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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991102024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-02
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In eine solche Politik des Säumens paßt es allerdings hinein, wenn halbamtlich „constatirt" wird, „daß der Neue Floltenplan" — gemeint ist der Artikel in der „Nordv. Allg. Ztg." vom Sonnabend Abend — „nichts weiter thut, als die Möglichkeit vom etat-rechtlichen Standpunkt aus zu beleuchten, wie Deutschland zu einer „starken Flotte" kommen kann". DaS ist nicht einmal richtig, jener Artikel macht auch den militärischen Gesichlspunct geltend; wenn es aber wahr wäre, so würde sich noch immer nicht erkennen lassen, warum man eine RegierungSauslassung, die am Sonnabend mit der unverkennbaren, auch in Aeußer- lichkeiten bervortretendcn Absicht, Alarm zu schlagen, veröffent licht war — der Artikel der „N. A. Ztg." erschien gleichzeitig noch in zwei anderen Berliner Blättern —, am Montag Abend durch eine andere Regierungsauslassung auf die Bedeutung einer theoretischen Auseinandersetzung herabgedrückt werden mußte. Wenn man weiter nichts geben wollte, dann war der Artikel ein schwerer Febler, er avisirte den Feind, ohne dem Freunde eine vortbeilhaste Position anzuweisen, ja ohne ihm auch nur ein Schußziel zu zeigen. Neber den Werth deS HerumschlagcnS mit der „Freis. Ztg." des Herrn Richter, dessen sich die „Berl. Corr." seitdem Tag für Tag befleißigt, wird man sich hoffentlich keinen Illusionen hingeben, cs macht unter den obwaltenden Umständen, wie auch schon von freisinniger Seite schmunzelnd festgestellt worden ist, nur Reelame für eine am Rande völliger Be deutungslosigkeit stehenden Volkspartei, also einer Partei, auf deren Zustimmung zu irgend einer Flottenverstärkung Niemand rechnet. Wenn die Regierung nicht mit einer Vorlage Abstimmungen im Reichstage hcrbeiführt, sondern nur Debatten über die Flottenfrage im Allgemeinen provocirt, so wird sie im Sommer ärmer nach Hause gehen, als sie jetzt ist. Schon bis dahin und bei dieser Erwartung werden die Flottenfrcunde in Parlament und Presse, da eS sich im Grunde doch nur um Schwatz über Schwatz handeln würde, nicht mit dem Nachdruck auftreten können, der bei dem Einrcten für faßbare Gesetzesvorschläge nicht vermißt werden würde, und nach den leeren Debatten würde das ganze Land slottenmüde sein. Es soll, obwohl dieses die Hauptsache ist, nicht des Weiteren auseinandergesetzt werden, warum die nächste Zukunft mit ihren südafrikanischen Vorgängen oder dem frischen Eindruck eine- abgeschloffenen Stückes südafrika nischer Geschichte ein geeigneter Zeitpunkt für die Durch dringung einer Flottenverstärkung wäre, den vielleicht keine Ewigkeit zurückbrächte. Aber ein anderer Gesichtspunkt muß hervorgehoben werden. Eine Flotten Vorlage kann und wird die leidige Canal-Angelegenheit in den Hintergrund drängen, mit einer Unterhaltung über die Flotte wird man dies nicht erreichen. Schon meint die „Nationalztg.": „Die Nothwendigkeit einer starken Flotte ist nicht nachdrücklicher der Nation ein geschärft worden, als die Nothwendigkeit der Herstellung deS Mittellandkanals; man kann nicht den einen Appell an die öffentliche Meinung fallen lassen, ohne die Wirkung des andern zu beeinträchtigen." Letzteres ist falsch; denn bei der Flotte handelt es sich um eine Lebensfrage der deutschen Nation, während die Canalangelegenbeit eine nicht starke Minderheit berührt. Aber freilich, so lange, mit der „Nat.-Ztg." zu reden, „Appell" neben „Appell" steht, be hindert der eine die Wirkung des andern; nur wenn die Flottenangelegenheit zu einer Frage zugespitzt wird, auf die der Reichstag Antwort geben muß, wird der Unterschieb deS Gewichtes beider Angelegenheiten sich geltend machen. Die Canalsache und auch das Arbeiterschutzgesetz verbieten eS, die gegenwärtige Lage mit der von 1892/93 zu vergleichen, wo Graf Caprivi eine HeereSverstärkung auf eine Weise betrieb, die man jetzt copiren zu wollen scheint. UebrigenS, der zweite Kanzler hat seine HeereSvorlage nur mit Mühe und Noch durch gebracht und mit seinen Forderungen für die Deckung der neuen verursachten Kosten eine Niederlage erlitten. Freilich in der Finanzfrage schlägt die Regierung jetzt den entgegen gesetzten Weg ein: sie läßt stark betonen, daß ein Flottengesetz neue Steuern nicht nach sich ziehen würde. Das mag sein, erscheint uns sogar nicht unwabrscbeinlich. Aber an der Be deckungsfrage wird man auch diesmal — sei eS im Reichstag, sei es bei Neuwahlen — nicht vorbeikommen, und in dieser Rich tung erregen die Regierungsfedern bereit- Kopfschütteln. Sie haben eS glücklich dahin gebracht, daß schon jetzt, wo die Regierung über eine Flottenvorlage noch gar nichts ge sagt haben will, mit einem gewissen Scheine von Berechtigung in- Land hinaurgeschrien und geschrieben werden kann: „Wir bekommen einen höheren Getreidezoll, nicht weil die Landwirtbsckaft ihn braucht, sondern weil eine stärkere Be steuerung des Brodes zur Bezahlung der stärkeren Flotte uöthia ist." Wem mit der Möglichkeit zu solcher Täuschung und Erregung von Millionen gedient wird, braucht nicht gesagt zu werben. Die Regierung sollte ihren Publicislen ein eindringliches Privatissimum über die Elemente der Politik halten. Die Erwartung, daß man in England Verständniß für die kühle Höflichkeit haben werde, mit der der Kaiser da- an ihn gerichtete Telegramm seines Regiment- Royal DragoonS beantwort hat, erfüllt sich leider nickt. Die konservative „St. James Gazette" bemüht sich nicht nur, diese Antwort als ein Zeichen drr Freundschaft des Kaiser- für England zu deuten, sondern fügt diesem Deutungs- versucke noch etwas hinzu, für das sich nur schwer die rechte Bezeichnung finden läßt. Sie schreibt nämlich: „DaS Telegramm des Kaiser- an sein Regiment ist mehr ein Act der Höflichkeit als rin Act persönlicher Theilnahme. Kein ver nünftiger Mensch wird vermuthen, daß Wilhelm II. unseren Waffen Erfolg wünscht, weil wir Engländer sind und er eine besondere Zuneigung zu uns empfindet. Aber das Telegramm ist doch nicht ganz bedeutungslos. Jstes nicht an ein Regiment geschickt worden, das seinem Unwillen über die Ab sendung einer andern Depesche in so bezeich- nenderWeiseAuSdruckgegrben hat, daß der Kaiser jeden falls auch davon gehört haben wird? Und doch nimmt er die Gelegenheit wahr, um die Welt daran zu erinnern, daß er Oberst der britischen Dragoner ist. Er hätte das Telegramm schwerlich abgesandt, wenn er eS nicht als Zeichen von Freundschaft hätte aufgefaßt wissen wollen. Die Bot- schäft deS Kaisers, der bevorstehende Besuch — Alles weist auf eine freundschaftliche Haltung Deutschlands uns gegenüber hin. In dieser Haltung steckt freilich nichts von Sentimentalität. Das wünschen wir auch gar nicht. Deutschland — man sieht es wieder — ist rin praktische- Land, in dem närrische Leute immerhin Haß und Mißgunst gegen benachbarte Nationen säen können — die führenden Persönlichkeiten lassen sich ja doch nur von praktischen Erwägungen leiten." Die „Voss. Ztg." bemerkt hierzu, daß unter der „andern Depesche", die den „Unwillen" de- Regiments erweckt habe, die Depesche des Kaisers an den Präsidenten Krüger ge meint sei und daß die Kundgebung diese- Unwillens in der Besudelung des im Officiercasino der Royal Dragoons befindlichen Bildes des Kaisers bestanden habe. Wir erinnern unS nicht, von einem solchen Acte unerhörter Roh heit etwas gehört zn haben, und noch weniger können wir glauben, daß dem Kaiser auch nur von irgend einer Kund gebung des „Unwillens" der Officiere seines englischen Regi ments etwas zur Kenntniß gekommen sei. Jedenfalls aber weiß man in England etwas von einer solchen Kundgebung. Dadurch, daß man sich nicht sckeut, gerade jetzt auf sie hin- znweisen und sich den Anschein zu geben, als halte man die dem Kaiser abgenötbigte Depesche an den Regimentskommandeur für eine Verzeihung jener Kund gebung und mithin für eine» verschämten Widerruf des Tele gramms an Krüger, zwingt man die maßgebende Stelle in Berlin förmlich, sich nach der Form jener Unwillens-Kund gebung genauer zu erkundigen. Ob das Resultat der Erkundigung die Neigung des Kaisers, sein BesuchSversprecken zu erfüllen, verstärkt, lassen wir dahingestellt. Jedenfalls verstärkt die Auslassung der „St. James Gazette" die Be- sorgniß weiter Kreise in Deutschland, daß dec Monarch in England den gröbsten Insulten ausgesetzt sein werde, wenn seine Haltung und seine Kundgebungen den maßlosen Wünschen und Forderungen unserer „lieben Freunde und Vettern" jen seits des Canals nicht entsprechen. Seit Dienstag früh, wo der Kampf um Ladysmith noch fortdauerte, wartet man wieder vergeblich auf Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Auch amtliche Meldungen sollen seit den letzten Depeschen deS Generals White in London nickt eingetroffen sein, woraus man schließt, daß White voll ständig cernirt und die gesammten Telegraphen- und Bahnverbindungen zerstört worden seien. Da gleichzeitig daS Kabel zwischen der Delagoabai und Mozambique (wahrscheinlich durch die Boeren) unter brochen, sei der Verkehr mit Transvaal abgescknitten und nur auf das westafrikanische Kabel beschränkt. Zu den letzten Meldungen Wbite'S soll aber nock die gehören, daß er am Dienstag einen vergeb licken Versuch gemacht habe, nach Pietermaritzburg durchznbrechen. Nack dem Ein treffen dieser vom KriegSamt in London noch zurückgehaltenen Nachricht soll plötzlich ein außerordentlicher Kriegs- rath berufen worben sein, Weicker unter Salisbury'- Vorsitz und dem Beisitze Wolseley'S, sowie des Marine- unk KriegS- ministers die schleunigste Entsendung einer weiteren Division von 10 000 Mann mit 54 Geschützen beschlossen habe. General White sei angewiesen worden, Ladysmith zu halten, bis die nächste Verstärkung von drei Regi mentern in Capstadt am 6. November eintreffe. Die Frage ist nur, ob diese Verstärkungen ihn noch erreichen werden, da, wie schon erwähnt, die Bahnverbindung zwischen Durban und Ladysmith aller Wahrscheinlichkeit nach unterbrochen ist. Die Aufgabe von Ladysmith durch die Engländer wäre für diese ein schwerer Schlag. Der Ort wurde vor vier Jahren I von' den englischen Militärbehörden als ein strategisck wich tiger Punkt ausgewählt und dort ein befestigtes Militärlager angelegt, „das Aldershot von Südafrika", wie der „Daily Telegraph" sich ausdrückt. Ladysmith liegt in einem Thale, durch welches der Klip-Fluß, ein Nebenfluß des Tugela, fließt. Das MilitärLager befindet sich am Klip-Flusse, 3>/» km südlich von der Stadt. Inden letzten zwei Jahren sind im Lager ausgedehnte Befestigungen und Gebäude aufgefübrt worben, in denen 3000 Mann, 3 Batterien Artillerie und 1500 Pferde leicht untergebracht werden können. Ein Hospital und eine Kirche sind ebenfalls vorhanden. Die Lage deS Militär- Lagers scheint sich aber als strategisch ungünstig erwiesen zu baden, denn eS beißt, daß General White daS Lager verlassen und auf den dasselbe hufeisenförmig umgebenden Hügeln neue Erdwerke aufgeführt bat. Ein felsiger Hügelrücken schützt die Stabt von Norden her. Die Stadl selbst, welche 3284 Fuß doch liegt, hat eine Einwohnerschaft von 2000 Weißen und 3000 Schwarzen. Pietermaritzburg, wo sich die Regie rung von Natal befindet, ist 125 km weit entfernt. — Nach den letzten Schätzungen befinden sich in Ladysmith jetzt noch etwa 10 000 Mann mit 26 Geschützen, während auf der Linie Ladysmith-Durban etwa 3000 Mann stehen. Da» Armeecorps, dessen eine Hälfte sich bereits auf See be- finket, war ursprünglich nicht zur Verstärkung der Truppen in Natal bestimmt, sondern sollte in drei Abtbeilungen, von Capstadt, Port Elizabetb nnd East London auf den von diesen Orten ausgehenden Eisenbahnen gegen den Oranje-Frei staat vorgeben, von wo man eine Umgehung ter in Natal kämpfenden Boeren auszufübren und diese so zum Rückzüge nach Transvaal zwingen zu können hoffte. Sir NedverS Buller, der Oberbefehlshaber aller englischen Truppen in Südafrika, würde sein Hauptquartier zunächst in Capstadt aufschlagen, wo auch die erste Division unter Generalleutnant Lord Metbuen zwischen dem 6. und 13. November landen sollte, während die zweite Division unter Generalleutnant Sir C. F. Clery in Port Elizabeth zwischen dem 11. und 24. No vember und die dritte Division unter Generalleutnant Sir W. F. Gatacre in East London zwischen dem 10. und 29. No vember landen würden. In Folge der Niederlagen auf dem Kriegsschauplätze in Natal dürften in diesen Dispositionen wesentliche Aenderungen vorgenommen werden. — Mittler weile füllen englische Staatsmänner die Pause mit mehr oder weniger interessanten Reden ayS. So meldet man unS: * London, I. November. Der Ilnterslaatssecretär für d' Colonien Carl of Selb vrne hi lt gestern in Dumfries eine Re in der er aussührte, seit langen Jahren habe Transvaal z. Möglichstes gethan, um die Lupr«'^"1ie Englands in Sü asrika zu zerstören. Es lie^e nicht u.- den Lmatsmännrrn Boeren, wenn England seither iu keim Schmicrigkeiten irgend einer europäischen Macht verwtitelt worden Der Krieg sei unvermeidlich gewesen, und er jetzt nicht ausgebrochen wäre, tväre er . siche im Augenblick irgend einer nationalen Gefahr entbrV.f Staatssekretär für Indien Lord Hamilton sprach gestern . und sagte, das Blatt werde sich in Südafrika bald wenden (L , .. wenn England seine Bedingungen stellen werde, so wüwen die fremden Nationen sehen, daß eS das Hauptziel England gewesen sei, ein großes Land zum Nutzen der Menschheit von einer unedlen, erniedrigenden Tyrannei zu befreien. Eines Commentars bedürfen diese dreisten heuchlerischen Phrasen, die man schon bald auswendig kann, nicht. Sie werden überall für das erkannt werken, waS sie sind: Be mäntelungen der grenzen- nnd schamlosen englischen Beute gier, welche der Golk- und Diamantenreicktbum der Boeren- republiken nicht ruhen läßt. Von weit größerem Interesse ist folgende Meldung: * Edinburgh, 1. November. Bei einem zu Ehren der nach Südafrika abgehenden Officiere der Gordon Hochländer und der Fenilleton. Äuf freien Lahnen. 27> Roman von Rudolf von Gottschall. Nachdruck verboten. „Er ist's", rief «in« heiser« Stimme in dem Sturm, „ich wag' «s, ich muß mich einmal dem verwünschten Pavillon nähern, wo ich mich verkauft habe, verkauft, — ja, Herr Baron, eS läßt Ihnen keine Ruhe, wie mir. Sie haben mich zum Betrüger gemacht, hier wurde es verabredet, das Schändlich«. Ich fälsche das Kirchenbuch; Ihren Schatten habe ich schon oft heraufbeschworen mit meiner Interna maxiou, aber jetzt g«h«n Sie um in leib haftiger Gestalt. Und so schleudere ich Ihnen ins Gesicht den Schimpf, daß Sie mir den Frieden meiner Seele geraubt, daß Sie mich entehrt haben." „Sie sind von Sinnen, Blomer", rief der Baron, der den alten Magister sofort erkannt hatte. „Von Sinnen, ja, weil ich Sie seh« und erkenne, was den anderen Erdenwürmern versagt ist. Steigen Sie nur wieder herunter in Ihre Gruft oder empor in den Luftkreis, wo Sie mit den anderen Seelen hausen*welche die Erde noch in ihrem Banne hält. Ja, ihre wilde Jagd braust jetzt durch di« Wipfel — hussah, hurrah! Aber den wilden Jäger trag' ich in meiner Brust! Das ist mein Gewissen." Der Baron hatte schon immer den Lehrer nur für halb zu rechnungsfähig gehalten; er war außerdem der Baker de- der» haßten Timotheus und Siebeneck hatte nicht übel Lust, ihn aus dem Park hinauszujagen, doch er hatte da- dunkle Gefühl, daß der Alte im Besitze eines Geheimnisses sei, welches die freiherrlich« Familie betreffe. Der Sohn wußte, daß im Leben de» Vater» Vieles dunkel fei und daß dort nicht hineingöleuchtet werden dürfe; er sah ein, daß drr Geisterseher, für den di« Tobten noch lebendtg waren, ihn mit seinem eigenen Daker verwechsele. Und doch — so unsinnig seine Visionen sein mochten, sie knüpften doch an Er eignisse an. So bezwang der Baron seinen Groll, trat au» der Thür des Pavillons heraus und rief dem Lehrer zu: „Gehen Sie nach Hause, Blomer, Sie erkälten sich!" „Zurück, zurück", rief dieser, indem er ihm zur Abwehr die Hände entcwgenstreckte und glrickzeltia Schritt für Schritt zurück wich, „erklärten? Ja, mich durchsröstelt e» wirklich, sehe ich nur den Pavillon, wo ich meine Seele verkauft«, und die Schatten der Vergangenheit. Fort, fort, hinweg." Und wie ein gescheuchtes Wild floh der Lehrer jetzt durch die Parkgänge nach dem Dorfe und seinem Schulhaufe. Der Baron sckh in dieser unheimlichen Begegnung ein böses Vorzeichen. ES wollte ihm nicht gelingen, über den albernen Narren zu lachen; er war überzeugt, daß dieser nur «inen Schritt habe bis zum Hellen Wahnsinn, doch «r selbst war ja erregt bis zum Taumel, in dem sich Alles im Kreise droht«, seine Vergangenheit, sein« Zukunft, und wie «ine Ahnung beschlich es ihn, daß in sein Leben irgend ein verhängnißvolles Ereigniß treten werde. Drittes Capitel. Der Sturm, drr die ganze Nacht durch die Schlote des Schlosses herniederfuhr, Dachziegel auf die Terrasse streute und die Eichen des Parkes zuiammenschüttelte, hatte sich am Morgen noch nicht gelegt. Gleichwohl gaben die Herren den Plan nicht auf, das Gul zu besichtigen; ein leichter Wagen stand angespannt vor dem Schloßthor, und in ihre Mäntel gehüllt, stiegen der Gras, der Baron und Herr von Trautheim ein. Die Fahrt ging zum Theil über holprige Feldwege; dies sowohl wie der Sturm ließen die Unterhaltung nicht leoenvig werden; sie beschränkte sich auf da» Nothwendigft« und das Lob, welches der Baron seinen Aeckern spendete, mußte durch knappe Energie die eingehende Berichterstattung ersetzen. Herr von Trautheim frei'ich hielt sich für verpflichtet, so oft ihm auch der S arm d«n Athrm nahm,beharrlich einen Hymnus auf Siebeneck zu singen; er wurde nicht müde, hier den vortrefflichen Weizenboden, dort die sorgfältig« Drainage zu rühmen, auf den ergiebigen Torfstich der einen Waldwirse hinzuweisen und auf die neuen Anpflanzun gen in dem nach allen Regeln der Forstwirtschaft gepflegten Walde, und e.ne in den Brachfeldern werdende Schafheerde gab ihm willkommenen Anlaß, auf die vortreffliche Viehzucht hinzu» w-'.sen, die seinem Freunde zum Ruhme gereiche. Der Baron hörte daS Alles mit einer gewissen Beschämung und Genugtkuung an, wie «in Dichter, dem man in» Gesicht seine Schöpfungen preist. Der Gras mit den dünnen Lippen, um die ein leise», überlegene» Lächeln spielte, prüfte mit scharfen Augen uns fragte gelegentlich nach Zahlen, auf die ja zuletzt in der Welt Alle» rnkommt, nach den im Juni erzielten Wollpreisen und auch nick einigen anderen wirthschaftlichen Einnahmen. Der Baron konnte b«i weniqen Posten Rede stehen, verwies aber auf die vor» zulegenden W.rthschastSbücher. Al» guter Geschäftsmann hielt sich der Graf in Reserve, sparte mit einem Lob, das ja den Preis in die Höhe t:eiten konnte, und nur einmal, als sie durch das Vorwerk fuhren, zollte er den sauberen Neubauten, dem stattlichen Bauwerk von Scheunen und Ställen sein« Anerkennung. „Nun, wenn Sie einmal «verkaufen wollen", sagte er, „so bitte ich mir ein VortaufsrcHt aus. lieber den Preis werden wir uns schon einigen. Nur keine Vermittler, wie den Vagenow, der hinter allen Gu:skciufen steckt und dabei seine Procente rafft." Der Vagenow? War's nicht der, welcher seiner Frau je-i in so herausfordernder Weise den Hof macht«? Hatte ihm Trautheim nicht mehrmals davon gesprochen? Der Baron wurde nach- drnklich. „Der Vagenow? Nun, wenn er sich irgendwie eindrängt, wir Wersen ihn schor, aus dem Wege zu räumen wissen." Trautheim nickte zustimmend; er drückte dem Baron als Bundesgenosse die Hand. Er wollte schon als Spürhund seiner Fährte folgen und gelegentlich das Wild schußgerecht machen. Ter Graz achtete nich: auf das Zwischenspiel, ihn beschäftigte der schlechte Zustand der Wege. Der leichte Wagen krachte in allen Fugen; dann ging es jäh in einen Graben hinunter. Der Graf berechnete, daß er von dem Kaufpreise beträchtliche Summen für die Wegebesserung werde abziehen müssen. Der Baron schien hierauf nie sein Arqenmerk gerichtet zu haben — «ine bedrak iche Unterlassung in einem Zeitalter, das in dem Zeichen oeS Verkehrs steh«. Gelegentliche Knüppeldämme, da» war doch zu altmodisch und nervenerschvttcrnd. Um den Grasen für seinen etwaigen GutSkauif bei guter Laune zu erhalten, karte der Baron ein Frühstück mit den kostbarsten Weinen aus seinem Keller zurichten lassen, denen die Herren nach der Rückkehr von ihrem Umritte fleißig zusprachen. Jetzt wurde drr Baron beredt, doch der Wein übte noch eine andere Wirkung auf ihn auS; die gereizte Stimmung, in der er sich befand, trat in «irrer oft lärmenden Weise hervor. Er duldete nickt den ae- rirrgsten Widerspruch und gerade sein Freund Trautheim, der nie eine Gegenrede wagte, der jetzt aber sich einen leichten Rausch anaurunkin hatte, zeigte auf einmal eine befremdende Selbst ständigkeit in seinen Ürtheilen. DaS erbitterte den Baron; er machte dcrauS kein Hehl, und «S kam fast zum Bruch zwischen den beiden Freunden. Der Graf, der seine unerschütterliche Ruhe bewahrte, suchte das Gespräch auf gleichgiltige Dinge abzulenken, doch er konnte nicht hindern, daßTrauHeim sich entschloß,zum nächsten Zuge zur Bahn zu fahren und drr Baron auch bereitwillig anspannen ließ. So wurde der auf längere Zeit berechnete Besuch plötzlich adgr- kürzt. Den Grafen aber begleitete der Baron zu Pferd« bis an die Grenzen seiner Besitzung. Der Ritt that ihm wohl, doch der Graf mußte ihm bisweilen einen bedenklich fragenden Blick zu werfen,so überschwänglichwaren oft seineAeußerungen, somaßloS sein ganze» Benehmen; so wild jagt« er bisweilen unter irgend einem Vorwande über die Felder und kehrte dann wieder auf den Weg zu seinem Gaste zurück; die schweren Frühstücksweine, der Malaga und Madeira, hatten es ihm angethan. Wohl wahrte er das Gleichgewicht im Sattel, doch das war die Sache langer Uebung und sicherer Reitkunst; der Graf hielt ihn für berauscht und verabschiedet« sich von ihm, indem er ihm Vorsicht anempfahl. Der Schimmelhrngst sei ein Durchgänger, er scheine heute seinen wilden Tag zu haben. In der That ritt der Baron nicht nach Hause, er übergab sein Pferd dem nachfolgenden Reitknecht und ging auf einem Dammwege den drainirten Aeckern zu. Hatte doch Trautheim in dem plötzlichen Oppositionsgeist, den er sich an getrunken, an der Drainage Vieles ausgestellt. Der Gutsherr wollte sich noch einmal überzeugen, daß er in seinem guten Rechte war, als er den Tadler energisch zur Ordnung gerufen. Die Legung der Drainirröhren war nachdem neuesten System vor sich gegangen, die Drainhauben in bestem Stand — um so weniger Anlaß zu Nörgeleien hatten die guten Freunde, und es versetzte sein Blut in Wallung, als er an die aufsässigen Bemerkungen des sonst so harmlosen Trautheim dachte. Dabei glaubte er zu be merken, daß die frische Luft seine Gedankengänge etwas ins Schwanken gebracht hatte und daß auch sein Tritt nicht so fest, war wie sonst; bisweilen geriethcn die Felder ringsum in eine drehende Bewegung und er hatte Mühe, ein Birkengehölz, das ihm mit seinen weißen Stämmen im Kopf herumschwirrte, wieder an seine rechte Stelle zu rücken. Dabei fuchtelte er mit der Reit peitsche in der Luft herum, um aller Welt zu beweisen, daß er noch Herr seines Willens sei und überhaupt der Herr und Gebieter hier, der keinen Widerspruch duldet. Er schritt jetzt auf dem Grenzrain, der Siebeneck von dem Nachbargut Dalldorf trennte. Da kam ihm etwa» entgegen, ein Spaziergänger im sandfarbenen Ueberrock, langsam dahin schlendernd, aber doch beweglich, unruhig in seinem Wesen. Da war offenbar «in auf» Land verschlagener Städter, der hier frische Lüft schöpfen wollte. Er sah bi»weilen zum Himmel empor, wo der Wind noch immer verwehtes Gewölk hin- und her peitschte. Da plötzlich — die Beiden hatten sich einander genähert, der Baron erkannte ihn! ES war Timotheu» Blomer, der unselige Mensch, der seine Cirkel bei ValeSka zerstört hatte, der außerdem mit seiner Frau im Complot war gegen ihn. Ein Gefühl un beschreiblichen Hasse» erfüllte den Baron. Diefer aufdringliche Schulfuchser, der es gewagt, sein Nebenbuhler zu werden, ein gar nicht auSzudenkender Gedanke, grenzenlos beschämend für einen Edelmann, der sich mit einem solchen ungebildeten Dorfkind, einem namenlosen Sohn der Ackerkrume, in rin« Linie stell«»
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