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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991121025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-21
- Monat1899-11
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I-Ioxcl-koet- >t« ,H»e»Lt«" tu vromoo, Io L>«Ip»Ir, (I8/U) .?7»l»- »teeieo, (20/11) r. io 8»Itimor» >o Sromeo. io >/U) „»'rieäriod Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaction und Erpe-ition: Aohanntsgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Llto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14 Part, und Königsplatz 7. BezugS-PretS i» der Hauptexpedition oder den im Etadt. bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich 6.—. Directe tägliche Krruzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.50. 59i. Abend-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Mntsösaü des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes nnd Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Dienstag den 21. November 1899. Aazeigerr-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Mrclamen unter dem RedactionSstrich (4ga» spalten) 50vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem PreiS- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-vetlagcn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuug 60.—, mit Postbesördrrung 70.—. Änuahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 83. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. November. Nach kaum dreistündiger Beralhuug und ohne daß auch nur eine namentliche Abstimmung stattgefundcn hätte, bat gestern der Reichstag das ArbeitSwiUigcngcskl; in zweiter Lesung, und da in dieser nichts übrig blieb, endgiltig ab gelehnt. Zu einer namentlichen Abstimmung konnte keine einzige Partei Lust verspüren, denn keine war auch nur annähernd vollzählig vertreten, ein Beweis, daß man weder gehofft noch gefürchtet hatte. Als vollends lange vor Beginn der Sitzung bekannt geworden war, daß das Centrum die in erster Beratbung angekündigten Borschläge nicht machen werde und daß die Socia ldemvkratie sich durch diesen Verzicht bewogen gesunden, auch ihrerseits von An trägen abzusehen, zogen die Abgeordneten in den BerathungS- raum, wie inan sich zum Begräbnis) eines glcichgiliigcn Tobten begießt. Der Einscharrung erster Abschnitt begann dann alsbald. Nachdem nur zwei Redner da? Wort ergriffen hatten, wurde der Antrag auf Verweisung der Reg i crun gs- vor la ge an eine Commission mit erdrückender Mchrheii, die auch Freunde der national liberalen Anträge bilden halfen, abgclehnt. Schon vor dieser Abstimmung war aber, wie gesagt, das ganze Ergebnis; dermaßen unzweifelhaft sicher, daß der Vertreter der uationalliberalen Antragsteller, der Abgeordnete Büsing, sich bewußt sein mußte, auf einem verlorenen Posten zu stehen. Er bezeichnete cS denn auch als den eigent lichen Zweck des positiven Eingreifens seiner Freunde, der Negierung zu zeigen, wie weit sie gehen kann, wenn sie den jetzt sehlgeschlagcnen Versuch eines besseren Schutzes der Arbeitswilligen späterhin wieder aufnehmen will. Dem Herrn Grafen PosadowSky wäre dringend zu empfehlen, sich für einen künftigen Gesetzentwurf die Begründung deS Abgeord neten Büsing anzueignen, die der der nunmehr auSgclebtcu Regierungsvorlage beigegebeneu nach Form und Inhalt vor- zuziehcn ist. Herr Büsing hatte allerdings mehr Eoalitions- sreiheil und weniger strafrechtliche Abwehr als der Bundcsrathsentwurf beantragt und hatte demgemäß einen leichteren Stand als der Verfasser der Begründung zum vssiciellen Entwurf. Aber iu der Hervorhebung des gemeinsamen Zweckes war er sehr viel glücklicher und — überzeugender, als die molivireutcn Reichsämtcr. Ter nationalliberale Redner machte es klar erkennbar, daß die von ihm beantragten Strafbestimmungen dasselbe wollen und bedeuten, wie der — nach den natwnallibcralcn Anträgen wesentlich zu erweiternde — von derLoaliliouSfrcihcit handelnde tz 152 der Gewerbeordnung, namentlich den Schutz der von der Socialdcmokratie verfolgten individuellen Freiheit, des SelbstbcstimmungSrcchts, eine Feststellung, dio in der Umgebung des Herrn Singer eine ihre Richtigkeit nur bestätigende Unruhe erzeugte. Daß die Freiheit, die die Strafbestimmungen schützen sollten, gerade die Freiheit der n ich lor gan isirte «Schwachen gegenüber den von ihrer Stärke nicht selten brutalen Gebrauch machenden Organisirten ist, war wieder eine der von den Socialdemo- kraten mit sichtlichem Unbehagen aufgenommencn Wahrheiten deS Abg. Büsing. Ohne die Ruhe und Vornehmheit des Tones, den seine Auseinandersetzung auszeichnete, zu verlassen, geißelte der nationalliberale Redner dann mit aller Schärfe die Perversität der von einem Socialdemokraten in erster Lesung vorgetragenen Auffassung, daß eö eineu Ehren- punct beim streikenden Arbeiter berühre, einen zur Fortsetzung der Arbeit gewillten Berufsgenossen durch Mittel der Gewalt an der Ausführung seines Vorhabens zu verhindern. Mit der auf zukünftige Entschlüsse berechneten Rede des Abg. Büsing war das sachliche Interesse an der Verhandlung erschöpft. Freiherr von Stumm sprach wie gewöhnlich halb persönlich. Herr Lieber gab Namenö deS CentrumS die erwartete Erklärung. Die Negierung hatte vor der Abstimmung über den Antrag v. Stumm auf CoinmissionSberathung gar nickt daS Wort ergriffen, wodurch Graf PosadowSky die vielleicht besser ungenützt gebliebene Gelegenheit erhielt, seine Ansicht über das Beharren bei dem ersten Beschluß in das Gewand der Rccrimination zu kleiden. Daneben sprach der Herr Staatssekretär nochmals für seine Vorlage und gegen die uationalliberalen Anträge. Letzteres — wenn ernst gemeint — für jetzt und für alle Zukunft. Anders ist die Erklärung nicht aufzusasscn, daß die verbündeten Negierungen — eS werden wohl nickt alle sein — erst eine stärkere Schutzwehr gegen den Mißbrauch der Coalitionsfreiheit haben müßten, ehe sie in Erwägung ziehen würden, ob auf dem Gebiete deS Vereins- und Coalitions- rechts ein weiterer gesetzlicher Ausbau nöthig sei. Freilich ließ Graf PosadowSky Bemerkungen folgen, aus denen hervorzu gehen scheint, daß „die verbündeten Negierungen" in Sachen der Erweiterung der Rechte mit fick hätten reden lassen, wenn man in einer Commission zusammengckommen wäre. Unter allen Umständen wird man gut thnn, auf die gestrigen Auslassungen deS Staatssekretärs nicht zn viel Gewicht zu legen; denn er stand sichtlich im Banne einer starken Gereiztheit. Wir glauben, daß gerade Graf PosadowSky nicht unbelehrbar ist und sich für seine Person später gern auf der vom Abg. Büsing gezeichneten Linie bewegen wird. Vorläufig ist Alles aus und man tbut aus Rücksichten auf die allgemeine inner politische Lage gut daran, die Erinnerung an diese Action so rasch als möglich zu begraben. Die Organe deS Bundes der Laudwirthe haben, als die ersten Nachrichten über die Absicht einer neuen Flottcu- vermchrnug in die Presse gelangten, eine wenig freundliche Haltung zu dem Plane eingenommen. Nachdem nunmehr bekannt wird, daß die Regierung auf eine Bindung des Reichstages diesmal verzichten wolle, wird das Hauptorgan tcö Bundes, die „Deutsche Tageszeitung", ein wenig milder gestimmt, ist aber noch immer voller Bedenken. So schreibt sie: „... daß wir eine sorgsältige Durcharbeitung und dcmznsolge eine entsprechende Hinausschiebung der Vorlage für nolhwendig halten ... Begnügt man sich mit der Feststellung der zu erreichenden Flotlcnstärkc und überläßt man die Be stimmung des Tempos dem Reichstage, dann sind einige Bedenken beseitigt. Andere freilich bleiben noch be stehen, nnd die Negierung hat bis zum Einbringen der Vorlage Zeit, ihre tb eil weise Beseitigung zu bewirken." ES fällt ganz besonders auf, wie eifrig das Bundes organ dafür plaidirt, daß die Einbringung der Vorlage noch nach Möglichkeit hinausgeschoben werde. Vielleicht geht man mit der Annahme nicht fehl, daß der „Deutschen Tagesztg." riese Hinausschiebung darum er wünscht ist, um noch vor der Einbringung der Flottenvorlage einen Uebcrblick über das gewinnen zu können, was daö preußische Abgeordnetenhaus in dieser Session be schäftigen wird, um vor allen Dingen s-ststcllen zu können, ob und in welcher Form die verhaßte Canalvorlage wieder auftaucht. Daun könnte man eventuell die Flottenvorlage und die Canalfrage in einem der Bundcsleilung erwünschten Sinne in Verbindung bringen. Mit dieser Mulhmaßung stimmt auch überein, daß man auf bündlerischer Seite in so gan; uneigennütziger Weise davon absehen will, die Zustimmung zur Flottenvorlage von der Zusicherung einer Erhöhung der Getreidezölle bei den neuen Handelsverträgen ab hängig zu machen, ja, daß man sogar den „Berliner Politischen Nachrichten", als sie unvorsichtiger Weise in Verbindung mit der Flottenvorlage von einer Erhöhung der Getreidezölle sprachen, recht energisch „abwinkte." Wenn man aus diese Weise darthut, daß man von dem Egoismus, sich höhere Getreidezölle sichern zu wollen, frei sei, so kann mau mit einem nm so größeren Anscheine der Uneigennützigkeit die Flotten frage mit der Canalfragc verknüpfen. Thatsächlick ist auch zurZeit für di: DundcSlcituug ein cndgiltiger Sieg in der Canal frage viel wichtiger, als die Zusicherung höherer Getreide zölle. Tenn die Canalfrage ist zu einer Machtfrage ersten Ranges geworden und ihre endgilligr Entscheidung muß er geben, ob m Preußen die Regierung oder der Bund der Land- wirlhe die Zügel in Händen hat. Siegt der Bund endgiltig, indem die Canalfrage von der Tagesordnung verschwindet, so ist ihm dadurch ein enormer Machtzuwachs, der sich auch bei Wahlen praktisch zum Ausdruck bringen würde, gesichert. Dann aber sind ihm auch zugleich die höheren Getreidezölle sicher, denn dann beherrscht er das Terrain nicht nur im preußischen Abgeordnetenhaus:, sondern auch im Reichstage und die Regierung muß dann in wirthschaftlicken Fragen sich seiner Führung unterwerfen. Es ist also taktisch sehr ge schickt, jetzt die Zollfrage gänzlich bei Seite zu lassen, hin gegen die Canalfrage im Ange zu behalten. Darum ist für den Bund eine Hinausschiebung der Einbringung der Flotten frage erwünscht. Es gilt jetzt als feststehend, daß die Königin von England in dieser Saison zum ersten Male seit einer Reihe von Jahren nicht an die französische Riviera gehen wird. Schon als sie Mitte September in einem viel besprochene» Telegramm au den Botschafter in Paris ihr Bedauern über das DreyfuS-Urtheil abgab, hieß cs, daß die Königin in dieser Saison ihre gewohnte Reise nach Südfrankrcich auszeben würde, und seitdem nun während des süd afrikanischen Krieges die starken Antipathien, die man in Frankreich gegen die auswärtige Politik Englands hat, zu unzweifelbaftcin Ausdruck gelangt sind, ist die Königin weniger als je geneigt, dort den gewohnten Erholungsaufenthalt zu nehmen. Angeblich beab sichtigt sie diesmal, nach Bvrdigbera zu gehen, wenn sie, was zunächst überhaupt noch zweifelhaft ist, Zeit und Ge legenheit zu einer Erholungsreise findet. So lange der Krieg dauert, wird die Königin, wie man in London überzeugt ist, England nicht verlassen, und wenn der für die Reise jetzt als feststehend erachtete Termin — Anfang März — vorüber gehen sollte, ohne daß der Krieg beendet ist, wird die Königin überhaupt nicht reisen. Es heißt, daß schon kurz nach dem Drcy- snß-Urthcil der Königin von ihren Natbgebern nahegelegt wurde, ihre Winterresidenz nicht in Frankreich zu nehmen, und daß sie damals schon erklärte, daß eine Aendernng der diesjährigen Reiscdispositionen durchaus den Absichten entspräche, die sie in der letzten Zeit gehegt habe, und jetzt, seit dem Kriege in Südafrika, sei sie persönlich, auch ohne daß eö eines be sonderen Hinweises ihrer Nathgeber becurft hätte, entschieden gewillt, die Gastfreundschaft Frankreichs nicht in Anspruch zu nehmen. Der Aufenthalt an der Riviera war immer eine O.uclle der Erholung und Kräftigung für die greise Monarchin, und cS ist lcicbt möglich, daß ihre Aerzte gegen die Unterlassung der Reise protestiren werden. In diesem Falle wird natürlich alles Erdenkliche gethan werden, um die Königin dazu zu bewegen, daß sie ihren gewohnten Winteraufenthalt im Süden nimmt, und wenn die Königin dann dock reisen sollte, rechnet man in London .mit der Wahrscheinlichkeit, Laß sie durch Deutschland reist. Wie erinnerlich, ist ein Besuch der Königin von Eng land in Deutschland in den letzten Jahren wiederholt in Erwägung gezogen, und die Anwesenheit deS deutschen Kaiser« als Gast im Schlosse seiner königlichen Großmutter in diesem Jahre hält man für eine geeignete Veranlassung für die Königin, einen Gegenbesuch in Deutschland zu machen; in diesem Falle wäre eine Nichtberührung französischen Bodens durch die Königin für die officielle Diplomatie gut als äirs ueeessitas hinzuslellen. Oer Krieg in Südafrika. —i>. Der Cbronist, der die Ereignisse aus dem süd afrikanischen Kriegsschauplätze täglich zu verfolgen hat, muß sich versucht fühlen, die Feder unwillig und ermüdet aus der Hand zu legen. WaS bericktet wird, stammt fast ausnahmslos aus englischer, d. b. in höchstem Maße verdächtiger Quelle; man weiß nie, ist es ein Ereigniß vom selben Tage, vom Tage vorher, oder bezieht eS sich aus eine mindestens acht Tage alle Etappe, nnd ab und zu versiegt Las armselig durch den Sand rieselnde Bächlein der Berichterstattung so gut wie ganz. So können wir heute nur folgende Nachrichten zusammenstellen: * Lou-o», 21. November. (Telegramm.) „Reuter'S Bureau" meldet aus Capstadt vom 16. d. Mts.: Der Panzerzug aus Eslcourt, der gestern vom Feinde aus dem Gleise geworfen wurde, konnte wieder aus die Schienen gestellt und glücklich zurück gebracht werden. — Gestern wurde Colesberg von 1300 Boeren besetzt. — Tas Transportschiff „Mohawk" ist hier eingetrossen. * London, 2l. November. (Telegramm.) „Daily News" melden aus Kimberley vom18.d.M.: Eine kleine Cavallerie« Abtheilung wurde heute auf einem RecoguosciruugSritt von den Boeren angegrifen. Der Feind wurde geschlagen und verlor 12 Mann. Tie britischen Truppen hatten 2 Verwundete. Ein zweites Gefecht wurde heute etwas später bei Carter's Farm geliefert. Tie Briten verloren 2 Mann und zogen sich dann zurück. Die Beschießung der Stadt dauerte mit kurzen Zwischenräumen den ganzen Tag fort. Ein Eingeborener wurde getödtet. " Loudon, 21. November. (Telegramm.) DaS KriegSamt veröffentlicht heute das Verzeichniß von sieben weiteren Trans portschiffen, die zwischen dem 24. November und dem 3. December nach dem Cap abgrhcn sollen. Auf ihnen sollen sieben Infauterie-Negimenter und verschiedene andere zu der sünften Division gehörige Abtheilungen, sowie ein gemischtes Regiment aus der Garde-Cavallerie der Königin befördert werden. Daß ColcSberg (auf dem südlichen Kriegsschauplatz, öst lich von de Aar nahe der Nordgrenze der Capcolonie, auf der Eisenbahnlinie Pretoria-Bloemfontein-Port Elisabeth) von den Boeren besetzt ist, erfährt man nun schon zum dritten Male; daß die Beschießung von Kimberley noch fortdauert und die Belagerung noch einige Zeit währen wird, ist auch nichts Neues und so bleibt nur die Heldenthat der Ret tung des Estcourt - Panzerzuges durch die Eng länder übrig. Wir gratuliren ihnen zur Bergung der er Fouilletsn. ss Das Pflegekind. Roman von Elsbeth M e y e r - F ö r st e r. Nachdruck vcrbelm. Sanft drückte sie sein Gefieder, hauchte seine noch warme Brust, seinen Schnabel an- Ihr Ivar es, als müsse er unter diesen Bemühungen auf wachen, mit Len Flügeln flattern, sein gellendes Kikeriki aus stoßen. Aber er tchat ihr den Gefallen nicht. „An der Enge dieses Käfigs ist das arme Thier mir zu Ärunloe gegangen", dachte Nettchen, indem ihr Blick voll Abscheu zu dem grünen Wagen hinübevfloz. Dann rief sie das übrige Geflügel herbei, das sich in den ver schiedensten Variationen aufs Beste unterhielt und den tobten Freund, den Nettchen auf den Rasen niedergelegt hatte, harmlos schnatternd betrachtete- „Marsch, daß Ihr hineinkommt", rief Nettchen, über die Gleichgiltigkeit der Sippe empört. Darauf band sic den Hahn in ihr Tuch, nahm ihn wie ein Kind in dcn Arm und schritt wieder ins Haus — die traurigste aller Hirtinnen, die je ihre Schaar über diese Wiese getrieben hakten. — Es war Abend und in dem kleinen Curort wurden die Petroleumlaternen angesteckt. In der nur lau erhellten Hauplstraße bildeten die zwei Gas flammen, di« vor dem Curhaus brannten, die Glanzpunct« de: öffentlichen Beleuchtung. Um sieden Uhr, in der Dämmerstunde, führ der grüne Wagen m dem Hofe ein. Herr Pohl, der Curdirector, der das Variöte-Ensemble für die nächsten Abend« verpflichtet hatte, erschien auf der Haus terrasse, um der „Gesellschaft" den Weg zum Bühnenraum an- ! zuweisen. Die Frauen, die eilig ihr« Kleiverbündel und Requisiten aus den Verschlügen schafften, mußten, um zu dem kleinen und dunklen Hinterraum der Gartenbühne zu gelangen, an der breiten Colonnade des Hauses vorbei. Mit flüchtigen und scheuen Blicken sahen sie zu den sommerlich dell gekleideten Damen hin, die vereinzelt bereits die ersten Plätze süllkn. Dies« Hellen Federhllie und seidenen Shawls und lächelnden Gesichter und plaudernden Stimmen verfolgten sie bis in den dunklen Raum, wo sie ihre Vorbereitungen für die Vorstellung zu treffen hatten. Es war zugig und windig in diesem Raum, feuchtkalt, eine Art Kellerluft. Von dem warmen Frühlingshauch, der die Blätter der Ahorübäume fächelte, war hier nichts zu spüren. Nettchen fror in ihrem hcllrothen Tricot, der die Brust und die Arme unbedeckt ließ. Sie trug eine Art Pagencostüm, dazu einen sikberdefranzten Dreimaster auf dem Kopf. Aber sowie sie nur die ersten Töne der Orchestermusit vernahm, begann ihr Blut zu prickeln und zu wallen, und von der Dcprimirthrit, in der sie sich befand, verschwand der letzte Schatten. Sie hatte fast den ganzen Nachmittag in thränenreichem Schmerz um dieses Capitalstück ihres Besitzes, den Hahn, zu gebracht. Das kühle Bcvauern der Anderen, der ärgerliche Ausdruck im Gesicht des Direktors, das Alles hatte ihr zum Bewußtsein gebracht, wie lieblos im Grunde das Leben uüier diesen nur für ihr eigenes Wohl besorgten Existenzen war. Nicht zum ersten Male war ihr diese Ueberzeugunq aufgestvßen. Sie hatte bereits mehrere solch' bittere Stunden kosten müssen, in denen ihr das Bewußtsein ihrer völligen Einsamkeit inmitten des Trubels ihres nunmehrigen Lebens sckwer auf die Seele gefallen war. Aber elastisch hob sich ihr Leichtsinn immer wieder aus solchen Momenten empor und flatterte seines Weges weiter, voll Wage- muth und Abenteuerlust und voll Spott für die sentimentalen Anfälle. iWähr.-nd sie jetzt ihre geflügeki« Garde ordnete, die Requisiten für ihr Programm aus dem Korde packte, hatte sie ganz das foröirte und kaltblütige Aussehen aller dieser Leute, denen die Besorgtheit für das Gelingen ihrer Vorstellung ein« so kalte Gleichgiltigkeit' gegen alle anderen Interessen giebt. In dem Hinterraum der Bühn« schien sich ein Umsturz alles Bestehenden vorbereitet zu haben. Da standen Körbe, offene Kisten, verkleidete Menschen, seltsame Geräthschaften, da wudel- tcn Thiere durcheinander, wurden Trapezpfosten eingerammt; gigantische Riefenformen eines Zauberwalves wuchsen auf uner klärliche Weise aus einem Papprast,n hervor, falsche Waden und Bäucht lagen umher, und mysteriöse Wachsfiguren mit schlaff zusammengeklappten Gliedern entstiegen der Hülle schwarzer Tücher, um auf den Leib gelegt und in den Maschinerien ihres Rückens geprüft und ausgedreht zu werden. Aber wie wenn ein« unsichtbare Hand schlichtend in dieses Chaos griffe, lichtete sich Alles. Ordnung und System kam in das anscheinend so wüste Durcheinander; cs bilveten sich Gruppen, deren jede ihre eigene Welt umfaßte. Da sah man dcn Bauchredner, der einen Mohren, einen Clown, ein verwegen aussrhendes Bürschchen und den König auf dem Thron in mensch liche Stellung brachte, während zwei Arbeiter das betreßte Podium herbeischoben, auf dem diese Herrschaften Platz zu nehmen hatten, worauf ihnen mysteriöse Maschinen in den Rücken geschoben wurden. Der Zauberwald kroch in den Pappkasten zurück und wurde sammt einer Batterie Gläser, Flaschen, künstlicher Blumen und Todtenköpfe in eine Versenkung gebracht, die sich unterhalb eines kleinen, in der Mitte der Bühne postirten Tischchens befand. Neitchen mit ihren Thicren hatte die zweite Nummer des Programms, während Rosi und Minja die Vorstellung er öffneten. An dem lebhaften Klatschen, das aus der Tiefe des Gartens durchdringend zu ihnen in die Coulissen hineinscholl, vernahmen sie Alle, daß die beiden Kinder mit ihren anmuthigen Produc tion:» die Stimmung von vornherein freundlich gestaltet hatten, und aufgeregt sah nun ein Jeder seiner eigenen Nummer ent gegen. Als Nettchen mit ihrer Schaar auf die Bühn: trat, schenkte man vor Allem ihrer reizenden Erscheinung Aufmerksamkeit, ehe man sich ihren Thicren zuwandte. Die Darstellung ging gut von Statten; die Gänse schienen ihre glücklichsten Momenie zu haben, und der Truthahn war wie von einer Art Frühlingsrausch besessen; ohne jede Aufforderung wiederholte er sein Bravourstück, durch einen brennenden Reifen zu fliegen und dabei sein Rad zu schlagen, unzählige Mal. Da, als Nettchen sich hochaufathmend eben für den gespende ten Beifall daniend verbeugen wollte, rief Jemand aus dem Publicum: „Wo ist der Hahn?" Alle blickten gespannt auf den Frager und dann in ihr Pro gramm. „Es ist wahr", hörte man murmeln, „hier steht doch „„mit ihrem dressirten Hahn, der eine Pistole abschießt."" „Wo ist der Hahn?" hört« man einen zweiten Ruf. Und irgend ein Radaulustiger setzte hinzu: „Und wo ist die Henne?" Das Wort schlug ein wie der Blitz. Sofort wurde es wie ein« Münze aufqegriffen und flog von Mund zu Mund. In diesem kleinen Badeort, wo nie die geringste Sensation vorfiel, wurde diese an die Freiheiten der großstädtischen Theater erinnernde Publicumunart als etwas ganz Neues belacht. Man sah sich nach den Urhebern um, — mehrrren jungen, gutgeileideten Männern, die sich als „Berliner" in der bunt zusammengewürfelten Badegesellschaft die ihnen gebührend« Rolle spielten. „Wo ist der Hahn? Wo ist die Henne?" riefen jetzt auch einige junge Witzköpfe des Ortes. Tas Amüsement stieg. Die Damen lachten so herzlich, daß sie sich die Taschentücher vor die Lippen halten mußten. Nettchen stand roth auf der Bühne. Sie hörte das Lachen und Zischeln, und halb besinnungslos vor Erregung, von ihrem heißen Blut übermannt, vom lauten Gelächter zu blinder Wuth forigrriffen, rief sie mit vor Thränen funkelnden Augen in der Richtung nach den Herren: „Der Hahn ist gestorben. Machen Sie, daß Sie aus dem Garten kommen." Ein Gelächter, so laut, daß es wie ein Windstoß über die Gesellschaft hinfuhr, folgte diesen Worten. — „Wollen Sie gleich hinter die Coulissen kommen", schrie zornbebcnd der Director aus dem Hintergrund hervor in das Toben hinein. Aber Nettchen reagirte nicht. Ein Bild der wortlosen Er regung, blieb sie, nach Luft ringend, stehen. Da geschah etwas Unerwartetes. Mr. Seitre, der Jongleur, trat vor. Flüchtig verbeugte er sich vor dem Publicum, um darauf blitzschnell mit seinen Pro- ductionrn zu beginnen. Hin- und herschreitend auf der Bühne, erging er sich in einem wahren Feuerwerk von Experimenten, das die Augen Aller zur Bewunderung seiner Leistungen zwang. Nettchen war zur Besinnung erwacht. Dankbar für den Rückzug, den ihr der junge Mann ermög lichte, schlich sie sich hinter die Coulissen. Eiseskühle von allen Seiten empfing sie. Nur Minja, die sich in «ine Ecke verkrochen und jammernd über Halsschmerzen geklagt hatte, trat zu ihr und sagte tröstend: „Weinen Sic nicht! Mama hat man auch schon oft auS- gelacht." Ungerührt von diesem Trost, schlich Nettchen ihrer Kammer zu. Stumpfsinnig packte sie das Federvieh in den Korb, dem sie eine Luftlule ließ, setzte sich dann auf einen alten Rohrstuhl und begann dcn Glanz ihrer Verkleidung abzuwerfen. Grau und zerrissen, wie die Wände in dieser Kammer, schien ihr in diesem Augenblick das Leben. Sie dachte zurück an den Tag, wo bereits einmal der Hohn der Menschen sie so schwer getroffen hatte, — damals, als sie den Luftballon nicht besteigen wollte. Irgend rin übernatürliches Mißgeschick, ein finsterer Neid der
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