Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991124020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-24
- Monat1899-11
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Der Knecht war mit seinem heiseren Basse eingefallen. Er wußte nicht, wie ihm war. Ihm schien es, als ginge er nicht durch den Wald, durch den er allmorgendlich die Kühe zur Weide trieb, sondern als sei er in ein Stück Märchenland verirrt. Ab und zu fuhr er mit lautem Räuspern in seinen Gesang hinein, um ihn glatter und hell zu machen, dann tönten die beiden Stimmen wieder zusammen, und nur der Aufschrei einer Gans, oder das Kollern des Truthahns, dem es ungemiithlich im Korbe wurde, unterbrach zuweilen für einen Augenblick das Duett. „Da sind wir!" sagte Nettchen, als der Bahnhof sich vor ihnen zeigte. Der Knecht richtete den Kopf unter dem Ziehgurt empor und blickt« blöde auf diesen Gebäudrcomplrx, von dem er jeden Fuß breit kannte. Ein plötzlicher Schmerz durchzuckte ihn, und hilflos zog er weiter. „Nun will ich mir daS Billet lösen — ich muß vierter Classe fahren, weil ich die Körbe bei mir behalten muß", sagte Nettchen, indem sie mit ihrem neuen Freunde vor dem Eingang« zum Ge päckraum stehen blieb. „Sie bleiben wohl so lange bei den Sachen, Karl." Sie hatte ihre Hand ausgestreckt, und ehe er es verhindern konnte, ihm zwei Thalerftiicke in die Tasche seiner Weste ge schoben. So flüchtig die Berührung auch war, dm Knecht durch, zuckte sie wie glühendes Feuer. Seine Hände griffen nach der Stelle auf seiner Brust, die Nettchen so flüchtig gestreift hatte, und starr blickte er ihr noch. Nettchen war in den Bahnhofsflur getreten. Die Casse war aber noch geschlossen. Nun trat sie auf den Perron hinaus; Niemand zu sehen, den sie hätte fragen können. Kurz entschlossen öffnete sie die Thür zum Wartesaal. — Ein heißer Schreck fuhr wie ein Blitzstrahl durch ihre Glieder. In der Nähe deS Büffets, vor einem schwach erhellten Tisch, saß Mr. Seit«. Er erblickte sie sofort. Erstaunt sprang er auf und kam auf sie zu. Nettchen war blaß geworden bis in di« Lippen. — Ihre Kniee zitterten. „Sie — hier?" stieß sie hervor. „Ich bin im Begriff abzureisen", sagte Mr. Seit«; „man muß sich selbst nehmen dir Freiheit, die Andere Einem nicht geben. Aber Sie, — was wollen Sie hier?" „Ich — wollte gleichfalls — heimlich" — stotterte Nettchen, ohne kaum zu wissen, was sie sagt«. — „Also doch, wie ich sagte!" entgegnete lächelnd Mr. Seit«. „Sie wissen doch, wir sprachen davon. — Reißaus nehmen! Nach Haus! Zu Mama und Großmama!" „Nein!" rief Nettchen mit zitternder Stimme aus. Ihre Augen blitzten. „Es ist durchaus nicht, wie Sie sagten — ich gehe nur, um mir neues Engagement zu suchen — um mehr Geld zu verdienen — nach Berlin an ein großes Theater." „Kommen Sir doch mit mir!" sagte Mr. Seitre. „Ich haben heut Morgen eine telegraphische Nachricht von die Kölner Baude- Ville-Theaier hierher nachgeschickt erhalten, derzufolge ich reisen ab, um nicht zu haben morgen Schwierigkeiten mit unser Direc tor. Man sichert mir ein guten Honorar. Und ich werden Sie dort anbringen, wenn Sie wollen. Ich haben gesehen heut Ihre Leistungen. Sie sind eine geniale klein« Zauberer." Das Lob, das in diesen Worten lag, mehr noch der Blick, der sie eine Secunde lang begleitete, trieben eine warme Röthe in Nettchen's Wangen. Sie stand wie lxtäubt. Ihre Augen suchten den Fußboden, und dicht an ihrem Ohre hört« sie diese ruhige, bestechend« Stimm«, di« in einem so warmen Ton«, wie sic bisher noch nie gehabt, Bilder der Zukunft für die sich dem Zufall Ueberlaflende ausmalte. „Wollen wir das Geschäft machen in Compagnie?" fragte Mr. Seitre fast eindringlich. „Wollen wir unser« Leistungen verbinden zu ein« Production — wie es mir ist, seit ich Sie haben sehn agiren auf der Bühne, den ganzen Tag durch den Kopf gegangen?! Ich haben bewundert in Amerika diese Doppel programm', wo verschiedene Artisten von verschiedene Metiers vereinigen sich zu ein«r Nummer. Sagen Sie ja, schlagen Sie ein! Und ich will Ihnen erzählen unterwegs den ganzen Plan, was ich mir hab' ausgearbeiten." „Ich kann doch nicht — mit Ihnen allein — so in die Weite hinaus" — — flüsterte Nettchen, schon halb widerspruchslos. ,,Si« können denken, ich sein Ihr Vater oder Ihre Bruder", sagte Mr. S«itre kalt. „Sie werden sehen, daß ich nicht bin wie andere junge Herren — ich lieben nichts als m«in« Metier. Wir machen zusammen die Reis' bis Köln, befestigen bei einen Agenten unsere artistisch« Vertrag, und darauf wir trennen uns, um uns zu suchen Jeder sein Logis. Ich werde mir nie er lauben Sie zu belästigen mit mir, außer zu die Proben für unsere Production." Während dieser Unterredung war Karl, der Knecht, auf dem einsamen, vor dem Bahnhofe liegenden Platze mit seinem Hand karren auf- und abgewandert, erwartungsvoll den Kopf nach der Eingangsthür gerichtet. — Weit und bnit hört« man keinen Laut, auch d«r Bahnhof schien in dieser Pause zwischen nächt ¬ licher Ankunfts- und Abfahrtsstunde in Schlaf versunken zu sein. Ganz in der Ferne sah Karl den Anfang des Waldweges, welchen er mit Nettchen gewandelt war; «in paar niedrige Birken nur, mit jungem Frühlingsgrün auf den dünnen Zweigen wie mit zartem Seetang behangen, aber weiter hin gesellten sich starke, schöne Slämme markiger Eichen dazwischen, bis das in einzelnen Gruppen stehende Gehölz immer dichter und reicher wurde und schließlich zum Wald anwuchs. Und durch die Nachtstille dieses Waldes waren sie dahin gezogen, das Lied vom Wandern singend! Wandern durfte Alles, die Steine, die Räder und der fröh liche Müllersbursch'. Ja, Alles, was Muth und Kraft besaß, durfte vorwärts, durfte wandern und die Welt an sich vorüber gleiten lassen, und nur ein furchtsamer Knecht wie er hatte können ein Leben lang an der winzigen Scholle kleben. — Während er über'diese Dinge weiter nachgrübelt«, fühlte er, wie Vieles, das bisher so fest in ihm gewachsen und gewuchert war, das stumpfe Pflichtgefühl, unter dem «r so glücklich dahin- gelvbt hatte, und die Ergebung, die ihn so wunschlos erhalten hatte, sich loslöste und nur noch zitternd an den letzten Fasern hingen. Ein wildes Chaos von Gedanken bestürmte ihn. Warum sollte nicht auch er hinaus, wie der Müllersbursch', dorthin, wo die Welt neu und voll Freuden war. Warum ging rr nicht hin, in dieselbe große Stadt, zu der es das fremde Mädchen zog, und suchte dort einen Dienst und lebte dort herrlich und viel vergnügter als daheim? Wir, wenn er «s sagte, wenn er sie fragte? Wenn er sich hinstellte vor sie und spräch«." „Ihre Worte, daß man nicht thun soll, was Einen quält, sind mir im Kopf herumgegangen; ich will nun auch hin zur Stadt und mir «inen Dienst dort suchen. Mein« Ersparnisse trag' ich im Beutel auf der Brust, und zu Hause laß ich nichts zurück als die alte Joppe." „Nicht- als den alten Wisch, dir Joppe!" sagt« der Knecht laut vor sich hin. „Denn dir Ann- und das Kind, die sollen nachkommen, denen schicke ich Geld, sobald ich's soweit hab«, daß ich's erübrigen kann." Wie im Firber drehten sich dies« Gedanken in seinem Hirn, zu seiner „Braut", zu seinem Kinde hin, und wieder von ihnin fort, auf und ab, zerknirschend und zermahlend, wie di« wandernden Räder des Mühlenrades. — Er griff noch seinem Halse und riß die Hemdknöpfe auf. So eng, so zum Ersticken war ihm noch nie gewesen. „Was ist mit mir, — was ist in meinem Hirne los?" dachte er. Nie hatte ihn noch eine solche Aufregung gepackt gehabt, glühende Hitze strömte durch seine Glieder. Er sah Nettchen'- dunkle, sprühend« Augen Abend -Ausgabe 24,30 i. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Jahrgang- Freitag dm 24. November 1899. /Lndr. Koten.) 115,30 112,10 IIS,70 Die Morgen-Nusgabe erscheint um '/«? Uhr, die Ahend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. «SS sss 135 575 60,25 >58,75 30,— 122.40 152,60 186.25 103.40 120.25 125.25 125.25 93.40 65,90 NI,25 165.25 nlronit. rllck- itliek s «in- tnqus n »n- 95.75 51.75 34,— 87,20 S^ 95.80 84.75 27.60 39.60 83.80 84,— 58.75 62.— 52.60 07,25 00.75 35,60 60,— 38,30 »io«a, „?rin- «») «er >r Uor- I»'' von ' oaek >o Xsv rowvv" «mpksr sdlsor" 04,— 97.10 97,80 95,— 82,— 57.— 93,30 76,50 88.10 Nedaction und Expedition: AohanniSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Annahmefchluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-AnSgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expehittna zu richten. Filialen: ktto Klcmm's Lortim. kAlsrcd Hahn), Universitütsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14 Part, und Königsplatz 7. Heber die innerpolitische Lage in Bayer» erhält die „Tägl. Rndsch." aus München einen Bericht, dem wir Folgendes entnehmen: „ES geht «twaS bei unS vor und — man weiß diesmal auch was! Schneller, als man gedacht, offenbart sich die jetzt im Landtage herrschende ultramontane Partei in ihrem wahren Lichte: „Jetzt haben wir die Macht, jetzt machen wir die Regie- rnng und — — deren Haupt, wie es unS paßt!" Mit der Ministerstürzlerel, so prahlerisch sie auch angesagt war, ist es nichts. Der verschämte — oder wäre vielleicht „unverschämte" nicht richtiger? — Ansturm gegen daS protestantisch-liberale Ministerium Crails heim ist an dem festen Willen des Regenten abgeprallt. Prinz Luitpold will, so lange rr des Königreichs Verweser ist, keinen Personalwechsel mehr in den Hauptstellen der Staatsregierung. Dies schon aus dem einfachen Grunde, weil dem echt deutsch denkenden Fürsten ein ersprießliches Zusammenarbeiten mit dem beabsichtigten Ministerium v. Hertling-Vr. Orterer unmöglich dünkt. Und nun geht eS, um eS kurz zu sagen, gegen den Regenten selbst vor, mehr oder minder unverblümt, gerade wie's Paßt. Man will einen Thronwechsel. Unterstützt wird hierbei sreilich das Centrum durch die im Volke sich immer mehr breitmachende Anschauung, daß es für Bayern entschieden besser sei, endlich einmal wieder einen wirklichen König auf dem Thron« zu haben. Daß die breite Masse der Bevölkerung in Bezug auf daS sichtbare Königthum einer ganz, ganz anderen Anschauung huldigt und von weit anderen Beweg gründen bei dem Wunsche nach einem König ausgeht, als die ultra montane Partei, ist dieser wohlbekannt, aber fürchterlich einerlei. Bei ihr heißt es jetzt in grenzenloser Verblendung: „Die Staats politik und die isolirte (I) Stellung des Ministeriums Crailsheim haben einen auf die Dauer unhaltbaren Zustand geschaffen. Nur eine concentrirte Action mit der Krone ist unter Len jetzigen Verhältnissen geeignet, daS Land sicher und rasch von dem gegenwärtigen Zustande zu befreien." Unter dem gegen- wattigen Zustande ist natürlich nichts Anderes, als die bisherige wahrhaft deutschnationalePolitik.dieniezu Ungunsten Bayerns ausgrschlagen ist, und das Festhalten an Kaiser und Reich zu ver- A- dagegen wokl nicht viel eingewendet worden nicht von einer Seite, die überall „agrarische wittert, daran erinnert worden wäre, ganze Frage von agrarischer Seite im Abgeordnetenhaus- angeregt worden ist, und diese Enthüllung die Befürchtung wackgerufrn daß die der Stellenvermittelung und Gesinde ¬ stehen. Der Regent entfernt dies fürchterliche Ministerium Crails heim nicht, heißt eS im ultramontanen SiegeSlager weiter, also — ziehe der Regent dir Consequenzen für sich selbst! Den Muth, so ganz offen einen Thronwechsel zu fordern, haben die Ultramontanen noch nicht. Aber insgeheim wird gebohrt und gedrechselt an dem Loche, durch das der, wie sie hoffen, ihnen ge- -ügigere Thronfolger durchschlüpfen soll." Ter Verfasser schildert dann einige dieser Bohrversucht und wirft zum Schlüsse die Frage auf, „ob der Prin,rezent Luitpold nicht einen unverzeihlichen Fehler begebt, jetzt, wo zuverlässigen Nachrichten zufolge dem geisteskranken König Otto noch ein langes Leben beschieden zu sein scheint, den Thron als König nicht zu besteigen". Wir meinen, man sollte die Lösung dieser Frage dem Prinzregenten selbst überlassen und sich im Uebrigen in der durch den kampflustigen Ultra- montanismus geschaffenen unangenehmen Lage damit trösten, daß das klerikale Vorgehen äußerst lehrreich nicht nur für den Erben der bayerischen Krone, sondern auch für die preußischen Staatslenker ist. Wenn jetzt die bayerischen Ultramontanen einige Ursache haben, ihre Hoffnungen auf den von ihnen ersehnten Ludwig III. zu setzen, so liegt diese Ursache weniger in den klerikalen Neigungen des Prinzen Ludwig, als in der Vor sicht, mit der bisher die klerikalen bayerischen Führer ihre Herrschsucht und ihre NeichSfeindschaft bemäntelt haben. Je mehr sie den Mantel fallen lassen, um so mehr verderben sie sich die Aussicht aus die Zukunft. Und erst dann, wenn man in Preußen erkennt, daß ver unersättliche KlerikaliSmuS selbst vor gut katholischen Regenten nicht Hall macht, weil sie dem Reiche geben, was des Reiches, und dem Kaiser, was des Kaisers ist, wird man sich auch dort zu der Ent schiedenheit aufraffcn, die auch dem gut deutschen Tbeile der bayerischen Bevölkerung zum Vortheile gereichen muß. Zur Lage im Sudan schreibt man der „Köln. Ztg.": DaS neuerdings gemeldete Vorrücken deS Kbalifa biS Ed Duöm und der Abbasinsel kann nickt weiter überrascken, da zu erwarten stand, daß er nach der Vereinigung mit Arabi Dafallah nach Osten zurückkehren werde. Seine Stärke dürfte etwa 20 000 Mann betragen, doch ist wahrscheinlich nur ein Viertel seiner Streiter mit Gewehren versehen. Daher erscheinen bei einem etwaigen Vormarsch des Khalifa gegen Khartum die egyptischen Truppen, von denen in Bälde lOOOO Mann versammelt sein können, zu seiner Abwehr als ausreichend; an englischen Truppen stehen zur Zeil in Egypten nur noch 3 Bataillone, 1 Cavallerie- regiment, 1 Feldbaiterie, 1 FestungSartillerie-Compagnie und 1 Pionier-Compagnie. Selbstverständlich sind diese Truppen für den Sudan nur zum geringsten Theile abkömm lich. ES könnte den Engländern nichts Bessere- widerfahren, als wenn der Khalifa gegen Khartum anrennte. Ist er wobl berathen, so läßt er es bleiben; aber religiös-politische Gesichtspunkte (in erster Linie der moralische Zwang, die Schändung des Mahdi-GrabeS zu rächen) werden ihn viel leicht dazu treiben. Ein Culturwerk ersten Ranges wie die Eisenbahn Wadi Halfa-Khartum erscheint ernstlich gefährdet, falls cs nicht bei Khartum zu einer für die eng- lisckcn Waffen günstigen Entscheidung kommt. Unmittelbare Folgen des Erscheinens des Khalifa am Weißen Nile sind: Absckneidung der Besatzungen von Fasckoda und Sobat, neue Entflammung deS religiösen Fanatismus aller Orlen, Hinübergreifen des Einflusses des Khalifa in das Gebiet des Blaueu Nil, entsetzliches Strafgericht übrr die England 15,— 27.50 27,80 56,— II,— 07,— 71.— 85.50 32.50 65,25 15,— 55.10 15.— 73,90 32.— 72 — 16.10 Anzeiger. ÄMisvtatt des königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes «nd Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. >dnre- klr. 287 «Lw- idnrx- j Nr. IS »-lNoie- wbnrx, cd Xc-v - WI/U» impf«,-; - <Ä>/W Anzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionsslrich (1-4» spalten) LO^L, vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztsfernjatz nach höherem Tarif. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. November. Der Reichstag brachte gestern zunächst in der Ge- sammtabslimmung die Po st vor läge unter Dach und Fach. Nicht einstimmig, denn die Freisinnigen konnten sich an scheinend nicht entschließen, die Privatpostanstalten begraben zu Helsen, aber doch mit sehr großer Mehrheit. Sodann nahm das Haus die zweite Beratbung der Vcwerbenovclle in Angriff, die bekanntlich in Folge einer von der Com mission hinzugefügten Bestimmung gleichzeitig zu einer Novelle zum KrankenversicherungSgesetze ge worden ist. Die Vorlage enthält eine ganze Reihe von Bestimmungen, die zum Theil untereinander so gut wie gar keinen Zusammenhang haben und die deshalb der Einfachheit halber in der Reihenfolge, wie sie in der Gewerbeordnung selbst ihre Stelle zu finden haben werden, zur Beratbung gestellt wurden. Ein paar auf die Genehmigung baulicher Anlagen (darunter auch Privat schlächtereien) bezügliche Vorschriften passirten debatte- loS. Um so mehr Aufenthalt verursachte der social demokratische Antrag, der ein schon in Petitionen ver bandeltes Thema betraf. Die Antragsteller wollten in der Gewerbeordnung fcstgclegt wissen, daß die G »st und Scbankwirthe eines und desselben OrteS in Bezug aus Erlangung sogenannter Tanzerlaubnisse und in Bezug auf den Termin sür Eintritt der sogenannten Polizeistunde alle über einen Leisten zu behandeln seien. Die Polizei sollte nickt dem Einen zu Liebe und dem Anderen zu Leide ver fahren und sich insonderheit nicht von Erwägungen politischer Natur leiten lassen dürfen. Der Wunsch wird auch von vielen Wirlben getbeilt, die oft in die nicht gerade ange nehme Nothwendigkeit versetzt werden, zwischen der Ungunst der Polizei und dem Hasse einer Partei wählen zu müssen, die diesem Hasse reckt empfindlichen Ausdruck zu geben weiß. Aber bei allem Wohlwollen für die Tendenz des Antrages sagte sich die Mehrheit des Hauses dennoch, daß in Bezug ans Lustbarkeitsbcdürsnisse und erst recht in Bezug aus die Polizeistunde nicht schablonenmäßig vorgeaangen werden könne. Der Verkehr erheischt dringend, daß Unter schiede gemacht werden und daß nicht sämmtliche Restaurants und Easös Punct 10 ober 11 Uhr geschlossen werden, blos dem Schema zuliebe. Der Antrag wurde daher abgelehnt. Eine zweite längere Debatte entspann sich anläßlich des neuen Gesetzesvorschlageö, demzufolge Gesindevermiether und St ellcnv er mittler fortan concessionSpflichtig sein sollen. Es würde " sein, wenn Uebergriffe" daß die preußischen wenn nickt hätte, l vermiethung anzulegcnden Fesseln auch als Handhabe gegen die Freizügigkeit verwendet werden könnten. DaS mag wohl in einzelnen Fällen geschehen, aber in diesen Fällen wird es auch an Mitteln nicht fehlen, Remedur zu bewirken. Die Mehrheit deS Hauses billigte denn auch die Vorschrift, nachdem der Staatssekretär Graf Posadowsky die schon in der Commission gegebene Zusage wiederholt hatte, durch die Ausführungsanweisuna zum vorliegenden Gesetze dafür Sorge tragen zu wollen, daß die geschäftsmäßige, aber nicht „gewerbsmäßige" Stellender- ergebenen Stämme. Ferner zieht eine bedrohliche Wolke im Osten des egyptischen Sudans auf. Menelik hat ein Heer von 40 000 Mann nach Borumiüda beordert und ist am 12 October selbst dahin aufgebrochen, begleitet von den europäischen Vertretern an seinem Hofe mit Ausnahme deS englischen, der sich zur Zeit auf der Rückreise nach Schoa befindet. Nach russische» Quellen ist Menelik'S Ziel Adua, da die Tigrener ihrem neuen Herrn, RaS Makonnen, nach wie vor ernste Schwierigkeiten bereiten. Dafür, daß der Negust Ncgest gegen die Italiener etwas im Schilde führe, liegen keine AnhaltSpuncte vor. Wahrscheinlicher lautet die russische Nachricht, daß er es auf die zum egyptischen Sudan gerechneten Landschaften Ghedaref und Galabat ab gesehen habe. Ueberhaupt ist die ganze Grenze vom Norden Ghedarefs bis zum Albert Nianza zwischen England-Egypten und Abessinien nock beute streitig. Besser noch als der Khalifa wird Menelik über die südafrikanischen Nöthe Eng lands unterrichtet sein. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesördernng Al 70.—. Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den tm Stadt bezirk und Len Vororten errichteten AuS- avbestellen ab geholt: vierteljährlich ^l4.L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung tnS HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrljädrlich 6.—. Tirecte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 7.50. Mittelung, insbesondere der Beamten großer Vereinigungen, nickt den Bestimmungen der Gewerbeordnung (ConcefsionS- pflicht) unterworfen werde. Auch dafür fand sich «ine er hebliche Mehrheit, daß von der gewerbsmäßigen AuSkunftS- ert Heilung unsichere Elemente ferngebalten werden sollen durch Unterstellung dieses Gewerbebetriebes unter § 35 der Gewerbeordnung (Untersagung deS Betriebes bei Vorliegen von Thatsachen, welche einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erweisen). Noch eine ausgedehnte Erörterung fand statt über eine erst von der Commission eingefügte Bestimmung, wonach auf Antrag von Zweidritteln der betheiligten Interessenten die höhere Verwaltungsbehörde bestimmen kann, daß Sonntags und Festtags in den Barbier» und Friseurläden kein Geschäftsbetrieb stattfinden darf, insoweit nicht auch Gesellen und Lehrlinge beschäftigt werden dürfen. Ein Antrag Bebel wollte diese Geschäftsbeschränkung an Sonntagen ohne Weiteres obligatorisch machen, doch verblieb es bei dem Vor schläge der Commission. Vom BuvdesrathStische wurde auch dieser bekämpft. Ein Grund hierfür ist schwer erfindlich. Denn wenn daS GroS der Interessenten selber einen solchen Wunsch äußert, so kann man sich dem wobl im Interesse der Sonntagsruhe fügen. Heute wird die Berathung der Novelle fortgesetzt. Kriek 34500 7700 550 4900 3150 16450 2675 3325 3500 4575 11400 18300 10200 11300 6425 14850 127»/, 4925 4125 > 875 1570 3675 1275 / 2575 > 3375 14000 ' 2775 i 4025 100 i 4750 > 350 >24300 1450 4950 i 3775 150 12700 740 l 1125 4600 >1 1475 xssucbt. Der Krieg in Südafrika. —p Auf dem östlichen Kriegsschauplätze, in Natal, bat sich die Lage sehr zu Ungunsten der Engländer entwickelt, das siebt man auch in London ein. So klagen die „Times": „Man hat unS zu dem Glauben veranlaßt, daß in Estcourt eine erhebliche britische Truppe ist, und beute wird uns mit- geiheilt, die britische Truppe am Mooi-Flusse, 15 Meilen (23 km) südlich von Estcourt, sei groß. Nun scheint die Eisen bahn zwischen Estcourt und dem Mooi-Fluß aber im Besitz der Boeren zu sein, so daß die Verbindung mit Estcourt offen bar unterbrochen ist. Wir mögen hoffen, daß diese Verbindung sofort wiedcrhergestelll wird, aber cs erscheint seltsam, daß einer ansehnlichen Boerentruppe gestattet werden konnte, sich ungestraft auf die Verbindungslinie zwischen zwei wichtigen Abtheilungen britischer Truppen zu begeben. Daß die Truppe ansehnlich ist, kann man mit Sicherheit aus der Mittbeilung schließen, daß sie Geschütze auf den Hügeln aufgestellt und das Mooifluß-Lager von Norden ber beschossen bat. Augen blicklich haben wir also eine Wiederholung der Situation von Ladhsmith, Glencoe und Dundee, das heißt, drer Abtbeilungen britischer Truppen haben keine wirksame Verbindung mit einander und jede derselben bat BoerencommandoS sich gegenüber, wenn sie nickt von ihnen umzingelt ist. DaS sind Zustände, für welche bald eine Lösung erzwungen werden muß, wenn nicht die altenTranS- portsckwierigkeiten unsere Generale hemmen. Am Mittwoch früh beschossen, wie gemeldet, die Boercn das Lager am Mooi-Flusse mit überlegener Artillerie; heute wird unS aus London telegrapbirt, daß die englischen Ge schütze zum Schweigen gebracht seien. Wenn General Darton nicht eiligst Zuzug von Süden her bekommt — und darauf ist vorläufig wobl nicht zu rechnen, da die weiter gegen Horik und Pietermaritzburg vorrückenden Boeren dem General Clery zu schaffen macken — so wird daS Schicksal der 2000 Mann im Mooi-Flußlager bald entschieden sein. DaS Bombardement von Estcourt dauert fort. Es wird beiß um den wichtigen Platz gekämpft. Folgende Meldung gehl uns zn: * London, 23. November. Die Abendblätter berichten au- Pietermaritzburg unter dem 21. d. M.: General Hildyard machte heute Vormittag «inen Ausfall auS Cstcourt und kämpft jetzt mit dem Feinde. Wo der Höchstcommandirende General Buller sich be- nj Das Pflegekind. Roman von Elsbeth Meyer-Förster. NaSLnick verboten. Karl stand da und sah mit offenem Munde zu. Das kindische, lebhafte Geplapper, das die thörichten Tbiere in der That zu beruhigen schien, setzte ihn in das größte Erstaunen. So hatte er noch nie Jemanden mit d«m lieben Vieh verhandeln hören, und seine Sympathie für dieses schöne, fremde Fräulein wuchs. Auch er war ja gewöhnt, sich und seinen vierbeinigen Freunden die Stunden der gegenseitigen Einsamkeit durch Plaudern zu vertreiben! „So!" sagte Nettchen, als der letzte Zögling mit einem Schrei des Widerspruchs in den Korb geflogen war. „Nun etwas Stroh zwischen Korb und Deckel schieben, daß die Gesellschaft Luft be hält. Dann den Strick ringsherum. Binden Sie fester, Karl, meine Täubchen sind glatt und flink wie die Mäuse, die drängen sich durch die engste Luke." Endlich standen die beiden Körbe auf der Karre. Karl wand die Strick« fest um die Bagage und befestigt« die Schnur am Hintertheil des Gefährts. Darauf schlang er sich den Gurt um den Leib und zog an. Sir traten auf die Landstraße hinaus. „Noch den Hof ab schließen", sagte der Knecht, „dann mag's vorwärts gehen." Es war ihm eigenthümlich zu Muthe. An Stelle der Zaghaftigkeit war ein seltsamer Frohsinn in sein Herz gezogen. In dieser Reisegesellschaft, mit dem schönen Mädchen und ihrem Korbe fröhlich schnatternden Geflügels hätte er jetzt bis anS Ende der Welt gehen mögen. Eilig bewegte sich der kleine Zug aus der Landstraße vor wärts. „Wir wollen den Weg durch'- Gehölz", sagte Karl, „da- ist näher zum Bahnhof, und wir brauchen da nicht durch'- Dorf." Und sie bogen in den Wald ein. „Wir wollen ein Lied singen", sagte Nettchen, al- sie auS der Nahe der Häuser wann und auf dem einsamen, mondbeschienenen Waldwege fürbaß schritten. Ihre Augen blitzten, die alte Aben teuerlust erwachte in ihr. „Singen Sie mit, Karl!" sagte sie lächelnd. Und" mit ihrer frischen Stimme begann sie halblaut: „Das Wandern ist des Müllers Lust, DaS Wandern ist des Müllers Lust, Da- Wa—an—dern."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite