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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991116022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899111602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899111602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-16
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Prclamen unter dem RedacttonSstrich (4g*- spalten) LO,<z, vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 40 Gröhere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Dabellarischer und Ztssernsatz nach höherem Tarif. vxtra-Beilagen (gesalzt), uur mlt der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefdrderung 60.—, mit Postbesvrderung 70.—. o Ännahmeschluß für Änzeigea: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz tn Leipzig. 93. Jahrgang. Die Postnovrlle im Reichstag. Die Novelle zum Postgesetz, deren zweite Lesung gestern im Reichstag begonnen wurde, bringt eine ganze Reihe von Neuerungen, die als erhebliche VerkebiSver- besserungen anerkannt werden. Dazu gehört zunächst die Erhöhung des Gewichts für den Zehnpfennig- Brief von 15 auf 20 g und die weitere Bestimmung, daß die für den Ortsverkehr ermäßigte Taxe vom Reichs kanzler auch auf den sogenannten Nackbar verkehr ausgedehnt werden kann, in solchen Fällen, wo Gemeinden, Wenn auch politisch gesondert, in ihrem Verkehrswesen vollständig aufeinander angewiesen sind. Die Liste deS künftig einzurichtenden Nachbarverkehrs umfaßt bereits 1124 Gruppen mit 2248 Ortschaften. Die Ermäßigungen im OrlS- und Nachbarverkehr, die der Staatssekretär in der Commission in Aussicht stellte, betragen 5 -s für den frankirlen, 10 für den nickt frankirlen Brief; Postkarten werben für 2 befördert, Drucksachen bis 50 g für 2 ^f, Waarenproben bis 250 8 für 5 für die höheren Gewicktsstufen sind ent sprechende Ermäßigungen vorgesehen. In der Commission wurde ««gefragt, ob auch Bayern und Württemberg sich an schließen würben; der Bescheid lautete bejahend. Diese Poskreformen sind aber nickt durchzuführen, ohne die P r iv a l p o sra n stalt eu zu beschränken, die unter Aus nutzung der von der Neichspostverwaltung dreißig Jahre lang ignorilten Lücke des Passgesetzes einen großen Theil insbeson dere deS PoslbriefverkebrS vermitteln und darin ihre finanzielle Grundlage haben. Der Borscklag der verbündeten Negierungen ging dahin, den privaten Postanstailen die Einsammlung, Be förderung und Bertbeilung von verschlossenen Briefen auch innerhalb des OrlsbestellbezirkS zu verbieten und die Beförde rung von unverschlossenen Briefen, Karten, Drucksachen und Waarenproben, die mit der Aufschrift bestimmter Empfänger ver sehen sind,concessionepflicktig zu machen. Die Postcommission des Reichstags aber stellte sich auf den Standpunkt, im Hinblick auf die finanzielle Wirkung des Verbots der Beförderung verschlossener Briefe überhaupt den oben geschilderten Prival- postverkebr vom 1. April 1900 zu untersagen und dafür die Privatpostanstalten angemcssen zu entschädigen, höher, als eS die Regierungsvorlage vorgesehen. Und zwar soll den Anstalten der entgehende Gewinn ersetzt und den Bediensteten und Angestellten eine Entschädigung auSgezahll werden, so weit sie nicht von der Postverwallung in eine ihrem bis herigen Beschäfügungsverhältniß entsprechende Dienststelle übernommen werden. In der Commission ist sowohl die Entschädigung der Anstalten und der Angestellten erheblich erhöbt warben, aber strittig sind noch mancherlei Fragen geblieben. Die dritte Streitfrage der Vorlage ist der neue Post- zeilungStarif. In der Commission wurde von der Reichs post eine Rechnung vorgelegt, wonach die Post sckon jetzt bei der Beförderung von Zeitungen mit einem Deficit von nahezu l'/r Millionen Mark rechnen müsse. Nack dem jetzigen Taris seien 4,7 Millionen Mark in Einnahme zu stellen, nach den dem Reichstage unterbreiteten Vorschlägen würde diese auf 6,8 Millionen steigen. Die neue ZeitungSgebühr soll sich zu- sammensctzen aus einer Grundgebühr; die Vorlage bemißt diese auf 10 für jede Bezugszcit obne Rücksicht aus die Dauer; die Commission setzte dafür: 3^f für jeden Monat der BezugSzeit. Dazu kommt dieErsckeinungögebühr: 15^f jährlich für daS wöchentlich einmalige Erscheinen und 15 für jede weitere Ausgabe in der Woche; die Commission ließ sie unverändert. Dazu tritt schließlich die GewichtSgebühr: 10 jährlich für jede- Kilogramm des Jabreszewickls, mindestens aber 40 für jedes Kilogramm. Dafür setzte die Commissi o n 10 jährlich unter Bewilligung eines Freigewichts von je 1 lrx für soviel Ausgaben, wie sie der Erscheinungsgebühr unterliegen. Ferner strich die Commission die Bestimmungen, wonach die Beförderung von Zeitungen durch exprrsse Bolen auf 5 üg beschränkt und Botenwccksel während der Beförde rung verboten sein sollte. Die finanzielle Wirkung ihrer Vor schläge berechnete die ReickSpostverwaltung dabin, daß die Grundgebühr 1,3 Mill. Mark, die Erscheinungsgebübr etwa 2,4 Millionen Mark und Vie GewichtSgebühr 3 Millionen Maik ergeben würde. Die Postverwaltung rechnet weiter: Von den etwa vier Milliarden jährlicher Postsendungen seien nickt weniger als 1100 bis 1200 Millionen ZeilungSiiUinmern, also nahezu ein Drittel der sämmtlichen Postsendungen, die in Summa beute 360 Millionen Mark einbräcklen und 312 Millionen Delriebsunkosten verursackten, während auf die Zeitungen nur der be'ckeidene Betrag von etwa 4^/r Millionen Maik an Einnahmen entfiele. Dazu müsse man obendrein mitunter neben den unentgeltlich gefahrenen Postwagen Extra wagen einstellen und das macke große Mehrkosten. Außer dieser neuen Formulirung zder Vorlage nahm die Commission noch fünf Resolutionen an, wonach u. A. das Bestellgeld bald neu geregelt werden, die Beschränkung der UeberweisungSexemplare auf 10 Proc. der Auflage auf gehoben und bei der Entschädigung kleinerer Privatpost anstalten, namentlich soweit solche den aussckließlicken Erwerb einer Familie bildeten, größtmögliches Entgegenkommen geübt werden solle. Der Commissionsvericht ist vou dem Arg. l)r. Paasche erstattet worden; da er in Folge einer wissen schaftlichen Reise in die westindischen Zuckerbezirke für die nächste» Monate noch abwesend ist, ist der natioualliberale Abg. l)r. Hasse sür ibn als Referent eingctreten. Bei der gestrigen Berathung im Plenum wurde die Er höhung der Gewichtsgrenze für das 10-Psennig-Briefporio auf 20 Gramm und die facultative Eiubeziehung der Vor orte in die Ortstaxe obne Debatte angenommen. Dagegen rief der Postzeitungstarif die ausgedehnten Erörterungen hervor, die man nach der in d r Sommerpause entfalteten Agitation der verschiedenen Interessentenkreise erwarten tonnte. Zwar wurde vou allen Seiten anerkannt, daß mit den CoinmisswnSbeschlüssen, die von der Postverwallung acceptirl worden sind, der Zweck erreicht wird, für die Leistungen der Post daS angemessene finanzielle Acquivalent auf einem Wege zu schaffen, der die bisherige Be günstigung der „Generalanzeigerpresse" beseitigt. Indessen wurde von verschiedenen Seiten die Herabsetzung der Bezugsgebühr auf 2 Pfennig für den Monat beantragt, und ferner lag aus der Ccntrumöpartei der Antrag auf Ein führung eines Zonentarifs, aus der nationalliberalen Partei (Horn-Goslar) der Antrag auf Abstufung der Gebühr auch nach dem Abonnementspreise vor. Der Centrums- antrag wurde mit dem Interesse der kleinen Provinzpresse begründet, während der Abg. Horn sich Mit seinem Vorschläge der Papierindustrie annebmen wollte. Allen diesen Versuchen gegenüber, den Tarif noch weiter berabzudrücken, wies der Staatssekretär v. Podbielski, der wiederboll in die Debatle eingriff, darauf bin, daß schon die Commissionsbeschlüsse eine Verminderung der beabsichtigten Mehreinuabme von 1'/, bis 1»/, Millionen auf etwa 350 000 mit sich bringen. Die kleine Presse werde auch ohne einen Zonentarif durch die Reform, wie sie in den CommiisionSvorschläzen geboten sei, erstarken. Dieses Letztere wurde auch vom Redner der kon servativen Partei anerkannt, der unter Verzicht auf die Wiederholung seiner in der Commission gestellten Anträge auf den Boden der Commissiousvorlage trat. DaS Ergeb- niß der Abstimmung war, daß unter Ablehnung der übrigen Anträge die Herabsetzung der Bezugsgebühr auf 2 zur Annahme gelangte. Welche Folgen dies hat, muß einstweilen dabingestellt bleiben. Ob Herr v. Podbielski unerbittlich bleibt oder ob er in diesem Punctc nachgiebt, das wird sich jedenfalls bei der drillen Lesung vctauSfieUen müssen. Eine weitere gestern beschlossene Aenderung — bei Feststellung des ZeitungSgewicktS soll nicht (wie dies in der Commission beschlossen war) der Bruchtheil eine.' Kilos al« volles Kilo in Anrechnung kommen — ist jedenfalls zu un wesentlich, als daß daran die Reform der ZeitungSgebühr oder gar das ganze Postgeketz scheitern könnte. Heule kommt der Artikel über die Aufhebung der Prwalposlen an die Reihe. Politische Tagesschau. * Leipzig, 16. November. In der letzten Zeit waren ganz ernsthafte Menschen zweifelhaft geworden, ob die preußische Rrgieiung schon in der nächsten Landlagssession wieder mit dem Mitlrllandcaual nebst der für ihn bebuss Erhöhung der Sckmackhafugkelt er sonnenen Garnirungen erscueinen werde. Mancher Unbefangene hoffte sogar angesichts der Lage im Reichstage auf eine solche Verzögeiung als auf einen Act richtiger — Reichspolitik. Nun aber scheinen die Canalfreunce wieder Grund zur Bciuhigung zu haben. Man nimmt allgemein an, daß die Minister, die gestern in srüver VormillagSstunde gemeinschaftlich zum Kaiser befohlen waren, über die Canalangclegenhcit Vortrag zu ballen katien, und nirgends wagt sich die Vcrmutbung hervor, daß eine Verschiebnnz beschlossen worden sein könnte. Um gekehrt wäre jene von uns wiedergegcbcne Mittbeilung der „Deutschen Tageszeitung", daß „gewisse Beamte, die nicht im Mindesten Regierungsbeamte find" von ibren Vorgesetzten zum Austritt aus dem Bunde der Landwirtbe aufgeford-crt worden seien, als ein Zeichen frisch ge stählter Canalenergie anzuseben. DaS leuchtet aber nickt recht ein. Tie preußische Regierung bat genügenden Grund, die Zugeböngkeil von Staate beamten zum Bunte zu miß billigen; denn die von Mitglieder» und den Preßorganen der Bundesleitung geführte Sprache ist nicht selten eine — gelinde ge sagt — beringt monarchische. Aber die gegen tue gewesene Canal vorlage gemachte Opposition kann velständiger Weise von der Regierung Niemandem mehr zum Vorwurf gemacht werden, also auch dem Bunde der Landwirtbe nicht. Erkennt doch die Negierung, indem sie einen zweiten, von dem ersten sehr verschiedenen Entwurf ausarbeikel oder schon auSgearbeitet bat, selber an, daß sie früher nickt das möglich Beste vor geschlagen hat, und nein zu sagen, ehe das möglich Beste erreicht, ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht der Abgeordneten. Die Canalopposilionellen sind in een Augen aller Billigdenkenden rehabilitirt, selbst wenn die durch die Presse laufenden Mittbeilungen über den Umfang der Er weiterung der ersten Vorlage übertrieben sein sollten. Tie während des Aufenthalts des Kaisers in Liebenberg erfolgte Einladung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses v. Kr öcher zur dortigen Jagd scheint denn auch darauf binzuweisen, daß man die Consequenzen der geänderten Canalpolitik zu ziehen gedenkt; Herr v. Kröcher dal bekanntlich gegen den isolirt vorgeschlagenen Mittellandcanal gestimmt. Die Regierung ihrerseits ist im Begriff, einen im Zusammenhang mit der mißlungenen Canalaction gemachten Fehler gut zu machen, Die sonst alljährlich wiederkebrende, aber in der vorigen Session wegen ihres Widerstande« gegen die westliche Wasserstraße der Landwirtbschafl des Osten» vorentbaltene Secundär- und Kleinbahnvorlage wird schon jetzt in sichere Aussicht gestellt und zwar al» eine „Ergänzung der Canal vorlage", mit der sie gewissermaßen eine große Verkehr«- Vorlage bilden soll. Wahrscheinlich ist man rechts nicht blöde und verlangt zu dem 1899 Versagten das nach bisherigem Brauche für 1900 Fällige. Dies Quantum wird auch wohl nicht verweigert werben. Dagegen muß man die Richtigkeit der Meldung anzwnseln, daß auch der Bau deS Großschiff fahrtsweges Berlin-Stettin sckon für daS nächste Jahr für ipruchreif erachtet werde. In dieser Frage stehen sich zwei Jnieresscntengruppen, die Vertreter einer Ost- und die einer Westlinie, vorläufig noch als unversöhnliche Gegner gegenüber. Die Reorganisation -er griechischen Marine wird, wie in Alben verlautet, abermals von französischen Ser os sic irren übernommen werden. Bekanntlich batte seiner Z It der französische Admiral Lejeune fünf Jahre für die Marine in Griechenland gewirkt, für welche Thätigkeit e< ein jährliches Gehalt von 50 Tausend Francs bezogen, obne daß sich die auf seine Arbeit gefetzten Hoffnungen erfüllten. Da nun die Aufhebung der in dem griechischen Seewesen herrschenden Uebelstände dringend notbwendig geworden ist, war man genöihigt, sich wieder an Frankreich zu wenden, da ein an England in dieser Angelegenheit gerichtetes Gesuch erfolglos geblieben ist. König Georg hat daher seinen diesmaligen Aufenthalt in Paris dazu benutzt, um mit den maßgebenden Kreisen Verhandlungen anzuknüpfen. Der König ließ aus Cbcrbourg den Comniandanten des griechischen Kreuzer« „MiauliS" nach Par>S kommen, damit derselbe mit dem französischen Marineminister das Weitere besprechen könnte. Wie man in Alben sagt, haben diese Besprechungen zu dem gewünschten Ziele gesüort. Was die HeereSresorm durch sremde Osficiere andctrifft, so schließen einige Blätter daraus, baß im diesjährigen SiaatSbaushalr keine Äu-gabrn dafür vorgesehen sind, dieselbe werde vorläufig noch unter bleiben. Wie aber der „Neologos" schreibt, wollte man erst dir nunmehr erfolgte Rückkehr deS Königs abwarten, der auf seiner Reise die Eiuzelheiien dieser Frag« regeln würde, um darauf einen besonderen Credit dafür zu verlangen. Wenn man amerikanischen Berichten trauen wollte, wäre das Ende deS Phtltppinrukricgcs gekommen. Die Ameri kaner haben Tarlac auf Luzon eingenommen und be haupten nun, Aguinaldo'S Macht sei jetzt gebrochen und alle weiteren Unternehmungen der Filipinos müßten unwirksam sein. Zur Würdigung dieser Behauptung einer der streitenden Parteien verweisen wir aus ein Unheil von objektiver und trefflich orientirter Seite. Bor gerade drei Wochen ver öffentlichten wir einen Bericht unseres Mitarbeiters aus Manila vom 22. September. Darin hieß eS: „Tarlac werden die Amerikaner an sich leicht nehmen können, auch in absehbarer Zeit die ganze Schienen- strecke bi» Dagupan in ihrem Besitze haben. Alsdann aber dürfte ihrem weiteren Vordringen ein gebieterisches Halt zugerufen sein. Aguinaldo seinerseits wird sich mit einen Anhängern je nach den Umständen östlich in eine andere S adt zurückziehen, jede offene Feldjchlacht vermeiden und seinen Lvlderstand in Gestalt de» Guerillakrieges sortfetzen. Bon Feuilleton. y Das Pflegekind. Roman von Elsbeth M e y e r - F ö r st e r. VtachdiUU verboten. Johanne ging, und der unklare Sinn der Drohung verfolgte sie, so lange sie durch die Menschenfluihen schritt. Sie dachte über alle Benennungen nach, di« ihr di« Tante bisher hatte zu Therl werden lassen, und in ihrem verwirrt grübelnden Sinn stiegen Bezeichnungen wi« „Schnabel", „Pfote", „Schnauz«", „Rüssel" auf, welche all« die Tante in Bezug auf ihre, Johanne's Persönlichkeit, so gerne angewandt halbe, und sie stellte sich die Beschaffenheit eines Thieres vor, das alle diese Merkmale in einer Gestalt vereinigen tönn«. — Es war ein klarer, goldener Herbsttag, und je rascher sie ging, desto freier wurde ihr Herz, desto mehr fiel all«r Jammer des häuslichen Lebens von ihr ab. Sie sah kleine Mädchen an den Ecken stehen und Veilchen verkaufen, und der Wunsch stieg in ihr auf, auch noch einmal ein solches kleines Mädchen zu sein, zehn Jahr oder zwölf, und mit nackten Füßchen in der Welt herum zu stehen, und noch nichts zu wissen von den harten Herz«n der Menschen. Dann wieder betrachtete sie die Kinderwagen, dir langsam in der Sonn« spazieren gefahren wurden, und eine schwärmerische Zärtlichkeit erwachte in ihrem Herzen zu den zarten, rosigen, klein«« Geschöpfen, deren sie gerne auch wohl eins gehabt hätte, um es wie die Miittrr und Ammen hoch in die Luft zu heben, oder ihnen zuzurufen: „Kuckuck — wo bin ich? — Dadadada!" In Phantasien verloren, schritt sie so behaglich und genießend weiter wie all' di« anderen Sonntagsbürger, di« sich in einer Promenade erging«». Sie merkte kaum, daß sie nun vor dem Hause stand. Roth vor Erwartung, sprang sie die Treppen hinan und läutete Vie blitzblanke Glock«, die zu dem EntrL« der Brinkmanns führt«. Die Mutter selbst öffnete ihr und reichte ihr beide Hände entgegen. „Aber wo ist Nettchen?" sagte sie dann, indem sie erstaunt ganz auf den Flur herauStrat. „Nettchen?" „Sie ist gleich nach Tisch aufgebrochen, um Sie bei der Tant« abzuholen. Sie hat Sie also verfehlr!" „Ich bin doch aber ganz langsam gegangen, Fräulein Nettchen müßte mich längst eingeholt haben", wandte Johanne ein, indem sie bescheiden stehen blieb. „Nun, sei dem wie ihm wolle", sagt« Frau Brinkmann, auf deren Stirn sich eine Wolke bildete. „Sie wird und muß jeden Augenblick hier sein. Kommen Sic, liebes Kind, ich will Sie meinem Sohn« vorstellen. Sie sind Nettchen ein« so gute Freun din geworden. Das will viel sagen. Sie fchließi sich sonst an Niemand an, oder doch nur an Leute, die wiederum zu uns und unserem Hause ganz in Widerspruch stehen " Die letzten Worte klangen bitter, fast schmerzlich. Johanne schlug erstaunt dir Augen auf, in denen sich die ganze Unerfahren hirt ihrer Seele abspiegelte. „Doch das sage ich nur so hin", verbesserte sich Frau Brink mann rasch, indem sie mütterlich ihren Arm um das junge Mädchen schlang. „Sie sollen nicht darauf hören."— Sie traten in das Wohnzimmer ein. „Das ist Herr Paul?" sagte Johanne zaghaft. Er hatte sich erhoben und war rasch zu ihr getreten. Freundlich drückt« er ihr di« Hand. Er fühlte ihre Befangenheit, nnd ihn, der selbst so schüchtern und befangen war im Leben, ergriff sofort «'in sympathisches Gefühl für das tief er- röthsstde Mädchen. Das war kein Wesen, dem er auszuweichen brauchte. Keine von denen, die ihn in Scheu und Bangigkeit ver setzten. „Nehmen Sie Platz, Fräulein Johanne", bat er. Und während die Mutter ihn heimlich ganz erstaunt betrachtete, holte er einen Stuhl herbei, nahm Johanne den Hut ab und hängte ihren Mantel am Thiirpfoften auf, kurz, erging sich in Galan terien, die man bisher noch nie an ihm beobachtet hatte. Johann« hatte richtig einen Sophaplatz erhalten. So sehr sie sich auch dagegen sträubte, Frau Brinkmann hatte sie darauf niedergedrückt. „Denke, Paul", sagte Frau Brinkmann, indem sie mit der scharfen Klinge ihres Messer- in den Kuchen schnitt, ohne jedoch die Augen von der Thür zu wenden, „Nettchen ist nicht mitge kommen. sie hat Fräulein Johanne verfehlt- Sie müßte nunmehr eigentlich längst zurück sein, aber ich glaube wohl, daß Fräulein Windelbach sie noch rin wenig aufgrhalten haben wird." Paul sah seine Mutter mit seltsamem Blicke an. Lin« tiefe Angst malte sich in seinem Auge. „Wer weiß, wo sie sonst noch herumläuft — di« Mariell", sagte di, Großmutter, di« in einer Ecke am Fenster saß und sich ihren mächtig«n Kaffeetopf dorthin erbeten hatte, „sie war doch heute den ganzen Tag wieder so selisam, — kein Wort nicht ge sprochen, und die Augen, die waren da» Einzige, was Leben hatte an ihr. War sie früher zu wild — jetzt ist sie zu stumm, — immer conträr, die Mariell, und nie so, daß Einer weiß, was sie will." Alle schwiegen, und eine dumpfe, kleine Pause trat ein- „Ich ängstig« mich um sie", sagte Paul, der di« Rede der Großmutter finster angehört hatte. „Sie ist nun bald drei Stunden von zu Hause fort. „Ich werd« ihr entgegengehen, — vielleicht finde ich sie noch bei Fräulein Mndelbach." — Die letzten Worte klangen erzwungen; Alle fühlten, daß sie «ine leere Phrase waren, und daß am allerwenigsten Paul seine launische Braut bei der strengen, abstoßenden Lehrerin oer- muihete. Ehe jedoch auch nur Jemand ein Wort erwidern konnte, war Paul aus dem Zimmer. „Langen Sie zu, Fräulein Johanne", sagte Frau Brinkmann, indem sie mit zitternder Hand ihrem Be such den Kuchenteller hinhielt. Johanne nahm ein kleines Stück. Und wieder hoben sich ihre Blicke und ruhten groß und mit kinv- licher Frag« auf den Zügen der beiden Frauen. „Es ist nichts", sagte Frau Brinkmann, abermals ablenkend; ,wir haben alle Drei den thörichten Fehler, uns immer allerlei dunkle Gedanken und Vorstellungen in Betreff unserer Pflege- tochter zu machen." Und als wolle sie die Befangenheit, di« sich so plötzlich über sie herniedergesenkt hatte, mit Gewalt ver scheuchen, setzte sie rasch hinzu: „Ich will Ihnen das Heim zeigen für das junge Paar." Sie nahm den Arm des jungen Mädchens, und Beide schritten nun hinüber in die klein« Wohnung, die auf demselben Flur lag und von dem Wohnzimmer, dem nunmehrigen Altentheil der beiden Frauen, nur durch den kleinen Corridor getrennt war. Johann« stand wie geblendet in dem Hellen, freundlich ge schmückten Roum, der Paul und Nettchen zum Nest dienen sollte. Die Thür, von einer rothen Portiere verhangen, führte in das Schlafzimmer, daran reihte sich die Küche. In dieser schien sich ein Topfjahvmarkt auSgebreitet zu haben. Johanne hatte noch nie so viel Tassen und Kannen und Krüge und Teller beisammen gesehen, und Näpfe mit rothem Mohn besprenkelt, und Fleisch bretter mit schalkhaften Sprüchen, und das Nudekbrett mit einer primitiven, aber in Johanne's A arn sehr sinnigen Malerei, wo ein Mann einer Frau ein Kinld reicht, das an einer feisten Bretzel kaut. — Ueberall hatte die Zärtlichkeit der beiden Frauen Licht und Freundlichkeit verstreut, und da war auch nicht rin einziger Gegenstand, der nicht in gemalter oder gereimter Poesie irgend > eine Andeutung auf das Glück einer jungen Ehe ausgesprochen , hätte. I „Mein Gott!" flüsterte Johanne. Eine solche Küch« hätte sie rtte für möglich gehalten; und während sie Hakblaut und langsam alle die Sprüche der Weisheit las, die dieses Museum enthielt, dachte sie an das Heim ihrer Tante, wo über der Thür« zur Arbeitsstücke die kieckoverkünvenden Worte standen: Hände, die nicht hurtig Nach der Arbeit packen, Soll wie faule Zweige Man vom Rumpfe hacken. — „Sehen Sie diese Kochmajchme an!" sagte die Großmutter, die den beiden Flauen nachgefolgt war und nun liebkosend mit der Hand über die blanken Messingbeschläge des Herdes strich. „Heben Sie di« Töpfe, — einzig und allein wie leicht die sind!" Und mit ihren runzligen Händen hob und schob sie das blitzende funkelnde Kochgeschirr. Schweigsam ging man wieder hinüber in das Wohnzimmer. Weit standen die Fenster offen, die weiche Herbstluft drang herein unv mischte sich mit dem Geruch des Kaffees, der noch in der Kann« dampfte. Eine ganz leichte Dämmerung senkte sich ber«itz hernieder. Sie wischte leicht über die Wände hin und blieb in den Ecken haften. An der Schwarzwälder Uhr trat aufgeregt dec Kuckuck heraus und rief sieben Mal aus glucksender Kehl«. Dann tickte Wieder nur fieberhaft der Pendel. — Drunten im Hofe, auf welchen das Fenster des „Berliner ZimmerS" hinausging, ver stummten di« Kinderstimmen, di« dort g«schrieen und gelärmt hatten. Befangen saßen die drei Frauen und horchten auf bei der plötzlichen Sülle. Und sekundenlang ging über die Drei di« seltsame Illusion hin, daß es aufgehört habe, Sonntag zu sein, daß dunkler Weikeltag urplötzlich alles Feierliche ver schlungen habe. „Ich höre Schritte auf der Treppe — das ist Paul!" rief die Mutter. Sie eilte hinaus. Paul hatte schon die EntrLekhür er schlossen und Irak ihr entgegen. „Ist sie da?" schrie er mehr alS er rief. Und al» die Mutter erschrocken nur den Kopf schüttelte, ließ er sich schwer in der Küche auf einen Stuhl fallen. „Bei Fräulein Windekbach ist sie gar nicht gvwesen", stieß er hervor. „Sieh, Mutter, ich habe es geahnt: Sie ist vor uns geflohen." In diesem Augenblick riß Jemand an der Glock«; die Mutter stürzt« hinaus, während nun auch die Großmutter und Johanne aus dem Zimmer kamen. Vor der Thür stand «in Dienstmann, der gleichmüthig einen Brief au» der Tasche seiner blauen Blou-se zog. „Js et hier wohl recht — bsi Herrn Paul Brinkmann?" fragte er; die Mutter nickt«, sprechen konnte sie nicht. Unfähig, sich noch länger zu beherrschen, entriß sie dem Manne beinahe den Brief. — Nun standen sie Alle in der kleinen Küch« um de«
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