ins Spiel sich hineinmischende Zuschauer belegt, ist naher alles Andere eher als ein Schmeichelwort. Der Aberglaube, daß das „Kibitzen" dem jenigen Spieler, der ein Opfer desselben ist, Unglück bringe, ist weit verbreitet. In der That wird auch dem gelassensten Spieler der dreinredende Zuschauer unangenehm, der Spieler verliert die Ruhe, er wird nervös, und wenn er das Spiel verliert, schreibt er das Unglück nicht der eigenen Aufregung, sondern der Ursache desselben, dem Kibitz, zu. Der Brauch und die Redensart vom Daumendrücken, wa- Glück bringen soll, ist uralt. Es wurde von den Römern bei den Fechtefispielen geübt. Bedeckte das Publicum den Daumen mit den übrigen vier Fingern der Hand, drückte es den Daumen, so bezeichnete es dadurch den Wunsch, daß dem unterlegenen Gladiator Gnade zu Theil werde. Ueberhairpt reicht der Aber ¬ glaube beim Spiel, wie jeder andere Aberglaube, in die heidnische Vorzeit zurück. „Hier muß ein Hund begraben liegen", hört man einen Spieler rufen, wenn er beständig im Verlieren ist. Woher diese Redensart stammt, dürfte nicht allen Kartenspielern bekannt fein. Den Römern galt der Hund, besonders die trächtige Hündin, als Unglücksthier. Auch ins christliche Mittel- alter hatte sich dieser Aberglaube hinübergerettet. Unglückliche werden „vom Unglück angebellt", und eine Sache „verpudeln" oder „einen Pudel machen", ist gleichbedeutend mit verderben. Uebrigens ist die Redensart „hier liegt der Hund begraben", oder „hier muß ein Hund begraben liegen", nicht blos bildlich zu nehmen. Im abergläubischen Mittelalter halten die Barn Herren die barbarische Gewohnheit, irgend ein Thier, besonders einen lebendigen Hund, in den Grund des Hauses, gleichsam als ein Opfer für die bösem Mächte, eintzumauern, damit das Haus feststehe. Der Hund hatte ungefähr dieselbe Bedeutung wie der biblische SUndenbock. Auf diesen Aberglauben stützt sich auch die Sage vom Meister Manole, der seine eigene Frau in die Kathedrale von Clirtea de Argesch eingemauert, nachdem ihm die bösen Geister mehrere Male hintereinander den Bau umgeworfen hatten. Carmen Sylva hat diese Sage dem Abendlande in einem Drama bekannt gemacht. An welcher Stelle des Hauses der Hund eingemauert oder begraben worden war, wußten die späteren Hausbewohner natürlich nicht. Sie konnten also an jeder Stelle „auf den Hund kommen", Pech haben- Weshalb man es als eine glückliche Vor bedeutung ansteht, wenn man die ersten Spiel« verliert, ist nicht recht erklärlich. Es kommt übrigens häufig genug vor, daß ein Spieler, der anfangs verloren hat, später gewinnt, indessen ge schieht dies nicht etwa auf Anordnung überirdischer Mächte, sondern weil der Verlierende sich zusammennimmt, besser auf paßt und dadurch die Scharte auswetzt, während der Gewinner nach und nach lässig wird und dann verliert. Das Aufnehmen der Karten ist mit abergläubischen Ge pflogenheiten verknüpft. Die Einen lassen die ihnen zugetheilten Blätter liegen, damit die „Trümpfe wachsen"; die Mecklenburger haben außerdem noch den Brauch, die Karten einzeln auf zunehmen. Eine rationelle Erklärung darf man für diese Ge bräuche nicht fordern; der richtige Spieler forscht auch gar nicht darnach. Ihm genügt ihr« genaue Befolgung; gewinnt er, so haben sie ihm Glück gebracht, verliert er dagegen, so giebt er den Umständen die Schuld, denn der Spieler hat gar zu viele Klippen zu umschiffen und Hindernisse zu überwinden, ehe er an sein Ziel gelangt. Besonders bei den Hazardspielen werden die aber gläubischen Praktiken am meisten betrieben. Giebt es doch Ämulette, die vor dem Verlust schützen sollen. Nur die Rationalisten unter den Abergläubischen sind der Zuversicht, daß man die Bank von Monte Carlo mittels Zahlencombingtion sprengen könne; die Anderen aber greifen zu den wunderlichsten Hilfsmitteln. Ein solches Mittel ist der Heckethaler, den man festhalten muß. Daher wechselt der Spieler sehr ungern während des Spieles ein größere- Geldstück; auf den Heckethaler begründet sich der Aberglaube, daß das letzte Geldstück Glück bring«. Nicht der größeren Vorsicht, die der Spieler beim Einfftzen des letzten Geldstückes anwendet, schreibt man den Umschwung zu, sondern der Ebbe in der Casse und dem Vermögen des Heckethalers, zu seinem Besitzer zurückzukehren. Die Fälle, in denen auch die letzte Münze flöten geht, rechnet man allerdings nicht. Besitzt der Spieler ein durch irgend ein Zeichen kenntliches Geldstück, so hütet er sich, es auszugeben, auch wenn er Gewinner ist. Der Heckethaler ist eine uralte abergläubische Ueberlieferung. Er soll seinem Eigenthllmer täglich ein gleich großes Geldstück bringen, und wurde er zufällig ausgegeben, so kehrte er zuver lässig zu seinem Herrn zurück. Einen solchen Wunderthaler sich zu verschaffen, war sehr schwer, ja sogar mit Lebensgefahr ver bunden. Um ihn zu erlangen, muß man um Mitternacht zur Wintersonnenwende mit einer in einen Sack gesteckten schwarzen Katze zur nächsten Kirche sich begeben und drei Mal fest an die Thür klopfen. Der Sack, in dem die Katze sich befindet, muß groß sein, und je kunstvoller der Knoten an der Oeffnung ist, desto wahrscheinlicher gelingt das Unternehmen. Hat man an die Kirchenih'iir geklopft, so erscheint ein schwarzer Mann, der barsch fragt, was man hier suche. Da darf man sich nicht ein schüchtern lassen, sondern muß keck antworten, man habe einen Hasen zu verkaufen. Auf die Frag«, was der Hase kosten solle, aniiwortet man: einen Thaler. Ohne zu feilschen, zahlt dann der schwarze Mann den Thaler, und hat man diesen in der Hand, so muß man sich so rasch als möglich aus dem Staube machen. Währenddessen öffnet der schwarze Käufer den Sack, um den Hasen zu besichtigen. Natürlich springt ihm die Katze entgegen- Mit einem wüthenden Fluch dreht er ihr den Hals um- Der Besitzer des Heckethalers muß aber schon außer Gehörweite sein; erreicht ihn das Miauen der Katze oder gar der Fluch des schwarzen Mannes, so muß er sterben. Daher ist es geboten, den Knoten am Sack so künstlich als nur möglich zu verknüpfen, damit man genügend Zeit habe, sich in Sicherheit zu bringen. Wie überhaupt jede Geschicklichkeit, wurde auch die Geschick lichkeit im Kartenspiel als Teufelswerk verschrieen. Kas-P'ar's große Treffsicherheit ist, wie Jeder aus dem „Freischütz" weiß, ein Werk des bösen Samiel. Natürlich müssen die Beschwörungen um Mitternacht vorgenommen werden, gleichviel ob es in der Wolfsschlucht oder an der Kirchenthür geschieht. Der Teufel aber ist der Betrogene, denn, wie wir 'bei der Erlangung des Heckethalers gesehen haben, „kauft er di« Katze im Sacke". Die Gegenwart mit ihrem verschärften Kampf ums Dasein stellt große Ansprüche an die Menschen und jeder Augenblick muß ausgenutzt werden, daher hat auch die Spielwuth ver- hältnißmäßig abgenommen. In der guten alten Zeit dagegen, wo man Zeit im Ueberfluß hatte, war das Spiel eine bösartige Krankheit, gegen die die Spielverbote nichts fruchteten. Die Spielkarten aber haben eine kulturgeschichtliche Bedeutung, indem sie die Entwickelung der Holzschneidekunst wesentlich förderten- In einigen Kunstsammlungen, wie in der Ambraser Sammlung zu Wien, werden Spielkarten ausbewahrt, die wahre Meister werke sind. Selbst edles Metall wurde zur Herstellung von Karten benutzt. Eins dieser Spiele, das noch erhalten ist und auf französischen Ursprung hinlveistt besteht aus Silberplättchen, auf denen die Figuren eingravirt und vergoldet sind- Heut zutage werden die Karten aus Carton hergestellt, was vraktifcher und billiger ist. Wohl haben die Spielkarten schon viel Unheil angericktet, allein sie waren Klos ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Leidenschaften. So lange aber die bunten Blätter eine Bedeutung in unserem socialen Leden haben werden, wird auck der Aberglaube nicht aussierben, denn die Versuchung de? Zufalles ist mit dem Aberglauben auf das Jnnigst« verknüpft.
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