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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991109029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-09
- Monat1899-11
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Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Uedartion und Expedition: AohanntSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemm's Lorttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, uud Königsplatz 7. Bezugs-Preis der Hauptexpedition oder den km Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^l4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus b.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. MipMer TaMM Anzeiger. Ämtslisatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Amtes der Stadt Leipzig. 572. Donnerstag den 9. November 1899. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50 iA, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsay nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Die Eröffnung des sächsischen Landtages. D Dresden, 9. November. (Telegramm.) Der Land tag der Monarchie ist heute Mittag 1 Uhr durch den König mlt folgender Thronrede eröffnet worden: „Meine Herren Stände! Ich habe Sie zur Wieder aufnahme Ihrer verfassungsmäßigen Thätigkeit berufen und heiße Sie herzlich willkommen. Die gegenwärtige Lage des wirtbschaftlichen Lebens ist angesichts der Stetigkeit deS Aufschwungs, die auf dem Gebiete des Handels und der Industrie in Erscheinung tritt, insoweit als eine günstige zu bezeichnen. Dagegen läßt sich nicht verkennen, daß die nunmehr schon über eine längere Reihe von Jahren sich hinziehenden Mißstände der Lan dwirth schäft trotz vereinzelter Hoffnungsstrahlen in fast ung mindert er Schärfe fortbestehen und durch die lebhaft empfundene Arbeiternoth noch verstärkt werde». Es soll und wird das fortdauernde Bestreben Meiner Regierung sein, dem weiteren Umsichgreifen eines Nothstands auf diesem Gebiete entgegenzutreten und nach Kräften dazu beizutragen, daß auch der Landwirthschast derjenige Schutz gewährt werde, dessen sie dringend bedarf. Die günstige Entwickelung der hauptsächlichsten Eiu- nahmequ eilen hat eS ermöglicht, das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben deS ordentlichen Etats für die nächste Finanzperiode ohne erhöhte Inan spruchnahme der Steuerkraft herzustellcn, obschon sich die Aufwendung nicht unwesentlich rcicker Mittel zur Förderung der Culturaufgaben auf verschiedenen Gebieten des Staats- und Wirtschaftslebens nötbig macht nnd, wie ich boffe, auch Ihre Zustimmung finden wird. In der richtigen Erkennmiß, daß das Wohl deS Staates und deS Landes mit der Erhaltung der bewährten Tüchtig keit und Zuverlässigkeit, nicht minder aber auch der BerufS- freudigkeit des Beamtenstandes eng verknüpft ist, erachtet es Meine Regierung für ihre Pflicht, auch der wirthschasl- lichen Lage der Beamten fortgesetzt ihre besondere Aufmerk samkeit zuzuwenden. In dieser Richtung hat sich zunächst zur Beseitigung von Ungleichheiten, wie solche im Laufe der Zeit hinsichtlich der Gehaltsaufrückung entstanden sind, eine einheitliche Regelung der GehaltSaufrückungS- Verhältnisse innerhalb deS bestehenden BesöldungSrabmenS unter gebührender Mitberücksichtignng deS Dienstalters für unabweisbar gefunden. Die bezügliche Vorlage wird im Staatshaushalt Ihrer Beschlußfassung unterbreitet. Weiter aber ist nicht zu verkennen, daß die vor acht Jahren erfolgte und im Wesentlichen nock gegenwärtig unverändert be stehende Ordnung der Gehälter der Staatsbeamten gegen über der neueren Gestaltung der Preisverhältnisse selbst bei Zugrundelegung bescheidener Ansprüche an die Lebens haltung nicht mehr für ausreichend gelten kann, und daß ferner die eingehenden Erörterungen ergeben haben, daß namentlich hinsichtlich der Wohnungspreise sehr erhebliche örtliche Verschiedenheiten vorhanden sind. Durch diese Sachlage wird die Frage nahe gelegt, ob nicht auch den sächsischen Staatsbeamte» nach dem Vorgänge in anderen Bundesstaaten und im Reiche WohnungSgcldzuschüsse zu gewähren seien, die sich nach Beamten- und Ortsclasseu abstufen. Wenn gleichwohl eine entsprechende Vorlage nicht schon jetzt eingebracht wird, so unterbleibt dies lediglich mit Rücksicht auf die gegenwärtige Finanzlage, bei der es nicht möglich sein würde, das Mehrerforderniß für Wohnungs geldzuschüsse ohne Steuererhöhung zu decken. Die schon längst erstrebte feste Regelung deS finanziellen Verhältnisses deS Reiches zu den Bundesstaaten ist leider noch immer nicht erfolgt. Bei der hohen Wichtig keit einer solchen für die Finanzwirthschaft der Bundesstaaten wird Meine Regierung im Interesse der endlichen Er reichung derselben auch fernerhin bemüht sein. Die fortgesetzteZunahme der Bevölkerung, die fortschreitende Entwickelung des Handels und der Industrie, die nothwendige Fürsorge für Wissenschaft, Knust und Unterricht uud die unausgesetzte Zunahme des Verkehrs machen Ausgaben für eine größere Anzahl von Bauten und Herstellungen nothwendig. Obwohl während der letzten Jahre dieAuSgabenfür den Be trieb der Staa tSeisen bahn en wegen der außerordentlich ge steigerten Anforderungen an ihre Verwaltung stärker gestiegen sind, als die erzieltenEinnahmen, so daß dleVerzinsung des Anlagekapitals gegenüber dem Vorjahre zurück gegangen ist, so läßt sich gleichwohl eine große Anzahl kostspieliger, im Interesse der Sicherheit und der Ordnung deS Betriebs aber nvthwendiger Erweiterungsbauten an bestehenden Eisen bahnen und Verkehrsstelleu nicht vermeiden. Im neuen Etat sind daher hierfür ansehnliche Mittel vorzuseheu gewesen. Ebenso sind für die Verinebrung der Betriebsmittel wiederum größere Summen in Bereitschaft zu stellen, um dem gestiegenen Verkehr: zu genügen. Ter weitere Ausbau des vater ländischen Eisenbahnnetzes begegnet zwar zufolge deS gegen wärtig besonders fühlbaren Mangels an technischen Kräften erheblicken Schwierigkeiten, doch wird Meine Regierung nack Möglichkeit darauf bedacht sein, den Bau neuer Linien nicht ins Stocken gerathen zu lassen. Der Gesetzentwurf über die Verwaltuugspflege wird Ihnen in der Fassung wieder zugehcn, über die Meine Negierung sich mit der vom Landtage hierfür eingesetzten Zwischendeputaliou verständigt hat. Die Fürsorge für die Gemeindebeamten hat ein Gesetzentwurf im Auge, welcher eine durch die bisherigen Erfahrungen gebotene Acnderung ihrer Peusioiis- verhält nisse bezweckt. Ein weiterer Entwurf erstrebt die allgemeine obligato rische Krankenversicherung auch der weiblichen Dienstboten in Anlehnung an die reichsgesetzliche Kranken versicherung der Arbeiter. Dem auf dem letzten Landtage ausgesprochenen Wunsche nach einer zeitgemäßen Revision der Baugesetzgebung entspricht ein Ihnen zugehender Entwurf, den Meine Negie rung nach wiederholter Bcrathung mit Sachverständigen und Betheiligten auSgearbcitet hat und der eine geeignete bau liche Entwickelung in Stadt und Land nach Möglichkeit zu fördern, die nach dem gegenwärtigen Stande der Bautechnik zulässigen Erleichterungen zu gewähren, zugleich aber auch den mit dem Waehsthnme der Gemeinwesen immer dringender werdenden gesundheitlichen uud socialpolitischen Interessen Rechnung zu tragen sucht. Bei der Feststellung des Bangesetzeritwurfs wurden die schon tief empfundenen Mängel eines allgemeinen Ent eignung S-GesctzeS von Neuem fühlbar. Es ist deshalb die Ausarbeitung eines solchen erfolgt, doch bleibt die Ent schließung wegen Vorlegung deS Entwurfs an den Landtag noch Vorbehalten. Mit dem Beginne deS kommenden ZahreS tritt das um fängliche, in das Nechtsleben uud in die Rechtspflege tief eingreifende Gesetzgebungswerk deS Reiches, das Bürger liche Gesetzbuch mit seinen Nebengesetzcn, in Wirksamkeit. Die Ausführung dieses neuen NeichSgesctzcs in Sachsen er fordert eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, die theilS schon die Zustimmung des vorigen Landtages erlangt haben und bekannt gemacht worden sind, theilS mit der vom vorigen Landtage ertheilten Ermächtigung im Vcrordnungswcge vor läufig erlassen worden und nunmehr dem gegenwärtigen Land tage zur Genehmigung vorzulcgcn sind, theilS erst noch erlassen werden sollen. Tie diesbezüglichen Gesetzentwürfe werden Ihnen alsbald vorgelegt werden. Bei den Landgerichten und Amtsgerichten in Dresden und Leipzig hat während ihres zwanzigjährigen Bestehens der Umfang der Geschäfte in so hohem Maße zu genommen, daß auf Abhilfe Bedacht genommen werden muß, die in einer theilweisen Ae »der ung der GerichtS- organisation, sowie in der Errichtung einiger neuer Gerichtsgebäuve bestehen soll. Meine Negierung weiß sich mit den Ständen eins in dem Bestreben, das Unterrichtswesen in allen seinen Zweigen kräftig zu fördern. Die großen Fortschritte der Wissenschaft und die erfreuliche Entwickelung der Hochschulen des Landes machen den Neubau verschiedener wissenschaftlicher Institute nothwendig. Auch die Errichtung neuer und die Erweiterung bestehender höherer Unterrichts anstalten lassen sich nicht umgehen. Bei den Volksschulen soll die Vorlage zur Ergänzung deS Gesetzes über die Gehaltsverhältnisse der Lehrer au den Volksschulen und die Gewährung von StaatSbei- bilfen zu den AlterSzulagen derselben unter Berück sichtigung der während deS letzten Landtages geäußerten ständischen Wünsche vor Allem die Entlastung der Schulgemeinden bezüglich der AlterSzulagen der Lehrer berbeifübren. Es gereicht Mir zur besonderen Freude, daß es möglich gewesen ist, die hierfür erforderlichen erheblichen Mittel bereit zu stellen. Eine weitere Vorlage soll die Stellung der Nadel- arbeitS-Lehrerinnen an Len Volksschulen durch Ver leihung der Pensionsberechtigung verbessern. So mögen denn die Verhandlungen auch dieses Landtages zum Heil und Segen des Landes gereichen!" Der neue Samoavertrag. Mit großer Befriedigung wird eS insbesondere alle colonialfreundlichen Kreise erfülle», daß die heillose Drei herrschaft auf den Samoainseln endgiltig durch ein neues, zwischen England, den Vereinigten Staaten und Deutschland vereinbartes Abkommen beseitigt wird und Deutschland auf dieser Inselgruppe den Platz behauptet, auf den es durch langjährige Rechte und die coloniale Arbeit deutscher Eulturpioniere Anspruch hat. Die Bereinigten Staaten er halten die kleinste und östliche der drei Hanptinseln, Tutuila, mit dem Hafen Pägv-Pago, wo sie 1878 auf Grund eines Freund- schaftSvertragcö Hasen- und Niederlassnngsrechte er warben , und einige noch kleinere Nebeuinseln. Die übrigen Inseln fallen Deutschland zu, nicht nur die größte Sawaii, sondern vor Allem Upolu mit der Haupt stadt Apia und dem Hafen Saluafata, den Teustchland bereits im Jahre 1870 nach Abschluß eines Freundschafts vertrages erhalten hatte: Upolu, die Insel, auf der mehr als 60 000 Im fruchtbares Land in deutschen Besitze sind und wo auch diejenigen deutschen Ansiedler wohnen, die so lange Jahre und noch in diesem so schwer unter den blutigen Wirren ge litten haben. Insgesammt geht durch den neuen Vertrag in deutschen Alleinbcsitz ein Areal von rund 48 Quadrat- meilen mitrund 32 000Einwohnern überfein StückLand,daSsich eines außerordentlich günstigen Klimas erfreut und vor allen Dingen an einer außerordentlich bevorzugten Stelle, ungefähr gleich weit von Ostasien, Australien und der amerikanischen Küste, in der Mitte des Stillen Occans an einem alten Handelswege liegt und dabei militärisch einen überaus günstigen Stützpunkt gewährt. Tas Recht, hier Fuß zu bebalten, hat natürlich England nicht vbne Gegenleistungen gewährt, die ihm besonders nützlich sind. Von eigenem Besitz tritt Deutschland für die ibm von England gemachten Eoncessionen nur die beiden östlichen Salomoninseln Choisenl und Isabel an England ab, behält aber die größte Salomonjnsel Bougainville. Von besonderer Bedeutung ist diese Abtretung nicht, da mit den betreffenden Inseln nur ein ganz ge ringfügiger Handel besteht. Sie hatten für Deutsch- Neu-Guinea nur insofern Interesse, als sie dorthin Arbeits kräfte lieferten. Ihr Klima ist wenig gesund, ihre Cultur stand auf der niedrigsten Stufe. Deutschland hat das Recht zur weiteren Werbung von Arbeitskräften auf diesen Inseln sich vertragsmäßig gesichert. Ferner verzichtet Deutschland auf alle Ansprüche an die Tonga-Inseln und an Savage-Island zu Gunsten Englands. Im Grunde genommen hat weder Deutschland noch England Ansprüche auf diese Inseln, der Verzicht be deutet also nur, daß Deutschland nichts dagegen hat, wenn England diese Inseln in seine Machtsphäre einbeziebt. Die Tongainseln oder Freundschaftsinseln sind eine selbstständige Inselgruppe südwestlich von Samoa; sie umfassen circa 150 kleine und 32 größere Inseln mit 997 Quadrat kilometer und 19 500 Einwohnern; die größte dieser Inseln ist Tonga tabu, 422 Quadratkilometer groß. Am Handel auf diesen unter der Herrschaft eines Königs stehenden Inseln sind Deutschland und England betheiligt. Bereits im April d. I. wurde aus Amerika gemeldet, daß England die Souveränität über die Tongainseln erlangt habe. Es hieß damals, der deutsche Viceconsul auf Samoa habe von der Eingeborenen-Regierung in Tonga die Bezahlung von 100 000 Dollars verlangt, welche die Tonganer deutschen Händlern schuldeten, und auf die Weigerung der Regierung habe er gedroht, daß ein deutsches Kriegsschiff vom besten Hafen der Insel Besitz nehmen würde; darauf sei daS eng lische Kriegsschiff „Tauranga" mit 125 000 Dollars zur Be zahlung der Schulden erschienen und habe die englische Flagge gehißt. Die englische Regierung erklärte jedoch darauf, daß die Nachrichten über angebliche englische Absichten auf Tonga unbegründet seien. Das jetzige Abkommen läßt aber erkennen, daß diese Absichten doch bestanden haben. Savage- Island ist eine kleine, östlich von den Tonga-Inseln gelegene Koralleninsel ohne sonderliche Bedeutung. Ein drittes, jedenfalls da- theuerste Zugeständniß hat Deutschland in Westafrika gemacht da- die sog. neutrale Zone im Hinterlande von Togo 'und von der Goldküsten- colonie betrifft. Diese neutrale Zone liegt zwischen dem 8. und 10. Breitengrad und dem 2. und 4. Längengrad. England erhält von dem streitigen Gebiet den weitaus größeren westlichen Theil, und zwar, wenn wir das Abkommen recht verstehen, mit dem Handelsorte Salaga, während Deutschland Dendi erhält. Die genaue Grenzlinie soll noch festgestellt werden. Der Ausdehnung des Togo-GebietS sind damit bestimmte Grenzen gezogen, was freilich im Wesentlichen auch schon durch das deutsch-französische Togo-Abkommen von 1897 geschehen war. Endlich verzichtet Deutschland auf das Recht der Exterritorialität in Zanzibar. Exterritorialität ist der durch daS Völkerrecht begründete Zustand, daß gewisse Personen und Sachen innerhalb eines fremden Staatsgebiets der Gewalt und dem Recht des Letzteren nicht unterworfen sind. Dieses Recht würde ohnehin mit dem Ablauf unseres Vertrages mit Zanzibar 1902 sein Ende erreicht haben, da England als Prolector des Sultans uns nicht das Exterri- torialrecbt noch weiter eingeräumt hätte. Graf Bülow hat daher nur die Eonsequenzen der historischen Entwickelung der Dinge auf Zanzibar, für die er keine Verantwortung trägt, gezogen, indem er sich schon jetzt bereit erklärte, auf das Recht der Exterritorialität zu verzichten, sobald auch die anderen Staaten, die eS auf Zanzibar besitzen, sich dazu verstanden haben. Da über die amerikanischen Ansprüche keine Meinungs verschiedenheit bestand, so konnte eS sich nur noch um eine Abfindung zwischen Deutschland und England handeln, und so ist denn der Form nach das vorstehende Abkommen zu nächst eine Vereinbarung zwischen Engand und dem Reiche, Auf freien Lahnen. Zgf Roman von Rudolf von Gottschalk. Nachdruck vcrtolen. „Aber ihr fehlt nicht dir geistreiche Anregung, nicht der an ziehende Wechsel! Mir widerstrebt es, Sie in eine Linie zu stellen mit den Anderen, die in meinen Diensten stehen! Und noch etwas — wenn ich Sie heraushrbe zu einer mehr bevorzugten Stellung, so bin ich nicht ganz uneigennützig dabei. Sie werden von jetzt ab mir öfter selbst Bericht erstatten muffen — und solche Annäherung ist mir eine Freude. Ich achte Sie hoch, mein Fräu lein! Wer sich im Kampf ums Dasein vor keiner anscheinenden Demllthigung scheut, wer frei ist von dem schlimmsten Stolz, dem Bettelstolz, wer die Arbeit ehrt und sich durch die Arbeit nährt, — der steht in meinen Augen hoch über den Anderen, die in einem leichtsinnig erworbenen Luxus schwelgen oder sich in ihailojer Armuth Herumbetteln." „Sie beschämen mich, Herr Hörberg." „Und dann, Fräulein Satorin — gerade was ich Ihnen sagen will, ruft mir Ihren Künstlernamen ins Gedächtnis. Es ist öd- und einsam um mich her — ich höre nur von Geschäften sprechen: mein Haus ist ausgestorbcn; meine geliebt« Frau, die höheren Sinn hatte, weilt schon seit längerer Zeit nicht mehr unter den Lebenden. In meinen Mußestunden lese ich die Werke der Dichter. >— wie glücklich wäre ich, darüber auch sprechen zu können, wo ich auf gleiche Empfänglichkeit, auf entgegenkommendes Verständnis! rechnen kann. - Das todte Einerlei meines Lebens würde dadurch an Farbe und schönem Wechsel gewinnen, und gerade mit Ihnen zu plaudern, wenn das Geschäftliche abgethan, würde mir einen langersehnten Genuß gewähren." „In meinem Herzen", versetzte Alice, „lebt das Schöne fort, wenn ich's auch im Leben nicht mehr pflegen darf. Ich danke Ihnen für Ihr Wohlwollen — auch mir sind es die liebsten Feierstunden, wenn ich mit den Gedanken großer Dichter mich über das Alltägliche erheben kann." > Sie reichte dem stattlichen Mann, der sich wieder erhoben hatte die Hand. Hörberg hatte die vierzig kaum hinter sich; er war von mittlerer Größe, kräftig und wohlgebaut. In seinen Zügen lag etwas Träumerisches, was sich mit dem kaufmänni schen Beruf nicht recht vertragen woll:e; seine Lippen hatten nickt das Zusammengekniffene, wie bei Denjenigen, die im Leben nichts als ein Nechenexempel sehen; sie hatten etwas voll Erschlossenes ja Sinnliches; aber die herausgearbeitete Stirn des Denkers rückte Viesen Zug mehr in den Hintergrund. Mit dem Gefühl deS Dankes und einer sympathischen Regung verließ Alice das Comptoir. Draußen lauerte ihr Herr Färber auf. „Nun, abgeblitzt?" „Wer denn?" fragte Alice. „Nun, der Alte natürlich, das ging ja sehr schnell! Das ist rechi von Ihnen; man muß sich seiner Haut wehren, und be sonders, wenn diese Hau! es verdient, daß man ihre zane Schönheit vor zutappenden Angriffen schützt." „Sie sind im Jrrthum, Herr Färber, Ihr Chef könnte Ihnen zum Vorbild dienen; im klebrigen habe ich die Stelle des Fräulein Blüth erhalten." Färber rückte sich die Brille zurecht — den Trotz dieses Mädchens werde er schon zu beugen wissen. Alice wohnte draußen im Vorort — eS war ein einstöckiger Häuschen mit einem Vorgarten, in dem allerlei Blumen wirr und bunt durcheinander rankten und aus ibren Fenstern batte sie einen Durchblick ins Freie. Vielstöckige Häuser mit ArbeU-»- wohnungen, dunkle Fabrikgebäude mit dampfenden Essen engten fast von allen Seiten die Aussicht ein; der Duft der Ferne war nur durch einen schmalen Spalt zwischen den zu beiden Seiten aufgethürmten Häusermassen sichtbar; er lockte ihre sehnenden Ge danken hinaus — dort hinaus, wo das Glück wohnte, wenn es für sie noch eine Zukunft gab. Zwei Jahre waren bald verflossen seit deS Timotheus Ab« reise. Sie wußte nichts von ihm, er hatte es ihr vorausgesagt, daß sie so lange sich gedulden müsse — jetzt endlich mußte eine Nachricht kommen. Sie saß träumend am Fenster, der Mond warf die unheimlichen Schatten der gegenüberliegenden Häuser kasernrn in ihren Blumengarten, doch ferne spann ein Silberdust über den kleinen Ausschnitt von Aeckern. Wald und Wiesen, den dir übervölkerten Riefenhäuser in der Nähe nicht verdunkelten. Wie mühsam arbeitete sie sich empor — und wie bedenklich, wie bedrohlich war das Nächste! Ter kecke Unterhäuptling, der sie als eine leichte Beute ansah — und schlimmer noch, der edel gesinnte Chef — o, sie konnte sich nicht täuschen, er wollte ihr näher treten, feine Augen sprachen eine beredte Sprache; er hegte nicht die verwerflichen Absichren seines obersten Dieners, aber dafür die stille, ernste Absicht, sie zu seiner Lebensgefährtin zu machen. In einer schlummerlosen Nacht quälte sie das Alles. Wenn sie die Augen öffnet«, sah sie den Mondschein, der mit seiner Vollmondshelle das enge Zimmer erfüllte, sie brauchte keine Vor hänge; sie hatte kein Gegenüber; aber sie hatte von ihrer Lager statt aus den Blick in die Ferne, der ihr so lieb war. Wenn ssi die Augen schloß und zu träumen anfing, da sab sie in einem Hellen, zauberischen Licht die Parnassiawiese; die Blumengeister stiegen empor aus den Kelchen, aus jedem ein Paar, das sich liebend umschlungen hielt — und dann lösten sich die Paare und bildeten einen Neigen, und wenn sie näher hinsah, da stand sir selbst in der Mitte und Timotheus hielt sie im Arm und drückte einen glühenden Kuß auf ihre Lippen — und da nahten Alle mit Kränz«n, und eine unsichtbare Musik ertönte, näher, immer näher, zuletzt mit berauschenden Jubelklängen — und sie hatte ein Ge fühl unermeßlichen Glückes. Am nächsten Nachmittag stieg sie in den Wagen der elektrischen Bahn, um zu Frau Dagenow zu fahren. Wie fremd ihr das Alles klang! Sie war ja länger als anderthalb Jahre fern in der Provinz gewesen; sie erfuhr dort nichts von Allem, was vorge gangen, sie hatte keine Berichterstatterin, die in diesen Kreisen heimisch war, und wenn der wackere Regisseur ihr hin und wieder schrieb, so berichtete er nur von Theaterangelegenheiten. Da erfuhr sie, daß der Director Fräulein Merscheid geheirathe: hatte, und das Jahr darauf, daß er wieder von ihr geschieden worden sei — und die Schuld an der Scheidung trage der große .Künstler Letory, der inzwischen an einer ersten Hofbiihn« «in Engagement gefunden und so gefeiert werde, daß fast jedes Packet aus den Maierialwaarcnhandlungen unld Fkeischerländn in seinem gedruckten Rubm eiiwewickelt sei, und er sich vor seinem Bild nicht retten könne, daS in allen Kunstausstellungen, in allen Laden senstern, in allen Papierkörben, gemalt, Photographin, in Helio gravüren, Holzschnitten bis zum abschreckendsten Abklatsch her vorblickte mit den siegsg-wissen Don Juans-Augen. Sie hatte es verschmäht, eine Partnerin dieses Weltruhms zu sein und war einsam in einen Winkel gewandert, wo sie aber das Glück nicht fand! Das berichtete der Regisseur — aber was wußte er von Frau Baronin von Siebeneck, von Frau Vagenow? Sie wohnt« in dem Logis der Schwester, die wieder auf Reisen war und ihr bi-Wei len aus Baalbek und Damai'.üs schrieb. Frau Vagenow empfing di« Probirmamsell aufs Liebenswürdigste, fetzte ihr Mokka vor, ein- vortreffliche Sorte, und als raoGeivräck üb r einige alltägliche Wendungen hinausgekommen war, wie man sie beim Erlernen der fremden Sprachen in den Ersten Lectionen sich einprägt, da bat Clara Vagenow ihren Gast, ihr mit- zutheilen, wodurch sie, eine vielgenannte Künstlerin, in eine ge wiß ehrenvolle, aber doch untergeordnete Lebensstellung gedrängt worden soi. „Sie wissen vielleicht, gnädige Frau, daß hier an der Bühne nicht meines Bleibens war. Meine Nebenbuhlerin hatte das Ohr des Directors — und noch mehr; ihr Anhang verfolgte mich in gehässiger Weise; die Kritik war lau und doppelzüngig; ein herr- vorragmder Künstler bestürmte mich mit Anträgen; sie waren anfangs frivol, später ernst«r Art, auf ein festes Land gerichtet; doch ich konnte ihnen nicht nachgcben, mein Herz ist nicht mehr frei." * „Entschuldigen Sie eine Frage", sagte Clara, indem sie ein Brehelch«», das sie in den Mokka eintauchen wollte, zunächst noch erwartungsvoll zwischen den Fingern hielt, „tvaren Sie nicht zu gewissenhaft? Wo steckt denn Der, welcher Sie zur Sclavin machtH Es ist seitdem wieder viel Wasser unsere Flüsse hinabgerollt, aber ich sehe noch keinen Trauring an Ihren Fingern." „Er ist fern von hier, aber meine Liebe und Hoffnung bleibt ihm unwandelbar treu. Ich hatte hier als Künstlerin keinen Halt mehr, und wenn ich noch schwankte, ob ich gehen oder bleiben sollte, da gab die Kündigung, die mir der Director zuschickte, rasch den Ausschlag. Unser Regisseur, der mir seine Teilnahme bewahrt hatte, verschaffte mir ein Engagement in einer kleinen Stadt. Da 'fand ich einen Director, der für die Kunst begeistert war, mehr als viele mit Großkreuzen g«.
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