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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991122017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-22
- Monat1899-11
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Nach der Rede des Centrmnsführers bei der ersten Lesung mußte man aunehmen, daß das Centrum die Zeit der Sommerferien dazu benutzen würde, um an Stelle des von der großen Mehrheit der Parteien mißbilligten Regierungseniwurfes etwas Brauchbares zu schaffen, und es wurde damals nicht mit Unrecht den National- liberalen der Vorwurf gemacht, daß sie sich vom Centrum den Ruhm praktischer Arbeit wegnehmen ließen und sich mit der bloßen Negation begnügten. Nun ist das Umgekehrte emgetreten. Die Nationalliberalen hatten einen eigenen Entwurf eingebracht und das ausschlaggebende Centrum bereitete sowohl diesem Ent würfe als auch der Regierungsvorlage ein Begräbniß ohne Sang und Klang, ohne sich auf irgend welche Verbesserungsversuche ein zulassen. Wie ist diese veränderte Taktil des Centrums zu erklären? Man geht vielleicht mit der Annahme nicht fehl, daß sie aus die in Aussicht sichende Marineoorlage zurück zuführen ist, an die bekanntlich zur Zeit der ersten Lesung des Arbeitswilligengesetzes Niemand dachte. Sieht man nämlich näher zu, so wird man finden, daß das Centrum mit der Ablehnung des Arbeitswilligengesetzes in jedem Falle einen taktisch nicht ungeschickten Zug macht, sei cs nun, daß die Flottenvorlage mit Hilfe des Centrums durchdringt, sei es, daß sie abgelchnt und daß deswegen der Reichstag aufgelöst wird. Es erscheint trotz der bisher sehr ablehnenden Haltung der Centrumspresse ganz und gar nicht ausgeschlossen, daß eine ge nügende Anzahl von Mitgliedern des Centrums sich findet, die be reit sind, wenn auch nicht dieFlottenvorlage derRegierung in ihrem ganzen Umfange, über doch etwas zu Stande zu bringen, womit die Regierung schließlich zufrieden sein kann. Nach einer Aus lassung der „Correspondenz für Centrumsblätter" kann man an- nehmen, daß das Centrum sich zwar auf eine Bindung des Reichs tages auf längere Zeit hinaus nicht einlassen wird, daß es ab«: bereit sein dürste, Bewilligungen über den Rahmen des Flotten gesetzes von 1898 hinaus eintreten zu lassen, sofern die Regierung zu dem früheren Modus der alljährlichen Bewilligung zurück- zu-kehrrn bereit sein sollte. Ist dies der Fall, so wird natürlich dem Centrum — und zwar nicht nur von demokratischer Seite, sondern auch von jenem Theile des Centrums selbst, der sich allen nationalen Forderungen negirend gegenüber stellt — der Vor wurf gemacht werden, daß es zu einer Mehrbelastung des Volkes die Hand geboten habe. Dann will es sich darauf berufen können, daß es allerdings einer materiellen Belastung des Volles zugestimmt, aber die „ideellen Güter", wie die „Freiheiten des Volkes", Hochhalte und deshalb rundweg die Arbeitswilligen vorlage abgclrhnt hab«. Man kann dieses Spiel schon seit einigen Jahren beobachten: daß nämlich das Centrum in einer Hinsicht diel mehr „regierungs- sromm" geworden ist, als man früher jemals hätte vormuthen können, daß es aber andererseits auf das Sorglichste bemüht ist, sich als eine „echte Volkspartei" aufzuspielen. Eine andere Möglichkeit ist, daß die flottenfreundlichen Mit glieder des Centrums nicht zahlreich genug sind, um die Annahme der Flottenoorlage bewirken z>u können, und daß deshalb der Reichstag aufgelöst wird. Auch in diesem Falle aber ist das Centrum nicht übel daran, nachdem es vorher die Arbeitswilligenvorlage za Falle gebracht halt. Denn es hat sich mit der Ablehnung Vieser dem Radikalismus und der Socialdemokratie aufs Höchste ver haßten Vorlage ein Verdienst in 'den Augen des bürgerlichen und socialen Radikalismus erworben, und es kann dann darauf rechnen, daß der Dank dafür bei den Wahlen durch eine rück haltlose Unterstützung der Centrumspartei in allen Wahlkreisen, wo sie mit Bewerbern der rechtsstehenden Parteien den Kampf ausgusechten hat, erstattet werden wird. Ist die Zahl dieser Wahl kreise auch nicht allzu groß, so reicht eine rückhaltlose Unter stützung durch die Parteien der Linken immerhin aus, um dem Centrum seine gegenwärtige parlamentarische Posi tion zu erhalten. Das Centrum ist also in die angenehme Lage versetzt, ruhiger als alle anderen Parteien einer etwaigen Auf lösung des Reichstages rnttzegenzüsehen. Das aber ist die Politik, von der sich das Centrum unter allen Umständen in erster Reihe leiten läßt. Es will der Be hauptung seiner Macht sicher sein. Ob durch seine Haltung wichtig« sachliche Interessen geschädigt werden, ist ihm rm Ver- hältniß zu der Rücksicht auf seine Machtstärke im Parlamente ziemlich gleichgiltig. Aber nicht nur di« Rücksicht auf die Wirkung bei den breiten radikalen Massen beeinflußt die Haltung des Centrums zur Ar beitswilligenvorlage, sondern es soll auch auf die R e g i e r u n g eine gewisse Wirkung ausgeübt werden. Das Centrum will ihr einmal recht nachdrücklich »6 ooulos demonstriren: „Alle Räder stehen will, wenn mein starker Arm es will." Der Zeitpuncr zu einer solchen Demonstration war nicht übel gewählt, da das Arbeits willigengesetz begraben ist, bevor die Flottenvorlag« im Reichstag eingebracht werden könnt«. Hätte das Centrum es in der Ar beitswilligenvorlage zu einer Verständigung kommen lassen, so hätte bei der Regierung die Hoffnung erweckt werden können, daß mit dieser Partei auch ohne „Liebesgaben" auszukommen wäre. Nun aber ist der Regierung klar gemacht, daß man die gute Laune des Centrums erkaufen muß. Der Krieg in Südafrika. Der Vormarsch der Engländer. L. 0. London, 20. November. (Von unserem Special- Correspondenken.) Heute sind 24 000 Mann des Armee korps in Capstadt, Durban und East London gelandet und ein Theil derselben bereits an die Front vorgeschoben. Die Operationen sollen theilweise sofort beginnen, und wenn ein Tbeil der gelandeten Truppen vorläufig noch zur Jnaclivität verurtbeilt bleibt, so liegt das theils an dem fast gänzlichen Fehlen der Artillerie, theils an dem schlimmen Zustande, in dem die wenigen bisher gelandeten Zugthiere sich befinden, so daß selbst die vorhandene Artillerie nicht actionSbereit ist. Wie unsere Specialcorrespondenten in Capstadt und Durban bereits ausführlich dargelegt, hat General Buller seinen Feldzugsplan vollständig ändern müssen, ja vorläufig ganz aufgegeben. Anstatt mit dem gesammien ArmeecorpS nach Kimberley hinauf zu geben und von dort auS Blomfoutain, die Hauptstadt des Oranje-FreistaateS, zu nehmen und danach sich gegen Johannesburg und Pretoria zu wenden, hat der englische Oberzeneral seine Truppen in drei kleinere Corps zersplittern müssen, und bereits heute erklären die kompetentesten militärischen Beurtbeiler in England selbst eS für mindestens fraglich, ob .die Buller zur Verfügung stehenden, dergestalt zersplitterten Truppen auch nur genügen werden, um deren allernächste Aufgabe zu lösen. Diese ist beute schon nicht einmal mehr schlechthin dir Entsetzung Ladysmiths, Kimberleys und Mafe- kingS (noch vor acht Tagen definirte man hier in dieser einfachen Weise das zu lösende Problem), sondern es handelt sich jetzt darum, zuvor das vor den belager ten Städten liegende Land vom Feinde zu befreien und sich dessen wichtiger strategischen Positionen zu bemächtigen. In diesen aber dürsten die Boeren den jetzt zum Angriff gezwungenen Eng ländern einen um so gefährlicheren und nachhaltigeren Wider stand leisten, als sie ihre dominirenden Stellungen in offenbar gar nicht zu verachtender sumerischer Stärke innehabeu. Zuverlässige Ziffern über die Stärke der einzelnen Boeren- crrps sind zur Stunde nicht erhaltbar und die englischen Quellen geben offenbar übertriebene Ziffern an, denn nach ihnen müßten in dem Eisenbahn-Oktogon Ali Wal North, Slormberg, Middelburg, Colesberg und längs des südlich vom Oranieflnß gelegenen Gebietes der Capcelonie mindestens 14 bis 16 000 Transvaal- und Orajeboeren operiren, während auf der Linie Estcourt, Durban, d. h. zwischen Ladysmith und den zu dessen Entsetzung gelandeten englischen Truppen, einige 20 000 Mann stehen, ganz ungerechnet die Ladysmith belagernden Bvrrencommandvs. In Durban sind bis heute 10624 Mann in zehn Transportdampfern gelandet, von denen indeß nur einer, die „Arminia", eine Batterie brachte. Zn diesen Mannschaften kommen noch etwa 3000 locale Freiwillige ohne größeren militärischen Werth und auS Ladysmith ver sprengte Reguläre. Die Avantgarde dieses Corps commandirt General Hildyard; in Estcourt befehligt unter ihm Oberst Lvng. In Pietermaritzburg stebt General leutnant Sir Clery, während General Wolfe Murray die Sicherung der Verbindungslinie zu überwachen bat. Ihnen stehen gegenüber (nach englischen Angaben) 10 000 Mann unter General Joubert selbst und Louis Botha, und zwar mit ihrem HauptcorpS zwischen Cclenso und Estcourt, ihren rechten Flügel gegen Weston vor geschoben und mit dem linken Flügel über Weenen und dem Mooifluß Fühlung mit General LucaS Meyer nehmend, welcher über Greytown mit angeblich 4—5000 Mann sich auf dem Pompoen Nek, gegenüber Maritzburg, fest gesetzt Hai. Oestlich von Meyer's Commando zieht Erasmus mit angeblich 2000 Mann auf der Straße von Greytown nachDurban, seinerseits die Verbindung milS ckalkBurg er herstellend, welcher von Vryheim und ESHowe über Stanger auf der Eisenbahnlinie nachDurban vorrückl. Vom Westen der bedroht angeblich ein weiteres starkes Commando unter Viljone (?) Vie Verbindungslinie Estcourt-Maritzburg. Wie dem nun auch im Einzelnen sei, so liegt es doch auf der Hand, daß die hier operirenden 10 000 Mann auf ihrem Vormarsche gegen Lacysmith sich durch a n - geblich gleich starke Boereneom ma ndoS fortwährend in ihrer Flanke bedroht sehen werden. Sie werden ebenso gezwungen sein, starke Besatzungscorps in Durban und Maritzbuig, wie Weston und Estcourt zurück zulassen, die ihrerseits wieder der Gefahr ausgesetzt sind, ab geschnitten und eingeschlossen zu werden, und schließlich würde dem von diesen 10 000 Mann verbleibenden Reste, nach Ab gabe jener Garnisonen und der nölbigen Truppen zur Sicherung der Verbindung mit ihrer Operationsbasis, sich bei Estcourt, wenn nickt schon vorher, ein ihnen numerisch überlegenes BoerencorpS auf beherrschenden Positionen entgegenstellen und den Weg nach Ladysmith ver legen. An dieser allgemeinen Lage würde sich auch nicht viel ändern, wenn während der nächsten Wochen weitere lO 000 Mann in Durban landen sollten. Die ersten Fehler bei Beginn des Krieges werden sich auch dann noch mit logischer Notdwendigkeit weiter rächen und die englischen Truppen gezwungen sein, mit stürmender Hand in ihrem eigenen Lande die von den Boeren so geschickt besetzten und befestigten Höhen erst wieder zu nehmen, ebe sie auch nur daran denken können, den Krieg durch die Pässe in das Gebiet der südafrikanischen Republiken selbst hinüver zu tragen. Aus Ladysmith selbst fehlen alle zuverlässigen Nach richten, wenn es auch schwer Wird, anzunehmen, daß der Platz, wie es selbst in bestunterrichteten englischen Militärkreisen bereits vor einer Woche hieß, damals gefallen ist. Die letzten halb ofsiciellen Meldungen, auch nur Kaffernbotschasten, gehen nur bis zum 15. d. M. Sie tragen den Stempel der Censur und der Erfindung. Nach ihnen wurde am 10. und 12. November, den offen ¬ kundigsten Tbalsacben entgegen» überhaupt nicht gekämpft, dagegen hätten die Boeren am 9. November frühmorgens 800—1000 Mann verloren und wären so demoralisirt, daß ihre Officiere sie, die Revolver ihnen an die Köpfe haltend, an die Geschütze und in den Kampf treiben müßien. Das einzige Boerengeschütz auf dem Isumbulwana sei, nach dem es nur einen Schuß abgefeuert, zum Schweigen gebracht worden; eine britische Granate schlug in einen Munitions- eisenbahnzug der Boeren ein und zerstörte denselben vollständig. Die Briten nahmen sämmtliche durck die Boeren von Dundee nach Ladysmith mitgebrachlen Vorräthe. Die Boeren sind so entmulhigl, daß viele nach Hause zurückkehrten, aber General Joubert brachte sie wieder zurück. Am 14. November schlug die britische Cavallerie und Artillerie den Feind bei Colenso aufs Haupt (Britenverlust ein Verwundeter). General White verfolgte die Boeren und trieb sie aus allen ihren Stellungen. Das in kurzen Worten der spalteulange balb- officielle Bericht» dem indeß lelbst die Iingovlätter so wenig Glauben schenken, daß sie kein Wort von einem Siege er zählen, und die „Daily Mail" besonders betont, daß selbst nach dem Abzüge Jouberl's und des Haupttheiles der Be lagerungstruppen ein Entsatz Ladysmiths fast unmöglich sein dürfte, da ganz andere als die jetzt und demnächst zur Verfügung stehenden englischen Streitkräfte nötbiz sein würden, um die befestigten Boerenstellungen um Ladysmith zu erstürmen. Ausfallender Weise kommt gleichzeitig auS Pretoria und Durban je eine Nachricht, die dieselbe Thatsache wieder zugeben scheint, wenn auch ia veränderter Form. Darnach hätte General Joubert nach ersterer Meldung zwölf Elsenbahnzüge zur Abführung der Gefangenen von Ladysmith verlangt und erhalten, nach der zweiten dreihundert Wagen sich senden lassen. Die Durbaner Nachricht will diese indeß nicht zum Transport der ge fangenen Garnison von Ladysmith, sondern dazu benutzt wissen, die den Platz belagernden Boerentruppen nach der Südgrenze des Oranjefreistaates zu ressen Vertheidigung zu bringen. Da von Ladysmith nach dem Oranflfluß überhaupt keine Bahnverbindung existirt, so ist diese Interpretation kaum annehmbar, und so würde diese Meldung wieder darauf hin- deuten, daß entweder General White bereits capitulirt oder wenigstens, das General Joubert die Uebergabe von Ladysmith als unmittelbar bevorstehend erwartet. Nicht viel günstiger für die Engländer liegen die Dinge am Oranjefluß. Von den in Capstadt bis heute gelandeten 12723 Mann (darunter nur eine halbe Batterie und 179 Artilleristen, der größte Tbeil der Pferde und Maulesel in dienst untauglichem Zustande) sind vorläufig am Oranjeflusse, d. h. in den Lagern von de Aar und Hopetown erst die Garten eingetroffen, d. h. die 2. Goldstreams, die ScotS- Guards, die Grenadiere, das erste Goldstream-Balaillon, ein halbes Bataillon Norlbamptons und ein Bataillon Aork- shire. Train und Artillerie fehlen noch gänzlich, die Cavallerie ist nur theilweise beritten. Die Marinebrigade, welche dieses vorgeschobene Corps com- pletiren toll, wird erst nächste Woche erwartet. Anderer seits besteht dasselbe zweifellos aus der Blülbe der eng lischen Regimenter, denen die Aufgabe zufällt, Kimberley auf jeden Preis und so schnell als möglich zu entsetzen. Kimberley gilt offenbar für die Perle, die vor Allem gerettet werden muß; auch hier siebt man wieder den Einfluß der Grubenbesitzer und ihren Schutzherrn Rhodes. Auch Roodes' Bruder ist am 15. d. M. im Oranjefluß- Lager eingeiroffen und treibt zur möglichsten Eile. Da« Commando führt General Lord Meibuen. Die Truppen sollen nur mit dem Brodbeutel, Patronen und Ge wehr so schnell als möglich gegen Kimberley vorrücken. Alles Gepäck wird zurückgelassen, selbst die Correspontenten dürfen kein Gepäck und keine Diener mit führen. Aber Lord Mcihuen und seine Garren müssen bei ihrem waghalsigen Verrücken einen starken Feind mit nach englischer Schätzung dreißig bis fünfzig Geschützen in Flanke und Rücken hinter fick lassen. De Aar selbst ist von ihnen ebenso bedroht, wie die Bahnlinie von de Aar nach Beaufort West und Capstadt, auf die sich im Uebrigen der größte Theil der dort gelandeten Truppen verzettelt. Das Hauptcorps der Boeren, 4000 Mann mit zwei Batterien Sicbenpfündern, einer Creusotbatierie und vier Maximgeschützen, stehl bei Naauw- poort, seine Vorhut in Hannover Halbwegs auf der Bahnlinie von dort nach de Aar; ein weiterer vorgeschobener Posten bei Middelburg. 1000Mann mit sieben Geschützen stehen bei Molteno, südlich von Slormberg, 1000 Mann mit zwei Trupps, zwei Nordcnfels und einem Maximgesckütz besetzten am 15 d. M. Colesberg, bas gerade so wie sämmt- licke übrigen erwähnten Städte der Capcolonie einschließlich und bis hinauf nach Allwal-North an diesem Tage feierlich annectirt und für Bo-renterritorium erklärt wurde. Die Flaggen des Freistaates und des Transvaals wurden feierlich nach einer leidenschaftlichen Ansprache des Commandanten Grobelaar auf den öffentlichen Gebäuden gehißt und alle» Engländern eine achttägige Frist zum Ver lassen des annectirten Landes gegeben, wonach alle Ver bleibenden als Bürger beiracbtel werden sollen. Ueberall wurden Landdroste eingesetzt, Platzcom Man danten ernannt und UebrigenS die Ordnung nirgends gestört. Die Boeren bezahlen baar, waS sie requiriren. In Slormberg und BurgerSdorp sollen gleichfalls je zwei- resp. dreitausend Boeren stehen. Feuilleton. Sein Festtag. Stimmungsbild von Philipp Wengerhoff. Nachdruck verboten. Regenschweres Gewölk umhüllt den Horizont. Blasse Dunst fetzen hängen wie Trauerfahnen daran uno verstärken das un heimliche Tiuiiket des Novemberhimmels, der ausschaut, als wolle er nimmer sich klären. So verdüstert ist auch das Menschercherz, «das, von Schmerz und Leid gctrrffen, sich ganz diesem Gefühl hingiebt. Und dann, ein Ritz in den sich jagenden Wolken, ein matter, schnell verschwindender Sonnenblick, — als ob über ein thränen- überströmtes Antlitz ein Lächeln huscht — und der Bann des Un wetters und des Grames ist gebrochen. Das Gewölk zerflattert, — nasse Augen, die nur am Boden hafteten, heben sich, ermattete Herzen klopfen wieder lebensvoll, traf der echte, richtige Sonnenstrahl von oben sie. Was Stürme zerstörten, — die ganze blühende Frühlings pracht beglückender Pläne und Aussichten, — es ist das be scheiden« immergrüne Pflänzchen der Hoffnung, da« sein« Zweige über die Wunden rankt und das zagende Herz heilt, denn e« flüstert vom Wiedersehen nach Erdenleid und Trennungsweh. Es ist auch ein Festtag heute, wenn auch einer, der uns der Gegenwart entrückt und den Blick in die Vergangenheit richtet: unserer Todten Festtag. Alle Liebe flammt wieder auf, und alle Schmerzen, die wir um sie getragen. An der Stätte, an der sie ruhen, ist in diesen Stunden allein der Trost zu finden, nach dem unsere Seele verlangt. Wie hastet es auch von allen Seiten nach den Friedhöfen; wir blickt man voll Theilnahme auf jene Leidensgefährten, die idem gleichen Ziel, jenem dunklen Thor, zu streben. Es ist so still hinter diesen Mauern, der Wind, der durch die Straßen pfeift und die letzten welken Blätter vor sich herjagt, hier hält er den Athem an. Die Menschen flüstern leise, und leiser wird das Schluchzen, sanfter rinnt die Thräne. Die Greisin, die, auf ihren Stock gestützt, mit Blumen kränzen reich beladen, soeben dieses Eiland des Friedens betritt, bleibt wie überrascht an der Pforte stehen und läßt die Augen befriedigt und entzückt über den reichen Blumenschmuck schweifen, den jeder Hügel zeigt. „Wie köstlich", sagt sie vor sich hin, „wie herrlich ist es hier. Im Himmel kann es nicht schöner sein." Bon einer Bank erhebt sich hastig eine Frau und tritt an sie heran: „Mamsell Riekchen! Ist'« möglich? Sie hier bei diesem stürmischen Wetter?" „Es ist nicht so schlimm", wird ihr zur Antwort. „Ich bin auch ein Stück gefahren, und hier ist's ja herrlich." Die Frau versucht sie zum Ausruhen zu bewegen; doch sie mag nicht, ihre Sehnsucht zieht sie weiter. Da tritt, schon wenige Minuten später, ein junges Mädchen an sie heran und sagt vor wurfsvoll: „Tante Riekchen, Du bist von Deiner schweren Krankheit kaum genesen und hast wirtlich diesen Weg gemacht." „Still, still, Kind", sagt die Greisin bittend. „DaS verstehst Du nicht, wie'S mich herzieht. Alle Jahre war ich an diesem Tage hier, da konnte ich nicht zu Hause bleiben — es ist ja heute sein Festtag!" i Ein paar kaum den Kinderschuhen entwachsene Mädchen gchen vorüber und stecken, der Alten ansichtig geworden, kichernd f die Köpfe zusammen: „Du, Hertha, sieh' einmal, das ist die achtzigjährige Näherin aus dem Stift. Die kommt, ihren Bräutigam zu besuchen." Der Gedanke erscheint ihnen so komisch, sie stecken ihre Taschen tücher in den Mund, um nicht laut zu lachen. Das junge Mädchen, das den Arm der Greisin durch den ihren gezogen hat und immer langsamer geht, um sie zu stützen, beginnt dann: „Sage, Tante Riekchen, ist es richtig, wie uns Großvater ein mal erzählte: starb Dein Bräutigam an Eurem Hochzeitstage?" Die sieht sie verwundert an. „Nein, Gretchen, so romantisch war's nicht. Wir wollten Hochzeit machen, nachdem wir zehn Jahre lang in Liebe und Treue auf einander gewartet hatten. Da erkrankte er und starb. Das Geld, das er für die Heirath mühsam Groschen auf Groschen gespart, ging für die lange Krankheit auf. Mein Sparkassenbuch, das unsere Einrichtung enthielt, deckte die Kosten des Be gräbnisses." „Du armes Tantchen, wie unglücklich magst Du ge wesen sein!" „Ja, freilich. Ich jammerte immer, was ich nun, da der Heinrich fehlte, mit meinem Leben anfangen sollte. Wußte ich es damals doch noch nicht, wie schnell ein Menschenleben dahin geht, selbst wenn es, nach unserem Maß, lange währt." „Und heute, Tantchen, heute sind's fünfzig Jahre, daß er starb?" „Daß er begraben wurde, Kind. — Wir kamen her, dumpf und stumpf war's mir zu Sinnen, als ich hinter seinem Sarge herschritt, und hier mit einem Male der schönste Sonnenschein, auf jedem Grabe lagen Kränze, dufteten Blumen — mir war's, al« hätte sich Alles zu seinem Empfange geschmückt. — Sein Festtag! So in Armuth und Entbehrung hatte er gelebt, — nun solch' Empfang am Ziel. — Ich konnte mich gar nicht fassen. Der Tag blieb mir von da ab der höchste, und das ganze Jahr wartete ich auf ihn — seinen Festtag." „Du arme Seele!" „Ach, ich habe es doch recht gut gehabt. Arbeit fehlte mir nie, und später, als ich mir das Plätzchen neben ihm kaufen konnte und hier auf meinem eigenen Grund und Boden am Sonntage säete und pflanzte, da lebte ich wieder auf. Die Bäume wuchsen, und wenn im Frühling die Vögel in den Zweigen sangen, saß ich hier, dachte an ihn und freute mich, daß er eS so schön hat." „An Freunden, die Dich lieb hatten, fehlte es Dir doch nicht, Tante Riekchen." „Gewiß nicht. — Ihr Alle, Ihr guten Menschen. Erst die Eltern, die ich aufwachsen gesehen, dann ihre Kinder, — Ihr liebtet mich." „Nun, und der Großvater nicht?" Die Greisin lächelte und nickte. „Hat er es Dir gesagt, Gretchen?" „Ja, er sagte oft, wenn wir von Dir sprachen: die hätte eigent lich Eure Großmutter sein sollen, wenn es nach mir gegangen wäre." „Nun ja", bestätigte sie, „so war'«. — Seine Frau starb, die ich gepflegt hatte, und er und die kleinen Kinder waren vereinsamt, als ich wieder meiner Näherei nachging. Da sagte er, ich sollte seine Frau werden, und die Kinder baten mich, daß ich bei ihnen bliebe." „Aber Du wolltest nicht?" „Im ersten Augenblick dachte ich wohl, ich könnte Ja sagen. — Großvater war ein guter Mensch, ich liebte auch die Kinder sehr, i und seine VermögrnSverhältnifle waren für die arme Näherin I doch gewiß eine große Versuchung, denn meine Augen, von dem I vielen Weinen geschwächt, wollten mir schon oft den Dienst der«
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