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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991109010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-09
- Monat1899-11
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8082 worden, haß Lek Anspruch auf die Rechtsfähigkeit jedem BekufS- vcreine zugestanden wurde. Offen dagegen blieb die Frage des öffentlichen Rechts, welche Berufsvevcine der Staat als solch: anertenmn will, d. h., welche er nicht als politisch oder social- politrsch betrachtet. Das „Correspondenzbl. der Generalcom- rrission der Gewerkschaften Deutschlands" nimuit nun an, daß die Gewertschasten leicht als politische oder socialpolitische Ver eine angesehen werden würden und das; ihnen alsdann unter Entziehung der Rechtsfähigkeit das Ver- sügungsrecht über ihr Vermögen auf die Dauer eines Jahres völlig verloren gehen konnte. Außerdem erwachse den Gewerkschaften aus dem Er werb der Rechtsfähigkeit noch eine andere Gefahr. Nach § 72 habe der Vorstand dem Amtsgericht ein Mitglieder ver- zeichniß einzureichen, sobald dies gefordert wird; nach 8 "9 sei einem Jeden gestattet, auf dem Amtsgerichte die eingereichten Schriftstücke einzusehen; in einzelnen Bundesstaaten fei heute nach dem Vereinsgesetz die Einreichung eines Mitgliederverzeich nisses der Gewerkschaften nicht erforderlich, die Unternehmer er hielten daher auch auf indirectem Wege keine Kenntnis; von der Mitgliedschaft einzelner Arbeiter; diese Kenntniß würden sic nach dem Erwerb der Rechtsfähigkeit leicht und von Rechtswegen er langen und eventuell Maßregelungen vornehmen können. Aus den genannten Gründen schließt das „Eorrespondenzblatt", daß keine Gewerkschaft von dem Rechte des Erwerbs der Rechtsfähig keit Gebrauch machen werde. Das scheint uns aber keineswegs eine ausgemachte Sache zu sein. Entschließen sich, wie der „Arbeitsmarkt" annimmt, die entsprechenden Arbeitgebervereine zum Erwerb der Rechtsfähigkeit, so werden auch die Gewerk schaften denselben Schritt thun, um bei wirthschaftlichen Kämpfen, Verhandlungen vor dem Gewerbegericht als Einigungs amt, Friedensschlüfsc u. s. w., ein größeres Gewicht in die Waagschale werfen zu können. * vertt», 8. November. Dem Besuche des Kaisers in England sehen auch die dort lebenden Deutschen mit gemischten Empfindungen entgegen. Ein solcher schreibt dem „Hann. Cour.": Jedermann weiß, wie sich seit Absendung deS vielgenannten Telegramms des Kaisers an den Präsidenten Krüger die Be« ziehungen zwischen Deutschland und England recht unfreundlich gestaltet haben; aber selbst wenn wir zugestehen wollten, daß Las Telegramm besser nicht gesandt worden wäre, hätte doch ein Jeder verstehen können, wie ernstlich der Kaiser hinterdrein bemüht gewesen ist, die Engländer zu überzeugen, daß nicht die „schreckliche Beleidigung" darin gelegen bat, die sie selbst darin gesucht, und wie er Alles aufgeboten hat, sich mit ihnen wieder gut zu stellen. Was hat der Kaiser da nicht Alles gethan! Er hat seine königlichen Verwandten mit Aufmerksamkeiten über- häuft, hat in seiner Uniform als britischer Admiral britischen Kriegsschiffen Besuche abgcstattet, hat seine eigenen Truppen (auf dem Waterlooplatze in Hannover) auf die britischen Sieger in Omdnrman ein Hoch ausbringen lassen, seinem eigenen britischen Dragoner-Regiment jedes Jahr am Waterloo tage einen Lorbecrkranz übersandt, wie er ihm auch un längst bei der Einschiffung nach Südafrika eine „unversehrte Heimkehr" depcschirte. Er hat seine Jacht nach englischen Regatten entsandt. Ja selbst die Studenten in Lxford erhielten in Bezug aus ihre Ruderwetlfahrten mehrfach Bcglückwünschungstelegramme vom Kaiser. Und wie haben die Engländer auf Alles das geant wortet? WaS hat die Königin Freundliches gethan? Ich wüßte nichts. Und der Prinz von Wales? Ich wüßte nichts. Doch ist er jedes Jahr in deutsche und böhmische Bäder gereist, ohne seinem kaiserlichen Neffen auch nur ein einziges Mal einen Besuch abzustatten. Und das englische Volk? Gelacht hat es und gehöhnt und gelästert. Niemand ist seit Jahren die Zielscheibe Les allgemeinen Spottes in dem Grade gewesen wie unser Kaiser, so daß manche Deutsche, die wohl weniger hoch- herzige, weniger kaiserliche Gesinnungen hegten, in ihrer bürger lichen Einfalt bei jedem neuen Beweis kaiserlicher Huld, die sich gegen England richtete, wohl unwillkürlich auSriefen „Genug! genug! Es wird ja Loch nur mißverstanden oder absichtlich verkehrt gedeutet." Alles daS kann ja auch dem Kaiser und seinen Rathgebern nicht entgangen sein; denn bei allen seinen Freund schaftsbeweisen hielt er solch ausgeprägt feindseliger Stimmung des englischen Volkes gegenüber doch mit Recht nicht sür angebracht, seine vormals regelmäßigen Besuche in England bislang zu erneuern." In der letzten Zeit, 'so heißt eS weiter, habe sich zwar ei» Umschwung in ver Stimmung gegen Len Kaiser bemerkbar gemacht, aber das käme nur daher, daß der versprochene Besuch ein Balsam auf das wohl noch nicht ganz erstorbene Gewissen der Engländer und wie eine Waffe den Drohungen anderer Mächte gegenüber wirke. Am Schluffe heißt eS: „Freilich, leitende Staatsmänner können sich nicht immer von ihren persönlichen Neigungen und Erwägungen leiten lassen, wie einfache Bürger deS Reiches. Freilich, LaS Wohl Deutsch. landS mag es erheischen, daß wir unter allen Umständen mit England unS gut stellen sollten. DaS ist auch unser Wunsch. Tiber hat nicht der Kaiser im vorigen Herbst auch den geplanten Besuch bei der Königin von Spanien auS Rücksicht auf die Amerikaner noch lm letzten Augenblick aufgrgebea? Schulden wir nicht auch dem armen heldenmüthigen Boerenvolke eine gewisse Rücksichtnahme, wenigstens insofern, als wir unsere Neutralität treng bewahre» sollten? Nun, das sind Erwägungen, dir man ja auch in Deutschland onsteven wird. ES sei hier nur noch angrfügt, daß selbst manche Engländer, so gern sie jetzt den Kaiser will kommen heißen würden, einigermaßen verwundert sind, daß der Besuch in diesem Augenblick stattsinden soll, und — noch nicht recht daran glaube» wollen." * Berlin, 8. November. Ueber die Bedingungen eines besseren Verhältnisses zwischen Deutsch land und England äußert sich heute die „Kreuzztg." olgendcriuaßen: „Es ist ein offenkundiges Geheimniß, daß Rußland und Frankreich eine Allianz mit uns wünschen, um die Verlegenheit Englands in Transvaal zu nutzen und die Vorherrschaft Großbritanniens zur See zu brechen. Die Combination könnte verlockend erscheinen, wenn wir der beiden Nachbarn sicher wären, denn daß in Deutschland die gesammte öffentliche Meinung gegen England gerichtet ist, liegt so klar zu Täge, Laß es lächerlich wäre, die Tbatsache vertuschen zu wollen. WaS Preußen und Deutschland geworden sind, find sie trotz England geworden, daSZl864 dänisch, 1866 öster reichisch, 1870 gewiß nicht deutsch-freundlich gesinnt war. Unsere Colonialpolitik und unsere jungeKriegSmarine sind trotz England erstanden, und die Erfahrungen von 1896 (wir gedenken Labei auch der Royal DragoonS!), sowie die Cbicanen, die unö noch im Laufe dieses Jahres in Samoa entgegentrateu, konnten wahrlich nicht dazu beitragen, einen Umschwung der öffentlichen Meinung herbeizuführen. Wenn wir trotz alle dem dafür plädircn, daß Deutschland in dem nun schwebenden Kriege die strictestc Neutralität ein hält, geschieht es in der Uebcrzeugung, daß dieser Krieg einen Wendepunkt in der auswärtigen Politik Englands bedeuten wird, durch welchen eine An näherung beider Staaten für England zu einer Nothwendig- keit und für uns zu einer Möglichkeit wird. Heute ist bereits Englands gesammte Streitmacht auf dem Wege nach Afrika, und Nichts deutet darauf hin, Laß eine rasche Entscheidung erfolgen wird, wenn nicht etwa England den moralischen Muth finden sollte, einen den Boeren annebmbarcn Frieden zum Abschluß zu bringen. Mit der Flotte allein, selbst wenn sie so mächtig ist wie die englische, läßt sich eine Weltmacht nicht behaupten, die ihren Stolz darein setzt, in einer sxlenlUckick Isolation ohne Rücksicht auf die Interessen Dritter ihren Zielen nachzugehen. Die Behauptung der Wellstellung Großbritanniens hängt davon ab, daß mit der Zeit, und zwar in einer nicht allzufern liegenden Zeit, ein Compromiß gefunden wird, der eS unS möglich macht, ungehindert unseren wohlberechtigten Zielen auf colonialem Boden in Afrika wie in Asien und in der Südsee nachzugehen. Im Uebrigen können wir warten. Die Aufgabe unserer leitenden Staatsmänner ist heute vor Allem, uns den Frieden zur See zu sichern, aus dem Continent Europas hat zur Zeit Niemand Neigung, ibn uns streitig zu machen. Sollte England daS Gewicht dieser politischen Argumente, die wir mit voller Rückhalt losigkeit dargelezt haben, nicht würdigen und bei der nör gelnden Politik der letzten Monate beharren, so finden sich wohl auch sür uns Combinationen, auf denen sich eine e ntsprech en d«Politik ausbauen läßt. Vielleicht bietet die Samoafrage, deren endgiltige Lösung immer wahr scheinlicher wird, einen Ausblick in die Möglichkeiten der nächsten Zukunft." (-) Berlin, 8. November. (Telegramm.) Der Kaiser besuchte gestern nach der Enthüllung der Denkmalsgruppe Ludwig des Aelteren die Kaiser Wilhelm-Gedächtnißkirche zur Besichtigung einer der Kirche gestifteten Mosaikmalerei und fuhr darauf nach dem Atelier deS Bildhauers Casal, um die daselbst für die SiegeSallee in Arbeit befindlichen Stand bilder in Augenschein zu nehmen. Von dort begab sich der Kaiser nach dem Jagdschloß Grünewald und kehrte von da zu Pferde nach dem königlichen Schlosse in Berlin zurück. Nachdem der Kaiser Regierungsgeschäfte erledigt batte, begab er sich nach dem Ofsicierscasino des 1. Garde- Feldartillerie - Regiments, wo ein AbschiedSessen für den Oberst Heintze v. KrenSki stattfand. Um 11 Uhr traf der Kaiser wieder im Neuen Palais ein. Heute früh von 9 Uhr ab hörte der Kaiser den Vortrag des Chefs des Civil- cabinets Or. v. Lucanus. (-) Berlin, 8.November. (Telegramm.) Die „National zeitung" hört, der Kaiser werde auf der Reise »ach England von der Kaiserin und den kaiserlichen Kindern be gleitet sein. (-) Berlin, 8. November. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland sind, wie gemeldet, heute Vormittag 11 Uhr mit Sonderzug auf Station Wildpark eingetroffen. Aus dem festlich geschmückten Bahnhofe waren zum Empfange erschienen: der Kaiser in der Uniform seines russischen Leib-Grenadier-RegimentS und die Kaiserin, der deutsche Botschafter in Petersburg Fürst Radolin, der russische Botschafter in Berlin Graf von der Osten-Sacken mit Gemahlin und mit den Herren der Botschaft, StaatSrath Timirjasew und der russische Propst Malzew. Am Bahnhofe hatte eine Compagnie deS Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier- RezinitittS mit dtn Fahnen ükd der RegimentSmusik Aufstellung genommen. Sobald der Zug hielt, begaben sich der Kaiser und die Kaiserin an den Salonwagen, dem zuerst die Kaiserin Alexandra Feodorowna und dann Kaiser Nicolaus entstieg, während die kaiserlichen Kinder im Wagen verblieben. Die Begrüßung war äußerst herzlich. Die beiden Kaiser und die beiden Kaiserinnen umarmten und küßten sich wieder holt. Sodann begrüßte Kaiser Wilhelm die Kaiserin Alexandra Feodorowna durch Handkuß und ebenso der Kaiser von Rußland die Kaiserin Auguste Victoria. Hierauf wandte sich Kaiser Wilhelm dem russischen Minister deS Aeußern Grafen Murawjew zu, begrüßte ihn ebenfalls herzlich und unterhielt sich mit ihm einige Zeit; desgleichen die Kaiserin. Der Kaiser von Rußland unterhielt sich inzwischen mit dem Botschafter Fürst Radolin. Nach der gegenseitigen Vorstellung deS Gefolges schritten die Majestäten die Front der Ebrencompagnie ab, während die RegimentSmusik die russische Nationalhymne spielte. Nach dem Vorbeimärsche der Ehrencompagnie fuhren die Majestäten nach dem Neuen Palais, auf dem ganzen Wege von dem zahlreich erschienenen Publicum begrüßt. Kaiser NicolanS trug die Uniform des Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-RegimentS. — Um l'/i Uhr Mittags findet im Neuen Palais in Potsdam FamilienfrühstückStafel sür das anwesende russische Kaiserpaar und MarschallStafel statt. Abends findet im Neuen Palais eine Tafel statt, an der die Kaiserpaare mit den Umgebungen, das dienstthuende Hauptquartier, die anwesenden obersten und Ober-Hofchargen, die CabinetSchefS, die Mitglieder der russischen Botschaft, die in Berlin und Potsdam anwesenden Fürstlichkeiten, der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, die Staatsminister vr. v. Miquel, Graf v. Bülow, v. Goßler und Andere theilnehmen werden. — Die drei Töchter des russischen Kaiserpaares, die zunächst im Hofzuge verblieben waren, fuhren um 2 Uhr Nachmittags in königlichen Equipagen nach dem Neuen Palais. (-) Berlin, 8. November. (Telegramm.) Bei dem Staatssekretär deS Auswärtigen Amtes Graf V. Bülow findet heute ein Frühstück statt, an dem der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der russische Minister des Aeußeren Graf Murawjew, der russische Botschafter Graf von der Osten-Sacken und Gemahlin, der deutsche Botschafter in Petersberg Fürst Radolin und Gemahlin, der russische Militärattache Prinz Engalitscheff und der russische BotschaftSrath Bulazell theilnehmen. (-) Berlin, 8. November. (Telegramm.) Die „Kreuz zeitung" meldet: Der Vortragende Rath im Staats ministerium Geh. Rath Frhr. v. Broich ist in den Ruhe stand getreten. v. Berlin, 8. November. (Privattelegramm.) In welcher Fassung der Gesetzentwurf über die Abändernng des GemeindewahlrcchtS dem Landtage zugehen wird, steht nach der „Nat.-Ztg." noch nicht fest. Die Ansichten des Ministers des Innern, Herrn von Nheinbaben, über den Gegenstand weichen, wie verlautet, mehrfach von denen seines Amtsvorgängers ab. Zunächst dürften die Provinzial behörden über die Vorlage gehört werden; Herr v. d. Recke hatte dieselben zu gutachtlichen Aeußerungen nicht aufgefordert. 8. Berlin, 8. November. DaS preußische Landwirth- schastSmittlsterinm hat den vortragenden Rath vr. Müller mit der Zusammenstellung der Collection betraut, mit der das Ministerium im nächsten Jahre auf der Pariser Aus stellung die Entwickelung der deutschen Landwirthschaft zur Darstellung bringen will. Besondere Rücksicht soll vor Allem auf die deutsche Viehzucht genommen werden, für die eS immer mehr gilt, den auswärtigen Markt zu erobern. Unter Anderem sollen in ca. 50 vorzüglich ausgeführten Thier modellen die deutschen Thierrassen vorgeführt werden. — Die Behauptung, daß vir Regierungen der deutschen Bundesstaaten durch das Vorgehen der Reichsbehörden in der Flottenfrage überrascht worden seien, wird von bayerischer officiöser Seite zurückgewiesen. Gegenüber der „Germania" schreibt die „Augsb. Abendztg.": Wir können zur Beruhigung der „Germania" mittheilen, daß der Kaiser, wie er es schon öfter gethan hat, es als eine seiner vornehmsten Pflichten be trachtet hat, die übrigen Bundesfürsten von einer so schwerwiegenden Vorlage, wie die der zu erwartenden Marine- vorlage, selb st In Kenntniß zu setzen. Es kann also in keiner Weise von einer Nichtachtung des Bundesraths oder gar einer Verletzung des föoerativen Princips die Rede sein. — Der deutsche Grneral-Consul in Shanghai vr. Knappe, der im September Tsintau in Kiautschau und Port Arthur besuchte, wird sich mit Familie am 9. December aus dem „König Albert" einschissen, um einen längeren Urlaub nach Europa anzntreten. * Im Kieler Hafen sollte jüngst ein deutsches Kriegsschiff einem schwedischen Fahrzeug durch die Takelage geschossen haben, weil letzteres Schiff unter lassen hatte, die Flagge zu hissen. Auf Grund dieser Meldung hat die schwedisch norwegische Gesandtschaft in Berlin nähere Erkundigungen einzrehen lassen, woraus sich Folgendes ergiebt. Es war in letzter Zeit in Kiel wiederholt bemerkt worden, daß Handelsfahrzeuge beim Paffiren von Kriegsschiffen im Ge biet des Kriegshafens unterließen, di« Nationalitätsflagge zu zeigen, und in Folge dessen war Befehl gegeben worden, darauf zu achten, daß die geltenden Vorschriften streng beachtet würden. Am Freitag, 20. October, passirt« der schwedische Schooner siützungsangeboien. Die Militärs, wie Bernadotte, Augereau, Jourdan u. A, suchten ihn zu überreden, eine Militärdiktatur zu gründen; Sieytzs schlug ihm vor, die Verfassung des Jahres III umyustoßen und allein die Regierung zu übernehmen, aber die von ihm ausgeklügelten Verfassungseinrichtungen zu be rücksichtigen. DieübrigenDirectoren —Barras allerdings mit dem Hintergeoanien, selbst einen Streich zu führen — legten ihm nahe, das Commando der italienischen Armee wieder zu über nehmen, damit sich das Kriegsglück der französischen Waffen zum Besseren wende. Indessen, der gefeierte Held hörte Alles geduldig an und nahm sich Zeit, alle Parteien zu beobachten und sich in die wirkliche Lage der Dinge zu vertiefen. Das Militär sing bereits an unruhig zu werden über das Jncognito Les heim gekehrten Generals; weder vor den Officieren der Nationalgarde ließ sich Bonaparte blicken, noch schien er Neigung zu verspüren, -sich seinen Kriegskameraden zu zeigen. Voll« vierzehn Tage sah und hörte man so gut wie gar nichts von ihm. Da, am 30. October, speiste er in geringer Gesellschaft beim Direc- toriumsmitgkied Barras; aus Lessen heuchlerischen Worten beim Tischgespräch konnte er entnehmen, daß man ihn, um ihn los zu sein, gern zum Heer nach Italien schicken möchte. Diese seinen politischen Planen wenig günstige Perspective brachte seinen Entschluß zur Reife; noch an demselben Tage sucht« er Sieyös auf und theilte ihm mit, seit zehn Tagen wendeten sich alle Parteien an ihn; er sei entschlossen, mit Sieyös und der Mehr heit d«S Raths der Alten zu gehen. Beide Männer kamen überein, zwischen dem 16. und 20. Brumaire ans Werk zu schreiten. Am 6. November fand dann die Hauptunterredung zwischen Bonaparte und SieySs statt, bei welcher Gelegenheit alle Maß nahmen für d«n 18. Brumaire (9. November) getroffen wurden. Und es geschah so, wie man «S vereinbart hatte. Am 9. November, Morgens gegen 7 Uhr trat dec Rath drr Alten zu einer Sitzung zusammen und beschloß, allerdings nicht ohne starke Opposition, auf Grund der Artikel 102—104 der Verfassung, erstens, um die gesetzgebende Körperschaft vor einer angeblichen Verschwörung zu schütz«», den Sitzungsort nach Saint-Cloud zu verlegen, und zweitens, zum Zwecke der Ausführung dieses Beschlusses dem General Bonaparte den Oberbefehl über alle Truppen der 17. Militärdivision, inr besonder« über die Garde der gesetz gebenden Körperschaft und die in und um Paris stehenden Nationalgarden zu übertragen. Bonaparte erhielt um 8j Uhr schon durch den Staatscourier die Mittheilung über diese Be schlüsse in seinem Haus« in drr Siegesstraße; alsbald trat er vor die Thür und machte die draußen wartenden Generale, Offi- csire der Garnison und Adjutanten der Na-iionalgarde mit dem Beschluß des Raths der Alten bekannt, daß ihm soeben wieder das Commando über alle Truppen übertragen worden sei. Es handle sich jetzt darum, großartige Maßregeln zu treffen, um das Vaterland aus seiner -schlimmen Lage zu befreien; er rechne auf ihre Hilfe und ihren guten Willen. Begeistert zogen die Ossi- crere ihre Degen und versprachen Beistand und Treue. Darauf stieg Napoleon zu Pferde, und die ganze Re-itermasse, Generale, Officier« und drei Cavall«rieregimen-ter, fetzte sich nach den Tuilerien in Bewegung. D«m Rath der Alten machte er mit seinem glänzenden Gefolge einen Besuch, «rklärte, daß er den ihm ertheilten Auftrag getreulich erfüllen werde. „Man suche nicht in der Vergangenheit nach Beispielen für das, was jetzt vorgeht; nichts in der Geschichte gleicht dem Ende des 18. Jahrhunderts, und nichts -gleicht am End« des 18. Jahrhunderts dem gegen wärtigen Augenblick." Alsdann hielt er unter lauten Beifalls bezeugungen der Bürgerschaft vor den Tuilerien eine Heerschau über Truppen und Na-tionalgarden ab, übergab dem General Lannes das Commando über die Gardetruppen der gesetzgebenden Körperschaft, dem General Murat den Oberbefehl zu Saint- Cloud und betraute den General Moreau mit der Bewachung des Luxembourg-Palastes, wo die Direktoren wohnten. Die letzteren legten bis auf Gohier ihre Stellen nieder, Barras nicht ohne einigen Druck, den Talleyrand auf ihn auszuüben wußte. In der gangen Stadt herrschte Jubel und Begeisterung über diese Wendung der Dinge. Bonaparte war des Gelingens seines Staatsstreichs so sichrr, daß er, -als Sieyös ihm gegen 7 Uhr bei ein«r Berathung in den Tuilerien rieth, er solle, ehe es in Saint- Cloud zur Sitzung komme, die 40 Häupter der Opposition ver haften lassen, unwillig zur Antwort gab: „Heute Morgen habe ich geschworen, die Vertreter der Nation zu schützen, heute Abend will ich meinen Schwur nicht verletzen; vor so schwachen Feinden fürchte ich mich nicht.' Bald sollte er erfahren, daß Sieytzs Recht hatte. Als am Nachm-iti-a-g des 19. Brumaire (10- November) der Raih der Alien in Saint-Cloud zusammentrat, ergriffen sogleich drei Mitglieder hintereinander das Wort, die zu der außer ordentlichen Sitzung am Tage vorher zufällig keine Einladungen erhalten halten, und die nun Aufschluß verlangten über die an gebliche Gefahc des Vaterlandes und d-ie angebliche Ver schwörung, mit der man den Staatsstreich gerechtfertigt hatte. Solche Aufschlüsse konnten aber nicht gegeben wr.der, und auch Bonaparte gab sie nicht, als er selber in der Decsaminll-ng er schien und mit zündenden Worten «ine Ansprache an dieselbe richtete. Als er gegen Schluß seiner Rede beiheuerte, sein Vor gehen gelte der Rettung der Republik, die, weil ohne Regierung, auf einem Vulcan sich befände, da stand ein Mitglied, Namens Linglet, auf undsagte mit lauter'Stimme: „General, wir stimmen dem zu, was Sic sagen. Schwören Sie also mit uns, der Ver fassung des Jahres III zu gehorchen, die allein die Republik aufrecht halten kann." Ob dieser Worie Verblüffung und tiefes 'Schweigen! Napoleon faßte sich jedoch bald und cief mit Energie: „Die Ver fassung des Jahres III, die habt Ihr nicht mehr! Ihr habt sie gebrochen am 18. Fructidor, als die Regierung sich an der Un abhängigkeit der gesetzgebenden Körperschaft vergriff; Ihr habt sie gebrochen am 20. Prairial des Jahres VII, als die gesetz gebende Körperschaft sich gegen die Unabhängigkeit der Regierung verging; Ihr habt sie gebrochen, als durch ein frevelhaftes Gesetz Regierung und gesetzgebende Körperschaft die Souveränität des Volkes antasteten, indem sie die von diesem vollzogenen Wahlen für nichtig erklärten. Nach dem Bruch der Verfassung bedarf es eines neuen Grundvertrages, neuer Garantien." Die Kraft der Rede und die Festigkeit des Generals riß Dreiviertel der Raths mitglieder fort, sie erhoben sich von ihren Sitzen als Zeichen der Zustimmung. So hatte also Bonaparte bei dieser Körperschaft recht gute Chancen für seinen Plan; anders stand dagegen die Sach« beim Rathe der Fünfhundert, zu dem er sich bald darauf begab. Dort war mit Rücksicht auf die bisherigen Geschehnisse gegen die Einsprache deS Präsidenten Lucian Bonapart« in heftigster Debatte beschlossen worden, sämmt-lichen Mitgliedern mit Namensaufruf einen Eid auf die Verfassung abzunehmen. Kurz nach Beendigung dieser Feierlichleit erschien nun Bona parte bei den „Fünfhundert", um seine zahlreichen Anhänger zu ermuihigen. Als er, um zu diesen zu gelangen, den Saal der Orangerie durchschreiten wollte, an der Thür aber die Uniformen seiner Soldaten sichtbar wurden, da sprangen etwa zweihundert Mitglieder auf und riefen: „Tod dem Tyrannen, nieder mit dem Diktator!" Ein fürchterlichec Tumult erhob sich nun um den General, der niedergerissen, zu Boden getreten und erwürgt worden wäre, wenn ihn seine Grenadier« nicht mit flachen Säbelhieben herausgehauen und ins Freie gebracht hätten. Bona parte stieg in den Hof des Schlosses hinab, setzte sich zu Pferde und rief den Truppen zu: „Ich wollte diesen da die Mittel und Wege angeben, die Republik zu retten und unseren Ruhm wiederzugewinnen. Sie antworteten mir mit Dolchstößen. Das wäre so was für die verbündeten Monarchen gewesen. Soldaten, kann ich auf Euch rechnen?" Ernmüthiger Beifall gab ihm die '„Jacob" am AuSläuf d'eS Kieler Hafens das zwischen FriedrichS- oct und Bülk mcmöverirende Artillerieschulschiff „Friedrich Karl", ohne die Flagg« zu hissen. Da das schwedische Schiff ziemlich groß war, nahm man an Bord des „Friedrich Karl" an, daß der Capitän mit dem internationalen Signalwesen vertraut war und signalisirte ihm auf 600 Meter Abstand, die Flagge zu hissen, doch ohne Erfolg. Nun steuerte der „Friedrich Karl" längs der Seite des Schooners auf 30 Meter Abstand, und man rief dem Capitän auf Englisch zu, die Flagge zu zeigen. Da dieser Aufforderung nicht Folg« gegeben wurde, feuerte man vom Kriegsschiff einen blinden Schuß und einen scharfen Schuß vor dem Lug des Schooners üb. Trotzdem wurde nicht di« Flagge gehißt, worauf man dem Capitän auf Schwedisch zurief, wenn dies jetzt nicht geschehe, würde man auf das Schiff schießen. Nun endlich hißte der Schooner die Flagge. In ähnlicher Weise wurden am selb«» Tage noch drei andere Fahrzeuge, zwei deutsche uttd ein russisches, an ihre Pflicht erinnert. Dir Meldung, daß der schwedisch« Schooner «ine Kanonenkugel in die Takelage erhalten habe, war also nicht zutreffend. (Voss. Ztg.) * Rawilsch, 7. November. Der Propst Dulknski wollte, der „Köln. Ztg." zufolge, bei der Vereidigung drr hiesigen katholischen Recruten die Fahne als nicht geweiht nicht zu lassen. Er gerieth darüber mit d«m commandirend«» Officier in Zwist. Eine Untersuchung ist eingeleitet. * BrcSlau, 7. November. Der Streik auf der Königs hütte ist beendet. Die Ausständigen traten, unter Verzicht auf die geforderte Lohnerhöhung, die Arbeit wieder an. s. Halle a. S., 8. November. (Privattelegramm.) Die Stadtverordnetenwahlerr der dritten Abtbei- lung brachten den Socialdemokraten eine völlige Niederlage. * M.-Gladbach, 7. November. In der Weberei Hellendall in Bettrath ist durch beiderseitiges Entgegenkommen eine Eini gung erzielt worden. Sämmtlick: Weber habe» die Arbeit wieder ausgenommen. tlr. Weimar, 8. November. (Privattelegramm.) Die Vorlage, betreffend Abänderung der Ortsschulaufsicht, führte heute im Landtage zu lebhaften Erörterungen. Ge- heimrath von Pawel führte aus, durch die vorgeschlagene Aenderung würden die entstandenen Unzuträglichkeiten be seitigt; die Redner der Linken, auch der nationalliberale Abgeordnete Döllstedt, widersprachen und machten geltend, die Vorlage würde die Schule in weitestgehender Weise unter die Aufsicht der Geistlichen bringen, die nicht mehr durch die Wahl des Schulvorstandes, sondern als Vertrauens personen berufen werden sollen. Die Vorlage wurde schließlich zur AuSschußberathung überwiesen. (-) Stuttgart, 8. November. (Telegramm.) Nach dem „Staatsanzeiger für Württemberg" erhielten bei der Stichwahl zum Reichstage im 5. württembergischen Wahlkreise (Eßlingen) Schlegel (Soc.) 11 345 und v. Geß (nat.-lib.) 10 689 Stimmen, Schlegel ist somit gewählt. (Fortsetzung in der 1. Beilage.) SilLV, IsvSpÄK, rill'MIWll'lo lÜgMÜN-lstMllU feiei'88ll'.37, MlBLli, u. KoeltieÄp. 9, LpEanÄalt. Imvort-SLbLiiL lUsarrsn. Uambui'gep, öpemei« unä ttollänäöl' Ligsi'i'en vißLrottoii »llvr I-LnLor. Illnatrtrter »«utnoirvr Ii«Iout»!-4rI»rvt88- kreis 1,50 „81au,kar«I"-VIüIiItSrp«r KönigSplaiz 4, 1. Etage. Tageskalender. Telephon - Anschluß: Expedition des Leipziger Tageblattes . . . . ; Nr. 222. Redaction des Leipziger Tageblattes -> 153. Vnchdruckeret des Leipziger Tageblattes (E. Polz) . o 1173. Otto Klemm'S Sortiment (Alfred Hahn), Filiale: Universitäts- strotze 3: 4046. LoniS Lösche, Filialen deS Leipziger Tageblattes: Katharincn- stratze 14: 2935. Königsplatz 7: 3575. AuSkunftSstelle für Sce-SchisffaürtS- und Reffe-Verkehr. Relies-Weltkarte der Hamburger Nhedereien:F.W. Graupen sl ein, Blücherplatz 1. Unentgeltliche AuSkunstsertheilnng: Wochen tags 9—12 Uhr Vormittags und 3—6 Ubr Nachmittags. Patent-, Gebrauchsmuster-u.Marken-AuöknnftSstellcrBrühlZ (Tuchhalle), I. Exped. Wochentags 10—12, 4—6. Fernspr. 682. Antwort. 'Sogleich befahl er einem Officier, zehn Mann zu nehmen un!d den Präsidenten, seinen Bruder, aus dem Saal der „Fünfhundert" zu bringen. Das geschah; Lucian stieg draußen ebenfalls zu Pferde und rief mit weithin schallender Stimme; „General, und Ihr, Soldaten, der Präsident des Rath es dec Fünfhundert erklär: Euch, daß Aufrührer, mit dem Dolch in der Hand, unsere Berathungen gestört haben. Er ersucht Euch, Gswalt gegen diese Verschwörer anzu-wenden. Der Rath der Fünfhundert ist aufgelöst!" Auf Befehl Napoleon's rückten nun mit Trommekwiebel und gefälltem Bajonett die Grenadiere unter Mueat in den Saal; die Abgeordneten aber stürzten sich, mit Zurücklassung ihrer Togen, Hals über Kopf durch die Fenster ins Freie. Die äcgsten Gegner flohen in Hast g.eich bis Paris. Nach diesem Auftritt wurde eS still in Saint-Cloud. Als die beiden Körperschaften — von den „Fünfhu:,d'eri" etwa Hundert — um 11 Uhr Abends sich wieder versammelten, wurde ohn« Widerspruch ein« Danksagung an Napoleon und seine Truppen beschlossen und sodann das Gesetz vom 19. Brumaire (10. November) angenommen, welche» die Vertagung der beiden Rathsversammlungen auf den 1. Ventüfe (20. Februar nächsten Jahres) aussprach, zwei Ausschüsse von ;e 2ö Mitgliedern mit ihrer vorläufigen Vertretung betraute und die vollziehend < Gewalt einer provisorisch«». Cottsula.'U commifsion, bestehend aus SrryLL, Rvg-.v Lucos und Napoleon Bonaparte, übergab. Dies Gesetz machte der Verfassung deS JahreS HI, insbesondere der Dierctorial-Regierung, definitiv ein Ende. Um die Mittagszeit des 11. November begaben sich die ticer provisorischen Konsuln in den Orangeriesaal des Schlosses dun Saint-Cloud und stellten sich den beiden Rc'hüversammlmtgc,! vor. Lucian Bonaparte, als Präsident, hielt eine Ansprache a.'- sie und nahm ihmn den Amtseid ab: den Cid unverbcüchlicser Treue zur Souveränität des Vokre-, der einen un-d untheilbar.n sraNMsch.n Republik, der Freiheil, der Gleichheit und dem N»- präsentutivsysiem. Die drei ncu ernann-ien Staatsleite» bcgaucn sich noch on demselben Tuge nach Paris in dcn Luxembourg Palast, und das Werk der IS. Brumaire l»ar beeno-igtl veffenl Unii W< de« ist obi An »al Bibi Bü 3- 3- Bol! Päbag tiauS, 2'/,- V-lkSl jeden „Volk und von Stä-tt knn lager lager nnd Som tritt Grafst und 10- woch 50 Grafst (aus, lager Son thek Las 2 Unir »neu Albe Samn Johl Son Kind Must! Krie tag Histor Am' Neues Zu i Neues 3 U und 20 ! Tel 2 geöj und Gern« Aus Sor
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