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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991125022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-25
- Monat1899-11
- Jahr1899
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosatz nach höherem Tarif. t-xtra-Ueitagk» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Jinnahmeschluß für Anzeige«: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ßOI. Sonnabend den 25. November 1899. 33, Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. November. Im Reichstage ist es recht leer geworden; der Buß- und Bettag hat manchen Reichüboten, den die ArbeitS- willigenvorlage noch in Berlin festgehallen hatte, nach der Heimath geführt; die zweite Lesung der Novelle zur Gewerbeordnung übt nur Anziehungskraft auf einige bürgerliche Socialpolitiker und die Socialdemokratie, der die Novelle erwünschte Gelegenheit zu aufreizenden Reden liefert. Allem Anscheine nach aber wird sich daS Bild bald ändern und das Centrnm in Action treten, daS fest entschlossen zu sein scheint, in der schärfsten Tonart der Regierung entgegenzutreten, um sie ge- fügig gegen die Forderungen zu machen, von deren Ge währung die Zustimmung der Fraction für die in Aussicht stehende Flottenvorlage abhängig gemacht werden soll. So hat jüngst der Ccntrumsabgeordnete Trimborn in München-Gladbach in einer Versammlung des Volksvereins für daS katholische Deutschland einen sehr bemerkenSwertbcn Commentar zu der Erklärung abgegeben, mit welcher der Abg. vr. Li eher die Commissionsberalbung derArbeitSwilligen- vorlage verwarf, vr. Lieber sagte bekanntlich, daS Eentrum habe von der Einbringung der angekündiglen Anträge, betreffend die Sicherung des CoalitionSrcchteS, deswegen Abstand ge nommen, weil keinerlei Aussicht vorhanden sei, sie zur An nahme zu bringen. Der Abg. Trimborn ergänzte diese Er klärung laut der „Köln. VolkSztg." folgendermaßen: „Höchstens wären solche Anträge im gegenwärtigen Augenblick eine Verbeugung gegenüber denjenigen Stellen gewesen, die aus Einbringung dieser unglückseligen Vorlage dringen zu müssen ge glaubt haben, und zu einer Verbeugung gegenüber diesen Stellen haben wir augenblicklich gar keinen Anlaß." Als Gründe deS Mißmuthes, der das Centrum beherrscht, nannte Abg. Trimborn die Fragen des Communalwahl- rechtS und der Aufhebung des Verbindungsverbotes für die politischen Vereine, sowie den Umstand, daß neue Flottenpläne auftauchten, ohne daß vorher mit den Par teien Fühlung genommen worden. Abg. Trimborn nannte die Frage der Aufhebung deS Verbindungsverbotes für politische Vereine eine „tiefe Kränkung" des Reichstage-; als eine noch tiefere Kränkung des Reichstages pflegt aber von klerikaler Seite daS Ausbleiben eines BundeSrathöbeschlusses auf den Beschluß des Reichstages, daS Jesuitengesetz aufzuheben, angesehen zu werden. Merkwürdig, daß Abg. Trimborn in dieser Beziehung schwieg! Da ist die „Germania" vor ein paar Tagen ungleich ge sprächiger gewesen. Wie viel weniger Rücksichten die CentrumSprefse zu nehmen hat, als die Centrumsabgeord neten, zeigt auch heute die „Köln. VolkSztg." DaS führende Centrumsblatt hat für die Flottenfragc nichts als Spott und Hohn übrig; es schreibt u. A.: „Es giebt in Deutschland eine große Hurrah-Garde, die nichts thut, als sich „begeistern", bald für Schinken und bald für Sauerkraut, heut« für mehr Kriegsschiffe und morgen für mehr Ausnahmegesetze ... Es ist gar nicht unmöglich, daß bet einer dilatorischen Behandlung der Flottenfrage durch den Reichstag nächsten Sommer nicht viel mehr von der ganzen Sache gesprochen wird. . . Die ganze Politik erinnert jetzt auffallend an die modernen Bariötö-Theater . ., wo in rascher Aufeinanderfolge die Darbietungen wechseln. Wenn man nicht nervös werden will, muß man die Dinge nicht zu ernst nehmen." In dieser Manier behandelt das tonangebende Organ der „regierenden" Partei eine Lebensfrage deS deutschen Volkes! Man braucht wahrlich nicht die Art und Weise, wie die Arbeitswilligenvorlage entstand, und die Form, in der sie vor den Reichstag gelangte, zu billigen. Wer aber die Flottenfrage als eine Sache launenhafter Ein fälle, als einen Gegenstand, von dem man nach einigen Monaten gar nicht mehr spricht, ansiebt, der bewegt sich genau in den Bahnen der Socialdemokratie. Sollte die CcntrumSfraction deS Reichstages in der Flotten frage den Spuren der „Köln. VolkSztg." ernsthaft folgen, so dürfte bei einer dann zweifellos sicheren Auflösung des Reichs tages das deutsche Volk die Antwort auf diese Behandlung einer nationalen Lebensfrage durch die ihrer Verantwortung als „regierende" Partei angeblich sich bewußten Klerikalen nicht schuldig bleiben. Einstweilen aber kalten wir die über- müthige Abweisung der neuen Flottcnpläne für eine Maske, hinter der die Kuhhandelspläne deS CentrumS verborgen werden sollen. Für den immerhin nicht undenkbaren Fall, daß im Reichstag eine Mehrheit für die Flottenvorlage sich nicht findet, und für den nicht unwahrscheinlichen Fall, daß im preußischen Landtage die umgeänderte Canal vorlage das Schicksal des ursprünglichen Entwurfs theilt, machen die „Mittheilungen für die Vertrauensmänner der nattonalliberalcn Partei" diese Vertrauensmänner nach drücklich darauf aufmerksam, welche Pflicht ihnen an gesichts der Möglichkeit einer Auslösung sowohl deS Reichs tags, als auch des preußischen Abgeordnetenhauses obliegt. Die an die preußischen Vertrauensmänner gerichteten Mah nungen mögen die preußischen Blätter ihren Lesern ein schärfen; unseren sächsischen Gesinnungsgenossen empfehlen wir die Beherzigung dessen, was den Vertrauensmännern im ganzen Reiche zu Gemürhe geführt wird: „Zu große Interessen müßten Noth leiden, wenn die national liberale Partei in Erfüllung ihrer dauernden Pflichten lässig werden sollte. Ihres Amtes ist es, aus den Beobachtungen im Süden des Vaterlandes die praktischen Folgen zu ziehen. Ein wider natürliches Bündniß der von stark particularistischen Tendenzen durchsetzten Centrumspartei mit der Socialdemokratie hat in Bayern das beklagenSwerthe Ergebniß gezeitigt, daß die Ultramontanen nach langer Zeit wieder die selbst ständige Mehrheit im Landtag erringen konnten. Dasselbe widernatürliche Bündniß hat in Baden dahin geführt, daß zwar das Centrum nur geringfügigen Gewinn erzielte, desto größeren aber die Socialdemokratie. In Oberhessen hat der gemäßigte Liberalismus den Agrarcommunisten manches werthvolle Landtags. Mandat überlassen müssen. Tie Verluste treffen zwar uninittelbar die nationalliberale Partei, ober mittelbar treffen sie noch weit empfindlicher den nationalen Gedanken an sich und das freie Geistesleben wie das wirthschoftliche Grmeinbewußtsein. Die Rück wirkungen aus den Gang der Reichspolitik können nicht aus- bleiben, wenn nicht im Norden wir im Süden die beste Kraft aufgeboten wird, um die Partei, wo sie zurück- weichen mußte, wieder in Vorwärtsbewegung zu bringen und um die wackeren Freunde, wo sie ihre Positionen mit Erfolg noch verthcidigten, zur Fortführung des Kampfes zu ermuntern. Der nationalliberalen Partei kommt es auch in aller erster Linie zu, die äußeren Machtinteressen des Reiches im Volke verständlich zu machen und ihnen in den breitesten Schichten derart geeigneten Boden zu bereiten, daß sie aus dem opferwilligen Sinne der Gejammtheit heraus ihre Befriedigung finden. ES ist aber keine gesunde Entwickelung mehr, wenn in jeden« Einzelsall oder für jedes besondere Machlbedürsniß des Reiches eiue besondere Organisation hervortritt, die für sich in Anspruch nehmen möchte, was in erster Linie wir zu leisten hätten." Die Arbeit — so beißt es dann — muß sofort be gonnen werden. Wo die Fühlung unter den Partei genossen sich gelockert hat, ruse man unverzüglich die Ver trauensmänner innerhalb der engeren Bezirke zusammen und stelle fest, wo die Lücken in der Organisation vorhanden sind, die ausgefüllt werde«« müssen, und wie demnächst die werbende, aufklärcnde Thätigkeit nach außen zu entfalten ist. Bei der Festsetzung deS französischen MariuectatS für 1900 wird dem „Moniteur de la flotte" zufolge es sich um Bewilligung von Geldern für die Fortsetzung deS Baues von 67 Schiffen nnd Fahrzeugen handeln, die bis 1903 fertig gestellt sein sollen. Außerdem wird verhandelt werden über die Herstellung von weiteren 23 Schiffen und Fahrzeugen, die noch nicht be gonnen, aber schon geplant sind. Dann muß der Etat noch die Mittel für Restzahlungen für 22 vollendete, scdon meist in Dienst befindliche Schiffe anfweifen, deren Regelung auf Grund von Verträgen mit den Erbauern oder wegen noch nicht beendeter Garantiezeiten bisher nicht erfolgt war. Die bis 1903 zu vollendenden 67 im Ban befind lichen Schiffe setzen sich zusammen auS: 3 Schlacht schiffen, 12 Panzerschiffen, 12 Panzerkreuzern, l Kreuzer erster Classe, 10 ContretorpilleurS, 3 Kanonenbooten, 9 unterseeischen Booten, 10 Gcschwadertorpedvbooten, 18 Torpedobooten und 1 Turbineotorpedoboot. Die 23 ge planten, aber noch nicht begonnenen Schiffe umfassen: 2 Schlachtschiffe, 1 Panzerkreuzer, 10 ContretorpilleurS, 10 Torpedoboote I. Classe. Die Schlachtschiffe sollen größer als die bisherigen sein, eine Länge von 133,8 m, eine Breite von 24,25 m, einen Tiefgang von 8 m und ein Deplacement von 14 865 TonS haben. Die drei Schrauben sollen von Maschinen von zusammen 18 000 Pferdrkräften ge trieben werden und den« Schiff 18 Knoten Fahrt verleihen. Der Panzerkreuzer soll bei 12 416 Tons Deplacement 145 m lang, 21,7 w breit sein und 8 m tief gehen. DaS Schiff soll bei 24 000 Pferdckräften der für seine drei Schrauben vorhandenen Maschinen 21 Knote«« laufen. Unter den 22 noch nicht voll bezahlten, aber schon vollendeten Schiffen sind 3 Schlachtschiffe („Charlemagne", „Gauloiö" und „Saint LouiS"), 2 Kreuzer I. Classe („Gnichen" „ChLteaurenault"), 2 Kreuzer III. Classe („Jnsernet" und „d'EströeS"), 3 ContretorpilleurS, 1 Kanonenboot, 8 Torpedoboote I. Classe und 3 kleine Torpedoboote. Eine derartige Bauperiode, in der ein JahreSetat sich mit Bau geldern für 112 sertiggestellte, begonnene und geplante Schiffe und Fahrzeuge zu bcfajscn hat, ist in der französischen Marine wohl noch nicht vorgekommen. Aus Philippopel, 24. November, wird gemeldet: Nach Berichten aus Konstantinopel sind dort in den letzten Tagen 17 Türke» in hoher Stellung verhaftet worden, darunter der Zia Mollah, der höchste Ulema nach dem Scheck ul Islam, sowie der Publicist und StaatS- rath Said Bey. Tie Bevölkerung sei in der größten Unruhe. Für zwei der Verhafteten seien von diploma tischer Seite freundschaftliche Schritte gethau. Ein Kon stantinopler Telegramm der „Frankfurter Zeitung" be richtet über die Verhaftungen: Sonntag Nackt wurden in der größten Heimlichkeit drei sehr hohe Staatsstel lungen bekleidende Würdenträger, Said Bey, Präsident der juristiscken Section des StaatsrathS, Ferdi Bey, Mitglied der Civilscction deS StaatsrathS, und Zia Mollah, Mitglied des CollegienrathS des Scheck ul Islam, in ihren Konaks durch albanesische Palastgarden verhaftet nnd unter starkem Geleite nach Hildiz gebracht. Ein am Montag zusammengetretener außerordentlicher Gerichtshof, bestehend auS dem Kriegsminister, dem Minister deS Innern, dem Großmeister der Artillerie, sowie dem Präsidenten des StaatSralhs und dem Scheck ul Islam, sprach die Verhafteten schuldig und erkannte auf lebenslängliche Deportation. Die Angeklagten sollen nach einer Version Verbindung mit dem ältesten Sohne des Sultans, Mohamed Selim, den dieser wenig liebt, nach einer anderen mit dem Thronfolger Prinz Reschad gehabt haben, um den Sultan zu beseitigen. Die drei Verurtheilten wurden gestern Abend auf einen nach Südarabien abgehenden Dampfer gebracht, der die Abreise deshalb um 24 Stunden verschoben hatte. Wie der Berichterstatter der „Franks. Ztg." erfährt, ist die englische Botschaft seit gestern Morgen von Spionen umgeben, da man befürchtet, daß Said Bey und andere Türken in die Botschaft flüchten könnten. Von englischer Seite verlautet, verschiedene Botschafter, auch der deutsche, hätten sich zu Gunsten der Angeklagten verwendet. Was die deutsche Botschaft betrifft, so ist die Verlautbarung unbegründet. Der Krieg in Südafrika. -». Ganz England jubelt über den „großen Sieg" General Methuen'S bei Belmont, über den jetzt aus führliche Meldungen cinzelaufen sind. Das „Reuter'sche Bureau" berichtet in einer auf Eindruck berechnete» Detaillirnng und mit dramatischer Zuspitzung: * Belmont, 23. November. Tie ganze Wcstvivisio» brach am Dienstag vom Lranjestntz ans nnv biwackirte in Wittcpnts. Zwei Vompagnicn berittener Infanterie nnd eine Abtheilnng australischer Lancers wurde abge sandt, um die Thomas; Farm zu besetzen. Tiefe Picket- hlndcrte» den Feind an seinem Vormarsche; schlictzlich eröffneten die Boeren aber ans einem Geschütz das Feuer, woraus die britische Artillerie auffuhr nnd den Feind rnni Schweigen brachte. Heute früh brach die Garde- Brigade auf und rückte stetig vor auf einen kleinen Hügel, wenige Meilen östlich von der Station Belmont. Tie schottische Garde nnd die Gardegrcnadicrc rückten auf etwa 50 f)ards an den Fns; des Hügels Hera», obwohl sie ein vernichtendes Feuer auszuhalle» hatten, welches sie einen Augenblick stntzen lies;. Als der Tag anbrach, wurde ein tödtliches Feuer auf die Nethen des Feindes eröffnet. Dieser Gewehrkampf Sancrte eine halbe Stunde, dann ging Sic Artillerie an die Arbeit, und die Boeren räumten Ihre am weitesten vor geschobene Stellung. Tic schottische Garde er stürmte den Hügel mit gefällte» Bajonett und lanten Hurrahrufen. Tann ging auch die neunte Brigade in an-gedehnter Linie vor. Ter Feind begann ein furchtbares Kreuzfeuer von den umliegende» Hügeln, aber trotz desselben stürmten die Eoldstream-Garden, unterstützt von de» schottischen Grenadieren, sowie dem NorthumberlanS- nndSemNorthampton-Ncgiment,auch die Ferrillrtsn. Das Pflegekind. Roman von Elsbeth Meyer-Förster. Nachdruck vrrbotm. Johanne hatte kein Arg darin gefunden, als sie ihrem Jungen so viel Gold auf seinen äußeren Menschen näht«; ihre Sehnsucht, ihn schön und stattlich zu machen, und so glänzend und prächtig, daß er wie ein blankes Geldstück der ganzen Mensch heit in die Augen stechen sollte, war nichts Anderes als derselbe Ueberschwang von Liebe, mit dem sie damals ihren ersten Tamrenbaum herausgeputzt hatte Aber die Großmutter empfand das Lächerliche, das in diesem Aufputz lag. Still sah sie auf das Kind hernieder. Es wäre ein Leichtes für sie, mit ihrem Trennmesser durch alle diese goldenen Schnüre zu fahren und sie abzutrennen. — Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie würde Johanne keinen Schmerz verursachen, und sei es um allen Spott der Welt! Ihre Augen umfaßtem im Geiste das Bild der Schwiegertochter, die zarte Erscheinung, die mit jedem Tage bleicher und schmaler wurde, und in deren zum Glück erwachten Augen mitunter ein fremder, unirdischer Strahl aufging. Und mitten im Gewühle der Menschen, von den plaudernden, jauchzenden, lärmenden Stimmen umschrien, sah sie den fernen, großen Schatten stehen und sah kampfes- muthig auf ihn hin. — So lösten sich rings um sie die Menschen leben, die ihr die Theueösten waren, schwebten empor, gingen aus in ein unirdisches Licht. Und sie, die weiß und runzelig war und müde, blieb zurück und kämpfte weiter. „Komm, Paulchen", sagte sie, „wir wollen nach Hause. Mütterchen ist allein. Wir wollen mit ihr plaudern." „Ich nehm« ihr ein' Kuchen mit!" sagt« der Kleine feurig, fadem er in die schwarze Erde griff und einen dicken Kloß davon in seine Lasche packle. „Und ein Pferd, daß sie reiten kann." Die Großmutter nahm ihm den schwarzen Stecken weg, den er aus dem Gebüsch gezerrt hatte und der ganz voll Dornen und welker Papiersetzen hing. „Mr kaufen ihr etwas Besseres, — eine Tüte voll Trauben", sagte sie. „Da kriegt dann mein Paulemann auch 'was 'von ab." Langsam gingen sie. „Wie spät ist es, mein Kind", fragte die Großmutter, um ihm ein« Freud« zu machrn, als sie an den Ausgang gekommen waren. - ' Der Kleine sah ernsthaft auf seine Uhr. „Es ist sieben", sagte er, „da muß ich in mein Deßäft." Er sprach nach, was er vom Vater gehört hatte. Die Groß mutter blickte auf ihn hin und mußte wehmüthig lächeln. Da war derselbe kleine Paul, der damals so ernst und altväterisch ge plappert hatte, ehe Nettchen ins Haus gekommen und ihn in ihre laute Kin'oerart mit htnerngezogen hatte. Bei dem Gedanken an diese Zeit konnte die alte Frau einen tiefen Seufzer nichr unter drücken. Was war aus Nettchen geworden? War sie längst in ihr Verderben gerannt? Und wie, wenn Gott dort droben Rechen schaft forderte für das ihnen anvenraute Menschenleben? Oft sprachen sie des Abends am runden Familientisch, an vem einst Nettchen ihre Aufgaben so eilig aufs Papier geflitzt hatte, von diesem Thema, Johanne in den Arm ihres Gatten geschmiegt, die Großmutter von ihrem Platz im Lehnstuhl aus. Paul streichelte Johanna's .weiches Haar, während er von der einstigen Jugenvgeliebten wie von einer fernen Traumerscheinung sprach; Johanne selbst hatte gedrängt, daß man Nachforschungen nach dem Verbleib der Verschollenen ausnähme — aber Alles war ohne Erfolg geblieben. So hatten sie sich im Verlaufe der Jahre schließlich daran gewöhnt, das Unabänderliche mir ruhigen Augen anzusehen, und nur die Großmutter trug im Innern ihres Herzens ein« nie schweigende Unruhe mit sich herum. Ihre Gedanken waren dem Grabe schon so nahe, daß Alles, was sie dachtte und empfand, mit dem Leben da droben in Verbindung stand, und daß ihr der Rest des irdischen Daseins nur noch wie ein kleiner, dunkler Uebergang erschien. Sie sprach nicht über die Tiefe dieses gläubigen Gefühls, sie war äußerlich ganz die sorgende, wirthschaftlich«, treue Alte, die sie stets gewesen, aber während sie ihre Kinder in dem Vollbesitz ihres irdischen Glückes so fest am Leben wurzeln sah, löste sie selbst sich mit all' ihren Empfindungen zu einem geistiger««, Dasein auf. In ihren Grübeleien fragte sie sich jetzt oft, ob sie alle Drei auch in der Thcrt nichts versäumt hätten, um Nettchen's Seele mit einem Heimathsgefiihl zu erfüllen, und wenn sie an die Be merkungen des damalig«» Schulkind«- zurückbachte, an „schlagt mich nur, ich bin man ja bloS ein Waisenkind", dann regte sich in ihrem sorgenvollen Herzen etwas wie Gewissensangst, unv jeder kleine Backenstreich, den sie jener Zeit dem ungeberdigrn Pflegekind« versetz':' hatte, nahm in ihrem Geiste unerhörte Formen an und verfolgte sie wie ein Gespenst. Den kleinen Paul fester an die Hand fassend, schritt die alte Frau ängstlich durch die Uebergänge der Straßen. Tagtäglich las nuan von Unglücksfällen, von Kindern, alten und jungen Leuten, di« überfahren wurden, und Paul der Aeltere las seiner Familie diese Notizen stets als abschreckende Warnung vor; aber Johanne in ihrer fatalistischen Fügung begriff nicht, wie man einem etwaigen Unglück gegenüber sich abwehrend verhalten könne. Wie zur Zeit im Windelbach'schen Hause, war es auch jetzt noch ihr Charakterzug, ihr kleines, demüthiges Leden als ein Stäubchen anzusehen, das nur eine unbegreifliche Gnade hatte fortbestehen lassen, und es war gut für die kommenden Tage, daß sie diese fromme Empfindung nicht- verlor. Als die Großmutter mit Paul die Wohnung erreicht hatte, fanden sie das beste Zimmer strahlend erhellt. — Auf dem Sopha vor dem runden Tische saß ein kleiner, dicker Herr, dem Johanne soeben ein Glas Wein präsentirte- Paul der Aeltere kramte hastig in seinem Schreibsekretär, auf dessen Platte verschiedene Papiere lagen. Er sah erhitzt, belebt und unruhig aus. Als er die alte Frau eintreten hörte, wendete er sich hastig um: „Da bist Du ja!" rief er, indem er ihr fast stürmisch ent gegentrat. „Wir wollten Dich damit überraschen und haben Dir's bis heute verheimlicht, Mütterchen. Doch jetzt sollst Du es erfahren." Die alte Frau war von dieser rätselhaften Einleitung so schreckhaft überrascht, daß sie sich sehen mußte. „Wir haben ein Geschäft gekauft, Großmutter, — das ist es", flüsterte Johanne. „Ein Drogen- und Parfümericwaarenqeschäft, verehrte Frau", nahm nun eilig der kleine Herr, der sich aus dem Sopha erhob, das Wort. „Ihr Enkelsohn war in der günstigen Lage, mit seinem mütterlichen Capital die lächerlich kleine Einzahlung zu leisten. Da er der Branche bereits so viele Jahre bei Perl L Comp. an prros gedient hat, ist es für ihn das Einfachste von der Welt, einen Detailhandel zu leiten. Auf diese Weise, Ver ehrt«, wird er mit einem Schlage selbstständig und siebt einer lucrativen Zukunft entgegen." Bet diesem Worte hätte di« alte Frau den Sprecker aus oen Mund schlagen mögen. Ihre Augen hefteten sich auf das schlaue, friste und höflich lächelnde Gesicht, und mit den Worten, die sich nur schwer von ihrer Zunge lösten, fragt« sie: „Sind Sie der bisherige Besitzer des Geschäftes selbst?" „Nein", entgegnete der kleine Mann, indem er sich e'Hvas hastig verfugte. „Ich bin nur- der Agent." Die alte Frau wandte sich ab. „Paul", sagte sie. und ihre Stimme zitterte. „Warum hast Du mir von dem Allen nichts «nttgetheilt? Johanne! Warum hast auch Du mir's ver schwiegen? Gott, o mein Gott, mir ahnt es, Ihr seid in Euer Unglück gerannt." — — - Der Agent wollte nun eine Fluth von Einsprüchen erheben. Aber Paul schnitt ihin das Wort ab, trat zu der alten Frau, die er in einen Stuhl niederzog, und nun begann er fieberhaft zu reden. Die Acquifition wäre die beste von der Welt, das sei doch klar. Durch die Zahlungsunfähigkeit des vorherigen Inhabers, eines leichtsinnigen Nichtsthuers, der das große und lukrative Ge schäft auf dieunerhörteWeisävernachläMgr habe, sei di esc Drogerie in Concurs gekommen und durch Herrn Silber, den Agenten, zu einem wahren Spottpreise zum Verkauf angebotcn worden. Der Kaufpreis ein lächerlicher, die ganze Sache förmlich auf der Straße gefunden. „Mach' keinen Quatsch", unterbrach die alte Frau die enthu siastische Schilderung Paul's. „Ich erkenne Dich kaum wieder. Die Speculationswuth, der größie Teufel unter Gottes Sonne, hat Dich erfaßt. Ich brauche nur den Herrn dort anzusehen und ich weiß, mein Kind, Du bist verloren." Der Agent hatte seinen Hut ergriffen und stellte sich dreist in Positur. „Madame", sagte er, indem er ein bedauerndes Lächeln um seine Lippen spielen ließ, „Sie werden mir noch im Geiste diese raschen Worbe abvitten, die ich Ihrer augenblicklichen, leicht begreiflichen Besorgtheit um das Wohl Ihrer Kinder zuschreib«. Wenn die Firma Brinkmann L Comp. in der Großbeerenstraße sich einen Weltruf erworben haben wird, werden Sie an mich zurückdenken." „Uno wer soll die „Comp." sein?" fragte die Großmutter, in deren Augen Thronen ohnmächtigen Zornes traten. „Du, liebste Mutter", sagte Johanne sanft. „Wir haben den Mrthschaftsguschuß, den Du uns alle Jahre in Form Deiner Staatspension giebst, seit unserer Hochzeit bei Seit« gelegt und nun die Summe mit ins Geschäft gesteckt. Den Antheil auf Conto dieser Summe «rbältst Du schon nach dem ersten Jahre." „Ihr habt den Verstand verloren", sagte die alte Frau. — Bleich, an allen Gliedern zitternd, ließ sie sich auf ihren Lehn stuhl nieder. Noch eben hatte sie vor Omnibussen gebebt, vor den Wagen rädern da draußen, und inzwischen waren hier drinnen schwerere, grausamere Wagenräder über das Glück ihrer Lieben hinweg gegangen. Diese beiden schüchternen Menschen, Paul uns Johanne, hatten sich in den Kampf mit der grausamen Existenz- noth geworfen. — „Wie viel hast Du für das „Geschäft" bezahlt?" fragte sie, indem sie dem sich empfehlenden Agenten einen Mick der Ver-
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