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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991117024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899111702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-17
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 587. Freitag ven 17. November 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. November. DaS Schicksal der Privat post anstatt en darf nun mehr als besiegelt angesehen werden. Der Reichstag bat gestern die bezüglichen, von der Commission beantragten und in einem wesentlichen Pnncte sogar noch über die ursprüng lichen Forderungen der NeichSpvstverwaltnng hinausgebenden Bestimmungen in zweiter Lesung bestätigt. An Widerspruch fehlte es zwar nicht gänzlich, aber Diejenigen, die ihn erhoben und in einer etwa zweistündigen Debatte nochmals alle die bekannten Gründe ins Feld führten, um die Privatpost- anstaltcn zu retten, hatten nur eine ganz bescheidene Gefolg schaft hinter sich. Als Parteien geschlossen stimmten gegen die AuSdchnnng deS Postregalü anch auf die geschlossenen Briefe im Ortsverkehr lediglich die gcsammten Freisinnigen (VolkS- partei und Vereinigung), sowie die Süddeutsche Volkspartei. Mit ihnen votirten nur noch ein paar Cigenbüntler an ihrer Spitze Herr Nintclen vom Centrum, der den Versuch machte, durch ein kleines nichtösagendcS Zugeständnis; — er Wollte den NachbarortS-Vcrkebr für das Regal prciSgeben — Len Fortbestand der Privatpostanstalten durchzusctzen. Daß dieser Versuch keinen Erfolg versprach, hätte er sich freilich selber sagen können, denn einmal ist der NachbarortS-Verkehr schon gegenwärtig dem Postregal unterworfen, und sodann würde es bei der intimen Verwachsenden zahlreicher Groß städte mit ihren Vororten kaum durchführbar sein, zu contro- liren, ob eine Privatpostanstalt, welche für den eigentlichen Orts verkehr zuständig bliebe, nicht etwa über ihre Befugnisse binauS- griffe und auch die allernächste Nachbarschaft mit Briefen ver sorge. In diesem Pnncte hat daher der Staatssekretär des ReichsposlamleS leichtes Spiel. Wenn aber Herr von Podbielski zugleich überhaupt leugnete, daß das Publicum den Privaipostaustalten Dank schuldig sei und daß die gegen wärtigen Tarifreformen der NcichSpostverwaltung zu einem sehr wesentlichen Tbcile dem Wettbewerb des privaten Post betriebes als Verdienst anzurechncn seien, so glauben wir, daß es unendlich Viele geben wird, die darüber anders denken. Das Privatpostwescn hätte sich nicht entwickeln können, wie es sich entwickelt hat, und eö würde für sein Fortbestehen von keiner Seite mit solchem Eifer eingetreteu worden sein, wenn die NeicbSpvst nicht so lange mir Tarif reformen gezögert hätte. Und wenn nicht gegenwärtig die Reichspostvcrwaltung endlich positive Reformen zugcsagt nnd weitere in Aussicht gestellt hätte, so würde der Reichstag schwerlich so rasch bei der Hand gewesen sein, den Privat posten den Lebensfadcn abzuschneiden. Nach Erledigung der principiellen Frage gab es gestern noch eine Anzahl Details zu regeln. Zunächst hinsichtlich der Zeitungs beförderung durch cxpresfe Boten. Tie Vorlage der Reichsregierung hatte dieser Exprcßboteu-Besörderung einen Riegel vorschiebcn wollen durch die Vorschriften, daß der Bote immer nur von einem einzigen Absender beauftragt sein und sich auf der Hin- und Rückreise mit anderweiten Absendern und Aufträgen nicht befassen solle, sowie daß er mehr als 5 Icg postzwangspflichtiger Gegenstände nicht bei sich führen dürfe. In dieser Commission batte man diese Beschränkungen gestrichen. Gestern gab sich der Zeitungs-Caplan Herr Dasbach, Verleger eines kleinen Blättchens, die erdenk lichste Mühe, die Bestimmungen der Vorlage nicht nur wicter- herzustellen, sondern sie anch noch zu verschlimmbessern. Er kann offenbar die Concurrenz größerer Blätter nicht ver tragen und wollte daher — im Sinne der Vorlage — die Lahmlegung des ZeitungöverlriebeS durch expresse Feuilleton. — H Das Pflegekind. Roman von Elsbeth Meyer-Förster. Nachdruck vcrbotrn. Gegen Morgen hin, wenn ihr die Lider zufallen wollten, öffnete sie das Kellerfenster und ließ die frische Luft herein; der erste fahle Schein der Frühdämmerung fiel auf ihr überwachtes Gesicht; wie mit einem feinen Pinsel zog er duükle Schatten unier ihre Augen. Nun vernahm Johanne nach und nach die Laute des langsam erwachenden Lebens draußen. Sie hörte ganz in der Ferne, dort, wo mitten in der Großstadt irgend ein enthusiastischer Hauswirth einen Abglanz von Geflügelzucht hervorzauberte, einen Hahn sein Kikeriki mit weithin gellender Stimme aus'stoßcn; der fahle Morgenschein ging in ein lichteres Grau über, eine leichte Helle glitt an den Mauern des Hauses entlang, in bas Hofviereck hinab. Aus dem Garten kamen die ersten hungrigen Vögel gehüpft, um Wischen den Pflastersteinen des Hofes nach etwaigen Körnern zu picken. Dann, gegen die sechste Stunde, erschien die griesgrämige Hausverwalterin, welche das Hoflhor aufschioß, und nach ihr der Müllkutsch-r, dessen Equipage, die vor der Hausthür hielt, einen weithin bemerklichen Geruch verbreitete. Freundlich grüßte er das junge Mädchen, das hinter dem Ausschnitt des Kellerfcnsters stand; und sie sah theilnehmend nach ihm hin, wie er sich mit dem halben Körper in die Tiefe der un ergründlichen Kehrichttonne versenkte, als wolle er in ihr ein Bad nehmen. Alles wurde wach, und auch Fräulein Windelbach erschien auf der Bildfläche, das dünne Haar noch in schonende Zöpfchen ge flochten, nach einem prüfenden Felh'herrnblick auf die Höhe des aufgestapelten Wäsche'berzes gebot sie Johanne, sich jetzt zu Bett zu legen. Und Johanne taumelte ihrer Kammer zu. Beim Hinaustritt an die frisch« Luft fühlte sie Schwindel, als habe sie schweren Wein getrunken. Ihr blutleeres, überwachtes Hirn reagirte gegen die Frisch« des klaren Morgens. In den ersten, auf Nrttchen's Verschwinden folgenden Wochen hatte Johanne noch ein paar Briefe von Fran Brinkmann er halten, in denen dieselbe voll freundlicher Theilnahme die Auf forderung, sie zu besuchen, wiederholte. Aber die Tante harte dies« Zeilen mit ihrer eisernen Hand beantwortet, in dürren Worten, die einen groben Hinweis darauf gaben, daß Johanna's Boten bestätigt wissen, jedoch mit einer Ausnahme zu Gunsten der kleinen Presse. Diese hat ja in der Regel ihren so gut wie alleinigen Absatz in der Umgegend des Erscheinungsorts und deshalb schlug Herr Daöbach vor, daß der Exprcßboten- dienst nur stattsinben dürfe in den Grenzen eines mäßig be messenen Rayons. Das war zwar schlau ausgeklügelt, aber doch nicht schlau genug. Denn selbst Herr von Podbielski lehnte diese Verballhornung des Gedankens der Regierungs- Vorlage ab, da er die Expreßbvtcn nicht aus die Entfernung, die sie zurückzulegen gedächten, controliren könne, ohne ein nicht eben angenehmes Schnüsfelsystem einzuführen. Herrn Dasbach, der nunmehr sogar von seiner eigenen Partei desavouirt wurde, blieb nichts weiter übrig, als seinen Antrag zurückzuziebcn. Den Beschluß machte gestern ein dritte lebhafte Debatte. Artikel HI der Regierungs-Vorlag ließ bekanntlich die Errichtung (und den Weiterbelrieb von Privatpostanstalten) nur noch zu mit Genehmigung des Reichskanzlers. Hier ist, wie schon oben angedeulet wurde, die Commission noch postalischer gewesen, als die Poslverwaltung selber; sie hat nämlich ein absolutes Verbot der Privatpostanstalten (soweit Sendungen an be stimmte Adressaten in Frage kommen) beschlossen. Ob wohl wieder von Herrn Rintelen und dem Freisinn Streichung deS ganzen Artikels beantragt war, gab eö darüber überhaupt kaum eine Debatte. Was die Coiuis- sion vorschlug, wurde mit überwältigender Mehrheit gut geheißen. Aber cs wurde zuglcicb, waS der NeichSpostver- waltung sicherlich sehr unangenehm ist, dem gcsammten Publicum aber und der gcsammten Presse nur erwünscht sein kann, auf einen Antrag von socialtcmokralischer Seite ein Beschluß gefaßt, welcher Bezug und örtliche Verbreitung von auswärts in Packeten, Ballen :c. bezogener Zeitungen durch Agenten oder Spediteure sicher stellt. Wir können nur wünschen, das; dieser Beschluß nicht etwa in dritter Lesung wieder rückgängig gemacht wird. Heute kommt die Frage der Entschädigung der Privatpostanstalten an die Reihe; eventuell noch die Fern sprech gebühren-Ordnung. Der Antrag, der von nationalliberalcr Seite zur zweiten Lesung der Vorlage zum Schutze des gewerbliche» Arbeits verhältnisses in Aussicht gestellt worden war, ist gestern der Fraction des Reichstags vorgelegt und dann sofort ein gebracht worden. Er geht dahin, von einem Specialgesetze abzusehen und im Nahmen des VereinsrechteS und ter Gewerbeordnung die Coalitionsfreibeit zu erweitern nnd das erweiterte Recht wirksam zu schützen. Zu diesem Zwecke wird zunächst die Forderung erhoben, die der Reichstag wiederholt, wenn auch vergebens gestellt hat: daS Verbindungsverbot für inländische Vereine, das noch für den größten Theil des Reiches besteht, zu beseitigen. Sodann ist H 152 der Gewerbeordnung, der bisher ausschließlich auf die Besserung der Lohn- und ArbeitSverhältnisse beschränkt war, in seiner Wirkung auf die Arbeitsverhältnisse überhaupt er weitert. Schließlich ist H 153 der Gewerbeordnung, der bisher nur auf Verabredungen sich bezog, auch auf Ver einigungen erweitert und ergänzt, zum wesentlichen Theil im Sinne der Bestimmungen, die zum Schutz gegen widerrecht lichen Arbeitszwang in England seit Jahren bestehen. Wörtlich lautet der Antrag: die Vorlage zu beseitigen nnd an die Stelle ihres ersten Paragraphen folgende Be stimmungen zu setzen: Artikel I. Inländische Vereine jeder Art dürfen mit ein ander in Verbindung treten. Eutgegenstehende landeSgesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben. Tage vollauf von Arbeit und Pflichten ausgefüllt wären und zu unnützen Besuchen keine Gelegenheit übrig ließen. Dann war Paul noch einmal persönlich gekommen mit der unter einer Ausrede versteckten Absicht, sich nach Johanna's Be finden zu erkundigen. Aber die Tante hatte ihn schon auf dem Flur mit kalten Worten empfangen und ihm bedeutet, daß ihr für Johanne keine Herrenbesuche erwünscht wären und deren Be finden über alle Wißbegielde erhaben sei. Unmuthig, mit sich selbst aufs Tiefste unzufrieden, war Paul wieder fort gegangen. Warum hatte er sich so kurz abspeisen kaffen, warum nicht darauf gedrungen, Johanne trotz Allem zu sehen und zu sprechen? Aber mit welchem Rechte?!? Seine Wünsche waren noch so unklar! Und angesichts der knöchernen, schrecklichen Frau, die so drohend vor ihm auf dem Flur gestanden hatte, war es ihm einen Augenblick völlig gewesen, als habe er überhaupt in dieser bestimnnen Richtung niemals welche empfunden; und das Erkältende, das aus dem Wesen oer Handarbeitslehrerin strömte, war in seinem gekränkten Gefühl zum Theilc auch auf Johanne mit übergegangen. Immer und immer würde sein Werben am Schluffe doch nur hoffnungslos sein. Das zarte Erlebniß mit Johanne verlor den Glanz, den es zu Anfang für ihn in so tröstlicher Weise gehabt hatte. Entmuthigung erfaßte ihn. So ging ein Jahr hin! Es war wieder Herbst. Im Eomvioir war Paul auf einen der ersten Plätze gerückt. Fleißig, ein Bureaumensch in jeder Falte seines äußeren Wesens, saß er auf dem Drehstuhl vor dem grünen Pulte. Aber in seiner vereinsamten Seele spiegelte sich das Gegentheil seines äußeren Wesens ab; in dieser Unruhe und Qual, wie sie nur sehnsüchtige Menschen kennen, schlug, wie in seinen Knabenjahren, noch heute sein Herz- Die Sehnsucht nach Liebe, nach jener Liebe, die ihn zum Herren eines zweiten Lebens machen würde! Unter seiner schmächtigen Erscheinung barg sich die Leidenschaft, die nicht ge nießen und besitzen, die nur an sich Herangehen und zärtlich ein zweites Leben an das eigene angelehnt fühlen möchte. Es wurde Abend, di« Gaslichter wurden angesteckt, uno eifrig wie ein Lohnarbeiter tastet« Paul weiter in diesem La byrinth von Zahlen und Berechnungen, in dem er für so viel« Stunden des Tages versank. Er war kein rascher Arbeiter. Aber sein Fleiß war uner- mUdlick. Leichte Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Seine Augen waren müde, wie geblendet, als er das Comptoir buch schloß. - ... Artikel H. Die 83 152 und 153 der Gewerbeordnung er- halten folgende Fassung: 8 152. Alle Verbote und Strasbestimmungen gegen Gewerbe treibende, gewerbliche Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Vereinigungen oder Verabredungen, die eine Einwirkung auf Arbeits» oder Lohnverhältnisse bezwecken, insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben. Jedem Theilnehmer steht der Rücktritt von solchen Vereinigungen oder Verabredungen frei und eS findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt. 8 153. Wer durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung, Vcrrusserklärung oder rechtswidrige Wegnahme, Vorent haltung oder Beschädigung von Arbeitsgeräth, Arbcitsmaterial, Arbeitserzeugnissen oder Kleidungs stücke n 1) Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Theilnahme an Ver einigungen oder Verabredungen der im 8152 bezeichneten Art bestimmt oder zu bestimmen versucht oder von der Theil- nähme an solchen Vereinigungen oder Verabredungen abhält oder abzuhaltcu versucht, 2) zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbeiteraussperrung Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitnehmern bestimmt oder zu bestimmen versucht oder an der Annahme oder Heran ziehung solcher hindert oder zu hindern versucht, 3) zur Herbeiführung oder Förderung eines Arbeiterausstandes Arbeitnehmer zur Niederlegung der Arbeit bestimmt oder zu bestimmen versucht oder au der Annahme oder Aufsuchung von Arbeit hindert oder zu hindern versucht, 4) Personen, welche nicht oder nicht dauernd an einem Arbeits ausstand oder an einer Arbeitcraussperrung theilgenommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbetheiligung aus dem Arbeits« Verhältnis; herauszudrängen oder sonst zu schädigen sucht, wird mit Gefängnis; bis zu drei Monaten bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu dreihundert Mark zu erkennen. Eine Verrufserklärung oder Drohung liegt nicht vor, wenn der Thäter eine Handlung vornimmt, zu der er berechtigt ist, insbesondere wenn er befugter Weise ein Arbeits- oder Tienstver« hältniß ablehnt, beendigt oder kündigt, die Arbeit einstellt, eine Arbeitseinstellung oder Aussperrung fortsetzt, oder wenn er die Vor nahme einer solchen Handlung in Aussicht stellt. Ter Drohung wird es gleich geachtet, wenn Jemand in ungehöriger und belästigender Weise Arbeitgebern oder Arbeitnehmern auf Straßen und Wegen folgt, oder Wohnungen, Arbeitsstätten, Wege, Straßen, Plätze, Bahnhöfe, Wasserstraßen, Hafen- oder sonstige Verkehrsanlagcn oder den Zugang zu denselben bewacht oder besetzt hält. Straffrei ist das Warten oder der Aufenthalt an diesen Oert- lichkeiten oder in deren Nähe lediglich zn dem Zwecke, Nachrichten oder Auskünfte zu geben oder einzuziehen. Als Antragsteller stehen unter diesem Anträge die Abgg. Büsing, Möller und vr. Sattler; unterschrieben haben ihn weiter vie Abgg. Boltz, Depken, vr. Ende- mann, vr. Esche, vr.Hasse, vr. Heiligenstadt, Hilbck, Hiesche, Horn, Hosang, Kaleke, v. Kauffmanu, Kettner, Krämer, vr. Lehr, vr. Paasche, Pimpau, Schulze-Steinen, Tönnies, Uhlemann, Wamhofs. DaS ist freilich nur die Hälfte der Fraction, da aber die „Nat.-Lib. Corr." versichert, in der gestrigen FractionS- Langsam legte er die Schreibärmel ab, fuhr in den Geh rock, von dem er ein paar imaginäre Stäubchen pedantisch entfernte. Dann verließ er das Comptoir. Keine besondere Eile trieb ihn seinem Heime zu; wohl liebte er die Mutter und die Gioßmutter, aber sie waren in seinem Leben nur die ruhigen Gleichgewichte, die Alles in ihm in Ord nung, in richtigem Maß und Ziele hielten. Das Uebermaß, nach dem er sich so heimlich sehnte, das kleine Mehrgewicht von Lebens glück, das seine Jugend brauchte, konnten sie ihm nicht ersetzen. In dem Heimwesen der Brinkmann's war Alles im selben Zustande, derselben Anordnung erhalten, wie zur Zeit, da Nett- chen das Haus verlassen hatte. Alles was zu dem Hausstände eines jungen Ehepaares zurrchtgebaut worden war, war bestehen geblieben, und es machte auf Paul keinen wei:«ren Eindruck mehr, daß, als er in der Küche ein Streichholz anzündete, ihm wie zur Begrüßung vom Tellekbord die Worte cntzegenlcuchketen: „Macht irgend was den Kopf Dir kraus, Laß «s an Deiner Frau nicht aus." In schweigsamen Gedanken nahm er Theil an dem sorg fältig hergrrichteten Abendmahl, steckte sich dann eine Cigarre an und lehn!« sich zum Fenster hinaus, um den schönen Herbst abend noch etwas zu genießen. Es war ein weicher, sternenklarer Abend, und wie er so hinunterblickte auf das noch reg« Straßentreiben, erfaßte ihn eine unerklärliche Unruhe- und der Wunsch, sich unter diese Menschen zu mischen und gleich ihnen den Abend zu gemeßen. Die Großmutter und Mutter blickten einander verwundert an, als er die Absicht aussprach, noch einmal auszugehen. Das war so selten vorgckommen bisher in seinem Leben. „Geh, geh, mein Sohn", sagte die Mutter. „Von Herzen freut es mich, daß Du einmal Lust verspürst nach Menschen. Du sollst ja doch kein Sonderling werden, sollst Dich lernen Deines Lebens freuen wie andere junge Leute, alter, lieber Paul." Mit etwas wie Abenteuerlust im Herzen ging er hinab- Er mußte lächeln, als er die Mutter und Großmutter ihm nach blicken sah. Wie heroisch hatte ihn die Mutter zum Fortgehen aufgcfordert! Und doch wußte er, daß sie die Stunden bis zu seine: Rückkehr in Besorgniß um ihn verbringen würde. Die Kette, die sie ihm so sanft um die Füße legte», hie si, mit Rosen umwanden, mußte er nun einmal mit sich schleppen, er mochte gehen, wohin er wollte. Und zu Nettcken schweiften seine Gedanken, diesem freien Wandervogel, der fortgeflattert war aus den engen Stäben. berathung habe sich herauSzestellt, daß die Fraction „durchaus einig in der Hauptsache sei, die CoalitionSfreiheit zu wahren und die staatStreue deutsche Arbeiterschaft gegen widerrechtliche Ver kürzung der Aibeisöfreiheit so weit als angängig zu schützen", so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß noch andere Mitglieder der Fraction für den Antrag eintreten. Bei der Zusammensetzung des Reichstag ist es freilich wenig erheblich, ob einige nationalliberale Abgeordnete mehr oder weniger sich für den Antrag erklären; sein Schicksal liegt in der Hand der konservativen Fractionen und deö CentrumS, über deren Stellungnahme man ja wohl nicht lange im Ungewisse» bleiben wird. Wenn alle englischen Sensationsmeldungen vom Kriegs schauplätze wahr wären, stände eS schlecht um die Sache der Boeren. Dann wäre ihre Streitmacht, deS Krieges satt, am Auseinanderlaufen — die Oranjeboeren sollen ja in ihre Heimath zurückkehren, dann gingen der Belagerungsarmee vor Ladysmith die Lebensmittel aus, dann wäre der Höchst- coiumanvirende und Generalfeldmarschall der Boeren, General Joubert, am Donnerstag vor Ladysmith ge fallen. Einen schöner» Tod könnte sich ja der greise Krieger nicht wünschen, als heldenmütbig auf dem Felde der Ehre, im Kampfe für die Freiheit seines Volkes zu sterben, aber im Londoner KriegSamt weiß man nichts von seinem Ende — daS Gerücht war von Earl Mount Edgecumbe, dem Schwager deS KriegSminisierS, in Plymouth ausgcgangen — und unser Londoner Corresponoent telegraphirt uns sogar: „Joubert'S Tod wird officiell dementirt." Kürzlich wurde Joubert, der einen großen Einfluß auf seine Landsleute auSübt, folgendermaßen geschildert: „Sailau und zurückhaltend, niemals überhastend, stets darauf bedacht, die Truppe znsammen- zuhalten und die noch entfernten Truppen beranzuziehen, ehe er einen entscheidenden Schlag wagt, könnte dieser Mann in der Thar den Engländern noch manche Schwierig keit bereiten, ehe daS „englische Banner in Pretoria flattert". Aber selbst wenn sich das Gerücht von seinem Tode bewahr heitet hätte, der Schlag würde die Boeren nicht entmuthigt haben. Sein Feldzugsplan, der sich bisher trefflich bewährt hat, bleibt und wird zweifellos durchgeführt werden; im Uebrigen sind die Competcnzen der Untercommandenre ziemlich selbstständige, und jeder operirt nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne deS Oberbefehlshabers. Selbstverständ lich sind auch die übrigen Eingangs angedeuteten Gerüchte eben nichts als solche; sie sind zu albern, als daß sie einer Widerlegung bedürften. Dagegen macht sich jetzt eine sehr energische Ac tion derBoeren in südlicher Richtung bemerkbar. Wir meldeten schon im Morgenblatt, daß die Boeren ungefähr 7 Meilen südlich von Coleuso die Eisenbahn, wahrscheinlich bei Frere, wo sie den BlaauwkraaSfluß (einen Nebenfluß der Tugela) überschreitet zerstört und einen Panzer zug angegriffen haben. Heute gehen unö über diese Opera tionen, bei denen die Engländer wieder eine derbe Schlappe erlitten haben, folgende weitere Nachrichten zu: * London, 16. November. Dem „Reuter'schen Bureau" wird aus Estcourt vom 15. d. M. 2 Uhr 30 Min. Nachm. gemeldet: Ain frühen Morgen machte heute ein Panzerzug mit 100 Mann eine Recognoscirung bei Chieveley. Bei Beginn der Rückfahrt eröffneten die Boeren, die Artillerieposten in vier Stellungen hatten, das Feuer auf den Zug. Zwei vor der Maschine befindliche Waggons entgleisten und stürzten um. Sobald die Soldaten in dieser Lage dem Feind die Stirn boten, richtete er ein sehr heftiger Feuer gegen die entgleisten Waggons, die unter großen Schwirrig- Wo mochte sie jetzt fein, welches Dasein leben? Wie zu einer Abgeschiedenen flohen seine Gedanken zu ihr hin, ohne einen einzigen Funken Bitterkeit; für sein kleines, enges, in Schranken gehaltenes Dasein war sie gestorben, und er wußte nun, daß die zwei Welten, seine und die ihre, nie zu vereinigen gewesen wären. Ganze Schwärme fröhlicher Menschen begegneten ihm, muntere, plaudernde Mädchen am Arme junger Männer, Frauen und Kinder,jungeEhepaarc, die mft dem eigenthümkichen Ausdruck gemeinsamen ökonomischen Häuslichkeits-getstes die ausgestellten Auslagen der Schaufenster musterten. — Plötzlich gewahrte Pauk die Gestalt eines schlanken jungen Mädchens, das vor ihm her schritt, langsam, ziellos, in fast schlenderndem Gange. Unter all' den Geschäftigen, zu Paaren gesellten, schien sie ein« Einsame, und Paul schritt schneller zu, von ein«m Gefühl der Theilnahme ergriffen. Und je länger der Weg war, den er die einsame Fremde ver folgte, desto rascher klopfte sein Herz. Ein trotziges Verlangen hatte ihn überfallen, eine Sehnsucht nach Freud« und Genuß, von denen er noch nichts erfahren hatte in seinem Leben. Er richtete sich höher auf, ein Zug von Entschlossenheit trat in sein Gesicht; die heftige Unruhe in ihm nahm zu, und mit einer Ueberwindung, die ihm geradezu körperliche Anstrengung kostete, trat er rasch und mit sorcirt festem Schritt auf die Unbe kannte zu. Sie war an einem Schaufenster stehen geblieben und wandte sich jetzt wie abwartend nach ihm um. Er sah ein Gesicht, das voll Rohheit und stumpfer Gleich giltigkeit war. Wie gejagt ging er weiter. Die Erregung seiner Sinne war geschwunden. Unzufriedenheit mit sich seldst und ein leeres Ge fühl der Getäuschtheit gegenüber Allem, was er auch begann, blieben zurück. Nach und nach fand er seine still« Seelenstimmung wieder. „Ich bin nun 'mal nicht geschaffen, um mir den Genuß zu suchen, mit dem sich die Menschen begnügen", dachte er vor sich hin! „Aber was wünsche ich mir denn eigentlich? Wird sich mir daS jemals nähern, wonach ich mich sehne? Nein, sie wollen mich Alle nicht! Nettchen stieß mich zurück, und Johanne selbst, dieses kleine, arme Mädchen, verschmäht mich." Als hätte «, mit dieses Namen di« ganz« »«rgaiMnheit wach gerufen, sah er jetzt so deutlich, daß er sie hätte malen können, die Erscheinung des jungen Mädchens vor sich, wie sie sich an jenem ersten und letzten Besuche in seinem Hause seinem Gedächtniß eingeprägt hatte. Er sah die Kind«rfigur, so angstvoll hinter
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