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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991118010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899111801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899111801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-18
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Ein Miethscontract, welcher die neuen Bestimmungen aufheben oder ignoriren wolle, habe vor Gericht keine Giltigkeit; namentlich gelte dies für die wichtigsten unter den vorhandenen neuen Bestimmungen, nämlich für die Renovirung der Wohnräume. Diejenigen unserer Leser, welche die Verhandlungen der diesjährigen Versammlung der Deutschen Hausbesitzer-Vereine kennen, werden lächeln über solche Mitthrilung. Aber dies werden immerhin nur wenige Leser sein, so daß es Aufgabe der Presse ist, solchen Entstellungen, welche «ine Rechtsunsicherheit auf einem fürs tägliche Leben so außer ordentlich wichtigen Rechtsgebiete herbeiführen, entgrgengutreten. Gerade im Miethrecht kommt das Einsührungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch dem alten Rechte besonders entgegen, ja, letzteres wird noch auf Jahre hinaus in ungeschwächter Kraft er halten, so daß der Uebergang vom alten zum neuen Rechte sich auf diesem Gebiete voraussichtlich ohne schwere Rechtsstreitig- kciten vollziehen wird. Der Verfasser jenes durch mehrere Zeitungen verbreiteten Ar tikels verwechselt offenbar das sogenannte zwingende Recht, d. h. diejenigen Vorschriften, welch« der Gesetzgeber der Abänderung durch Parteien entziehen will, mit solchen Vorschriften, welche der Gesetzgeber nur für den Fall trifft, daß die Parteien nichts Anderes vereinbart haben. Zur letzteren Kategorie gehören fast sämmtliche Vorschriften des Miethrechts. Die Parteien können also das directe Gegentheil von dem vereinbaren, was im Gesetze steht. Das Bürgerliche Gesetzbuch sagt, die Miethe ist nach der Benutzung der Sache zu zahlen; Parteien können Vorauszahlung vereinbaren. Das Bürgerliche Gesetzbuch sagt, für die Mieth- sorderung des Vermiethers haften die eingebrachten Sachen der Ehefrau und der Kinder in Zukunft nicht mehr. Um diese Sachen haften zu lassen, ist auf dem diesjährigen Hausbesitzer tage vereinbart, alle Miethsverträge in Zukunft auch von der Ehefrau mit unterschreiben zu lassen, damit deren Eigenthum als Mietherin mithafte. Hat die Ehefrau mitgemiethet, so würde auch das gesetzliche Kündigungsrecht, welches für den Fall des Todes des Ehemannes ihr zusteht, Wegfällen, weil der eine Miether, die Ehefrau, ja noch lebt und an den Vertrag ge bunden bleibt. Für die jetzige UebergangSzeit maßgebend ist der Artikel 171 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, welcher lautet: „Ein zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetz buchs bestehendes Mieths-, Pacht- oder Dienstoerhältniß bestimmt sich, wenn nicht die Kündigung nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den ersten Termin erfolgt, für den sie nach den bisherigen Gesetzen zulässig ist, von diesem Termin an nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches." Unter dem ersten Termin, für den nach den bisherigen Gesetzen die Kündigung zulässig ist, haben Einige irrtümlicher Weise nur den Kündigungstermin verstanden, den die Gesetze vorgeschrieben haben für den Fall, daß Parteien keine andere Kündigung ver einbart haben, nicht aber auch den vereinbarten Kündigungs termin. Die Gesetze lassen nun aber eine abweichende Verein barung der Kündigungstermin« zu, so daß im Falle einer ge troffenen Vereinbarung eine andere als die vereinbarte Kündigung nicht zulässig ist. Jeder Zweifel an der Richtigkeit dieser Aus legung schwindet, wenn man ein« Probe auf seine praktisch« An wendung macht. Hätte also z. B. Jemand seine Geschäftsräume oder seine Wohnung vom 1. April 1895 ab auf 10 Jahre ge- miethet, so wäre sowohl er selbst, als auch der Vrrmielher be rechtigt, den Vertrag am 3. Januar 1900 zum 1. April 1900 zu kündigen! Denn die gesetzliche Kündigungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Wohnungsmiethen ist die vierteljährliche. Das wäre doch die rein« Willkür! Das Gesetz griffe ohne alle Noth in geordnete Rechtsverhältnisse ein und vermehrte völlig zwecklos die Schwierigkeiten, welche das Hineinleben in ein neues Recht ohnehin schon mit sich bringt. Und wie reimte sich solche Vor schrift mit der Erklärung der das Bürgerliche Gesetzbuch vor bereitenden Commission: durch die Vorschrift des Artikels 171 würde man dem muthmaßlichen Willen der Betheiligten am meisten gerecht — eine Auffassung, die doch nur zutrifft, wenn die Vertragstreue geschützt wird. Das Verhältniß wird sich so gestalten, daß die am 1. Januar 1900 laufenden Miethverträge während der ver einbarten Mieihzeit in vollem Umfange in unveränderter Geltung bleiben und daß zu ihrer Ergänzung — denn selbst die aus führlichsten Miethverträge regeln nicht alle in Betracht kommen den Verhältnisse — di« vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltenden Landesrechte auch nach dem 1. Januar 1900 heranzuziehen sind. Das Bürgerlich« Gesetzbuch soll zur Ergänzung des Vertrages erst dann herangezogen werden, wenn während der Herrschaft des neuen Gesetzbuches ein« Verlängerung des Vertrages stattfinldet oder wenn, wie das Einsührungsgesetz sich ausdrückt, von dem Kündigungsrechte zum ersten zulässigen Termin kein Gebrauch gemacht wird. Von solcher Regelung kann man in der That sagen, daß sie dem muthmaßlichen Willen der Parteien entspricht. Bisher hatten wir den Fall im Auge, daß Parteien einen Miethvertrag mit besonderen Abmachungen geschlossen haben. In vielen Gegenden Deutschlands und bei kleinen Wohnungen wohl überall im Reiche ist es aber Sitte, überhaupt keine be sonderen Vereinbarungen über die gegenseitigen Rechte und Frau haftet nur dann, wenn sie Gütergemeinschaft lebt. Girbt u Vermiet her keine genügende tetzlichen Zahlung des Mieths- -ung, so muß er den Mieth- Pflichten zu treffen, sondern die Bestimmungen gelten zu lassen, wie sie das Gesetz als angemessen und gerecht aufstellt. In solchem Falle kann man den oben mitgetheilten Artikel 171 buch stäblich anwenden, d. h. das alt« Recht bestimmt die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus der Miethe bis zum ersten Termin«, für den nach den bisherigen Gesetzen die Kündigung zulässig ist, cujo in der Regel bis zum 1. April 1900 oder bei monatweift vcrmietheten Wohnungen nur bis zum 1. Februar 1900. Von da ab entscheidet das Bürgerliche Gesetzbuch. Die Anwendung des neuen Rechts gestaltet nun die beider seitigen Rechte und Pflichten in mehrfacher Beziehung anders. Der praktisch wichtigste Punct ist das Pfandrecht des Vermiethers. Der Vermiether in den Gebieten des gemeinen deutschen Rechts wird hierdurch etwas günstiger gestellt, da er hier bislang nur ein Zurückbehaltungsrecht hat. Umgekehrt wird der Vermiether im Gebiete des preußischen Landrechts insofern beschränkt, als ihm das Pfandrecht nur an den eigenen Sachen des Miethers zustehen soll, und dieser, wenn er ein Ehemann ist, nicht mehr befugt ist, die Sachen seiner Frau mit zu verpfänden, da die Tragung der Kosten des Glichen Haushalts, wozu in erster Linie die Beschaffung einer Vhnung gehört, lediglich ihm zur Last fällt. Das Vermöger mit ihrem Manne in allgcn. die Persönlichkeit des Mieth Sicherheit, insbesondere bei k zinses erst nach geschehener l. vertrag von der Frau mit absch. -m lassen. Die Geltendmachung des Pfandrechts wird den Vermiethern im ganzen Reiche er leichtert. Sie bedürfen hierzu nicht mehr der vorherigen Aus klagung des Miethers, sondern ohne Anrufung des Gerichts ist der Vermiether stets dann, wenn der Miether am Fälligkeitstage nicht zahlt, berechtigt, nach vorhergegangener einmonatiger An drohung die eingebrachten Sachen des Miethers, soweit nöthig. öffentlich versteigern zu lassen. Diese Vergünstigung kommt sämnrtlichen Vermiethern schon vom 1. Januar 1900 ab zu statten, da sie keine Besonderheit des Miethrechts, sondern ein allgemeines Recht des Inhabers eines Pfandrechts ist und die Bestimmungen hierüber sofort in Kraft treten. Das Pfandrecht berechtigt den Vermiether auch, einer Fortschasfung der ein gebrachten Sachen aus dem Grundstücke zu widersprechen, z. B. der Veräußerung eines Pianinos oder eines sonstigen werthvollen Gegenstandes. Nur gegenüber solchen Entfernungen aus seinem Hause hat er kein Widerspruchsrecht, welche im regelmäßigen Be triebe des Geschäfts des Miethers, z. B. Verkauf aus einem Waarenlager, oder den gewöhnlichen Lebensverhältnissen ent sprechend, erfolgen, z. B. mäßig« Geschenke, Mitnahme von Sachen auf die Reise, Hingabe zur Reparatur. Von dem Tage, von welchem ab das Bürgerliche Gesetzbuch für den betreffenden Vertrag gilt, richtet sich auch das beschränkte Recht d«s Miethers zu Unter- oder Aftermiethe nach den neuen Vorschriften. Der Miether ist danach nicht berechtigt, ohne die Erlaubniß des Vermiethers den Gebrauch der gemietheten Sachen emem Anderen zu überlassen. Jedoch kann er, w«nn der Ver miether die nachgesuchte Erlaubniß verweigert, ohne daß gegen die Person des Anoeren ein wichttger Grund vorlirgt, das Mieth- verhältniß unter Einhaltung der gesetzlichen, d. h. vierteljähr lichen, Frist kündigen. Hingegen ist schon vom 1. Januar 1900 an der Miether einer ungesunden Wohnung berechtigt, das Miethverhältniß ohne Ein haltung einer Kündigungsfrist aufzulösen, selbst wenn er die gefahrbringende Beschaffenheit beim Abschluß des Vertrages ge kannt oder auf die Geltendmachung der ihm wegen dieser Be schaffenheit zustehenden Rechte verzichtet hat. Auch oie Vorschrift, daß der neue Erwerber, z. B. der Käufer eines Grundstücks, den Miethern, welche zur Zeit seines Erwerbes bereits eingezogen sind, ebenso verpflichtet ist wie der Vermiether, an dessen Stelle er tritt, wird vom Neujahrstage 1900 ab im ganzen Reiche allgemeines Recht und verliert der starre Grund satz des römischen Rechts „Kauf bricht Miethe" seine mehr als tausendjährige Geltung für die Länder des gemeinen und des französischen Rechts. Der Miether soll eben nicht nur ein per sönliches Recht gegen seinen Vermiether haben, sondern ein Recht gleichsam an der Sache selbst erwerben. Der Tag, mit welchem das Bürgerliche Gesetzbuch den Inhalt der einzelnen Miethverträge regelt, wird nach obigem bei den ver schiedenen Miethverträgen ganz verschieden sein. Bei Verträgen, die auf lange Jahre fest abgeschlossen sind, ist seine Geltung für die ganze Zeit hinausgeschoben. Nicht überstürzt ist also die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern man muß dec Commission recht geben, daß die erfolgte Regelung dem muthmaßlichen Willen der Parteien entspricht.*) *) Näheres über die Rechte und Pflichten aus dem Mieth- vertrage enthält das Büchlein: „Miether und Vermiether, Pächter und Verpächter nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch" von vr. W.. Brandts. (Berlin, Gesetzverlag Schulze L Co. 1899. 75 H.) Deutsches Reich. Berlin, 17. November. (Zur Bekämpfung der Trunksucht.) Gegen die Stimmen der Freisinnigen und der Svcialdemokraten hat sich der Reichstag durch den Beschluß, die Petitionen, bekresfend den Erlaß eines Trunksucht»- ge setzes, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung, bezw. al« Material zu überweisen, für die strafgesetzlicke Bekämpfung der Trunksucht ausgesprochen. Ganz fehlt e« schon jetzt nicht an einer strafgesetzlichen Bestimmung für Trunksüchtig«! tz 3Kl des N.-Str.-G.-B. bestimmt unter Ziffer 5: „Wer sich dem .. Trunk .. dergestalt hingiebt, daß er in einen Zustand gerätb, in welchem zu seinem Unterhalte oder zum Unterhalte Moderne Explosivstoffe. Ein Capitel aus der Kriegstechnit der Gegenwart. Von Franz von Hannweiler. Nachdruck verbotm. Wie in allen modernen Kriegen, so spielen auch im Trans vaal-Kriege die Explosivstoffe ein« Rolle, die den Kämpfen in unserer Zeit eine ganz besondere Physiognomie giebt. Von Sprengungen von Brücken, Panzerzügen u. s. w. wurde wieder holt berichtet, und über die Verbindung des (von uns noch zu besprechenden) LydditS ist eine heftige Erörterung aus gebrochen. Ein Explosivstoff, der praktisch — und darauf kommt es doch allein an — brauchbar sein soll, muß, nach all gemeiner Ansicht, folgende vier Eigenschaften haben: er muß handlich sein, d. h. der Explosivstoff muß im Verhältniß zu seiner Masse eine möglichst große Kraftäußerung entwickeln. Ferner wird von ihm Unempfindlichkeit verlangt, der Explosiv stoff muß völlig gefahrlos gehandhabt und transportirt werden können. Zum dritten ist die Stabilität wichtig, d. h. der Stoff dars sich während des Transports und des Lagerns weder phy sikalisch, noch chemisch ändern. Und endlich handelt es sich um die ballistisch« Leistung, indem der Explosivstoff dem Geschoß eine hohe Anfangsgeschwindigkeit bei möglichst geringem Gaidruck ertheilen muß. Welches sind nun, fragen wir, die heut zu Tage praktisch brauchbaren und angewendeten Explosivstoff«? Es sind, auf ihre Urbestandtheile zurückgeführt, nur die folgenden: da« Nitro glycerin und di« Schießbaumwolle. Das Schwarzpulver spielt kein« wichtige Rolle mehr und fällt daher aus unserer Betrachtung ganz fort. Zur Darstellung des Nitroglycerins, welches 1847 von Sodrrro entdeckt und 1862 von Alfred Nobel in die Praxis eingeführt wurde, mischt man zuerst 30 Theil« Salpetersäure und 60 Theil« Schwefelsäure und läßt diese Säuremischung erkalten. Dann läßt man langsam zehn Theil« reine« Glycerin zufkießen, wobei durch ein Gebläse fortwährend Luft durch die Mischung geblasen wird, um eine möglichst innig« Vermengung zu erzielen und gleichzeitig die steigende Temperatur der Flüssig keit immer auf 30 Grad zu erhalten. Ist alles Glycerin ein geflossen und die Masse abgekiihlt, so wird langsam destillirtes kaltes Wasser zugegeben, bis da» gebildet« Nitroglycerin sich als Helles, g«lbe> Oel ausgeschieden hat. Dieses Oel wird nun mit einer Sodalösung ausgewaschen und dadurch entsäuert, worauf es durch Filz filtrirt wird. Da» so hergestellte Nitroglycerin hat sonderbare Eigen schaften. Es ist äußerst schwer entzündlich, ist erst bei 100 Arad flüchtig und siedet bei 185 Grad wie Wasser, ganz ohne Gefahr. Darüär hinaus aber ist ihm nicht zu trauen und bei 250 Grad explodirt es mit furchtbarer Gewerkt; nichtsdestoweniger ah«r verbrennt «in Tropfen davon auf einer rothglühenden Platte ohne Geräusch, wi« anderes Oel. Bei der Explosion entwickelt ein Kilogramm Nitroglycerin ungefähr 715 Liter Gase (Schieß pulver nur 205!). Man kann ein« Flasche mit dem Tprengöl getrost an einem Stein zerschellen, die Flasche zerbricht und das O«l spritzt harmlos umher; ist dasselbe aber gefroren, so explodirt es mit zerstörender Kraft. Daraus ersieht man, daß das Nitro glycerin manche von den oben angeführten Anforderungen erfüllt, nur nicht alle; und ihm diese Eig«nschaftrn zu geben, das blieb dem Studium d«r Kriegstechnik im Bunde mit der chemischen Forschung Vorbehalten. 1864 entdeckte Nobel, daß das Sprengöl. mit porösen Körpern gemischt, zunächst vi«l handlicher werde. Er mengte Kieselguhr mit dem O«l im Verhältniß wie 1 : 3 und erhielt das sogenannt« „Dynamit", «ine graubraun«, geruch lose, fettige, teigartig« Masse, welche völlig gefahrlos zu trans- portiren war und nur auf eine ganz bestimmte Weise zum Ex- plodiren gebracht werden konnte, wobei sie acht Mal mehr Ge walt als Schießpulver entwickelt«. Man verpackte den Stoff in geleimte Papierpatro-nen und entzündete ihn mittels einer Zündschnur und eines auf deren einem Ende aufgestreiften und festgekniffenen, großen Knallzündhütchens, welches man etwa 3 Centimeter tief in die Masse versenkt. Dann hatte man nur nöthig, die Patrone mit Sand oder Wasser zu umschütten, oder auf den zu zerschmetternden Gegenstand heraufzulegen und die Explosion geschehen zu lassen, die an Gewalt alles bisher Da gewesene übertraf. Trotzdem aber nun Dynamit sehr handlich, sehr unempfindlich und sehr stabil war, fehlte ihm doch die praktische Brauchbarkeit als Geschoßtreibmittel insofern, als seine ballistische Leistung darin bestand, daß «S das Geschoß im Rohre sticken ließ und das Rohr beim Schuß in Stück« zerriß, weil es eben zu schnell explodirte, so daß das Geschoß nicht Zeit hatte, nachzugeben. So blieb Nitroglycerin Jahre lang als Dynamit nur für Spreng zwecke im Gebrauch. Da hatte nun im Jahre 1845 ein Chemiker Schönberg einen neuen Explosivstoff entdeckt, welchen er Schießbaumwolle nannte, und als man mit dem Nitroglycerin nicht lveiter kam, warf sich die Forschung aus diese Entdeckung. Im Jahre 1882 begannen die ersten erfolgreichen Versuche, aus Schießbaumwolle brauch bares Pulver herzustellen. Di« Darstellung der Schießbaumwolle ini Großen geschieht heutzutage folgendermaßen: Durch Sodalavge gereinigte Baumwolle wird ausgelesen, sortirt und auf sogenannten Reißwölfen zerfasert. Dann wird sie bei 100 Grad scharf getrocknet und in Mengen von zwei bis acht Kilogramm in fest verschließbare Blechbüchsen gefüllt. Zum Nitriwn gebraucht man auf «inen Theil Baumwolle 50 Theile Salpetersäure und 30 Theile Schwefelsäure. Man benutzt dazu viereckige bleierne Kasten oder auch Töpfe, die sämmtlich von außen durch fließendes Wasser gekühlt werden und mit Abzugs vorrichtungen für di« sich entwickelnden Gase versehen sind. Man raucht di« Baumwolle mit eisernen Stäben in die Säure und zieht sie nach 5 Minutin wieder heraus, wobei man die Flüssig keit möglichst ausdrllckt. Dann bringt man sie in verschließbare Steintöpfe, welche in Kühlbassins stehen, und läßt sie etwa 24 Stunden nachsäuern. Hierauf entfernt man mittel« Centri- fugen die Säure und bringt die abgeschleuderte Baumwolle sofort in eine Waschmaschine, in welcher sie so lange gewaschen wird, bis sie Lackmuspapier nicht mehr röthet. Dann wird sie zur weiteren Entsäuerung mit zweiprocentigrr Sodalösung gekocht. Aber auch hierbei kann die Säure nicht vollständig au» den hohlen Baum wollfasern entfernt werden. Darum wird sie nun auf mit Knotenfängern versehenen Holländern nochmals zerkleinert, dabei mit Wasser gewaschen und dann mittels Centrifuge entwässert, um mit 25 Procent Wasser in mit Zink ausgeschlagenen, dicht schließenden Kästen aufbewahrt zu werden. In solchen verlötheten Kisten wird die feuchte Baumwolle auch versendet. Für militärische Zwecke wird die Schießbaumwolle unter hohem Druck zu regel mäßigen Körpern geformt. Dazu bringt man eine abgemessene Menge Schießpulverbrei, der eine genau ermittelte Menge Schieß baumwolle enthält, in eine Form und preßt so stark, daß der Körper ohne Beschädigung in eine zweite Form gebracht werden kann, wo er einem Drucke von 1000 Kilo auf 1 Cubikcentimeter ausgesetzt wird. Der Arbeiter wird bei der Presse durch eine Stein- oder Holzwand, oder durch einen doppelten Vorhang von Schiffstauen vor etwaiger Explosion geschützt. Die getrocknete Schießbaumwolle muß sofort luftdicht verpackt werden, da sie sehr schnell Feuchtigkeit anzieht. Schießbaumwolle fühlt sich rauer an, als gewöhnliche. Sie knirscht hörbar beim Zusammendrückcn, ist geruch- und geschmack los. Auch sie hat sonderbare Eigenschaften: Im freien Raume verbrennt sie mit gelber Flamme so schnell, daß sie darunter liegendes Schießpulver nicht entzündet. Dabei liefert 1 Gramm Schießbaumwolle ca. 600 Cubikcentimeter Gase, bei Explosion unter hohem Druck aber 755 Cubikcentimeter und 2 Procent Kohle als Rückstand. Selbst nasse, ja, vollständig unter Wasser ge tauchte Schießbaumwolle kann durch ein starkes Zündhütchen und etwas trockene Schießbaumwolle oder durch Dynamit zur Ex plosion gebracht werden. Dagegen ist die nasse Schießbaumwolle absolut unentzündlich und unexplodirbar in Berührung mit Flamme oder glühenden Körpern. Schießbaum wolle ist handlich, unempfindlich und stabil, und dennoch konnte auch sie ihrer „ballistischen Leistungen" wegen, welche gleicher Art wie die des Dynamits sind, als Geschoßtreibmittel nicht verwandt werden. Auch sie blieb Jahre lang nur für Sprengzwecke im Gebrauch. Da erhielt im Jahre 1886 Vieille, Chemiker der französischen Pulverfabrik, ein brauchbares Treibmittel dadurch, daß er in Aether gelöste Schießbaumwolle und Pikrinsäure mischte und dadurch die Verbrennung der ersteren verlangsamte. Bald darauf waren die deutsche und die englische Regierung im Besitze dieses Pulvers, und alsbald begannen Versuche zur weiteren Ausbildung desselben. 1888 erhielt Nobel sein Patent auf den „Ballistik", Abel bereitete den „Cordit", und in fünf Jahren waren alle Armeen Europas mit neuem, auS Schießwolle hergestelltem Pulver versehen. Das Problem, Nitroglycerin und Schießwolle für Schießzwecke brauchbar zu machen, war gelöst und damit Ge schoßtreibmittel sowohl, als auch Explosivstoffe für Technik und Industrie, in denkbar höchster Vollendung hergestellt. Bei der Herstellung seine» „Ballistit" ging Nobel folgender maßen zu Werke. Er brachte in ein Gefäß sechs Theile Nitro glycerin und ein Theil in Aether gelöste Schießbaumwolle oder Collodium, mischte gut und pumpte den Behälter luftleer, um dadurch eine noch innigere Berührung beider Stoffe zu ermög lichen. Hierauf entfernte er mittels einer Presst soviel über schüssiges Nitroglycerin, daß der Rückstand aus einem Theil Collodium und einem Theil Nitroglycerin bestand, welche» er auf ungefähr 90° erwärmte, wodurch die Masse ein Art Gelatine bildete, welche zwischen zwei heißen Walzen zu Streifen ge schnitten wurde. Diese Streifen wurden wieder in Blättchen oder Würfel zertheilt, so daß er ein grobes braunes Kornpulver erhielt, welches sich wie Kautschuk anfllhlt und schneiden läßt. Diese» Pulver, dessen Herstellung in Deutschland durch die Köln-Rott- weiler Pulverfabrik wesentlich vervollkommnet wurde, diente Abel als Vorbild für sein „Cordit". Zur Herstellung dieses heute in der englischen Armee eingeführten Pulvers braucht man 58 Theile Nitrolglycerin, 37 Theile Schießbaumwolle und 5 Theile Vase line. Diese Mischung wird unter Zugabe von etwas Aceton in einer mit Kühlmantel versehenen Knetmaschine geknetet. Der ent standene Teig wird mittels hydraulischen Druckes zu dünnen Fäden gepreßt, welche auf Trommeln gewickelt, in Trockenräumen aufgestellt werden, bis das Aceton verdunstet ist. Die Fäden haben dann eine hellbraune Farbe, sind elastisch wie Kautschuk, und haben den essigätherähnlichen Geruch des Aceton. Nun wird eine bestimmte Anzahl Fäden zu einem Bündel vereinigt und auf gewünschte Länge, entsprechend einem bestimmten Ladungs gewichte, abgeschnitten. Durch den bekannten Protest des Boerengenerals Joubert gegen den Gebrauch von sogenannten „Lyddit-Granaten" auf Seiten der englischen Feldartillerie ist neuerdings auch die öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen Sprengstoff „Lyddit" hin gelenkt worden. Das Haupagens desselben ist die Pikrinsäure, und unterscheidet sich die Formel sowohl als auch die Herstellungs weise des Explosivstoffes wenig von der des bekannteren, in Frank reich zur Bomben- und Granatfüllung verwandelten Melinit. Doch ist die Brisanz des Lyddit eine viel furchtbarere und streift an die Gewalt der Sprenggelatine, ist aber gefahrloser zu hand haben wie diese. Die Wirkung der Lyddit-Granaten ist insofern eine unmenschliche, als das Geschoß in Tausende von Spreng stücken zerplatzt, die einen Streuungskegel von ca. 150 Meter im Umkreise haben und eine Durchschlagskraft besitzen, die geradezu schreckenerregend ist. Da das Geschoß mit Cordit auS dem Ge schütz gefeuert wird, also schon als Ganzes eine enorme Brisanz besitzt, erscheint durch das neue Sprengmittel die Brisanz der Sprengstücke geradezu verdoppelt. Die Wunden, die die überaus kleinen, zackigen Splitter dieser Granate reißen, sind denen der Dum-dum-Geichosse ähnlich, insofern aber noch furchtbarer als diese, da die Gefahr einer Blutvergiftung durch Pikrinsäure- theilchen fast stets gegeben, und der durch auch nur eines dieser kleinen Sprengstückchen Verwundete entweder überhaupt nicht, oder nur durch schleunige Amputation am Leben erhalten werden kann. Da» uc>n plu8 ultra jedoch der modernen Explosivstoffe, welches freilich vorerst nur Sprengmittel geblieben ist, ist die Sprenggelatine, welche als eine Art Dynamit betrachtet werden kann, dessen poröser Körper wieder ein Explosivstoff ist. Man nimmt einen Tdeil reine, gewöhnlich« Baumwolle und läßt sie in einem Gemisch von 20 Theilen pulo. Salpeter und 30 Theilen concentr. Schwefelsäure etwa 24 Stunden stehen, indem man durch Beschweren mit GlaSstäben dafür sorgt, daß die Baumwolle während dieser Zeit von der Flüssigkeit bedeckt bleibt. Dadurch erhält man zunächst ein Product, welch«» nach sorg fältigem Waschen und Trocknen äußerlich unveränderte Baum wolle darsiellt. Es heißt Collodiumwolle. Diese liefert, in 8 Procrnt Nitroglycerin gelöst, ein« gummiartige Masse, welche mit dem Messer geschnitten werden kann, gegen Wasser und mechanische Einwirkungen sehr unempfindlich ist und eine gerade zu grauenerregende Sprengkraft besitzt, welche die de» besten Dynamit» noch um ein sehr Bedeutende» überragt.
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