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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991116015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-16
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Die Berner Uedereinkunft vom Jahre 1886 hatte den gegenseitig unter den Vertragsstaaten gewährten UebersetzungSschutz auf zehn Jahre er weitert, ebenfalls vom ersten Erscheinen ab, hat das innere deutsche Reichsrecht also überholt. Jetzt will dieses wieder die Berner Uedereinkunft übertrumpfen mit der Ausdehnung de» Uebersehungsrechts auf die volle Schutzdauer des Urheberrechts, auf dreißig Jahre nach dem Tode des Verfassers. DaS gilt aber nur für Uebersetzungen, die in Deutschland von ebenda er schienenen Werken herauskommen. Für die in Deutschland er scheinenden Uebersetzungen ausländischer Werke bleibt's bei dem Berner Vertrage. Nur wenn ein Ausländer das Erscheinen der Übersetzung in Deutschland gleichzeitig mit der im Auslande er folgten Veröffentlichung des Werkes bewirkt, so soll die Ueber setzung als das Original gelten und bis dreißig Jahre nach feinem Tode geschützt werden. — Auch Rückübersetzungen, Uebertragen in eine Mundart, Dramati sirungen einer Erzählung, Auszüge aus Tonwerken und Ein richtungen solcher Werke für andere Instrumente sollen fort an ausschließliche Verfasserrechte sein. — Alles das wird gewiß allseitig als Fortschritt anerkannt werden. Weniger freudig wird man es in einem Theil« der Lesewelt begrüßen, daß den Roman- und Novellcn-Dichtern das Recht aus drücklich zugestanden wird, ihre Werke den Leihbiblio theken vovzuenthalten. Kaufen, kaufen! Aber die Praktiker besorgen nicht, daß dieses Recht allzuoft angewendet werde. Ohnedies näht der Leihbibliothek alten Schlages mit Riesen schritten das Ende ihres nichk immer reinlichen Daseins. Wer einer von Denen ist, deren es nie genug geben kann: ein Bücherläufer, und wer als solcher hofft, einen künftigen Proreß der Harmlosen, oder eine wichtige Reichstagsbekhandlung, oder einen Eongretzbericht in Buchform seiner Bücherei einizuiver- leiben, dem macht der Entwurf einen Strich durch die Rechnung; 'öffentliche Verhandlungen aller Art sollen künftig nur in Zeitungen und Zeitschriften wiedergegeben werden dürfen; so will cs der Entwurf. Ein weitergehendes Bedürfniß sei nicht anzuerkennen, heißt's in der Begründung. Ob damit auch der Reichstag einverstanden sein wird? Schwerlich. — Um so mehr dagegen werden die Rcichsboten dem Vorschläge zustimmen, daß eine Sammlung von Reden eines Redners nur mit dessen Genehmigung soll veranstaltet werden können. Wem die Gabe zu Theil geworden ist, aus den sieben Tönen der Tonleiter in Dur und Moll neue Folgen zu finden, der soll ein Tonkünstler werden, denn für die ist unter dem neuen Gesetze gut sein. Erst wenn das Geld im Kasten klingt, die Fiedel tönt, die Saite schwingt. Weit umfassender als bisher ist dem Tondichter das Recht und die Möglichkeit gegeben, nicht nur aus dem Verlage, sondern auch aus der Aufführung seiner Werke Nutzen zu ziehen- Indessen ist doch sorgfältig auf di« übliche Musikpflege Rücksicht genommen worden. Frei bleiben Aufführungen, die keinem gewerblichen Zwecke dienen, und zu denen die Hörer ebne Entgelt zugelassen werden, also die ge« sammle Haus- und Vereinsmusik, ferner frei die Musik bei Volks festen, Tanzlustbarkeitcn, Wohltbcitigkeitsaufführungen und — Vie d«r fahrenden Leute, der Bänkelsänger. Immerhin wird eine Menge von Musikaufführungen steuerpflichtig, die bisher frei waren, z. B. die Wirthshaus- und Wirthsgarten-Concerte, überhaupt alle Eoncerte vor zahlender Hörerschaft. ES würde nun freilich zu den größten Schwierigkeiten führen, wenn zu jeder einzelnen derartigen Gelegenheit das Aufführungsrecht von jedem einzelnen ToNkiinstler erworben werden müßte. In der Be gründung de- Gesetzentwurfes wird daher auf die Bildung einer großen Vereinigung von Torrtünstlern hingedeutet, mit deren Ge schäftsstellen die AufführungSgebülhren unter den geringsten Förmlichkeiten zu vereinbaren sein würden. Einen weiteren gewaltigen Erfolg Haden die Tonkünstler und Must-verleger errungen durch den S ch u tz d e r M e l o d i e. Das geltende Gesetz giebt Bearbeitungen von Tonwerken frei, die als „eigcnthümliche Kompositionen" betrachtet werden Finnen. Unier dieser Firma ging bisher unbeanstandet die gewaltige Menge der TranSscriptionen, Potpourri-, Phantasien und dergleichen in die Welt, Arbeiten, bei denen irgend eine beliebte Melodie das Beste, Der Bearbeiter das Uebrige zugab. In Frankreich und Belgien ist die- schon lange nicht mehr gestattet. In Deutschland ver pflichtet der Verein der Musikalienhändler schon seit seiner Gründung (1829) seine Mitglieder zum gegenseitigen Schutz der Melodie, und j.tzt soll dieser Gesetz werden. Da» ist sehr er freulich. Aber dieselbe Hand, die diese Wunde heilt, schlägt den Ton künstlern und ihren Verlegern eine andere, tiefere: den mecha nischen Musikwerken wirv die Tondichtung bedingungslos freigeqebcn. Das hat eine ganze Vor geschichte. Als im September 1884 in dem Bundespalast zu Bern die Berner Uedereinkunft vovberathen wurde, hatten die da ver sammelten Staatsmänner ihre Freude an einer prächtigen Aus stellung der Heller'schen Musikwerke. B«i so angenehmer Grund stimmung fiel eS der Schweiz nicht schwer, zu Gunsten ihrer Spielwevk-Jndustrie den 8 3 d«s Schlußprotokolls der Ucberein- kunft durchzusetzen, der mechanischen Musikinstrumenten die Be nutzung aller Melodien freigiebt. Damals kannte man aber fast nur Spiekwerke mit Walzin und Stiften, also mit ganz be schränkter Melodienzahl. Bald nachher jedoch kamen die In strumente mit auswechselbaren Scheiben und Bändern zur Be deutung, also mit unbeschränkter Melodienzahl, deren Erzeugung besonders in und bei Leipzig die bekannte gewaltige Ausdehnung genommen hat. Die Musikwerke versuchten für ihre Scheiben ebenfalls die Melodien ohne Gegenleistung zu benutzen, wurden aber bald (1888) durch ein Reichsgerichtserkcnntniß genöthigk, sich mit den Tonkünstlcrn abzufiifden. Diesen jetzt bestehenden thatsächlichen Zustand will der Gesetzentwurf beseitigen, um der deutsch«» Industrie den Wettbewerb mit dem Aus'onde zu er leichtern, in dem die Musikscheiben nicht abgabepflichtig sind. Namentlich Oesterreich, Frankreich, Belgien, die Schweiz und die Vereinigten Staaten von Nordamerika kommen in Betracht. So sehr man gewiß der Industrie alles Gute wünscht, so sehr wird in Zweifel zu ziehen sein, ob für ihre Weltmachtstellung nun ge rade der Wegfall der Abgabe an die Eomvonisten entscheidend wäre. Wie dem nun auch sei — der umfängliche Stoff kann hier nicht aufgerollt werden — bedeutet der 8 21 des Entwurfes «ine völlig« Durchbrechung feiner sonst so überscharf zugespihien Grundgedanken. Weder wirthschaftlich soll der Tonkün'stler den Notenscheiben gegenüber geschützt, noch die Unverletzlichkeit seines Werkes gesichert sein, denn di« Uebertragung auf die Scheibe oder das Band bedeutet fast immer eine jener Veränderungen des Werkes, die son'st so hart bestraft werden sollen. Dazu kommt, daß gar nicht abzusehen ist, was die Zukunft an Vervollkomm nungen der mechanischen Musikwerke noch bringen kann. Man denke nur an Phonographen! Musikverleger und Tonkünstler, von denen ein Theil dem ? 21 jetzt zubeftimmt haben soll für den Preis einer Verlängerung der Schutzfrist, dürften später zu der Einsicht kommen, daß sie ein werthvolles Recht gegen ein Linsen gericht geopfert haben. Die Verlängerung der Schutzfrist «in Linsen gericht? Ja, das ist so, — für die Allgemeinheit; für Einzelne freilich ist die Verlängerung ein fetter Bissen. In Deutschland gilt bekanntlich die im Jahre 1819 zuerst von den Buchhändlern vorgeschkagene Schutzfrist vondreißig Jahren, allo von einem Menschenalter nach dem Tode des Verfassers. Diese dreißig Jahre haben sich als ein ganz besonders glücklicher Griff erwiesen. Den Kindern, zum Theil noch den Enkeln und Urenkeln des Verfassers wird damit der diesen etwa überdauernde wirthschaftlich« Ge nuß seiner Werke gesichert, ohne diese übertrieben lange der Allge meinheit vorzuenthalten. Die dreißigjährige Frist hat sich auch durchaus bewährt. Bedeutet sie doch eine durchschnittlich« Schutz dauer des Werkes von SO—60 Jahren, bei langlebigen Verfassern einen 70—80 jährigen Schutz der Erstlingswerke. Trotztdem ist von mancher Seit« h«r die Verlängerung der Frist gewünscht worden, zumal da eine 50 jährige Schutzfrist in anderen Staaten (Ungarn, Frankreich, Portugal, Rußland) besteht. Man ist leider geneigt, di« Bedeutung einer langen Schutzfrist zu überschätzen. Die große Masse aller Schriftwerke reizt über haupt Niemanden zum Nachdruck; mit wenigen Ausnahmen ge nügt ein Schutz von einigen Jahren oder Jahrzehnten nach dem Er scheinen- Dievielen Werke, dieeinem wandelbaren praktischen Be dürfnisse dienen, veralten binnen Kurzem und müssen durch Neu bearbeitungen im Gange gehalten wessen, z. B. wissenschaftliche Handbücher, Schulbücher. Werke, deren Anziehungskraft das Leben ihres Verfassers um dreißig Jahre überdauert, giebt es ganz wenige. Die Reclam'sch« Universalbibliot'hek hatte im Jahre 1895 474 schöngeistige nachdrucksfrei« Werke. DaS war Alles, was von allen vor 1865 gestorbenen Literatur-Größen, bis in tdie graue Vorzeit hinauf, noch auf Absatz rechnen konnte, zu 20 H das Bändchen! Also der Voltheil einer längeren Schutzfrist käme nur den Erben von ganz Wenigen zu Gute. Augenblicklich ist, um den rechten Namen zu nennen, Richard Wagner derjenige, um den es sich eigentlich handelt, wenn der Gesetzentwurf für die Ton künstler eine fünfzigjährige Schutzfrist vor schlägt, währens er für Schriftwerke bei der dreißig jährigen bleibt. Der Unterschied hat natürlich die Eifersucht der Schriftsteller erregt, denn diese finden den Hinweis auf die schwierigere Einführung großer Tonwerke erklärlicher Weise nicht stichhaltig genug für solch' unterschiedliche Behandlung, die leicht als ein« Zurücksetzung aufgefaßt werden kann, wenn Man auch hundert Mal mehr Aussicht auf das große Loos in d«r Lotterie hat, als auf einen praktischen Nutzen aus der Schutzverlängerung. Der Buchhandel hat in keiner maßgebenden Veröffent lichung in dieser Frage eine andere Stellung eingenommen, als den, zu dem die Rücksicht auf das Gemeinwohl führen muß: er ist für Beibehaltung der dreißigjährigen Frist- Zu dieser Haltung bestimmt ihn allerdings nebenbei noch die Rücksicht auf den geschäftlichen Wirrwarr, den obeMtein die Fristverlängerung zur Folge haben Müßte, falls sie schließlich noch auf Schriftwerke ausgedehnt werben würde. Viele Vertragsverträge werden abge schlossen unter Abfindung des Verfassers durch eine Pctusch- summe. Das ist ein abgemachtes Geschäft und soll es sein. Aber kommt es zu einer Verlängerung der Schutzfrist, so will die Rechtslehre, daß die Verlängerung trotz der klären Abmachungen als erfoltgt gilt nicht zu Gunsten des ni«ßbrauchenden Verlegers, sondern des Verfassers, d. h. seiner Erben. Der Buchhandel hat dieser Klügelei aus sehr triftigen Gründen widersprochen.*) Der Gesetzentwurf weicht auch insofern von der Rechtslehre ab, als er dem Verleger den weiteren Nießbrauch zuspricht. Aber er will ihn doch zur HerauSzahlung des halben Reingewinns an die Erben verpflichten für die Zeit der Fristverlängerung, also für das 31.—50. Jahr nach dem Tode des Verfassers. Der halbe Reingewinn! Das klingt sehr einfach. Wer aber Weitz, was ein RechnungSproceß bedeutet, welche unsinnigen Einreden gegen jeden Posten und jedes Pöstch«n gemacht werden können, wer endlich die EigenthLmlichkeiten des buchhändlerischcn Rechnungswesens kennt, den kann's heiß und kalt überlaufen bei dem Gedanken, daß er einst für Hunderte alter, kaum noch gangbarer Lagerhüter rechnungspflichtig sein soll gegenüber Erbenschaften, deren jede aus Hunderten von Berechtigten bestehen kann. Der Hinter- fassen'schaften, bei denen für die Erben des Verfassers ein Erheb liches herausspringt, giebt's sehr wenig«. Soll zu Gunsten dieser Wenigen die ganze Geschäftswelt in so unerhörter Weise be lästigt werden? Man lasse es für Schrift« und Tonwerke, mindestens aber für 'Schriftwerke bei der bewährten Schutzfrist von dreißig Jahren nach dem Tode des Verfassers. Eine Verlängerung hat auf die Güte und Menge der Literatur nicht den mindesten Einfluß, *) Beiträge zum Urheberrecht, Seite 70—75. kommt Nur Wenigen zu Gut«, diesen Wenigen ab«r »hm «igenes Verdienst und auf Kosten de- Volkes. Mit der Regelung der Schutzdauer hängt übrigen» eine sehr Meckmäßig und geschickt erdachte Neuerung zu Gunsten nach gelassener Werke zusammen. Der Entwurf stillt den Grundsatz auf, daß der Schutz eines Werkes, so lange dir Ver öffentlichung nicht erfolgt, zeitlich unbegrenzt sei. Wird das Werk veröffentlicht, wenn auch lange nach dem Tove de» Ver fassers, so bleibt es noch mindestens zehn Jahre geschützt, so fern es nicht mit Rücksicht auf die Lebensdauer oes Verfassers einen noch längeren Schutz genießt. — Leider enthält auch dieser Gesetzentwurf noch nicht den längst begehrten Schutz der Erst- lingSauSgabe tocliti» priueeps) wiedergefundener alter Handschriften, „da die Anknüpfung an das Recht eines Urhebers ausgeschlossen ist". Vielleicht knüpft man doch noch an das Recht loes Herausgebers, wie es Professor Birckmeyer in München kürzlich in «in«r die vielerörterte Sache erschöpfend darstellenden kleinen Schrift vorschlägt. Bezüglich de» Strafverfahrens enthält der Entwurf eine von allen Seiten als höchst gefährlich 'bezeichnete Neuerung: der fahrlässige Nachdruck soll Nicht mehr strafrechtlich geahndet, sondern nur im bürgerlichen Streit verfahren verfolgt werden können. Nach feststehender Erfahrung suchen alle Nachvrucker sich mit Fahrlässigkeit herauSzureden; sie stellen sich dumm. Das hat ihnen bisher wenig geholfen. Könnte aber künftig der fahrlässige Eingriff in die Rechte Anderer Nicht mehr bestraft werden, so würde «ine Menge von Rechts verletzungen ungesühnt bleiben. Dem Geschädigten blribt zwar noch der Anspruch auf Schavenersatz, aber dieser ist schwierig uns zeitraubend durchzusetzen. Bei Nachvrucksachen ist aber immer Gefahr ikN Verzuge- Bei den Erörterungen üb«r den Entwurf hat Jemand einmal die Buchhändler die wirthschaftlichen GegN«r der Schriftsteller genannt. Darin liegt eine arg« Ver kennung der Verhältnisse. Verfasser und Verleg«! sind keine Gegner, sondern Verbündet«. Der Buchhandel wenigstens hat stets seine Rechte am besten zu wahren geglaubt, wenn er für den Schutz schriftstellerischer oder künstlerischer Arbeit ein getreten ist.*) Freilich, auch Verbündete haben untereinander Rechte und Pflichten; aber je peinlicher jeder Theil seine Pflichten erfüllt und die Rechte und Bedürfnisse des Anderen achtet, desto fester wird das Bündniß. Glücklicher Weise besteht als gute Sitte, die immer noch besser ist als ein gutes Gesetz, zwischen den deutschen Verlegern und ihren Schriftstellern durchweg ein Vertrauens- verhältnih, das sich schon in vielen, vielen Fällen zu aufrichtigen persönlichen Freundschaften gesteigert bat. An diesen erfreulichen Bsziehungen kann das neue Gesetz kaum Noch etwas bessern; es könnte sie höchstens gefährden, wenn es «inseitigen Lehren zuliebe sich mit geschäftlich«» Noibwendigkeiten in Widerspruch sehen sollte, die dann gegen das Gesetz, also zum Schaden von dessen Ansehen, durch Privatverträge wieder eingerenkt wenden müßten. Der von der Reich-Verwaltung vorgelegte Entwurf ist offen bar dem ernsten Streben entsprungen, dem Leben, den Wünschen der Betbeiligten und dem Stande der Rechtslehre in geMein- verstäöstlicher, klarer Sprache gerecht zu werden. Wenn der Entwurf trotzdem Viele nicht ganz befriedigt so liegt da» an Verhältnissen uns Strömungen, deren Bekämpfung manch« unge ahnte Müh« gekostet haben mag und noch kosten wird. Der Entwurf ist veröffentlicht worden, eh« er dem Reichstage rugeht, um die Meinungen aller Betheiliotrn zu hören. In der Vresse sind gewöhnlich Juristen und Schrifisteller die Wort- uhrer. Möge es hier einem Buchhändler gelungen sein, von den durch seinen Beruf gegebenen Gesichtspunkten aus in großen Züaen die wesentlichen Alweichunsten des kommenden neuen Rechtes vom alten herauszuhöben, und mögen seine Ausführungen die Anschauungen über Verhältnisse klären helfen, von deren be friedigender gesetzlicher Regelung ein gut Stück deutschen Eultur- lebens zu Freud und Leid beeinflußt werden wird. *) Vergl. „Das Wirken des Börsenvereins" in den Bei trägen zum Urheberrecht, Sette S—41. Frurllsts«» Die weißen Handschuhe. Eine kleine Begebenheit, dem Leben nacherzählt. Von HannsAlbrrcht. Frau Goldhard konnte nicht viel Wirthschaftsgeld bekommen. Das geringe Gehalt ihres ManweS mußte für Vieles reichen, Und vier Kinder wollen schon gekleidet und gespsist werden; da hieß «s Zusammenhalten und di« Erfüllung txr kleinen Wünsche, die ihr manchmal kam«n, auf «ine spätere, bessere Zeit verschieb«n. Es war ja nicht unmöglich, daß ihr Mann — ein kleiner Beamter — einmal Zulage bekam« oder gar ein« bessere Stelle. Nur einen kleinen Luxus gönnte sich Frau Goldhard: sie kaufte sich manchmal ein Loos für 1 vkk zu irgend einer Lotterie, es konnte doch möglich sörn, daß auch auf sie einmal ein Treffer kam, und dann . . . aber sie wollte nicht daran denken, es war ja auch eigentlich gar nicht möglich Und eine« TagrS fand sie doch in der Liste die Nummer ihres Looses mit einem Gewinn von 5 <^t. Es war zwar nicht viel, aber es war etwas — und waS konnte man für 5 Mark nicht Alles haben! Als eS den Kindern verkündet wurde, stimmten diese rin wahre» Indianer geheul vor Freud« an. Nun galt eii zu überlegen, was man mit dem Gelbe machen sollte. Hansel wollte Kaninchen kaufen, Lissy eine lebende Puppe und die beiden Kleinen äußerten auch ihre bescheidenen Wünsche. Da war schwer zu entscheiden. Der Vater rieth endlich, sie wollten All« schlafen gehen und am anderen Morgen sollte die Entscheidung fallen. Frau Goldhard konnte aber nicht rinschlafen; sie hatte doch sonst einen gesunden Schlaf, und Arbeit hatte sie Tags übergenug, daß sie Abend» reichlich müde war. Sie sagte sich immer wieder, daß i h r doch eigent lich die Verfügung über den Loois-Gowinn zukäme — sie hatte die Mark von ihrem spärlichen Wochengelde abgeknapst. Ja, sie mußte sich etwa» dafür kaufen, etwas für ihr« Toilette, etwa», da» in die Augen fiel, etwa», da» den Neid ihrer Bekannten er regte. Ein schönes blaue» Kleid hatte sie sich zu Weihnachten schenken lassen, also «in Kleid braucht« sie nicht; der weiße Hut vom Vorjahr« war noch wie neu — sie gingen ja nicht oft au». Also auch keinen Hut; aber die Handschuhe; da» war etwa», wofür ihr das Geld bis jetzt immer leid gethan hatte — und doch hatte sie einmal gehört, daß die Handschuhe erst eine Toilette vollständig machen sollen. Sie hatte zwar ein paar schwarze Lederhandschuhe, aber durch den dreijährigen Gebrauch waren sie grau geworden und an den Fingern abgenutzt, trotzdem sie sie so ängstlich geschont hakte. Wenn sic einmal wöchentlich mit den Kindern in den nahen Wald ging, wurden si« angezogen — waren sie im Wald«, so streift« sie sie ab und versenkte sie in ihre Tasche. Aufmerksam sahen dst Kinder zu, ja, ihre Mutter war schön und elegant, das fühlten sie deutlich, und daS mußten alle Leute sehen — und im Walde war es einsam, da schadete es ja nicht-, wenn sie ohne Handschuhe ging. Zu Hause lagen diese stet» unter dem Hute auf der Commode, bi» sie Abends weggelegt wurden. Und manchmal trat ein Kind heran, hob den Hut auf und sah die Handschuh« an und dachte: Wenn ich erst groß bin, da werd« ich auch Handschuhe tragen und eine richtig« Dame sein. Die klein« Elly hatte sogar einmal versucht, den einen auf ihr Händchen zu ziehen, aber der verständige Hansel hatte ihn schnell fortgenommen und wieder hingelrgt, und di« Missethat war in Stillschnxigen gehüllt. Also ein paar neu« Handschuhe sollten eS sein! Aber modern, ganz modern! Sie hatte einmal eine OfficiorSdame gesehen mit einem blauen Tuchkleide und weißen Handschuhen — sie wußte jetzt, «s mußten w«iße Handschuhe sein. Und wenn diese auch vergänglicher waren al» dunkl«, e» mußten trotzdem weiße sein. Und dann mußte sie doch auch irgendwo hingehen, wo sie gesehen wurde, und da» konnte nur in Sanssouci sein; dort trafen sich Sonntags alle besseren Leute au» der Stadt und tranken ihren Kaffee und lauschten auf die Regimentsmusik. Si« war nur einmal mit ihrem Manne dort gewesen, damal», al» sie jung ver« heirathet waren. Aber diesmal sollten alle vier Kinder mit kommen, denn sonst hätte sie doch kein Vergnügen. Von den 5 Nkark mußten sich doch unbedingt noch die Kosten für Kaffee und Kuchen und das Eintrittsgeld bestreiten lasten. Zurück würden sie dann mit der neuen elektrischen Bahn fahren, ja, das mußten sie unbedingt, was für Spaß würde das den Kindern machen! — Und die Leute würden staunen: «in blaues Kleid und weiße Handschuhe — ganz vornehme Dame —, mit diesen seligen Gedanken war Frau Goldhard eingeschlummcrt. Früh verkündete sie ihren Beschluß ihrem Manne und den Kindern, der Mann sagte: ja, ja, adieu! und eilte in» Bureau, denn eS war spät; di« Kinder jubelten auf; dann gingen die beiden Aeltesten zur Schul« und di« beiden Kleinen spielten „elektrische Bahn". Frau Goldhard aber zog die schwarzen Handschuhe an, setzte sich den Hut auf und ging zu Meyer und kaufte sich ein Paar Weiße Handschuhe. Erhitzt und glücklich kam sie nach Hause; sobald sie etwas abgekühlt war, mußte sie sie anprobiren Sie saßen wirklich tadellos. Sie zeigte sie zu Mittag ihrem Manne und ihren Kindern, sie holt« das blaue Kleid vor und legte sie daran — sie würde vornehm ausfehen am Sonntag. Und es wurde Sonntag, und das Wetter hatte sich schön ge halten, und die Goldhard'schen Mädchen bekamen die weißen Kleider an und der Hansrl den weißen Anzug, und zu allerletzt zog sich ihre Mutter die weißen Handschuhe an. Herr Goldhard mußte die beiden kleinen Mädchen an der Hand führen, Hansel und Listy sprangen voraus. Frau Anna ging aufgeregt, aber stolz neben ihrem Manne h«r. „Listy, Du hast doch Dein« Korallenkette nicht verloren?" „Hansel, verliere nur ja Dein Taschentuch nicht!" „Karl, steh' doch mal nach, ob Elly's Schärpe nicht etwa aufgegangen ist." „Du bist so aufgeregt heut«, Anna" sagte ihr Mann. Der hatte gut reden. Neue, weiße Handschuh«, au, und noch 3 Mark 25 Pfennige Gewinn in der Tasche und rin Nachmittag in Sanssouci, w«r sollte sich da nicht «in bis chen aufregrn. Es war wunderschön Alles, der Kaffee schmeckte und der Kuchen, die Bekannten grüßten beinah« freundlicher als sonst, und die Kinder tummelten sich munter im Garten umber. Wenn nur die Kinder heute nicht so anhänglich gewesen wären; wenn sie zurücktamen, streichelte da» Eine ihre Hände, dann kam da» Ander« und drückte einen Kuß mit seinem Kuchenmündchen darauf, kurz, sie hatten e» ordentlich auf ihre Hände in den „weißen" abgesehen; und auSgezogen hätte sie die Handschuh» um keinen Preis, da» Loncert mußt« in Handschuhen angehört werden. Man glaubte gar nicht, wie diel Schmutz In der Luft war, und der häßliche Ruß, B. hakte doch recht schlecht« Kdhlen, — kurz, die „weißen" hatten schon manche» Fleckchen, und h«iß war e» auch so mit Handschuhen — sie hatte doch sonst kein« heißen Hände. Abend» ging e» nach Hause — die Kinder waren noch ganz aufgeregt vor Vergnügen; jetzt war ziemliche» Gedränge nach der elektrischen Bahn und si« mußte auch zwei Kinder führen; si- faßte di« Händchen so locker als möglich, aber Flecke wurden doch. Glücklich fanden sie noch Platz in dem Wagen. DaS Kleinste saß auf ihrem Schooß, dir Anderen um sie herum — und immer wieder kamen die Dankbaren und legten der Mutter Arm um ihre Köpfchen, die Kleinste schien inzwischen Geschmack an den weißen Handschuhen gefunden zu haben und leckte mit ihrer kleinen Zunge seelenvergnügt darüber hin. Frau Anna sah eS nicht, denn lie mußte Listy und Hansel im Auge behalten und sich, so gut sie konnte, ihrer seligen Dankbarkeitsbezeugungen er wehren. Dabei fühlt« sie, daß sie von den Mitfahrenden be obachtet wurde — sie wagt« e» nicht, einen Blick auf ihre Hand schuhe zu werfen, sie ahnte nur, daß sie weiß — gewesen waren. Als sie auSgestiegen waren, streift« sie die Schmerzenskinder schnell ab und steckte sie, ohne st« anzusehrn, mit einem Gefühl halb Triumph, halb Bedauern in die Tasche. Und wenn sie sie nie wieder tragen konnte, sie war doch heute elegant gewesen, sie war beneidet worden, die Freude daran war nichk zu theuer erkauft; sic mußt« nun wieder die schwarzen tragen, aber da» machte nicht». Mit einem leichten Seufzer, der der Vergänglichkeit alles Schönen galt, begann sie, klein Elly an der Hand, die Treppe zu ihrer bescheidenen MiethSwohnung hinaufzusteigen. Da bleibt da» Kind plötzlich stehen, starrt entsetzt ihre Hand an und ruft: „Aber Mama, Du hast doch Deine weißm Handschuh« nicht verloren-!"
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