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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991024029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899102402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899102402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-24
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Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag» um ü Uhr. Nedartion «nd Ervedition: JohanntSgaffe 8. ^ie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» Uhr. Filialen: Dtt» Nlemm'S Lo.tiin. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum/. Louis Lösche. Katharioenstr. 14. »art. und Küuta»platz 7. 5t3. Abend-Ausgabe. Ktz)igcr TagMM Anzeigen-Prei- die 6gespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionSstrich (4g» spalten) bO^j, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferusaß nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit d« Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 7L—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Äuttsgenchtes Leipzig, des Nathes und Volizei-Ämtes der Lladt Leipzig. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen» Ausgabe: Nachmittag» » Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die Expehitia» zu richten. Druck und Verlag von F. Polz in Dienstag den 24. October 1899. 93. Jahrgang. gleich ich viel mehr auf dem Herzen hätte." Ich habe es aber für meine Pflicht gehalten, bei Zeiten darauf aufmerksam zu machen, was gegen uns im Gange ist. Daraus hat man eine große Jntrigue gegen den Bicepräsideuten de» preußischen Staats- Ministeriums und Finanzminister v. Miquel gemacht. Daß Herr v. Miquel darin eine Jntrigue erblickt, nehme ich nicht an; denn er ist gewandt genug, um zu wissen, daß man Jntriguen nicht auf öffentlichen Rednertribünen betreibt. Andere haben das geglaubt. Deshalb ist eS angebracht, wenn ich sage: Niemandem mehr als uns kann es vollkommen gleichgiltig sein, wer jeweilig auf dem einen oder dem andern Ministersessel sitzt. Wir sind in einer Zeit entstanden und groß geworden, die uns gelehrt hat, mit allen, auch den schlimmsten Möglichkeiten von da her zu rechnen, und wir haben eine Zeit hinter uns, die bc- wiesen hat, daß wir allen Möglichkeiten gewachsen waren. So sehen wir mit großem Gleichmuts), um nicht zu sagen, mit voll kommener Gleichgiltigkeit die Herren auf diesen Sesseln kommen und gehen und nichts liegt uns ferner, als gegen sie zu intrigiren. Wir wünschen nur, daß von ihnen nicht gegen uns intrigirt wird (lebhafte Zustimmung), und wenn wir so etwas wahruehmen, so werden wir, da wir doch auch unsere fünf Sinne beisammen haben, uns den Mund nicht verbieten lassen, unsere Freunde bei Zeiten auf gegen uns gesponnene Jntriguen von dorther aufmerksam zu machen. Wenn die Herren, von denen ich eben spreche, wünschen, ein Mehreres von mir zn hören, ich komme wieder recht bald nach Berlin. (Heiterkeit.) Ich komme dort aus Rcdnerbühnen, wo jedes Wort gesprochen werden darf, was bekanntlich an dieser Stelle nicht erlaubt ist. (Heiterkeit.) Und ich bin bereit — ich habe in Mainz nur ein Battisttüchlein ge waschen —, die ganze schwarze Wäsche dieser Herren öffentlich vor dem ganzen deutschen Volke zu waschen." Und damit von seinen Hörern keiner im Zweifel darüber bliebe, zn wessen Information diese große Wäsche ge waschen werden soll, fuhr Herr ttv. Lieber fort: „Ties giebt mir auch Anlaß, heute ein chrsurchtsvollcs Wort der lskiwiderung auf die Kaiserworte zu sprechen, die wir in den letzten Tagen von Hamburg und Charlottenburg her vernommen haben. Wenn Ee. Majestät die Mahnung an das deutsche Volk richtet, in vaterländischen Angelegenheiten Parteien und deren In- teressen hintanzusetzen und das Vaterland und dessen Interessen allein zn bedenken, so darf ich im Namen aller deutschen Katholiken sagen: Wir sind zur Stelle. Was die Vertheidi- gung unseres Vaterlandes nach außen angeht, so darf ich hinzu- fügen, ich kenne überhaupt keine Partei im deutschen Reich, die weigerlich wäre, bis zum letzten Pfennig und bis zum letzten Blutstropfen das Vater land zu vertheidigen und seine Größe unversehrt zn erhalten. (Lebhafter Beifall.) Wir sind auch in Zukunst bereit, nach Kräften das Beste zu thun, trotzdem — ich wünsche, daß die Rathgcber Sr. Majestät ihm auch davon Mittheilung machen — wir recht Vieles in unserem Baterlandc sehen, das uns fast den Gedanken bcibringen muß, wir selbst werden von sehr vielen Leuten im deutschen Vaterlande und in Preußen als Deutsche und Preußen zweiter und dritter Classe angesehen. (Lebhafte Zustimmung.) Wir verstehen unfern Kaiser, wir folgen ihm in allen Dingen, die gerecht und billig von ihm gefordert werden. Wir bitten, wir hoffen, wir wünschen, daß Seine Majestät, wie er cs in Jerusalem gclhan hat, so auch in Berlin sich seiner katholischen Unterthanen erinnert und seine Be richte über uns nicht allein aus den trüben Quellen erhält, die nicht darüber orientiren sollten." Also, das Eentrum mit dem „Mußpreußen" Lieber an der Spitze ist zu Allem bereit, was der Kaiser und König von Preußen gerechter und billiger Weise von ihm fordern kann, also auch die Bekämpfung der Socialdemokratie, der Polen und Welfen, die Respectirunz des Vetorechtes bei Bischvfvwahlen u. s. w. u. s. w., wenn nur der böse, gegen das Eentrum intriguirende Miquel entsernt wird! Bielleicht glaubt Herr I)l. Lieber, Se. Majestät werde nach diesem Nieseuangebote auf die große Wäsche, die ihm die Natur farbe seines bisherigen Vertrauensmannes enthüllen soll, gar nicht warten und schleunigst den Lucanus in das Palais am Kastanicnwäldchcn senden. Wir unsererseits sind der be scheidenen Ansicht, daß der Monarch, bevor er Herrn Lieber oder einem anderen Eentrumsmaniie den Weg zum Sessel des preußischen Finanzministers frei macht, Herrn Di . v. Miquel noch Gelegenheit lassen wird, auch seinerseits „schwarze Wäsche" zn waschen, d. h. einem naturfarbenen Schwarzen das Schaumgold, mit dem er sich bepinselt, vom Leibe zu scheuern. Nachdem die seit Jahren schwebende schwedisch-norwegische „Floggenfrage" in voriger Woche in der von der norwegischen radikalen Partei angcstrebten Weise gelöst worden ist, scheint die letztere fest entschlossen zu sein, ohne Zeitverlust zur Durchführung ihres Programmes zu schreiten. Die leitende» Organe der radikalen Storthingsmehrheit erklären ganz offen, daß jetzt der Augenblick gekommen sei, wo Norwegen un besorgt seine Forderungen stellen und deren Erfüllung durch Schweden werde erzwingen können; Norwegen sei jetzt nicht mehr das wehrlose Land, wie in den achtziger Jahren, es habe im Laufe weniger Jahre ungefähr fünfzig Millionen Kronen für außerordentliche Vertbeidigungszwecke auSgegebcu, sein Militärbudget sei gleichzeitig auf siebzehn Millionen angewachscn, waü sehr viel ist für ein Land mit nur zwei Millionen Einwohnern; dafür besitze aber Norwegen jetzt auch ein vorzüglich ausgerüstetes Heer, LaS im Stande sein werde, jede ihm zufallende Aufgabe befriedigend zu lösen, und binnen Kurzem werde auch die Kriegs marine über vier starke Panzerschiffe und eine nicht unerheb liche Anzahl von kleineren Schiffen verfügen, daher würde „man" (d. h. Schweden) sich anch nicht mehr mittels einer militärischen Promenade des Landes bemächtigen können; der Angreifer müßte vielmehr eines schweren Krieges gewärtig sein. Die vom Volke gebrachten Opfer dürften aber nicht vergebens gebracht worden sein; cS habe daS Recht, zu for dern, daß seine Negierung sich in Bewegung setze, um das nationale Ziel zu erreichen; die Negierung dürfe nicht länger zögern, sonst werde die nationale Partei für immer cvm- promillirt sein; die Führer mögen daher unerschrocken vor wärts geben, jedoch mit Besonnenheit und ohne Ueber- stünung" — ES muß betont werden, daß diese Auslassungen nur t:: Auffassung des äußersten Flügels der radikalen Partei in Norwegen widerspiegeln, innerhalb deren zahlreiche Mit glieder ein gewaltsames Vorgehen überhaupt perhorresciren und keinesfalls den Zeitpunkt für ein solches als gekommen erachten. Ilever die Frage: Warum England die Delagoa-Bucht nicht besetzt, wird uns aus Lissabon geschrieben: Das Ge- beimniß, warum die bereits seit einem halben Jahre voraus gesehene und seit Ausbruch des Krieges mit Sicherheit erwartete Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Oktober. Eine Acndcrung -cS FlottengcsctzeS ist nickt in Aussicht genommen. Dies muß wenigstens unter der Voraussetzung angenommen werden, daß die an anderer Stelle mitgetheilte, mit der Ueberschrist „Zur Flottenfrage" erschienene Auslassung der „Norddeutschen! Allgemeinen Zeitung" von wirklich autoritativer Seite inspirirt ist. In der ossiciösen Presse spiegelt sich bekanntlich häufig die in den Berliner Regierungskreisen herrschende Unordnung wider, und es kann sein, daß der Inspirator des Regierungsblattes von schon bestehenden Absichten nichts weiß, geschweige denn Pläne für den Winter oder den Frühling 1900 vorauszuseben in der Lage ist. Indessen, es sieht einmal geschrieben: „Für das (mit dem April beginnende) Etatsjahr 1900 ist eine Novelle zum Flottengesetze nicht in Aussicht genommen", und daran muß man sich zunächst halten. Da die „Nordd. Allg. Ztg." gleichzeitig entgegen gewissen abweichenden Preß äußerungen das Recht der Regierung, innerhalb der Geltungs dauer des bestehenden Flottengesetzes mit weiteren Forderungen für die Marine hervorzutreten, mit sachgemäßer Bestimmtheit wahrt, so denkt mau vielleicht für 1901 au eine Ver stärkung des „jetzigen gesetzlichen Sollstandes der Flotte". Mit der Hamburger Rede beö Kaisers läßt sich aber eine solche Möglichkeit so wenig zusammcnreimen, wie jene auf Negation hinauslaufendc positive Ankündigung. Daß dem Kaiser eine Marine, wie wir sie nach der Durch führung des FlottengesetzeS ohne Ergänzungen dieses Gesetzes besitzen würden, schon während der Beratbnng dieses Gesetzes ungenügend erschien, ist bekannt, und daß sie ibm jetzt erst recht ungenügend erscheint, geht aus den Worten des Monarchen: „Bitter noth tbut uns eine starke deutsche Flotte", unzweifelhaft hervor. Mit diesem Ausspruch ist eine von den Verhältnissen nicht mehr zwingend aufgcdruugene, wenn auch nur zeitweilige Resignation nicht vereinbar. Nicht minder cvntrajlirt mit der Hamburger Ansprache die Be merkung de? officiösen BlatteS, e^ könne „wohl mit Sicher heit" angenommen werden, „daß die verbündeten Regierungen innerhalb des Sexennats eine Verstärkung der Flotte über den jetzigen gesetzlichen Sollstand hinaus nur dann vom Reichstag fordern werden, wenn sie dafür sehr schwer wiegende Gründe haben". Kann man sich an irgend einer Berliner Regierungsstelle schwerer wiegende Gründe denken, als sie in der kaiserlichen Schilde rung der jüngsten Entwickelung der Weltlage oder deren Perspectiven gelegen sind? Wir sind dazu nicht im Stande. Eine unmittelbar drohende Kriegsgefahr käme als stärkerer Grund nicht in Betracht; denn wenn ein Krieg bevorsteht, ist es für die Anordnung von Kriegsschiffsbauten bekanntlich viel zu spät. Der Kaiser bat gerade Versäumnisse beklagt, und daß ein Jahr- Verzögerung in der Bereitstellung nötbigen SeekriegS- materialS nichts zu bedeuten habe, ist eine Behauptung, die heutzutage nur noch rin demokratischer Agitator vor einem gleichgesinnten Publicum ungestraft wagen darf. Die kaiser liche Flottenrede kann, wie schon bervorgehoben, auch un möglich auf Wirkung in die Ferne der Zeiten berechnet sein, dazu ist sie zu anfenernd im Tone. Wenn aber die „Nordd. Allg. Ztg." mit ihrer Ankündigung für daö nächste Jahr und mit ihren Andeutungen für weitere vier Jahre Recht behält, so wird die Hamburger Kundgebung durch die Regierung auf die Bedeutung einer retrospektiven Betrachtung hcrabgedrückt, die Feuilleton. Änf freien Sahnen. 20) Roman von Rudolf von Gottschalk. Nachdruck verbot!». „Er muß kommen, er wird kommen", dachte Alice, indem sie unruhig rm Zimmer auf- und abging. Sie -griff bald nach dieser, bald nach jener Rolle, doch sic war zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um sich in etwas Fremdes hineinfühlen zu können. Sic malte sich die schöne Landolin aus, wenn sie sich so über die Lozenbrüstunz herückerlehnte; sie hatte bisweilen die vornehme Dame durch das Guckloch des Vorhangs beobachtet; auch sah sie, wie in den Zwischenacten die Operngucker des Publikums auf diese Prosceniumsloge gerichtet waren. Sie erregte Aufsehen — und sie mochte den Schauspielerinnen auf der Bühne solchen Erfolg streitig machen. „O, die größten Komödiantinnen sitzen doch im Zuschauerraum!" sagte sich Alice, und es steigerte sich ihre Verbitterung zu einem Gefühl des Hasses gegen die siegreiche Modedame. Doch daß er in ihre Netze ge- rathen war — es war ein unausdenkbarer Gedanke. Nein, 2-in! Vielleicht der Reiz der Neuheit, der Neugierde — o, Neu gierde ist noch nicht Liöbe, wenn sie auch Manches mit ihr gemein hat. Er ist geblendet, vercklendet vielleicht, doch nur auf kurz« Zeit; das läßt sich verzeihen! Ein stilles reiches Gemüth kann bei diesen gemüthloseck Circen keine Befriedigung finden. Es wird immer dorthin zurückiehren, wo der volle klare Quell inniger Empfindung sprudelt. Und was soll der arme Schulmeister auf dem Parquet des Salons? Da gleitet er aus, früher oder später; man lacht über sein Ungeschick, über ihn selbst, weil man seinen wahren Werth nicht zu schätzen weiß. Doch wenn er einmal troulos geworden — ist er dann der Liebe nicht für immer verloren? Geduld, Gcdulv! Das klopfende Herz wird sich beschwichtigen, wenn er -selbst kommen und sprechen wird; er kennt die Lüge nicht. Und kommt er nicht vielleicht jetzt? Die Entröeklingel regt sich, das Mädchen tritt ein und meldet Herrn Blomer an. Sie will ihm entgegen fliegen — doch welch« Enttäuschung! Es ist Herr Blomer, doch nicht Timotheus — es ist der Vater! Er hat sie ausgesucht — was bedeutet dieser Besuch? Nepomuk Blomer hat Toilette für die Großstadt gemacht; einen greifbaren Inhalt nur insofern behält, als künftig nicht mehr daS deutsche Volk für Verzögerungen im Ausbau der Marine verantwortlich gemacht werden kann. Für die Gegenwart bliebe nichts weiter übrig, als eine Blamage Derjenigen, die als Antwort auf die kaiserlichen Mahnungen eine In itiative des Reichstags befürwortet haben. Wir gehören nicht dazu, würden aber diesen Effect dennoch tief be dauern, weil er der Flvttenagitation im Lande für lauge Zeit hindernd im Wege stände. In noch weit höherem Grade gilt das natürlich von dem Umstande, Laß Len die Flottenfreunde anfenernden kaiserlichen Worten nach wenigen Tagen eine die Flottengegncr beschwichtigende ofsiciöse Kundgebung gefolgt ist. Wie das gekommen, dar über lassen sich keine Vermutbungen anstellen. Die Eentrumspresse hat sich sofort ablehnend zu den Ham burger Anregungen ausgelassen, aus dein einfachen Grunde, weil ein von dec Regierung mit Eonsequenz ver folgter FlottenverstärkungSplan ihrer Partei n n - bequem wäre; einen Thcil der Anhänger würde man durch Zustimmung, einen andern durch Opposition ver stimmen. Der unbeilige Parteigeist bat da die Eentrums- federn ganz verständig erleuchtet. Aber die Regierung hat eben erst ihre Solidarität, d. h. vie Einigkeit zwischen dem Fürsten Hohenlohe undHerrn v. Miquel, mit vollen Backen ver kündet, und da das Eenlrum Herrn v. Miquel fortgesetzt aufs Bitterste bekämpft, so wäre es sehr sonderbar, wenn Fürst Hohenlohe einem reichspolitischen Projekt ans dem Wege ginge, um eben dieser EcntrumSparlei Schwierigkeiten zn ersparen. Noch unverständlicher wäre es, wenn die Regierung zur Zurückhaltung durch die Thatsache bestimmt wäre, daß die Presse des Bundes der Landwirtbe abweisend und die „Kreuzztg." zweideutig zu der Hamburger Rede sich ausgelassen baben. Die Bundesleitung bal erst kürzlich in einer feierlichen Erklärung die nimmer versagende Bereitwilligkeit des Bunde-, die Regierung bei der Stärkung der Wehrkraft zu unter stützen, gerübmt, die Bundesorgane beklagen zudem unablässig die Unzulänglichkeit der überseeischen Politik Deutschlands. Da wäre es kein geringes Kunststück, einen Vorwand zu finden, unter dem sich die Bundesvorstände einer formnlirten Forderung für die Marine entziehen könnten. Von den Hintermännern der „Kreuzztg." nicht zu reden. Vor dem Lärm des Herrn Richter braucht man anch nicht zurück- zuweichcn. In der parlamentarischen Situation kann somit wie in der Finanzlage kein stichhaltiger Grund für den Eifer gefunden werden, mit dem der Berliner Wasserstrahl in das Hamburger Feuer gelenkt wird. DaS Centrmn gedenkt seine Angriffe gegen den Finanz minister vr. v. Miquel nicht nur nicht aufzugeben, sondern sogar noch zu verschärfen. Das geht ans einer Rede hervor, die Herr vr. Lieber vorgestern in Köln vor einer Ver sammlung des Volksvereins für das katholische Deutschland gehalten bat und aus der wir bereits in unserer heutigen Morgenausgabe eine Stelle wiedergegeben baben. Die Rede ist aber zu interessant, als daß wir es bei der Wiedergabe dieser Stelle bewenden lassen könnten. Zuerst wendete fick der Ee»trumsführer gegen diejenigen, die in seiner Mainzer Rece eine Jntrigue gegen Herrn v. Miquel gewittert hätten, während er doch nur auf eine gegen das Eentrum gerichtete Jntrigue aufmerksam gemacht hätte: „Ich habe in Mainz auf eine bestimmte Gefahr aufmerksam gemacht, der wir Katholiken, im Centrum vereinigt, in der bevor stehenden Fortsetzung der Reichstagsverhaudlunqen ausgesetzt jein werden. Ich habe ausdrücklich erklärt: „Mehr sage ich nicht, ob ¬ er hat seine langen, sonst immer verwirrten Haare gescheitelt und geordnet, sein aufquellcndes oorinm ckolioti in einen schwarzen Rock eingesch-nürt, der etwas wie eine Taille ahnen ließ, aber durch seine unmodische Länge ihm ein geistliches An sehen gab. Hierzu kam ein schwarzes Halstuch, dessen feierliche Trauer durch leinen Streifen weißer Wäsche gemildert -wurde; der Cantor, der Organist, der an einem Feiertag die Orgel der Dorfkirche spielte, verleugnete sich nicht trotz des modischen schwarzen Hutes, den er im Vorbeigehen einem städtischen Hut laden entnommen hatte. Seine hervortretenden Augen blickten im Zimmer umher. Das war nicht der Luxus einer Modedame, acker cs war immerhin das Boudoir einer Schauspielerin; ihn befremdeten allerlei nackte Porzellanfigürchen, welche da zur Schau gestellt waren auf den Etageren, die Kränze, die an der Wand hingen mit ihren Rosa- und Lilaschleifen und mit den goldenen Buchstaben, die keine Bibelsprüche bildeten. Und auch der Plüschsesicl, auf dem er Platz nahm, einer Einladung Alicens folgend, hatte für ihn eine fremdartige Weichheit und Ueppigkeit. „Sie kommen von Timotheus?" sagte sie zu ihm; sie hoffte irgend eine Kunde von ihm zu erhalten. „Nein, mein Kind", erwiderte der Lehrer; „ehe ich meinen Sohn aufsuchte, wollte ich zuerst mit Ihnen Rücksprache nehmen." „Und Sie wollen mir dasselbe wiederholen, was Sie mir damals bei unserm Spaziergang im Walde sagten?" > „Ich werde daraus zurücktommcn. Dennoch hat sich seitdem Alles sehr verändert. Ich muß Sie darauf vorbereiten, mein Fräulein! Es haben sich Dinge zugetr-agen, die sehr bedauerlich, für Sie sehr schmerzlich sind, mir aber leider! Waffen in die Hand geben, von denen ich lieber nicht Gebrauch gemacht hätte." „Das ist mir Alles räthselhaft — warum wollen Sie mich eher sprechen als Ihren Sohn? Und welches geheimnißvolle Schrecknis, lauert hinter Ihren Worten?" „Es ist eine Trauernachricht, die ich Ihnen mittheilen muß. Zwischen Eltern und Kindern -besteht ein geheimer Zusammen hang — und ich würde mich nicht wundern, wenn Ihnen in Ihren Träumen nicht Ihr Pater erschienen wäre." „Mein Vater! Ums Himmelswillen — er ist wohl schwer krank?" „Das nicht, aber was ihn sonst betroffen hat — ich glaube an Träume, an Ahnungen, und wenn Sie nicht davon heim gesucht wurden, so muß freilich! Ihre kindliche Liebe keine Wurzeln mehr im Daterhause hacken. Sie haben sich von der Heima-th losgcrissen; das bestraft sich; verstummt sind die Geister, die an Ihrer Wiege wachlen." Seine Augen starrten bei diesen Worten ins Weite. „Und was ist geschehen?" fragte Alice angstvoll. „Ihr Vater ist verhaftet worden!" „Aus welchem Grunde? Er kann doch kein Verbrechen be gangen haben?" „Wir Alle sind schwache Menschen und oft in der Gewalt böser Geister; da sehen wir uns zur Wehr — doch vergeblich! Wir werden getrieben, gestoßen von unsichtbaren Händen. Da giebt es wohlwallend-.' Gelehrte, welche im Schädelbau der Ver brecher oder in irgend einer Erbschaft des Blutes den tieferen Grund ihrer Missethatcn und in solchem Zwang der Natur ihr: Entschulsigung suchen. Das ist oberflächlich, Vas ist falsch; das ist die Ihörichte Weisheit dieser Welt, welch: rechnen, zählen, mit Experimenten beweisen will. Wer nichts Unbeweisbares, nichts Unbegreifliches anerkennt, der wird ewig im Dunkeln tappen. Geister find'», die rings in der Luft uns auf allen Wegen begleiten, deren Zuflüsterungcn uns zu schlimmen Thaten anregen, die unsere Hand führen; denn di- schreibende, die prüfende, die zustoßende Hand ist das Werkzeug des Verbrechens. Und hinterdrein sind es dieselben schadenfrohen Geister, die uns mit ihrem ironischen Kichern verlachen, uns mit Reue und Ge wissensbissen quälen. Nein, nein, das Gewissen ist nicht die Stimme Gottes, es ist ein Marter werkzeug der Dämonen. Gott ist die Gnade, die Barmherzigkeit — die Erde soll keine Folterkammer sein. Glauben Sie mir, ich kenne diese Folter des Gewissens; doch ich weiß auch, daß wir nickt die Thäter unserer Thaten sind." „Doch mein Vater — lommen Sie zur Sache, Herr Blomer", sagt- Alice ungeduldig. „Ihr Vater ist angekl-agt der Unterschlagungen, der Wechsel fälschung; Herr Amtmann Trams hat dem Baron seine Bücher vorgclegt; die bei Verkäufen eingetragenen Posten bewiesen, daß Ihr Vater viel Geld beiseite gebracht, denn in seinen Büchern waren die für Vieh wie Saatgetreide von Trams bezahlten Summen niedriger angegeben —-und den Rest hat er zu seinem eigenen Nutzen verwendet." „Das ist unmöglich", ries Alice. „Der alte Trams haßt ihn UND ich Unglückselige hab- dies-n Haß verschuldet. Er wird ihn zu verderben suchen; drüben, drüben sind die falschen Ein tragungen gemacht worden." „Und dann soll er auch einen Wechsel auf Trams' Namen ausgestellt Hobeck." „Das ist eine Lüge — das wird sich beweisen lassen. Sagen Sie's aller Welt — das sind Jntriguen, die auS dem feindlichen Lager kommen. Sie schweigen, Herr Blomer? Sie glauben doch nicht etwa daran? Ich verbiete Ihnen, daran zu glauben!" „Ich möchte Ihnen gern Recht geben, mein Kind, ich begreife Ihre Erregung; auch für Schloß Siebeneck und für unser ganzes Dorf ist's ein böses Ding mit diesem Sündenfall; es bleibt an uns Allen etwa» davon hängen. Wir sind gut« Nachbarsleute." „Von Ihrer freundnachbarlichen Gesinnung haben wir wenig verspürt", sagte Alice. „Gleichviel — die Leute glauben's doch! Und dann — der Herr Staatsanwalt hat Alle» geprüft; «r hat Ihren Vater schon selbst in'» Verhör genommen und ihn nachher nicht frei gelassen. Alles spricht für seine Schuld! Vielleicht hat er si: schon eingestanden — was nützt alle Vertheidigun-g, wenn die Beweis- vorliegcn, schwarz auf weiß?" „Beweise? Das können nur Fälschungen sein!" rief Alice ganz außer Fassung. „Geben wir uns keinen Illusionen hin, liebes Kind; ich selbst bin fest von seiner Schuld überzeugt — und gerade das führt mich zu Ihnen!" Alice sah ihn fragend an. „Die Sünden der Väter werden heimgesucht an den Kindern — das ist ein alter biblischer Spruch. Man mag die Aermsten bedauern, sie sind unschuldig. Doch ich 'bedauere auch jeden Schuldigen. Denn er ist ein Opfer der verlockenden bösen Ge walten. Und so ganz aus der Luft gegriffen ist das Mißtrauen nicht, das man gegen die Kinder der Verbrecher h«gt; es vererbt sich soviel von den Eltern und mehr das Bös« als daS Gute uns wenn die bösen Geister bei jenen auf die Kosten kommen, dann setzen sie ihr Werk bei den Kindern fort, weil sie da auch auf nur schwachen Widerstand rechnen können. Es ist wie mit den Krankheiten — man kommt ja nicht gleich mit der Lungen schwindsucht auf die Welt, doch man bringt von den Erzeugern die Disposition mit — und da nisten sich leicht die Bacillen ein. Es sind eben gefährdete Subjecte, denen man sein LebenSglück nicht anvcrtrauen darf." Mit einer ungläubigen Spannung verfolgte Alice diese be schaulichen Auseinandersetzungen des Geistersehers, der ja auS tieferen Quellen seine Weisheit schöpfte als die andern Sterb lichen und deshalb sich Allen überlegen fühlte. Sie hatte sich erhoben; halb über den Tisch geneigt, sah sie ihm in's Auge, wollte von seinen Lippen die kommenden Worte abkesen. Sie mecktte ja, woraus er hinsteuirte, und doch wollte sie's nicht glaiucken, daß er es wagen würde, soweit zu gehen, «in«n solche»
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