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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991108018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-08
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Reclamen unter demRedactionsstrich (4go- spalten) 50^z, vor den Familiennackrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. ^xtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Ännahmeschluß für Änzeizen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. P Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Srpeditio« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang, „Proletarierkrankheit." vr. X. Schlagworte und Gemeinplätze sind immer das be quemste Kampfesmittel gewesen in Zetten politischer oder socialer Erregung. Wo wirkliche Sachkenntnis fehlt, wo man sich die Mul-e nicht nimmt, oft verkündet« und immer wieder nach gebetete Bel)auplungen auf ihre innere Berechtigung zu prüfen, da wird geschickt ein Schlagwort in die Massen geworfen, das nur zu gern von diesen wie ein Evangelium gläubig hin genommen wird. Denkfaulheit und mangelnde Kritik gegenüber Allem, was in der Parteipresse zu lesen steht, thun dann das Ihrige, um die unrichtige Anschauung zum unvergänglichen geistigen Besitzstand werden zu lassen; das Gesetz der Trägheit herrscht ja nicht in der unbelebten Natur allein. Bei Gelegenheit des Berliner Tuberculosecongresses haben wir häufig das schlimme Wort von der „Proletarierkrankheit" hören müssen, und erst vor wenigen Wochen ist es wieder auf dem socialdcmokratischen Parteitage von Bebel gebraucht worden. Ob es angebracht war, gerade in einer Zeit, wo von Angehörigen der besitzenden Klassen die großartige Agitation zur Bekämpfung der Tuberkulose als Boltskrankheit in die Wege ge leitet wurde, die unerwiesene und verbitternd wirkende Behaup tung in die Massen zu bringen, das mögen Die, die es angeht, mit sich selber ausmachen; wie es aber um die tatsächlichen Unterlagen jener Ansicht aussieht, darüber dürften einige Worte nicht ganz unnütz sein. Die Meinung ist ja nicht neu; schon Lombard hat in den 30er Jahren aus den kleinen Zahlen einer Genfer Statistik herauslesen wollen, daß die Tuberkulose in der besitzlosen Classe ungefähr doppelt so oft vorkomme, wie unter den Wohlhaben den. Seme Schlußfolgerungen haben viel Widerspruch und strenge Kritik erfahren. — Wenn irgendwo, dann muß in einer solchen Frage das Gesetz der großen Zahl Geltung haben; nur statistische Untersuchungen, die mit großen, gleichartig gewonnenen Zahlen operiren und sich einer einwandsfreien Methode bedienen, sind zu verwerthen. Die Morbiditäts und Mortalitätsstatistiken der Krankenhäuser, die mit Vorliebe als Beweismittel heran gezogen werden, sind für unseren Zweck nicht zu brauchen; Krankenhäuser werden vorwiegend von Angehörigen der weniger bemittelten Klassen ausgesucht. Da ist es denn bei der all gemeinen Verbreitung der Krankheit nichts Wunderbares, wenn der Antheil der Tuberkulose an der Gesammtsterblichkeit der Spitalpatienten ein sehr hoher ist. Solche Untersuchungen dürfen nicht an der durch zufällige äußere Verhältnisse, nach Berufen, Altersklassen u. s. w. ganz abnorm zusammengesetzten Bevölkerung eines Krankenhauses an gestellt werden; die zuverlässigste Grundlage aller Berechnungen und Forschungen ist immer die normal zusammengesetzte, natür liche Bevölkerung. Man könnte nun einerseits Bevölkerungs schichten von ähnlicher socialer Lage, aber verschiedenartigen Be rufen oder differenter Lebensweise mit einander in Vergleich setzen, oder man könnte auf der anderen Seite Berufsstände, die, abgesehen von der materiellen Lebenslage, in ihren Arbeitsverhält nissen, Lebensgewohnheiten u. s. w. vieles Gemeinsame haben, neben einander stellen. Ein ganz zweifelfreies Resultat wäre nur dann zu gewinnen, wenn man berechnen könnte, wie viele von der gleichen Anzahl Lebender aus den verschiedensten Berufen und Ständen der Tuberkulose zum Opfer fallen. Und dabei müßte man immer noch die Zusammensetzung dieser verschiedenen Berufe nach den einzelnen Altersklassen kennen und berück sichtigen; denn die Sterblichkeit an Tuberkulose variirt in den einzelnen Altersklassen ganz bedeutend. Solche Untersuchungen sind nicht allein überaus zeitraubend und mühsam, es fehlen auch zum Theil noch die Unterlagen, um sie erfolgreich durch führen zu können. Wir müssen uns darum begnügen, nach- zusehen, welchen Antheil die Tuberkulose an der Sterblichkeit der verschiedenen Stände und Berufe nimmt. Ein recht brauch bares Material liefern uns für diesen Zweck die großen Kranken- und Sterbecassen. Wir wollen nun den Leser nicht mit langen trockenen Zahlenreihen langweilen, wir wollen nur aus dem jüngst erschienenen körnet'schen Buch über die Tuberkulose einige für die Beurtheilung verwerthbare Zahlen, die den Todeslisten einiger Berliner Ortskranken- und Sterbecassen entnommen sind, hier anführen. Die Ziffern geben den Procentsatz an, mit welcher sich die Tuberculose an der Gesammtsterblichkeit der ver schiedenen Berufe betheiligt: Steindrucker und Lithographen. » 40 Proc, Kellner ...,.....»4ö - Maler 47,2 - Möbelpolirer 54,6 - Buchbinder 63 - Tischler und Pianofortearbeiter . . 55 Tischler und Stuhlmacher .... 61,5 -- Zimmerer und Stellmacher . . . 39,2 - Wir haben hier also Angehörige der verschiedensten Berufs arten, die sich großentheils in ihren socialen Verhältnissen nicht wesentlich von einander unterscheiden; und dabei doch eine ganz kolossale Differenz in der Sterblichkeit an Tuberculose, ein Schwanken zwischen 39 und 63 Proc. Das wird noch auf fälliger, wenn man die Angehörigen einander so nahe stehender Berufe, wie die Zimmerer und Tischler,in Vergleich setzt; dort 39,2 hier 61,5 Proc. Die ganze Tabelle spricht entschieden dafür, daß sociale Misöre nicht der einzige und nicht einmal der wesent lichste Factor für die Erkrankung an Tuberculose sein kann. Di« Beiträge, welch« die verschiedenen Berufe zu der Tuber- culoisrsterblichkcit der Gesammtbevölkerung liefern, sind sehr verschieden: Kaufleute, Kellner, Bureaubeamie weisen sehr hohe Zahlen auf, Kutscher, Polizeisoldaten, Straßenkehrer sehr niedere; auffällig grring ist der Antheil der Kohlenarbmerr Die letztgenannten Berufe stehen aber gewiß, was Wohlstand und Lebensführung betrifft, weit unter den Kaufleuten und Bureau beamten. — In Ost- und Westpreußen sterben von 10 000 Ein wohnern 15—20 an Tuberculose, in dem begüterten Rheinland und Westfalen 33—50! Wir verzichten darauf, weitere Zahlenreihen hier auf- marschiren zu lassen; das Angeführte dürfte genügen, um die Ueberzeugung zu begründen, daß ärmliche Verhältnisse so wenig wi« starke körperliche Anstrengungen allein von jener ausschlag gebenden Bedeutung sein können, daß man von „Proletarier krankheit" reden dürfte. Der Krankheitsursachen sind eben sehr viele und sehr complicirte. Die Strrblichkeitsstatistik der ver schiedenen Berufe lehrt, daß die Art der Beschäftigung von her vorragender Bedeutung ist: der Aufenthalt in engen, dumpfen, schlecht ventilirten Arbeitsräumen und Schreibstuben, der Mangel an Licht und Lust, die Arbeit und der Aufenthalt in staubiger Atmosphäre, namentlich die Einathmunz von mineralischem oder metallischem Staub, all das sind Momente, die sehr leicht eine Insertion vermitteln, oder wenigstens den Körper für dieselbe empfänglicher machen. Die Hauptsache bleibt aber immer eine angeborene oder durch Krankheiten und sonstige schwächende Ein flösse erworbene individuelle Disposition, eine besonders leichte Verletzlichkeit der Gewebe, eine mangelhafte Widerstandsfähig keit derselben gegenüber dem Eindringen des Tuberkelbacillus. Wir sind weit davon entfernt, den schlimmen Einfluß ärm licher Verhältnisse auf Verlauf und Ausgang der Tuberculose oder irgend einer anderen Krankheit leugnen zu wollen; aber so aus schlaggebend, wie «s in agitatorischer Weise verkündet wird, daß alle anderen Momente daneben an Bedeutung zurückirät«n, ist dieser Factor denn doch nicht. Schon Virchow, als er vor Jahren die Hungertyphusepidemien in Schlesien studirte fand es auffällig, daß trotz der schweren socialen Nothstände die Tuberculose verhältnißmäßig so selten in jenem Bezirk auf trete. Die tuberculösen Erkrankungen sind eben Volkskrank heiten in des Wortes wahrer Bedeutung; sie kehren in der Hütte ein so gut wie im Palast. Sich gemeinsam gegen diese Geißel des Menschengeschlechts zu schützen, an der gemeinschaftlichen Bekämpfung, die allen Städten zu Gute kommen soll, thätig mitzuarbeiten, das wäre wahrhaftig eine bessere Aufgabe, als durch billige Schlagworte Zwiespalt und Mißverständnis; zu erwecken. Die Beschleunigung der australischen Post verbindungen und das samoanische Postwesen. (Nachdruck auch mit Quellenangabe verboten.) ^V. X. Apia, 5. October. Vor einiger Zeit schon lief die Nachricht durch die australischen und die neuseeländischen Zeitungen, daß die Oceanic Steam Ship Company, welche zur Zeit die monatlich« Pastdampfer-Verbindung zwischen San Fran cisco und Neu-Seeland und den australischen Colonien herstellt, beabsichtige, vierzehntägige Verbindung einzuführen. Zu diesem Zwecke seien bereits zwei neue große Dampfer im Bau und die zur Zeit auf dieser Linie fahrenden Dampfer „Alameda" und „Mariposa" würden bedeutend vergrößert und den Anforderungen der Neuzeit entsprechend eingerichtet werden. Nunmehr liegen definitive Vorschläge vor, welche zwischen der Oceanic- Dampfer-Gesellschaft (I. D. Spreckels) und der Regierung von Neu-Seeland verhandelt werden. Die Hauptpuncte sind folgend«: Neue Dampfer von nicht weniger als 6000 Tonnen und nicht weniger als 16 Knoten laufend, sollen zur Zeit der bevorstehenden Pariser Ausstellung bereit sein, den Postvertehr zwischen London und Neu-Seeland über San Francisco nicht wie jetzt monatlich, sondern alle 21 Tage aufzunehmen, so daß die Londoner Post in 26 Tagen 7 Stunden in Neu-Seeland und die neuseeländische Post in 27Z Tagen in London ausgeliefert wird. Hiergegen erivartet die Oceanic S. S. Co. von Neu-Seeland und den australischen Colonien eine jährliche Subvention von 30000 Lstrl im Voraus gewährleistet für die Dauer von mindestens 5 bezw. 7 Jahren. Für Samoa würden auf beiden Wegen vier Tage in Ab zug kommen, in welcher Zeit schon jetzt die Dampfer die 1594 Seemeilen Entfernung von Samoa und Auckland gewöhnlich zurücklegen. Hierbei ist jeooch zu berücksichtigen, daß nach Fertigstellung der amerikanisckM Kohlenstation und Landungs brücke in Pagopago die Eventualität eintreten kann, daß Vie amerikanischenDampfer nur in Pagopago auf Tutuila, aber nicht mehren Apia anlaufen würden. Die Vorschläge der Commission sehen für den gesetzgebenden Rath Samoas auch die Befugniß vor, eine einheitliche Po st Verwaltung ins Leben zu rufen. Für einen so kleinen Platz wie Samoa sind selbstverständlich zwei ver schieden« Postverwaltungen widersinnig und eine Aenderung wäre sicherlich wünschenswerth, w«nn sie nur nicht zum Nachtheil verdeutschen Interessen ausfällt, nämlich durch Einziehung der deut sch en Postagentur. Seit Be stehen der letzteren haben die hiesigen Deutschen die Vortheile dieser vorzüglichen Verwaltung zu schätzen gelernt, sich auch in neuerer Zeit d«s so gemeinnützigen Postanweisungs-Systems ZH erfreuen gehabt, wogegen die sogenannte samoanischePost- anstalt ein wahrer Skandal ist. Dieselbe ist eine gänzlich unzuverlässig« Privatanstalt. Obwohl ihr Inhaber regelmäßig von dem gerade vorhandenen König als Regierungs postmeister bestätigt wurde, so hat er doch durchaus nichts mit der Regierung zu thun, ist Niemandem verantwortlich und alle Ein nahmen gehen in seine Privattasche. Der Mann ist reif an Jahren, aber obwohl er sich der Sache bereits 15 Jahre ge widmet hat, ist er auch heute noch nicht im Stande, di« Adressen der Briefe zu entziffern, wenn sie nicht auf ihm bekannte stockenglische Namen lauten; auch geographische Kenntnisse sind nicht seine starke Seite, so ist es erklärlich, daß Jrrthümer und Nachlässigkeiten reichlich Vorkommen. Auch Telegramme sind da, vor nicht sicher. Vor einigen Jahren waren die Deutschen zur Feier von Kaisers Geburtstag im Konsulat versammelt, als dem Konsul eine amtliche Depesche übergeben wurde, welche ihn in eine keineswegs angenehme Stimmung versetzte, da sie durch langes Lagern in der Davis'schen.Postanstalt alle Wichtigkeit*verloren hatt«. Nach Errichtung der deutschen Postagentur wäre zu er warten gewesen, daß alle zum Weltpostverein gehörigen Länder ihre Postsendungen für Samoa nur an diese Postanstalt ab- fcrtigen würden, aber politische Hetzereien veranlaßten Neu-See land und die australischen Colonien, dies nicht zu thun, so daß die unzuverlässige Samoanisch Davis'schc Anstalt am Leben er kalten wurde. Wie die Verhältnisse jetzt zu liegen scheinen, werden die angeblichen Verbesserungen des Berliner Vertrages auch in diesem Punkte die deutschen Interessen schädigen, anstatt zu schützen oder zu verbessern. — Die Vorschläge der Commission lassen ferner einen wichtigen Punct gänzlich vermissen, einen Punct, welcher bei Weiterführung des c-nuckominiuins einzig und allein die Wiederholung so schmachvoller Zustände, wie wir sie kürzlich durchzumachen hatten, verhindern könnte, nämlich eine Kabelverbindung Samoas mit der übrigen Welt. Feirrllstsn. Der Weltuntergang. Eine astrophysikalische Studie zum 13. November. Von Rudolf Curtius. Nachdruck vrrbot«». Wenn der ebenso schnapsfröhliche wie trübselige Handwerks bursche im Lumpazivagabundus Die Reimworte singt: „Drum ist mir auch so entsetzlich bang; Denn die Welt steht leider nicht mehr lang", so steht er mit seiner Furcht, daß für die gesammt« Menschheit das schöne Ervendasein und die süße Gewohnheit, zu leben, plötz lich ein jähes und furchtbares Ende durch eine Weltkatastrophe finden könne, nicht allein. Zu allen Zeiten l-at es Unglücks propheten gegeben, welche den Weltuntergang für einen nahen Termin in Aussicht stellten. Schon di« ersten Christen er warteten in Folge mißverstandener Aeußerungen d«s Heilands spätestens im Jahr« 100 nach dem Beginn unserer Zeitrechnung den Anbruch des jüngsten Tages. Später schreckten allerhand Weissagungen und vor Allem die abergläubisch« Deutung, welche in jenen unwissenden Zeiten das Auftreten ungewöhnlicher Himmelscrscheinungen als Zuchtruthen der Gottheit erfuhr, die Menschen immer wieder aufs Neue mit der Furcht vor nahen Katastrophen, und im Jahre 1000 nach Christi glaubte man ganz allgemein mit der größten Bestimmtheit, den Untergang der Welt erwarten zu dürfen. Obgleich nun der Gang der Ereignisse den mystisch ver- aülagten Gemiithern bisher diesen blutigen Gefallen nicht ge- than hat, treten derartige Prophezeiungen auch jetzt noch regel mäßig nach kürzeren Zwischenräumen wieder auf, und allein in unserem Jahrhundert ist der Weltuntergang mehr als ein Dutzend mal angekündigt worden. Derartige Voraussagen be lieben nur, sich heute ein anderes Mäntelchen umzuhängen; denn die Prophezeiungen de» Nostradamus und anderer Mysta- gogen, welche so lange dankbares Material lieferten, schmecken heut« doch gar zu sehr nach dem finsteren Mittelalter. Man zieht es daher vor, sich mit wissenschaftlichem Aufputz« aus- zustaffiren und findet damit neu« Gläubig«, welch« der alten Parole nicht mehr folgen würden. Dem gegenüber hat aber die Naturwissenschaft ebensoviel Recht wie Pflicht, all« der artigen Speculationen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und die Möglichkeiten zu erörtern, di« zu Weltkatafirophen führen könnten. Mit einem allgemeiiven Weltuntergänge nach Art de» indischen Nirwana oder der Götterdämmerung der nordischen Mythologie, bei welchem Alles, was besteht, vom „großen Nichts" verschlungen wird, ist es nichts; denn die Materie ist unsterblich, wie die Kraft, und nicht «in Gramm Stoff kann irgendwo verschwinden ohne anderswo und in ander« Gestalt wieder curfzutreten. Für uns Menschen kommt es aber auch nicht darauf an, sondern vielmehr auf die Frag«, ob und wie lange unserem Geschlechte auf der Mutter Ebbe die Möglichkeit der Existenz geboten sein wird und ob nicht Verhältnisse eintreten können, welch« den Unter gang des Erdballes herbeiführen oder denselben lvenigstens für uns unbewohnbar machen würden. Es ist ein« Lieblingsvorstellung phantasiebegabter Köpfe, sich den Untergang der Erde durch den Zusammenstoß mit einem anderen großen Weltkörsxr herbeigefllhrt zu denken. Als solche müssen herkömmlicher Weise die Kometen herhalten, und auch für den 13.—14 November d. I. ist wieder einmal ein verderben bringender Zusammenstoß der Erde mit so einem Schweifstern prvgnosticirt. In früheren Zeiten, wo man über die Natur der Kometen noch wenig unterichtet war, glaubte man, daß der Kopf dieser Himmelskörper ein aus compacter Masse bestehender fester Ball sei, dessen Zusammenprall mit "der Erlx allerdings alles Leben auf der letzteren hätte vernichten müssen. Heute hingeg«n wissen wir, daß selbst die Köpfe der Kometen, durch welche das Licht d«r dahinter befindlichen Stern« unbehindert durchscheint, nur aus Millionen oder Milliarden klein«rer oder größerer Meteor stein« bestehen^ welche in einer ungeheuren, langgestreckten Gas wolke ihre Bahn beschreiben. Schon mehr als einmal ist die Erd« in unserem Jahrhundert durch den Kopf eines solch«n Kometen hindurchgegangen, ohne den geringsten Schaden zu nehmen, und die Nähe des fremden Weltkörpers bekundet« sich nur durch das Auftreten ungewöhnlich reichlicher Sternschnuppen fälle. Alljährlich kommt nun die Erde in den Tagen des 13. und 14. November an «ine Stelle, wo dies« von der Bahn geschnitten wird, in welcher sich vor langen Zeiten ein großer Komet be wegte. Noch heute läuft in derselben ein solcher, der aber kleiner« Dimensionen hat, da sich der größte Theil der festen Bestandtheil« desselben nach Verlust des inneren Zusammenhaltes über die ganze longelliptische Bahn als Meteoritenschwärme verstreut hat, die sich mit einer Umkaufszeit von 33^ Jahren um die Sonne bewegen. Mit dem größten dieser Meteor haufen, welche, weil sie scheinbar aus dem Sternbild des Löwen kommen, als „Leonidenschwarm" bezeichnet werden, hat sich die Erde schon in den Novembertagen der Jahre 1833 und 1866 gekreuzt, und am 13. und 14. November geht wiederum dir Erde durch den dichtesten Theil dieses Schwarm«s hindurch, d«r so lang sich hinzieht, daß er über zwei Jahre braucht, um ganz über die Erdbahn wegzukommen. Die Vorläufe desselben waren schon im November 1897 und 1898 in Gestalt zahlreicher Sternschnuppen sichtbar, uüd auch im Jahre 1900 wird das SterNschmuppenphänomen besonder« reichlich sich gestalten. In den genannten Nächten diese« Jahres aber wird der Himmel den Anblick eine« großartigen Feuerwerks bieten, bei welchem Tausende von Mrteoren wie ein Funkenregen das nächtliche Dunkel des Firmament« durchfliegen werden. Denkbar ist es natürlich, daß irgend einer dieser Schleuderstein« des Himmels von ungewöhnlicher Größe bi» zum Erdboden heruntergelangt, ohne in der beim Durchfliegen der Erdatmosphäre entwickelten Hitze zu verdampfen, und wenn es, wie es schon vorgekommen ist, das Unglück will, kann dabei ja auch ein Mensch getödtet werden oder ein Haus in Flammen aufgehen. Schwerere Folgen wie «twa eine starte Erschütterung der Erde durch Zusammen treffen mit einem Riesenmeteor, sind nahezu ausgeschlossen Denn die größten jemals zur Erd« gekommenen Meteorstein massen, welche, nebenbei gesagt, in Grönland gefunden worden sind, haben nur ein Gewicht von einigen zwanzigtausend Centnern, und es wären Meteorkugeln von tausendfach größerem Gewicht nothwendig, wenn di« Erde beim Zusammenprall auch nur einen Stoß von der Stärke des leisesten Erdbebens erhalten sollt«. Eine andere Möglichkeit, ja Gewißheit des Erdunierganges ergiebt sich aus dem Gravitationsgesetz, ivelches unseren Erdball wie alle anderen Planeten mit unwiderstehlicher Gewalt zu immer enger werdenden Bahnen um die Sonn« zwingt. Die Abnahme der Umlaufszeit und die V«rkürzung der Entfernung d«r Erde von der Sonne ist zlvar vorläufig für uns unmerklich ergiebt sich ab«r mit zwingender Nothwendigkeit aus dem eben genannten Gesetz, und muß schließlich dahin führen, daß der Erdball einmal in die Sonne hineinstürzt, was freilich erst in Milliarden von Jahren sich ereignen und uns somit gleichgiltig sein kann. Daß solche Katastrophen im großen Weltall öfters Vorkommen, lehrt uns dir Erscheinung jener Sterne, die bis da hin sehr lichtschwach oder überhaupt gänzlich unsichtbar, plötzlich mit ungeheurer Leuchttraftauflodern. Es sind dies nichts anderes als fern« Sonnen, in deren Gluthmeer eben ein Planet sein Grab findet. Lange, bevor ein solches Geschick die Erde ereilen kann, muß natürlich auf dieser durch die Hitzewirkung der näher rückenden Sonn« alles Wasser verschwunden sein und damit die Möglichkeit jedes organischen Lebens aufgehört haben. Das gleiche Ende ist auch denkbar, wenn von dem uns zwar ungeheuer groß dünkenden, thatsächlich den Erdball aber nur als eine dünne Schicht überziehenden Wasservorrath der Meere unausgesetzt große Quantitäten durch Risse und Spalten in das Erdinnere eindringen, wo sie sich mit aufnahmsbereiten Elementen verbinden und dauernd verloren gehen. Ebensogut ist auch das Umgekehrt« denkbar, nämlich, daß die Wassermaflen sich derartig vermehren, daß alles Land über schwemmt wird und all« durch Lungen athmenden Thier« summt den Menschen zu Grunde gehen müssen. Die Erd« wächst un aufhörlich, picht nur durch das Niederfallen kosmischen Staubes aus dem Weltenraum«, sondern auch durch Anziehung von Gasen. Die Erd«, welche nicht nur durch di« Drehung um die Sonn«, sondern auch dadurch, daß sie die bedeutende Eigen bewegung der letzteren mitmacht, kommt fortwährend in neue Welträume, und da wir über die Beschaffenheit der Gase dort- selbst nur sehr wenig wissen, ist es sehr wohl möglich, daß sich unsere Atmosphäre mit Gasen bereichern kann, welche die Wasser bildung begünstigen und schließlich zu einer allgemeinen Ueber- fluthung führen müßten. Der gleiche Endeffect müßte eintreten, wenn man sich di« erodirende Wirkung von Wind und Wetter, von Regen, Frost und Hitze, welche beständig an den Gebirgen nagt und zur unausgesetzten Abschwemmung großer Erdmassen in das Meer führt, über endlose Zeiträume fortgesetzt dcnkl Auf diesem Wege müssen nämlich schließlich sämmtliche Un ebenheiten der dock) ziemlich rauhen Erdoberfläche abgetragen werden und ins Meer gerathen, welches dann austreten und den zu einer Kugel oder — correcter auSgedrückt — zu einem Rotationsellipsoid von mathematisch reiner Form gewordenen Erdball überschwemmen. Alle diese Möglichkeiten haben das eine Tröstliche an sich, daß sie erst in der fernsten Zukunft eintreten können, zu einer Zeit, wo, da das Menschengeschlecht nicht seit ewigen Zeiten auf der Erde war und auch nicht für alle Zukunft sein wird, kein Menschenhcrz mehr in Freude oder Schmerz pochen wird. Ein viel näheres Ende prophezeit uns aber der englische Chemiker und Physiker Lord Kelvin, dessen Name mit den sen sationellen Entdeckungen der letzten Jahre über neue gasförmige Elemente in der Atmosphäre eng verknüpft ist, der aber unter seinem früheren bürgerlichen Namen William Thomson besser bekannt ist, als unter seinem neuen, stolzen Adelstitel. Nach seiner Hypothese iverden wir nämlich nach längstens 400 Jahren nicht mehr Sauerstoff genug in der Welt haben, um zu athmen, da wir denselben alsdann Dank unserer Kohlenfeuerungen gänz lich zu Kohlensäure verbrannt haben werden. D«r Sauerstoff vorrath der Luft läßt sich, da die Zusammensetzung derselben überall fast genau die gleiche ist, sehr genau berechnen und beläuft sich auf rund 1000 Billionen Tonnen, rin Quantum, welches zwar auf den ersten Blick fast unerschöpflich zu sein scheint, aber doch, falls der Kohlenverbrauch in demselben Maße wie in diesem Jahrhundert weiter zunimmt, in der gedachten Zeit aufgebraucht sein würde. Zum Glück berücksichtigt auch diese im klebrigen unanfechtbar« Berechnung zwei Umstände nicht, nämlich die zunehmende Verwendung der durch Wasserkräfte er zeugten Elektricität, welche dem Anwachsen des Kohlenverbrauchs einen wirksamen Riegel vorschieben und im zwanzigsten Jahr hundert fast allrinherrschend werden wird, und die constante Regeneration des Sauerstoffs durch die Pflanzenwelt, welch« die Kohlensäure der Luft «inathmet und nach Verbrauch des Kohlen stoffs zum Aufbau des Pflanzenkörpers Sauerstoff in Freiheit setzt und ausathmet. Mr können uns also mit dem Bewußtsein beruhigen, daß auch die entferntesten Enkel von uns noch die Grundbedingung zur Existenz vorfinden werden, so sehr sich auch sonst inzwischen das Antlitz der Erde verändert haben mag. lieber dasjenige aber, was sich in Jahrmillionen ereignen kann, sich den Kopf zu zerbrechen, wäre die undankbarste und unfruchtbarste Auf gabe, die wir getrost jener fernen Nachwelt zur Lösung über« lassen können.
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