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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991107022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-07
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Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-actio» un- Expedition: Johannisgasfe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemms Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. WpMcr TaMlÄ Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Vatizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigemPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedactionSstrich ^ge spalten) 50^z, vor den Familieunachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, nnt Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 588. Dienstag den 7. November 1899. 83. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. November. ES ist nicht leicht für uns, zu der so überraschend auf geworfenen, zur größeren Hälfte schon wieder verschwundenen Postmarkenfrage Stellung zu nehmen. Daß es einen Fortschritt nach der idealen Seite bin bedeuten würde, wenn auf dem weitaus am häufigsten gebrauchten und populärsten Gebühren stempel die politische und wirtbschastliche Einheit Deutsch lands zum Ausdruck käme, versteht sich von selbst. Und was den praktischen Punkt betrifft, so ist ohne ZweiselS a chse n dasjenige deutsche Land, das mit Bayern den regsten Kleinver kehr unterhält und daher an der Beseitigung der die Bewerk stelligung kleiner Zahlungen behindernden Berschiedenheit der Postwerthzeichen vaS stärkste Interesse hat. Aber, von der einen wie der anderen Seite betrachtet, wäre das Aufrollen dieser Frage durch daS Neichspostamt nur dankcnswerth gewesen, wenn eS Erfolg gehabt hätte. Das ist Bayern gegenüber sicherlich nicht der Fall. Ob Württemberg, nachdem der weit größere Neservatstaat sich abgeneigt gezeigt hat, seine eigenen Pvstmarken fahren läßt, ist zweifelhaft, unzweifel haft dagegen ist, daß das vergebliche Herantreten an Bayern, insbesondere die verfrühte Inanspruchnahme der Oeffent- lichkeit, politisch fatale Erscheinungen sind. Wenn man der Welt von derartigen, um delikate Dinge sich drehenden Neuerungen Mittheilung macht, muß man den Erfolg schon in der Tasche haben. Statt dessen hat man — wer, ist nicht genau zu erfahren — Lärm schlagen lassen und der altbewährten Un geschicklichkeit gewisser Berliner Zeitungen in der Behandlung bayerischer Eigenthümlichkeiten Gelegenheit zur Bethätigung gegeben, ehe der geringste Bersuch gemacht worden war, sich über die Chancen der Action zu unter richten. Die Ausdrücke, „anklopfen" und „Fühler auS- strecken" scheinen aus dein Berliner diplomatischen Wörter buche gestrichen zu sein. Es ist aber nicht nur unterlassen worden, die bayerische Regierung zu sondiren, man hat sich nicht einmal vergewissert, wie die bayerischen Handelskammern über die Sache denken; nach der „AugSb. Abendztg." würden sie sich nicht für die Bereinhcit- lichung der Postmarken ausgesprochen haben. Angesichts dieser Sachlage muß man der Münchener Negierung noch dankbar sein, daß sie daS Neichspostamt vor ter qualificirten Blamage bewahrte, die cs erlitten hätte, wenn die bayerische Regierung ihre Entschließung von dem Gutachten der Handelskammern abhängig gemacht haben würde. Es handelt sich offenbar wieder um eine Improvisation, einen „Einfall". Daß das preußische StaatS- ministerium „dieser Sacke vollständig fern steht und über haupt nicht damit befaßt war", hat die „Köln. Ztg." init- getheilt. Sonderbarer Weise hat aber daS Blatt diese Versicherung zum Zwecke der Beschwichtigung, zur Ent schuldigung des Neichspostamts abgegeben. In Wahrheit liegt ein erschwerender Umstand vor; denn in einer Frage, die das bundespolitische Berhältniß berührt, sollte und müßte das preußische Ministerium gehört werden. Wenn die „Köln. Ztg." von der allein zuständigen Reichsbehörde, die die Angelegenheit in die Hand genommen, sprach, so meinte sie offenbar das Reichspostamt. Diese Ausfassung ist jedoch falsch, verfassungswidrig. Die zuständige Reicksbehörde ist einzig und allein der Reichskanzler, dessen Vollziebungs- organ der Staatssekretär deS Reichspostanils ist. Und daß Fürst Hohenlohe in diesem Falle die Initiative ergriffen, glauben wir bis auf Weiteres ganz und gar nicht. Den Reichs ¬ kanzler hätte seine Kenntniß des Münchner Terrains und der Stimmung in Bayern Wohl abgehalten, durch das Aufwerfen einer im Grunde doch nicht sehr wichtigen und jedenfalls nicht dringlichen Frage dem Particularismus Nahrung zu zuführen. Diesen Effect aber hat, wie auch die warm nationale „Augsb. Abendztg." zugiebt, der Schritt deS Reichs postamts gehabt; zeigte sich doch sogar ein als „verpreußt" verschrienes Blatt wie die „Münchner Neuesten Nachr." von dem Berliner Antrag peinlich berührt. Wer das heutige Bayern kennt, wird die Befürchtung dieses Blattes, daß durch eine solche Reform „neue politische Kämpfe heraufbeschworen" würden, in der That nicht für übertrieben erachten. Es bleibe dahingestellt, ob cs als eine besondere Aufmerksamkeit für das in Reichssachen correcte jctzige bayerische Ministerium gelten darf, das; man ihm seine durch die Landlagswahlen, die dem particularistischen Eentrum die Kammermehrheit brachten, gehäuften Schwierigkeiten um eine mehrte; jedenfalls hatten die „M. N. N." Recht, wenn sie im Hinblick auf die Flottenfrage den Augenblick als schlecht gewählt bezeichneten, „eine solche subtile Angelegenheit" wie die Markenfrage einer Lösung eutgegenzusühren, deren praktische Vortheile in keinem Verhältnisse zu den dadurch sich erhebenden „häuslichen Zwistigkeiten" ständen. Und nicht minder Recht hat die „Augsb. Abdztg." mit ihrem Ausruf: „Wenn eS nichts Wichtigeres im Reiche gäbe, als diese Frage, so könnten wir froh sein." Es giebt bekanntlich auch außer der Flottenangelegenheit Wichtigeres im Reiche, z. B. daS Arbcitswilligengesetz, und in Preußen giebt es den die Durchschnittsregierungskräfte ausreichend be schäftigenden bösen Eanalconflict. Hui ti op emdurasss . Die Markenangelegenhcit ist in der Hauptsache ins Wasser gefallen, Herr v. Podbielski hat sich nur ganz kurze Zeit beim Ministerpräsidenten Frhrn. v. Crailsheim aufzu halten nöthig gehabt, was auch nicht eine für jeden Deutschen angenehme Kunde ist. Jetzt, nach dem Fiasco, sucht man sachlichen Ausgangspunkt. Die „Münch. N. N." thun Herrn v. Podbielski den Gefallen, auf die Ersparniß, die mit der Herstellung einheitlicher Postwerlhzeichen verbunden wäre, zu verweisen und hinzuzusügen: „Die Reichspostverwaltung hat sich auch noch aus Gründen, die in der Entwickelung des Weltpostvereins zu suchen sind, zu der Ausrollung der deutschen Vriefmarkenfrage entschlossen. Der wahr- scheinlich 1902 stattfindende Weltpostcongreß wird voraussichtlich über die Einführung eines einheitlichen Postwerthzeichens für die Länder gleicher Währung zu beratben haben, und die Frage der Einführung eines einheitlichen Postwerthzeichens im Verkehr zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn ist bekanntlich auch auf der Tagesordnung. Mit Rücksicht auf diese viel weitergchenden Projekte, die der Verallgemeinerung und Aus dehnung des Verkehrs ihre Entstehung verdanken, hielt das Reichs postamt die Zeit für gekommen, wenigstens innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches eine Einheitlichkeit der Postwcrthzeichen an streben zn sollen." In Wirklichkeit liegen jene internationalen Vereinbarungen noch in weiter Ferne. Und kommen sic zu Stande, so ist der Augenblick da, wo Bayern ohne die Bedenken, die es nun einmal hat, seine Marken aufgeben kann. Gerade, wer hofft und voraussieht, Herr v. Podbielski, hätte jetzt die Sache ruhen lassen müssen. Während, wie im heutigen Morgenblatte mitgetheilt ist, die „Nordd. Allgem. Ztg." versichert, der Staatssekretär Gras Bülow stehe iu der Tnmoa-Frage noch jetzt aus seinem von Anfang an eingenommenen Standpunkte und sei daher ebensowenig wie früher gewillt, die deutsche Stellung in Samoa aufzugeben, wird uns von einer Seite, die wir für genau unterrichtet zu halten Anlaß haben, telegraphisch gemeldet, die Veröffentlichung des zwischen Deutschland und England bezüglich Samoas getroffenen Abkommens tehe unmittelbar bevor. Ist diese letztere Meldung richtig, so weckt sie die Besorgniß, daß der Einfluß jener Kreise, die dem Kaiser auf seine Reise nach England gar zu gern ein Geschenk für die durch Maul- und andere Esel in Südafrika in so schwere Bedrängniß versetzten Engländer mitgcben möchten, den Sieg über den Einfluß des Herrn v. Bülow davongetragen habe, von dem übrigens ein Gewährs mann der „Münchener Allgem. Ztg." behauptet, er sei „fest entschlossen", die deutsche Stellung auf Samoa nicht nur zu behaupten, sondern auch zu verbessern. Wie tief es zu be klagen wäre, wenn wirklich diese „feste Entschlossenheit" einer plötzlichen Nachgiebigkeit gewichen wäre, geht schon daraus hervor, daß der Berliner „TimeS"-Correspondenl erklärt, schließlich könnte es doch England sein, welches seine» Antheil an Samoa gegen eine Compensatio» von Seiten Deutschlands abgäbe. ES ist höchst bedauerlich, daß der Reichstag noch nicht wieder zusammengetreten und mithin außer Staude ist, über den Stand der Samoa-Frage Aufschluß zu verlangen und dabei ein kräftiges Wort gegen ein Samoa-Abkommen zu sprechen, das auf der „Höhe" des Zanzibar-AbkommenS stünde. lieber die Vorgänge auf dem Kriegsschauplätze zeigt sich der Telegraph auch heute auffallend redselig, aber was er berichtet, sind nur weitere Versionen der schon gestern mitgctheilten Meldungen vom Donnerstag und Freitag, offenbar darauf berechnet, durch Aufbauschung einiger für die Engländer vortheilhafter Einzelheiten während der Ausfalls kämpfe an den genannten Tagen das entscheidende End resultat zu verschleiern, welches in dem Rückzüge der Engländer von Colenso nach Estcourl und der völligen Ein schließung von Ladysmith besteht. Wir lassen die Meldungen hier folgen: , * Loudon, 7. November. (Telegramm.) Die „MorningPost" meldet aus Pietermaritzburg vom 4. d. M.: Es geht das Gerücht, daß die Boeren eine empfindliche Schlappe am Donnerstag bei Ladysmith erlitten und daß auch am Freitag die englischen Truppen erfolgreich gefochten hätten. * London, 7. November. (Telegramm.) Das „Reuter'sche Bureau" meldet ans Estcourt (Natal) vom 4. d. M. Mittags: hier ist soeben ein glaubwürdiger Bote aus Ladysmith eingetrosfen, der während der letzten Nacht durch die Linien der Boeren ge drungen ist. Er berichtet, daß am Donnerstag ein heftiges Gefecht rings um Ladysmith geliefert worden sei. Nm heißesten war der Kampf bei Tathams-Farm im Westen von Ladysmith. Die Engländer trieben die Boeren, die schwere Verluste erlitten, in ihr Lager zurück. 30 berittene Boeren wurden zu Gefangenen gemacht. Am Freitag wurde das Gefecht wieder aus genommen. Tie Boeren feuerten vom Nosdwathsana-Berg in der Nähe von Sepworth-Farm aus. Der Feind wurde wiederum mit Verlusten nach dem Lager znrückgctri eben. Ein starkes EommanLo mit Artillerie hat au der linken Seite des Lagers eine Stellung eingenommen, die drei Farmen gegenüber Bestcr-Station beherrscht. Ein kleines EommanLo hat an der Südseite von Pieter-Station ein Lager bezogen, das die Eisen bahn beherrscht. Bei Colenso sind keine Verluste erlitten worden. Eine Abteilung Marinemannschaften mit Ge- schützen kehrt heute zum Schutze der Einwohner nach Pieter maritzburg zurück. Die Verluste der Boeren an Tobten, Vcr- mundeten und Gefangenen in dem Gefecht bei Tathams-Farm sollen 800 Mann betragen. " London, 7. November. (Telegramm) „Daily News" melden aus Estcourt vom 3. d. M.: Bevor die Räumung von Colenso beschlossen wurde, machte der Feind einen Versuch, die Vorpostenkette der Infanterie abzuschneiden. Die kleine Truppenabtheilung erhielt aber rechtzeitig erfolg reiche Unterstützung. Das Feuer der britischen Geschütze war wirksam: viele Boeren sielens und ein Dutzend der selben wurden als todt aus dem Kampfplatz zurückgelassen. Dem Feinde wurden außerdem 20 Pferde getödtet, die Uebrigen gingen durch. Der Rückzug der britischen Streitkräfte von Colenso wurde hauptsächlich deswegen beschlossen, weil der Feind eine lange Reihe von Geschützen aufgestellt hatte, die di» Stellung unhaltbar machten. DaS letztere Eingeständniß ist das einzig Essentielle an der ganzen Meldung. Noch viel bedeutungsvoller aber ist die als anscheinend belanglos so nebenbei eingeslreute Be merkung, daß die schweren Marinegeschütze, welche den Vocren angeblich so vielen Schaden zugefügt batten, wieder nach Pietermaritzburg, der Hauptstadt Natals, dem letzten größeren Vorposten vor Durban, zurückgebracht werden mußten, um die Stadt zu schützen. Da muß man doch zwischen den Zeilen lesen, daß am Freitag und den folgenden Tagen noch mehr vorgegangen ist, als der Telegraph zuge- stehen will. Die Meldung von dem Rückzug der Marine- Artillerie datirt vom Freitag, also schon am 3. November, während die angeblich für die Engländer siegreichen AuSfallö- gefechte bei Ladysmith slattfanden, muß Pietermaritzburg be droht gewesen sein und heute schreiben wir den 7. November! Offenbar verfolgen die Boeren die fehr richtige Tactik, ihre zesammte Hauptmacht nicht vor Ladysmith fcstzulegen, sondern dort nur so viel Truppen zu lassen, wie nöthig sind, um die Cernirung aufrecht zu halten, während die entbehrlichen Mannschaften bereits weiter nach Süden vorge drungen sind und sich schon in bedenklicher Nähe von Durban zeigen. Wenn auch die Privatberichl- erstatter der Londoner Blätter nichts mehr über die Ereig nisse vom Freitag an berichten, so läßt dies nur darauf schließen, daß ihre Telegramme mit Beschlag belegt und auch solche mit Deckworten nicht mehr durckgelaffen werden. Es giebt ja eine ganze Reibe von Mitteln, um in der unverfänglichsten und unauffälligsten Form die wichtigsten Meldungen selbst durch ojficiclle Canäle zu bringen, die angeblich dem Correspondcnleu so gut wie voll ständig verschlossen sind. Wenn trotzdem jetzt alle Nachrichten überhaupt fehlen, so heißt daS einfach, daß selbst Meldungen wie „Bruder verwundet, Abreise morgen" und ähnliche Sachen nicht mehr durchgelassen werden. Die eben citirlcu vier Worte würden bedeutet haben: „White geschlagen, ist im Begriff, Ladysmith zu räumen." Vielleicht ist das Schicksal von Ladysmith jetzt schon entschieden. — Unterdessen nimmt die Bewegung der Boeren in der Capcolonie zu Gunsten ihrer Frei- staater und Transvaaler Genossen einen bedrohlichen Umfang an. Noch ehe der erste Schuß gefalle» war, halten etwa 800 Boeren au verschiedenen Punkten des Betschuanalan des die heimathlichc Grenze überschritten und sich den feindlichenCon- Feuilleton. Auf freien Lahnen. 31s Roman von Rudolf von Gottschalk. Nachdruck verbot-n. „Verrücktheit mit zusammenhängenden Wahnideen", sagte der Doctor, „er ist ein Spiritist und zwar saß er schon immer auf der äußersten Rechten der Geistergläubigen. Es giebt ja Vrsionaire, die ungefährlich sind, auch wenn sie rin im Wind wehendes Handtuch für ein Gespenst halten. Ihr Herr Vater aber ist im Jenseits zu Hause wie auf den Landwegen oder Holzwegen, auf denen er alle Tag« spazieren geht. Die Leute von hier und die Geister von drüben sind ihm ganz gleichartige Geschöpf«, er macht da weiter keine feinen Unterschiede." „Und wie kommt es, daß der Tod des Barons ihn plötzlich so aufgeregt hat?" „Jedes ungewöhnliche Ereigniß kann bei den Geisteskranken solcheAufregung Hervorrufen und nun gar ein etwas räthselhafter Vorgang, wie der Tod des Barons. Er hat ihn vielleicht herberbeschworen aus den Pforten des Jenseits und ihn um Auskunft gefragt und der Mann hat ihm nicht Bescheid geben wollen." „Und welche Hoffnung für die Genesung meines armen Vaters können Sie mir geben?" Schlomiller gehört zu den skeptischen Aerzten, er zuckte mit den Achseln. „Einen Armbruch kann man heilen, auch eknen Schädel, aus dem das Gehirn hervorquillt; doch das Gehirn hat so viele dunkle Regionen. Wir haben die Geisteskrankheiten sorg fältig rubricirt, aber curiren, das ist etwas ganz Anderes. Es werden ja Biele als geheilt aus den Irrenanstalten entlassen; doch ob sie nicht bald darauf wieder erkranken, danach frägt man nicht. So recht vernünftig wird Keiner wieder — und das ist auch nicht zu verlangen, da es überhaupt nicht allzu viele vernünftige Menschen giebt und die ganze Welt uns oft als «ine psychiatrisch« Klinik erscheint. Fixe Ideen im Großen und Kleinen — geschichtliche Helden, Künstler, Bierphilister bis zu den Straßenkehrern hinab, Alles hat seinen Sparren. Doch man geht sicherer, wenn man die Verdächtigen einsperrt — da weiß man doch, was man hat. In der That, mein Fräulein, ihr Vater gehört in eine Anstalt; vielleicht heilt ihn trotz der vielen Aerzte dort die Natur, und wenn er Geister beschwören will — ich glaube, die Narren sind die besten Medien. Im Ernst, ich räche dazu und nach dem heutigen Scandal wird man ihn überhaupt nicht frei Herumlaufen lassen. Dafür sorgen schon der Staat und die Kirche. Die unteren Beamten müssen soviel Verstand wie möglich haben; nur an den oberen Stellen ist etwas Verrücktheit erlaubt." Das Gespräch war leise geführt worden jetzt wandte sich der Arzt dem Krankem zu, der sich beruhigt zu haben schien . fragte ihn aus mit jener Raffinirtheit, welche die Irrenärzte noch vor den Untersuchungsrichtern und Ketzerrichtern voraus haben. Die Glocken begannen zu läuten, der Sarg wurde wohl gerade in der Erbgruft beigescht. „Sie haben ihn jetzt, die Geister, er zeigt auf seine blutige Kopfwunde! Wehe dem Schuldigen, wehe dem Schuldigen — sie rufen mit drohenden Geberden — und zeigen dabei auf mich — auf mich!" Der Arzt nickte zustimmend und wandte sich dann zu Eulalia. „Es ist Paranoia, zweifeln Sie nicht! Ich werde sofort an unsere Provinzialirrenanstalt berichten, man wird ihn abholen. Die beiden Männer lassen Sie vorher nicht fort — solche Kranken sind oft widerspenstig." Die Glocken läuteten. Der Vater phantasirte, doch in ruhigem Ton. Eulalia saß in Schmerz versunken. „Wohin ist mir Timotheus verschwunden? . Ach eS ist schrecklich, so allein in der Welt zu sein." Sechstes Capitel. Der Sturm heulte vom Stadtpark herüber und rasselte an den Fenstern, hinter welche Alice ihre Blumen gestellt. Der milde Winter hatte noch nicht seine Blumen auf die Scheiben gemalt. Da er aber das Schnecgewand von Hermelin und den Diamant schmuck von Eisbrillanten nicht angelegt, brauchte er vor dem Sturm nicht Furcht zu haben, daß er seine Toilette ruiniren könne, und dieser benahm sich desto ungeberdiger, indem er die Bäume zusammenschüttelte und ungestüm an die Häuser pochte glücklich, wenn er ein lockeres Doppelfenster in Scherben auf die Straße schleudern konnte! Den Vorübergehenden warf er die Mäntelkragen über den Kops, und wenn er e-"fiie Regentichauer hinunterstreute, so wußten die Frauen und Mädchen, denen er die Röcke zerzauste, sich ^gen die doppelte Feindseligkeit nicht er folgreich zu wehren und boten mit den umgeklappten Regen schirmen. die sie krampfhaft fesihielten, ein Bild vollkommener Hilflosigkeit dar. Es war ein melancholffcheS Wetter und Alice war in tiefe Schwermuth versunken. In der Hand hielt sie einen Brief der treuen Dora, welche über die Auflösung des ganzen Hauswesens in Siebeneck klagte. Schon aus den Blättern hatte Alice die Schreckenstunde erfahren, daß ihr Vater zur Zuchthausstrafe ver- urtheilt worden sei. Sie war darauf gefaßt gewesen, und doch durchschauerte es sie, als sie schwarz auf weiß die Nachricht las; sie war davon betäubt, wie von einem niederschmetternden Schlage. Der Vater hatte feinen Derthndiger mit der Ordnung seiner finanziellen Angelegenheiten betraut. Doch das war ja der vollständige Ruin und nichts blieb für die Tochter übrig. Wie Dora schrieb, tonnte man sich dort im Haus: nicht lassen vor Gläubigern, Rechtsanwälten, Executoren, und auf dem Hause selbst schienen mehr Hypotheken zu ruhen als Ziegel auf dem Dache. Alles verloren! , Auch dem Timotheus war Dora mehrmals auf der Dorfstraße begegnet, er hielt sich also dort auf dem Lande auf. Ob er arbeitete, ob er an sie dachte, ob diese Zeitungsnotiz erneute Beunruhigung in ihm hervorgerufen? Ob die letzte innige Begegnung nur ein vorüberraufchender Augenblick des Glückes gewesen? Warum schwieg er seitdem beharrlich und verließ die Stadt, ohne ihr ein Wort davon zu sagen? Er war ja ihr Alles; er war ihre Zukunft, ihre einzige Hoffnung in einer trostlosen Gegenwart. Denn beim Theater verdunkelten sich ihre Aussichten von Tag zu Tage mehr. Die Merscheid hatte glänzend gesiegt; inan sprach davon, daß sie den Director heirathen werde. Alice erhielt keine neuen Rollen mehr; Kreuzmaier brauchte keine Galle in seine Recenstonstlnte zu thun, sie bot ihm keine Gelegenheit zu neuen vernichtenden Kritiken, sie spielte nur noch wenige bereits be sprochene Rollen und gehörte im Uebrigen zu den Spazier gängerinnen, die, wie es beim Theater heißt, der armen Direction das Geld aus der Tasche zogen, ohne das Geringste dafür zu leisten. Und nun kam eine empörende Zumuthung, sie sollte eine kleine Kammerzofenrolle, die Nicht viel mehr war als eine An- melverolle, in einem neufranzösischen Drama spielen. Der Director behauptete, in seinem contractkichcn Rechte zu sein: denn diese Rolle passe zu ihrer Individualität, und das Ensemble ge winne, wenn eine neue anmuthige Darstellerin sie spiele. Doch Allee weigerte sich hartnäckig; bei den fortwährenden Zurück setzungen, die sie erfahren, würde es beim Publicum den Anschein erwecken, als sei sie von jetzt ab nur für ein zweites und drittes Fach «ngagirt. DaS war eine neue drohende Wolke, die über ihrem Haupte schwebte — dieser Konflikt mit der allmächtigen Direction! Als Alice solchen trüben Gedanken nachhing, ließ sich Fräulein Sieber bei ihr melden. Die junge Dame war ihr sehr sympathisch; sie war mit ihr viel bei einer Freundin zu sammengetroffen, welche in den Concerten des Frauenvercins mitzuwirten pflegte. Offenbar veranlaßte ein ähnliches Anliegen diefen Besuch. Das verstimmte Alice; sie bedauerte von vorn herein, eine abschlägige Antwort geben zu müssen. In der That, Fräulein Sieber bat um die Mitwirkung der Künstlerin in einem Concert des neugegründeten Frauenheims. Der Vortrag eines Prologs und einiger lyrischer Gedickte würde der neuen Gründung zu Gute kommen; eine so beliebte Künstlerin wie Alice Satorin werd: jedenfalls eine außerordentliche Zug kraft ausüben. „Sie irren, mein Fräulein", sagte Alice; „wenn es mir auch schmeichelhaft ist, daß man in einigen Kreisen noch an mich denkt, doch von dem Director bin ich seit längerer Zeit kalt gestellt, von der Presse unfreundlich behandelt worden; das Publicum hat den Glauben an mich verloren uns ich würde auf Ihrem Programm eine todte Nummer sein." „Wir wissen Ihr Talent zu schätzen, Fräulein, ich selbst stelle Sie hoch über unsere anderen Darstellerinnen. Das Zarte und Sinnige Ihres Wesens macht Sie zum Liebling aller fein gebildeten Kr-ffe." „Die aber selten das Theater besuchen; die große Menge will derbere und nahrhaftere Kost, als ich sie zu bieten vermag," „Und so lassen Sie mich vergeblich bei Ihnen anklopfen?" „Ich bedauere, liebes Fräulein, Sie sind eine der Wenigen, in deren Nähe das Herz uns aufgeht, und ich möchte Ihnen so gerne jeden Wunsch erfüllen. Doch Sie wissen wohl, in welcher irostlosen Stimmung ich mich 'befinde; es ist -mir unmöglich, vor das Publicum hinzutreten, ich möchte mich aus der Welt in die entlegenste Einsamkeit flüchten. Und jeder künstlerische Auf schwung ist mir unmöglich; etwas Halbes, Verfehltes kann Ihrer Unternehmung nur zum Schaden gereichen." „Das thut mir herzlich leid, doch wollte ich Ihnen schon immer mein Bedauern aussprechen, daß Sie sich von unserer Frauen bewegung so fern halten, wahrscheinlich Anstoß nehmen an ein« zelnen Uebertreibungen und Ausschreitungen —" „O nein, mein Fräulein, doch was Sie erreichen wollen, haben wir ja längst erreicht: die Freiheit selbstständiger Thätig- keit! Wir Künstlerinnen marschiren ja an der Spitze der Frauen bewegung und haben sie durch die That vertreten lange vorher, ehe sie in Fluß kam, ehe ihre Vereine begründet, ihre Forderungen gestellt wurden. Doch wir haben auch das volle Maß der Leiden erschöpft, di« mit solcher Freiheit verbunden sind." „Und doch sollten Sie sich nicht ausschließen von unseren Le»
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