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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991108024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-08
- Monat1899-11
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Abend-Ausgabe Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Jahrgang, Mittwoch den 8. November 1899. 570 Die Morgcn-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Anzeigen-PrekS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamra unter dem RedactionSstrich (4 g«» spalten) üO^z, vor den Familieanachnchten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zfffernjatz uach höherem Tarif. Redaclion und Expedition: AohanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochei» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: klto Klcmm's Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14 part. und Königsplah 7, Anuahmeschluß für An)eigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anjeigen sind stets an die Expedition zu richten. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung M.—, mit Postbiförderung 70.—. Bezugs-Preis kn der Hanptexpedition oder den km Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich VL4.ÜO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direcke tägliche Krruzbandiendung inS Ausland: monatlich 7.Ü0. Mipziger T agMM Anzeiger. Ämtsvkatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes «nd Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. November. Auf die politische Bedeutung des Besuches, den beute der Zar und seine Gemahlin in Begleitung des russischen Ministers des Auswärtigen Muraw jew dem deutschen Kaiscrpaare in Potsdam abstatten, hat die „Nordd. Allgem. Ztg." schon vor einigen Tagen in einem hochofficiösen Artikel hingewiesen, nachdem von anderer Seite der Versuch gemacht worden war, die Begegnung im Lichte eines politisch gleichgültigen HöflichkeitSauStauscheS erscheinen zu lassen. Nachdrücklich wird die hochpolitische Bedeutung der Zusammen kunft nunmehr auch in dem überaus herzlichen Begrüßungs artikel hervorgehoben, den dasselbe Blatt in dem bekannten Sperrdruck an der Spitze seiner gestrigen Abendausgabe ver öffentlicht und den der vfsiciöse Telegraph sofort in alle Welt getragen hat. Der Artikel spricht nicht nur von den werth vollen Frenndschaftsbeziehungen zwischen dem deutschen und dem russischen Reiche; er begrüßt nicht nur den Zaren als den „erprobten Träger der altüberlieferten und oft bewährten Freundschaft zwischen Deutschland und Rußland", sondern er betont auch ausdrücklich, daß beide Mächte infolge der herz lichen Beziehungen ihrer Herrscher sowohl in Europa friedlich nebeneinander wirken, als auch „außerhalb dieses Welt- t Heils vertrauensvoll weiteren Aufgaben sich zuwenden können". Daß gerade jetzt auf gemeinsame Aufgaben Deutsch lands und Rußlands außerhalb Europas mit besonderer Betonung bingewiesen wird, geht jedenfalls über den Rahmen dessen hinaus, was die Pflicht der Höflichkeit den Inspiratoren der „Nordd. Allgem. Ztg." zu sagen gebot. Der Hinweis auf die außereuropäischen gemeinsamen Aufgaben der beiden heute einander begegnenden mächtigen Herrscher richtet sich zweifellos an jene Stelle, die zur Zeit außerhalb Europas allein in einer Action begriffen ist, auf die das Augenmerk der ganzen Welt sich richtet. Ter die englischen Interessen mit besonderem Eifer vertretenden „Köln. Ztg." ist dies natürlich nicht entgangen. Sie schreibt daher: „Die Unterstützung, die der deutsche Kaiser und die kaiserliche Regierung den in der Friedenskonferenz im Haag zu Tage getretenen menschenfreundlichen Bestrebungen Les Zaren in offen- kundigster Weise hat zu Theil werden lassen, ist in Aller Erinnerung und ist zumal auch von amtlicher russischer Seite gerne anerkannt worden. Diese Bestrebungen sind allerdings seitdem durch den Ausbruch des Krieges in Transvaal gestört worden, und weder Rußland noch Deutschland haben sich veranlaßt sehen können, sich in diesen Kampf einzumischen. Denn bei aller Friedens förderung, die dem deutschen Kaiser wie dem Zaren Nikolaus am Herzen liegt, muß cs für ausgeschlossen gelten, daß das Blut deutscher Grenadiere oder russischer Kosaken für Interessen geopfert werden kann, welche nicht deutsche oder russische Interessen sind- Gleichwohl harrt beider Monarchen eine schöne und dankenswerthe Aufgabe, gemeinsam dafür zu sorgen, daß der jetzige Krieg in Südafrika nicht über die rein örtlichen Grenzen hinauS- geht und nicht dazu führt, einen großen europäischen Fcuerbrand zu entzünden. Es will uns fast selbstverständlich erscheinen, daß bei der jetzigen Zusammenkunft dieser Gesichts- punct sich in den Vordergrund drängen wird, ebenso wie wir es als selbstverständlich annehme», daß auch bei dem bevor stehenden Besuch des deutschen Kaisers in England diese Frage der Verhütung weiterer und bedenklicher Kriegs gefahr die Hauptrolle spielen wird." Das rheinische Blatt giebt sich also den Anschein, zu glauben, Kaiser und Zar würden heute in Potsdam nichts Wichtigeres und für den Weltfrieden Heilsameres zu thun haben, als dem „britischen Leu" die Möglichkeit zu sichern, in Südafrika ungestört die Beute zu verschlingen, nach der er so lange lüstern ist. Nun ist eS allerdings zweifellos, daß weder Deutschland noch Rußland sich die Rolle an maßen werden, die Napoleon III. s. Z. sich anmaßte. Aber ebenso zweifellos ist es, daß die Ausnutzung der von Eng land erhofften Siege in Südafrika innerhalb gewisserGrenzen sich halten muß, jenseits deren die Interessen anderer Staaten und nicht zuletzt Deutschlands beginnen. Dies der englischen Regierung zum Bewußtsein zu bringen, scheint uns der besondere Zweck der hochofficiösen Hindeutung der „Nordd. Allgem. Zlg." auf die außereuropäischen gemein samen Aufgaben Deutschlands und Rußlands zu sein. Recht verstanden, wird dieser Hinweis auch dazu dienen, den deutschen Kaiser bei seinem Besucke in England vor Zumuthungen zu schützen, die nicht erfüllbar sind. _ Die Presse des Erntrums, die anfänglich den in der „Nordd. Allg. Ztg." skizzirten Alottcnverstärknngsplan schroff bekämpfte, lenkt mehr und mehr ein. So heißt es jetzt in einem von dem „Westfäl. Merkur" abgedruckten Artikel einer CentrumS-Correspondenz: Der sechsjährige Flottenplan beruht aus der Ansicht, daß sich nicht bloß die Volksvertretung, sondern auch die Regierung binde. Wenn nun schon nach anderthalb Jahren die Regierung alle und jede Bindung ihrerseits ablehnt, so kann selbstverständlich der Reichstag keine Lust haben, sich einseitig von Neuem zu binden. Es kommt noch in Betracht, daß die innere Rechtfertigung deS Hinausgreisens auf eine Reihe von Jahren zum Schlüsse des Sexennats fortgesallen ist. Damals hieß cS: „Wir brauchen eine Schlachtflotte zur Vertheidigung unserer Küstenmeere, und die muß zu ihrem Zwecke gerade ein Dopprlgeschwader von 2x8 großen Schlachtschiffen nebst Zubehör umfassen — nicht mehr und nicht weniger!" Diese Ausführung hat wesentlich zur Annahme des Flottengesetzes beigetragen. Jetzt will die Regierung noch ein Dopprlgeschwader. Die neuen Schiffe sollen offenbar als Machtmittel unserer colonialen und auswärtigen Politik dienen. Da man nun draußen an den verschiedenen kritischen Punkten nicht mit ganzen Geschwadern anzurücken Pflegt, wie in der Nord- und Ostsee, so kommt es nicht gerade daraus an, daß ein ganzes Geschwader oder Doppelgeschwader planmäßig gesichert ist, sondern vielmehr aus die Stärke der einzelnen Schisse, und cs genügt also, alljährlich bei der Etatsberathung fest- zusetzcn, was für Schiffe über den Rahmen der defen siven Schlachtflotte hinaus in Angriff genommen werden sollen und können. Ein sechzehnjähriger Plan kann auch der wech selnden Leistungsfähigkeit Les Volkes nicht gehörig Rechnung tragen. Ebbe und Fluth in dem wirthschastlichen Leben und mittelbar in den Finanzen wechseln in der Regel in viel kleineren Zeitläufen. Auf der Grundlage einer derartigen Auffassung wird sich eine Verständigung erreichen lassen — wobei man aber keines wegs das bisher erreichte Maß gesetzlicher Sicherung des Flottenbestandes wieder preiszugeben braucht. Im ,Moniteur sie la tlotte" bespricht Marc Landry die Abhängigkeit Frankreichs von den untcrsccischcn Kabeln, die fast völlig im englischen Besitz seien. In Frankreich bestehe nur eine Gesellschaft für solche Kabel, und diese besitze das einzige transoceauische Kabel Frankreichs, dasjenige zwischen Brest und den Inseln St.Pierre und Miquelon bei Neufundland. Von da gingen dann noch französische Kabel nach Neuschottland und Massachusetts. Ebenso existirten französische Kabel in Westindien und zwischen diesem, Guyana und Brasilien, zwischen Mahunza auf Madagaskar und Mozambique, sowie zwischen Neu-Ealedonien und Queens land. Im direkten Verkehr mit der Außenwelt und seine» Colo nien mit Ausnahme Algier- sei Frankreich völlig von England abhängig und was das bedeute, habe man jetzt im Transvaal kriege gesehen, indem die englischen Kabel entweder zeitweise für fremde Depeschen geschloffen waren, oder indem solche Depeschen nicht chiffrirt sein durften und der Censur unter lagen. Es sei höchste Zeit, sich von dieser Abhängigkeit frei zu machen, denn im Kriege seien die unterseeischen Kabel gewichtige Waffen. Frankreich hätte bei seinem Colonialbesitz und seiner Lage am Ocean wohl mehr Grund gehabt als wir, für ein französisches unterseeisches Kabelnetz zu sorgen, an den Folgen der Abhängigkeit Europas von den englischen Kabeln leidet Deutschland aber beute ebenso wie Frank reich. Wir fühlen den Druck bereits im Frieden und im Handelsverkehr. Sollte Deutschland aber einmal im Kriege sei», so wäre eS im Drahtverkehr mit seinen Colonien, seinen Kriegsschiffen nnd seinem Handelsbesitz im AuSlanve ent weder völlig von der englischen Bereitwilligkeit abhängig, oder auch von seinem Besitz im Auslande völlig abgeschnitten. Endlich wieder eine amtliche Meldung vom Kriegs schauplätze! Wir lassen sie unverzüglich folgen: * London, 7. November. Das Kriegsministerium hat heute folgende Depesche des Generals Buller aus Capstadt erhalten: HeuteNachmittagl Uhr ist mir durck Vermittelung Les Gouverneurs von Natal folgendes von gestern datirtes Telegramm des iu Estcourt commandirenden englischen Generals zugegangen: „Als am Freitag die Feindseligkeiten bei Ladysmith eingestellt waren, wurde noch an diesem Tage auf Verlangen des Bürger meisters von Ladysmith von dem General White an Joubert eine Mittheilung gesandt, in der Joubert ersucht wurde, zu gestatten, daß die N i ch t c o m b a t t a n t e n, die Kranken und die Verwundeten nach Süden abziehen dürften. Joubert lehnte dieses Ansuchen ab, gestattete aber, daß sich die Leute in ein besonderes Lager vier Meilen von Ladysmith entfernt begeben dürsten. Die Bevölkerung der Stadt weigerte sich, dieses Angebot Joubcrt's anzunehmcn; somit verließen gestern nur die Kranken, die Verwundeten und wenige Ortsansässige die Stadt. Gestern wurden nur wenige Schüsse zwischen den Vorposten gewechselt. Bet dem Bombardement am Freitag fielen einzelne Granaten in das Hospital; auch in daS Hotel fiel eine Granate zur Frühstückszeit und platzte, eS wurde jedoch Niemand verletzt. Ueberhaupt ist bisher durch die Granaten in der Stadt nur ein Kaffer am Mittwoch getödtet worden. Am Freitag führten die Truppen unter General Brocklehurst inderRichtung auf Dewdrop eine schneidige Action aus, sie trieben die B oeren ein ebeträchtlicheStrecke zurück und brachten ein Geschütz derselben zum Schweigen. Ein weiteres Gefecht wurde am Jsimbul- wana-Berge geliefert. Die englischen Verluste belaufen sich insgesammt auf acht Todte und etwa 20 Verwundete. 98 Mann, welche bei Dundee verwundet und uns zugesandt wurden, sind am Sonnabend hier eingctrofsen. Sie befinden sich Alle wohl. Unsere Position wird hier jetzt für vollkommen sicher gehalten, sie ist in den letzten 24 Stunden noch er heblich verstärkt worden. Die Bevölkerung hat ihre Wohnungen verlassen und hält sich iu bombensicheren Räumen auf. Borräthe aller Art sind reichlich vorhanden. Hauptmann Knapp und Leutnant Brabant sind bei der Action am Freitag ge fallen. Das Vorstehende ist der Wortlaut eines Telegramms des PreßcensorS, das ein Knffernläufer nach Estcourt gebracht hat". Weitere amtliche Nachrichten liegen nicht vor. Nimmt man hierzu die auS Ladysmith an General Buller am 3. November (Freitag) mit Taubenpost übermittelte Depesche, welche nur zu berichten batte, daß General French am Donnerstag mit Cavallerie und Feldartillerie ausgcrückt sei und das Boerenlager ohne Verlust auf englischer Seite beschossen habe, sowie daß am Freitag General Brocklehurst südwestlich von Ladysmith mehrere Stunden mit dem Feinde gekämpft habe, wobei die Engländer geringe Verluste gehabt, so ergiebt sich lediglich, daß der ganze Erfolg der Ausfalls kämpfe am Donnerstag und Freitag für die Engländer darin bestanden hat, daß sie die Boeren bei Dewdrop eine Strecke weit zurückgetrieben und ein Geschütz derselben zum Schweigen gebracht haben. Vielleicht haben aber die Boeren nur wieder ihren bekannten Tric auSzuführen gesucht, den Feind durck plötzliches Zurückweichen und Zurückbolen der Geschütze zu täuschen und in eine Falle zu locken. Auf alle Fälle erweisen ich die in den letzten Tagen verbreiteten englischen Nachrichten, welche bebaupteten, die Boeren seien bei Bester- Hill, nord westlich von Ladysmith, vollständig in die Flucht geschlagen worden, sie hätten furchtbare Verluste erlitten und das ganze ?ager sei in die Hände der Engländer gefallen, sowie die im leutigen Morgenblatt mitgetheilte Capsladter Depesche vom 5. d. MtS., die Engländer hätten in „einem" Kampfe bei Ladysmith 2000 Gefangene gemacht, als eitel Windbeutelei: Von beiden Heldenthaten wissen die amtlichen Telegramme an Buller kein Wort. Sie sind sehr vor sichtig abaefaßt und sprechen nur von englischen Ver lusten, nicht von solchen der Boeren. Gleichzeitig dürste aus ihnen erhellen, daß eine zweite große Schlacht, die nach der einen Version ein Sieg der Boeren, nach der andern ein solcher der Engländer gewesen sein soll, nicht stattgefunden hat. Diese würden die amtlichen Depeschen nicht vollständig unerwähnt haben lassen können, auch dann nicht, wenn sie für die Engländer ein neuer Schlag gewesen wäre. Endlich lesen wir aus den osficiellen Mel dungen heraus, daß Ladysmith bis zum Sonntag noch nicht eingenommen und dir Beschießung der Boeren bis dahin von besonderer Wirkung nicht war. Wie die Dinge jetzt liegen, eilt eben auch die Einnahme von Ladysmith nicht, da die Boeren cS leicht in Schach zu halten vermögen und mit der Occupirung des weiter südlich gelegenen TerramS bis Durban Wichtigeres zu thun haben. (Während wir dies schreiben, treffen weitere Telegramme ein, welche sich wiederum aus führlich mit den Kämpfen um Ladysmith beschäftigen und den Engländern Heldenthaten nachrübmen. Wir halten eS für überflüssig, sie hier zu erörtern und geben sie unter „Afrika" wieder.) Die Boeren zögern auch noch mit der Zerstörung des Bahndammes zwischen Ladysmith und Durban, wie au- folgender Meldung hervorgeht: * Estronrt, 7. November. („Reuter's Bureau") Der Panzer zug, der gestern über die Tugela-Brücke fuhr, fand, daß Colenso, sowie die Chaussee und die Eisenbahnbrück« über den Tugela unbeschädigt waren. Eine starke Abtheilung Freistaats- Boeren wurde 6 Meilen nördlich von Colenso bemerkt; es waren vermnthlich solche, die am Freitag mit englischen Truppen aus Ladysmith im Gefecht gewesen waren und schwere Verluste (?) er litten hatten. Gerüchtweise verlautet, Afrikander aus Natat hätten an diesem Gefecht auf Seiten der Boeren theilgenommen. Offenbar wollen die Boeren die Bahnverbindung so lange wie möglich aufrecht erhalten, um sich selbst größere Be wegungsfreiheit und die Möglichkeit eines raschen Rückzugs, wenn dieser uöthiz werden sollte, zu erhalten. Kommt es dann darauf an, die in Durban landenden englischen Ersatz truppen am Vorrücken zu hindern, so sind Eisenbahnschienen und -Brücken rasch zerstört. Wenn sich der Schluß der obigen Meldung bestätigt, so eröffnet dies für die Engländer eine sehr bedenkliche Perspective. Erheben sich die Afrikander der Capcolonie und machen mit den Boeren gemeinsame Sacke, dann stehen dem Armeecorps Buller'S, wenn eS genötkngt ist, in Fußmärschen vorzudringcn, schlimme Tage bevor, denn dann be gegnen sie im eigenen Lande dem Feind auf Schritt und Tritt. Besonders auf dem Westlicken Kriegsschauplatz müssen die Boeren für die Demolirung der Schienenwege sorgen, um den Feind nicht in großer Masse an die wenig gedeckten Feuilleton. Äuf freien Lahnen. T2s Roman von Rudolf von Gottschalk. Noitdnick »krsoten. „Ich höre das mit Freuden", versetzte Alice; „aber ich muß doch an eine Selbsttäuschung glauben. Ein Don Juan fährt »her zur Hölle nieder, als daß er auf Erden die wilden Flammen der Leidenschaft löscht, die ihn verzehren." „Ich habe nicht den Frevelmuth eines Don Juan, ich würde keinen steinernen Comthur herausfordern, ich würde nicht morden, um ein schönes Weib zu besitzen. Nur die wild flackernde Gluth der Phantasie Hatz mich bisher mit fieber hafter Unruhe erfüllt; ich fürchte, daß sie zuletzt auch meine Kunst schädigen kann — und so möcht' ich jene zu wüsten Aben teuern leuchtenden Fackeln auslöschen und ein stilles Feuer am häuslichen Herd entzünden." „Ich verstehe Sie nicht." „Und wenn ich jetzt wiederhole, ich liebe Sie, Alice, so wird Sie diese Erklärung nicht beunruhigen können, sie hat einen anderen Sinn als früher." Alice hatte sich erhoben, ein banges Angstgefühl hatte sich ihrer bemächtigt; einer kecken LiebeSwerbmrg konnte sie Trotz bieten doch lag hier nicht etwas anderes in der Luft, der Ernst einer Liebe, die auf das ganze Leben Beschlag legen will? „Fräulein Bärmann, ich bitte um Ihre Hand." Alice war fassungslos; sie erblaßte, sie vermochte nichts zu erwidern. „Fürchten Sie nichts — ich hckbe einen starken Willen und vermag den alten Adam zu bändigen; ein friedliches dauernde- Glück wird mir reichen Ersatz bieten für die Tarantella, der Leidenschaft, die mir zu Kopf gestiegen. Meine Verhältnisse lind schon jetzt glänzend und ich habe eine schönere Zukunft. Sie selbst aber sollen aus der Misöre des Theaterlebens ge rettet werden, welche die Strebenden entmuthrgen muß; nur di« Erfolgreichen beherrschen die Bühne. Sie sollen ein Weib »ein, aber keine Künstlerin mehr. Ich würd' es nicht ertragen, Sie auf der Bühne mit Anderen kokettiren oder die von dem Dichter vorgefchriebenen EhebruchSscenen vor dem ganzen Publicum pflichtschuloigst darstellen zu sehen. Mein Weib soll nur mir gehören — willst Du die Meine sein?" „Sie überraschen mich", sagte Alice, „Sie erfreuen mich, aber", fügte sie leise und fast zögernd hinzu — „ich gehöre einem Anderen." Da meldete das Mädchen den Regisseur Blankenhorn. „Erwägen Sir in aller Ruhe meinen Antrag", sagte Letory, „umd wahrlich, nicht Ihre augenblickliche Nothlage soll den Aus schlag geben, um Himmelswillen nicht. Auch ein unerbittliches Nein wird mich nicht hindern, Ihnen beizustehen, so lange Sie meiner Hilfe bedürfen — also, auf Wiedersehen!" Blankenhorn trat ein und blickte mißtrauisch auf den jungen College», doch dieser ließ sich das nicht anfechten; er hatte ja ausnahmsweise ein reines Gewissen und wechselt« einen freund lichen Händedruck mit dem Regisseur, ehe er das Zimmer verließ. „Denken Sie noch unserer Studien, Herr Blankenhorn? Sehen Sie, soweit haben wir es nun gebracht!" „Nun, nun, wir wollen nicht gleich die Büchse ins Korn werfen!" sagt« der Regisseur, der seiner Schülerin eine freund liche Gesinnung bewahrt hatte. „Es ist wahr, hier ist nickts zu machen, und ich verwünsche oft meine abhängige Stellung, die mir einen Schein von Autorität giebt und mich verantwortlich macht für Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich habe Sie hier nicht schützen, nicht fördern können, aber ich habe stets an Sie gedacht und in aller Stille für Sie gesorgt." Alice hört« auf — sie war doch nicht ganz verlassen. „Meinem Freund, dem Director in L., habe ich Sie längst empfohlen, denn ich ahnt« wohl, daß hier Ihres Bleibens nicht sein würde. ES ist ein« kleinere Bühne, eine geringere Gage — aber Sie werden nlle großen Rollen spielen. Sie werden Routine gewinnen, das Einzige, wa- Ihnen noch fehlt. Eine vielseitige Verwrrthung Ihre» Talentes ist Ihnen sicher — und dadurch wird dasselbe wachsen und sich entwickeln. Erst heute erhielt sA fi^tn Brief, das Fach ist noch unbesetzt und der Direktor ist ein redlich strebender College, ein anständiger Mann mit klein bürgerlichen Grundsätzen, die gerade beim Theater unschätzbar sind." „O, ich dank« Ihnen herzlich — gönnen Sie mir nur rin« kurz« Nedentkzeit! Es ist ein großer Rückschritt in meiner Lauf- baln, ich weiß es, doch der Ertrinkende Aammert sich an einen Strohhalm." > ' „So schlimm ist es nicht", sagte Blankenhorn, „auch im Kriege zieht man sich ost zurück, um dann desto siegreicher vorzubrechen. Im Uebrigen giebt es dort keine Genies — und die Sorte ist beim Theater gefährlich. Ja, ja, die großen Künstler — einer dieser Herren verließ Sie soeben." „Fürchten Sie nichts! Gerade heute habe ich mich über zeugt, daß Herr Letory, so groß auch seine Fehler sein mögen, doch edler Wallungen fähig ist." „Sprenkel für die Drosseln, mein Kind — es ist Zeit, daß Sie von hier forttommen. lieber legen Sie sich's sticht zu lange; ein Ja! von Ihnen genügt, und ich werde die ganze Sache in Ordnung bringen, und gewiß nicht zu Ihrem Schaden!" Alice hegte warmes Dankgefühl für den braven Mann, der sich ihrer so uneigennützig annahm, und als sie wieder allein war, hatte sie das Gefühl, als ob ein freundlicher Sonnenstrahl ihr Leben erhelle; doch in diese Stimmungen, in denen es wie Ahnung des Glücks über sie kam, stürmte jetzt der Friedensstörer herein, aufgeregt, mit unheimlicher Hast. „Ich muß fort, ich muß weit in die Ferne ziehen", rief Timotheus, indem er sie krampfhaft ans Herz drückte. „Was ist geschehen?" „Frage nicht — es ist «in Geheimniß, das ich Dir nicht jetzt enthüllen kann! Später, später, einmal, ganz gewiß — für jetzt glaube nur an daS Eine: ich bin kein Verbrecher. " „Ein Verbrecher, doch wie kommst Du darauf? Wer be schuldigt Dich?" „Ich muß flüchten, als ob ich einer wäre. Ein« unglückliche Verkettung von Umständen — doch hier läßt mir's keine Ruhe. Glaube mir, vertraue mir!" Alice sah ihn erstaunt und betrübt an. „Und so darf ich von nichts wissen, wenn über mein ganze» Lehensschicksal entschieden wird?" „Du hast ein Recht darauf. Alles zu erfahren, und die» Rech» wird nicht verjähren. Mir ist allerlei Demüthigende», Schmach volles begegnet — nur Jrrthum war mit im Spiel, eine Ver irrung, keine Schuld, welche Sühn« verlangte. Doch ich babe hier den Boden untrr den Füßen verloren. Und eine Schreckens- Nachricht folgt der anderen, mein armer Vater ist irrsinnig ge worden." „Und da willst Du ihn verlassen?" „Es war sein eigener Wunsch, ehe die Geisteskrankheit zum Ausbruch kam. Er ist in eine Heilanstalt gebracht worden, ick kann ihm jetzt nichts helfen, nichts nützen." „Und Du willst fort, weit fort von hier? WaS wird auS mir, was aus unserer Zukunft?" „Schlage Dich tapfer durch, wie bisher — laß mich über dir tMerc ziehen, Dir und mir ein Heim zu gründen! Es ist das Beste für uns. Sieh, der alte Justizrath, obschon er nicht weiß, was uns forttreibt, hat sich doch davon überzeugen lassen, daß sich dort für mich günstigere Aussichten eröffnen, als hier in dem überfüllten Europa. Dort fragt man nur nach Talent und Wissen, nicht nach Prüfungen und der erdrückenden Zahl der Vordermänner. Er glaubt an mich — nnd so hat er mir einen beträchtlichen Theil des kleinen Kapitals gegeben, das er mit dem Vater zusammen für mich verwaltet« und jetzt allein verwalten muß. So kann ich die Reif« machen und auch dort einige Zeit mich durchfristen, bis ich aus eigener Kraft weiter komme." „Wenn'» unvermeidlich ist, so muß ich mich fügen — möge ich die Kraft der Hoffnung find«», um mein schmerzliches Sehnen zu besiegen." „Und Du wirst ohn« Kunde von mir bleiben lange Zeit? Ich hab' es wohlerwogen, ich will Dich nicht beunruhigen mit dem ganzen Kampf mn'» Dasein, den ich dort durchkämpfen muß. Glaube fest, Dir schlägt ein treues Herz in der Ferne. Erst wenn Du zwei Jahre lang nichts von mir gehört bast, dann magst Du mir den Todtenschein auSstellen! Bis dahin find wir Leid« für'» Leben gebunden!" Alice lag in seinen Armen. „Die Monde und die Jahre vergehen, e» soll ein Traum fein; ich werde mich bescheiden, ich werde eine Stellung an einer kleinen Bühne annehmen, ich werde fest an Dich glauben und ge lobe Dir Treue, unverbrüchlich, wie vor dem Altar." „Und auch ich — denkst Du der Parnassien auf unseren Wiesen? O. möchten die Blumenaugen Dich ansehen, freund lich lächelnd wie damals, und der mild« Abendschimmer, der um dve Wipfel floß, uikser Leben erhell«»! Ich bm <u»f Jrrpfad«,
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