Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991129014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-29
- Monat1899-11
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Di« Morgen-AuSgabe erscheint um '/«? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nr-action und Erpedittoa: Johannisgasse 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Bezugs-Preis fn drr Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte täglich» Kreuzbandsendung in» Ausland: monatlich 7.50. Filialen: Otto Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinmn), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KönigSplatz 7. Morgen-Ausgabe. WpMtr TligMM Anzeiger. AmksUatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «n- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Prer- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redaction-strich (4go- spalten) 50-^, vor den Famtlirnnochrichtea (6 gespalten) 40/^. Dröherr Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Armahmeschluß fiir Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge ».Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »too halb« Stunde früher. Anzeigen find stets an die Erpe-Mon zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. M. 93. Jahrgang. Mittwoch den 29. November 1899. SS Auf Befehl -er Königin. LL Die in Windsor gehaltenen Toaste hätten beim besten Willen der Redner nicht knapper gefaßt sein können. Vom politischen Standpunkte aus ist dies nur zu begrüßen, denn der private Charakter des Besuches des deutschen Kaisers ist dadurch jo energisch markirt worden, daß selbst die Besprechungen der Staatsmänner diesem Charakter kaum Abbruch zu thun ver mochten. Für Denjenigen aber, der die Verhältnisse am englischen ttönigs'hofe kennt, hat die Einleitung, die der Prinz von Wales seinem Trintspruche gegeben hat, etwas Symbolisches. Auf Befehl der Königin! — Gewiß war dies die vorge schriebene Form des Toastes, aber sie entsprach auch zugleich der Empfindung des englischen Thronfolgers. Er bringt einen Trink spruch auf den deutschen Kaiser nicht aus eigenen Sympathien aus, sondern „auf Befehl". Wir wissen von einer mit den eng lischen Verhältnissen sehr genau vertrauten Seite, daß der Prinz von Wales seinem kaiserlichen Neffen gegenüber von Gefühlen beseelt ist, die man nahezu als Abneigung bezeichnen kann. An Gründen 'dafür fehlt es nicht. Es ist sehr erklärlich, daß ein Mann, der dem Grcisenalter schon nahe steht, aber zur politischen Unthätigkeit verdammt ist, von einem Gefühle des Neides bewegt wird, wenn er sieht, daß sein so viel jüngerer Neffe seit einem Fahrzehnt bereits ein großes Reich regiert und, wie man ohne Uebertrübung sagen darf, zur Zeit die meistbeachtete Persönlich keit im politischen Leben der ganzen Welt ist. Die gezwungene Unthätigkeit eines Thronfolgers ist eine Fügung, für die der Betroffene nichts kann; aber zu der ihm vom Schicksal auferlegten Rolle kommt beim Prinzen von Wales noch persönliches Verschulden. Wenn man von ihm auf dem euro päischen Continent gesprochen hat, so ist es nicht im guten Sinne gewesen. Er hat Leidenschaften den Lauf gelassen, denen wohl im vergangenen Jahrhundert Fürsten und Fürftenföhne fröhnen durften, ohne dadurch ein hartes Urtheil herausznfordern, deren Bekämpfung aber heute, wo strenge Anforderungen an das sittliche Leben der auf dem Throne befindlichen, oder der dem Throne nahestehenden Personen gestellt werden, als eine Pflicht erscheint, deren Nichterfüllung gerade den vom Geschick Begünstigten am wenigsten verziehen wird. Je näher er der Zeit kommt, wo der Mensch die Summe seines Lebens ziehen muß, desto unbequemer mag ihm der Abschluß und desto wähnender mögen ihm Menschen sein, die trotz viel größerer Jugend ein stattliches Plus auf ihrem Conto haben. Denn mag sich auch der deutsche Kaiser, schon in Folge seines lebhaften Temperaments, manchen Gegner erworben haben, mit dem negativen Conto der Nachgiebigkeit gegen üble Leidenschaften vermögen ihn auch seine Gegner, Gott sei Dank, nicht zu belasten, und das positive Conto starker Arbeits kraft und Arbeitslust können sie ihm sticht schmälern. So ist es nur natürlich, wenn der Prinz von Wales seinen kaiserlichen Neffen mit demselben Gefühle des Mißbehagens sicht, das etwa ein Kranker gegenüber einem kraftstrotzenden Manne empfindet, dessen Anblick ihn daran erinnert, was er selbst hätte sein können und sollen. Dazu kommt nun noch die Ehe des Prinzen mit einer däni schen Prinzessin. Es ist eine alte Thatfache, daß fürstliche Per sönlichkeiten ihren Gattinnen um so eher einen gewissen politischen Einfluß einräumen, je mehr sie aus Gründen persönlicher Art auf die Nachsicht der Gattinnen zu rechnen Anlaß haben. Welcher Art aber die Gesinnungen der Töchter König Christian'- IX. von Dänemark gegen Deutschland sind, ist ja allgemein bekannt, und man kann danach bemessen, nach welcher Richtung wohl die Prinzessin von Wales dereinst ihren Einfluß auf die Politik geltend machen wird, wenn erst ihr Gemahl auf dem englischen Königsthrone sitzt. Diesen Zeitpunkt aber kann man als sehr fern liegend nicht ansehen. Wir wünschen der englischen Herrscherin aufrichtig, daß sie das Lebensalter Kaiser Wilhelm's I. erreiche, aber unsre Wünsche werden an dem naturgemäßen Gange der Dinge nichts ändern. Man würde nun sehr fehl gehen, wenn man diesen Factor der persönlichen Stimmungen mit Rücksicht auf die parlamentarische Regierungsform Englands unterschätzen wollte. Trotz des parla mentarischen Regimes ist der Monarch in England keineswegs eine lediglich repräsentative Figur; in Bezug auf die auswärtige Politik ist er es schon gar nicht. Man hat dies im Jahre 1870 beobachten können, als die persönliche Abneigung der englischen Königin gegen Wilhelm I. nicht zum kleinsten Theile dazu bei trug, daß die Sympathien Englands vorwiegend auf der Seite Frankreichs waren und die englische Regierung eine bäum mehr zweideutige Haltung einnahm. Sv Paradox es klingen mag, so ist es doch eine Thatsache, daß in dem Musterlande des Parla mentarismus in höherem Grade eine persönliche auswärtige Politik getrieben wird, als in dem Musterlande des persönlichen Absolutismus, in Rußland. Man denke nur daran, daß Alexander II., ein aufrichtiger Freund der Deutschen und ein Be wunderer und Verehrer seines kaiserlichen Onkels, in den letzten Jahren seiner Regierung zu einer deutsch-feindlichen Politik ge- nöthigt wurde, und daß Alexander III., der umgekehrt eine tiefe Antipathie gegen Deutschland besaß, seinerAbneigung doch nie den Ausdruck gab, den die Feinde Deutschlands hofften und den man in Deutschland selbst bei seinem Regierungsantritte besorgt hatte. Die russische auswärtige Politik ist vorwiegend streng sachlich, während die englische mehr von Neigungen abhängt. Wir gehören weder zu den Anglomanen, noch zu den Anglo- phoben, weder zu den Ruffomanen, noch zu den Russophoben; wir wünschen lediglich, daß Deutschland eine seinen eigenen Interessen entsprechende Politik befolge. Aus diesem Grunde sind wir durchaus damit einverstanden, daß Deutschland sowohl zu Eng land, wie zu Rußland in einem freundlichen VerhäNniffe steht und sich von keinem der beiden Länder politisch abhängig machen läßt. Wir meinen aber, daß mit Rücksicht auf die persönlichen Momente die deutsche Politik bei dem Verhältnisse zu England noch größere Vorsicht walten lassen muß, al» bei dem zu Rußland, und wir zweifeln nicht daran, daß die» geschieht. Besonder» geben wir un» der Erwartung hin, daß die vor dem Antritte der Reise des Kaiser» in der englischen Presse wiederholt autge- sprochene Zumuthung, Deutschland möge in colonialer Hinsicht gewissermaßen in «in feste» Vasallenverhaltniß zu England treten, ebenso freundlich wie bestimmt abgelehnt wird, auch wenn sie „aus Befehl der Königin" gestellt werden sollte. Der Krieg in Südafrika. Lage in Natal. —p. Noch immer kann man sich aus dem Wirrwarr eng lischer Melvungen — amtlicher und privater — auS Durban, Pietermaritzburg und Estcourt noch kein klares Bild von dem machen, was in Natal nach Eintreffen der Entsatz truppen und deS Oberstcommandirenden, General Buller, eigentlich vorgebt. Das neue Moment sind die Rück wärtsbewegungen der Boeren, an denen wobl kaum mehr zu zweifeln ist, nur daß sie verschieden gedeutet werden. Unsere Auffassung, daß eS sich um ein planmäßiges Concentriren der zerstreuten Streitkräfte in sicheren Stellungen handelt, wird etwas modificirt durch die folgende Meldung unseres Berichterstatters: r. Pretoria, 28. November. (Privattelegramm.) Auf dringenden Nath von befreundeter Seite wiesen Krüger und Stetjn in Ueberetnstimmung mit den Vreentiven beider Republiken Joubert und Kronje telegraphisch an, nicht in endlosen Einzel-Be lagerungen ihre Kräfte zu verzetteln, sondern energische Schläge zu führen. Joubert eoncentrirte daraufhin seiue Eommandos iu drei EorpS; das erste zur sofortigen Forcirung der Ucbergabc von Ladysmith, das zweite zur Vertheidigung -er Tugelaliuic bis znm Falle von Ladysmith, und das dritte westlich von Maritz- burg und Estcourt, um die RückzngSlintc der Eng länder abzuschnciden. Kronje -pertrt nach dem gleichen Plane bei Kimberley, am Modderflutz und ini Rücke« Lord Mclhucn's. Hiernach zögen sich die Boeren nicht auf die Defensive zurück, sondern sie concen trirten sich zum Zwecke e n e r g i s ch e r e r Offensive. Welche Auffassung die richtige ist, muß sich ja in den nächsten Tagen zeigen. Jedenfalls ist die englische Darstellung, nach welcher die Boeren von ihren Positionen bei Estcourt, Weston rc. zurückgeschlagen seien und ihr Rückzug einer Flucht gleiche, entschieden abzu weisen. Die RückwärlSbewegung begann bekanntlich nach dem Kampfe bei Willow Granje am Donnerstag. Dieses Gefecht wird englischerseits als ein Sieg des General Hildyard hingestellt, dieser ist aber, worauf die „Nat.-Ztg." aufmerksam macht, identisch mit der englischen Niederlage, welche die „Times" am Sonnabend unter dem Datum des 24. au» Mooifluß-Station gemeldet hat. Dieses Telegramm, baS wir nochmals wiederholen wollen, lautete: Loudon, LS. November. Die „Times" melden auS Mooiriver unter dem L4. November: Am Donnerstag früh sand ein heftiges Gefecht bei Willow Granje, nahe bei Estcourt statt. Das West-Uorkshirr- und das East Surrey-Regimrnt nahmen den Bryn- bellahügel mit dem Bajonett. Die Boeren wurden indessen durch Artillerie verstärkt und warfen den linken eng- lischen Flügel zurück. Die englischen Marinegeschütze waren nicht im Stande, bei einer Schußweite von 11000 Parbs das feind liche Feuer za erwidern. General Hildyard befahl gegen Mittag den allgemeinen Rückzug aas Estcourt. Der englische Verlust beträgt 3 Tobte und 44 Verwundete. Au» Estcourt meldete dann der „Daily Telegraph" vom 26., also vom Sonntag, die englische Abtheilung am Mooi- fluß habe mit derjenigen de» Generals Hildyard in Frere, wo derselbe jetzt biwackire, vereinigt. Willow Granje liegt etwa 23 Kilometer südlich von Estcourt an der Eisenbahn, Frere 15 Kilometer nördlich von Estcourt. General Buller'S Meldung dagegen weiß nicht- von der Vereinigung der beiden TruppencorpS iu Frere. Er läßt General Hildyard am 23. nach Süden zu Vorgehen und bei Willow Granje siegen, dann aber ohne jede Motivirung bei Frere, also 48 Kilometer Weiler nördlich auftauchen, wobei er die Eisenbahn und den Telegraphen wiederherstrllt, während von Weston her General Burton nach Estcourt vorrückte. DaS sind Unmöglichkeiten, auS denen zum Mindesten hervorgehk, daß man von einem fluchtähnlichen Rückgang der Boeren auf Ladysmith und den Tugela unter keinen Um ständen sprechen kann. Wir reihen hier noch folgende Nachrichten an: * Lan-an, 28. November. (Telegramm.) Eine Depesche des General» Buller auS Pietermaritzburg vom heutigen Tage besagt: Nach Nachrichten aus Ladysmith vom 24. d. M. befindet sich dort Alle» wohl. — Die von Buller gemeldete Verlustliste von der Schlacht bei Graßpau, die amtlich di« Schlacht bei Enslin genannt wird, beziffert die Verluste, einschließlich der bereit» gemeldeten Verluste der Marine-Brigade, auf ia-gesammt 1S8. Die Liste enthält auch die Verluste der 9. Lancer», wodurch an scheinend die Besorgniß, daß die Eavallerie umzingelt und in Ge fangenschaft gerathen sein könnt», beseitigt wird. * Amsterdam, 27. November. Der „Telegraph" veröffentlicht heute die Namen von 185 in Kapstadt kriegsgefangen ge haltenen Boeren. * Landon, 28. November. (Telegramm.) Noch einer Nach- richt au» Southamptou soll vr. Ja meson dort angekommen und nach London weitergereist sein. (Verl. Loc.-Anz.) Vs« westliche« Kriegsschauplätze. X. 0. Velmant, 25. November. (Telegramm unseres Special- corrrspondeuten.) General Mrthnea versuchte diese Nacht seinen Vormarsch wieder aufzunehmen, indem er, wie ich bereits meldete, Belmont und den davor südöstlich gelagerten Kaffirs Kop umging. Da der Kampf bei Belmont den Beweis erbracht hatte, daß wir ans dem ganzen Wege g«» Kimberley auf den heftigsten «nd ernstesten widerstand de» Feinde» z>l rechnen hatten, so gab der commandirrnde General seinen ursprüngliche« Plan, ohne Gepäck-Train in wenigen Parsorcr- Märschen unter möglichster Benntzung der Eisenbahn Kimberley zu emichru, auf, und diesmal zogen wir mit voller Bagage und Proviant au», sodaß wir »ventuell wochenlang, gleichviel wo, campiren, und, eingeschlossen, un» vertheidigen und selbst ge nügen können. Di« Taktik geht dahin, Nacht» zu marschirrn, di« feindlichen Zwischenstelluagen zu umgehen, ohn« zu kämpfen, da aber, wo das nicht möglich, den Gegner unter dem Schutze der Dunkelheit zu überrumpeln und vor Allem Truppen und Osficiere nicht einem mörderischen Feuer auszusetzen. An einen schnellen Entsatzmarsch nach Kimberley denkt heute Niemand mehr. Wir wissen, daß uns im besten Falle diesseits des Modderflusses die schwere Ausgabe erwartet, erst die dort liegenden stark befestigten Höhenzüge zu nehmen, dann den Ueber- gang über den Fluß zu erzwingen und schließlich unS zu Herren der zwischen dem Ritflusse und Kimberley liegenden, mit schwerer Artillerie besetzten Positionen des Feindes zu machen, ehe wir daran denken können, den dort Belagerten Hilfe zu bringen. Wir zogen um drei Uhr Nachts zum Sonnabend mit der neunten Brigade (dieselbe besteht aus den 1. Northumberland- Füsiliers, 1. Loyal North Lancashire, 2. Berkshire und 1. Royal Munster Füsiliers), der Schiffsbrigade, den Marinesoldaten, zwei Batterien Artillerie und den 9. Lanzenreitern aus, während di« Garden den Train und die Munitionscolonnen führten und die Nachhut deckten. Im Lager am Oranjefluß blieb nur ein kleine- Bewachungsdetachement zurück. So zogen wir in voller Gesechts- örmation, 7500 Mann stark, auf der Landstraße, von Witteputs über Schalk Farm links abschwenkend und den Kasfirs Kop und Belmont glücklich umgehend, ohne angegriffen zu werden, und waren halbwegS zwischen letzterem und der Eisenbahnstatiou GraaSpan angelangt, als unsere Nachhut plötzlich von den 500 am Kaffirs Kop lagernden Boeren, die uns offenbar doch bemerkt hatten, angegriffen und gestellt wurde. Fast gleich zeitig eröffnete ein auf 1500 Mann geschätztes Boeren- commando vor uns von einer leichten Bodenwelle her, welche sich hier etwa 60 Fuß hoch über die Straße hinzieht, rin mörderisches Feuer aus unsere Infanterie von der neunten Brigade, die nach kurzem Widerstande zurückfiel. Lord Methuen hott, indeß inzwischen die beiden Batterien in- Centrum gebracht und warf unter ihrem Schutze und während sie die Boerenstellung mit einem vernichtenden Feuer abfegte, dem Feinde Marinesoldaten entgegen; gleichzeitig griff die SchiffSbrigade mit ihren Ge- schützen die rechte Flanke der Boeren an, während die Eavallerie deren Stellung umging und weit hinter derselben Posto faßte. Unsere Jnsautrrie wurde aus beiden Flügeln zu einer Umgehungs- beweguog verwandt und zwei Stunden später, es war 8 Uhr geworden, hatten wir den Feind Dank unserer etwa fünffachen Uebermacht in einen großen Halbkreis genommen und beschossen denselben in Front, Flanken und Rücken. Trotzdem leisteten die Boeren ver- zsweis eiten Widerstand. Sie hatten sechs Siebenpsünder in ihrem Ceutrum, ein Maximgeschütz auf dem linken und eine Nordenfelskanone auf ihrem rechten Flügel und schossen vorzüglich. Als ihre Stellung so nicht zu nehmen war, besohl Lord Methuen, diese im Sturm zu nehmen. Die Boeren ließen unsere Leute bis auf 30 m herankommen und gingen erst zurück, alS die Füsiliere auf beiden Flanken ihre Reihen durchbrachen und diese in Gefahr kamen, von ihren Pferden abgeschnitten zu werden. Sie ließen einige 20 Todte zwischen den Steinblöcken zurück, welche ihnen Schuv geboten hatten, und galoppirten einige 600 m zurück, um dort ans einer stärkeren Hügelreihe sich wieder niederzuwerfen, während rin großer Theil derselben nach links schwenkte und dort auf einer anderen kleinen Anhöhe sich fest setzte. Unsere Umgehung war damit neutralisirt und unsere linke Flanke selbst sowie unsere ganze Stellung in rin Kreuzfeuer genommen und überdies u nsere ge- sammte Eavallerie abgeschnitten. Zur Stunde haben wir von dieser noch keine Nachricht und wissen nicht, ob dieselbe gefangen ge nommen oder mit dem Feinde kämpft. Dieser nahm sein Feuer sofort wieder auf und um lOllhr brach General Methuen das Gefecht ab, da die Marinesoldaten und unsere Artillerie zu schwer gelitten hatten (beider beste Osficiere waren todt oder verwundet) und auf die Infanterie zu einem weiteren Sturme mit dem Bajonett kaum zu zählen war. So gingen wir jen- seit» drr Straße zurück und begannen unsere Verwundeten zu sammeln. Ob General Methuen den Kampf nach einer Ruhepause wieder ausznnehmen gedenkt, wissen wir natürlich nicht, ist aber wenig wahrscheinlich, zumal da unsere Kundschafter melden, daß 20 km nordwärts weitere 3000 Boeren stehen und ein starkes Corps überdies die Kolberghügelkette bei Honeynest-Kloof hält. (Hier soll eS bekanntlich wieder zum Gefecht gekommen sein. D. Red.) Jedenfalls werden wir uns auf schwere blutige, fast tägliche Kämpf« jetzt gefaßt machen müssen, wenn wir überhaupt über den Riet-und Movderflu ß hiuüberkommen. Nach den Erfahrungen der letzten Tage ist mit den uns zur Verfügung stehenden Streitkräften dazu wenig Aussicht, denn wie sollen wir die von mindesten» 6000 Boeren vertheidigte, stark befestigte und schon von Natur fast uneinnehmbare Höhe wegnehmen, wenn wir tagelang von 1500—2000 Boeren hier auf dem fast flachen Felde ausgehalten, unsere besten Osficiere weggejchossen und unsere Mannschaften deci- mirt werden? Thatsächlich hat denn auch Lord Methuen während deS heutigen Kampfes iu Eapstadt Verstärkungen, besonders an Eavallerie und Artillerie verlangt. Die aber können erst in Wochen eintrefien, da beide entweder nicht vorhanden, oder nicht feldtüchtig sind. Unsere Verluste in dem heutigen Gefecht sind noch nicht bekannt, es heißt nur, da- einige zwanzig Osficiere todt, respektive schwer verwundet sind, darunter der Commandaot deS Kriegsschiffes „Monarch", zwei Schiffscapitäne, der Commandant des Panzerschiffes „Powerfoll", der erste Eapitäa deS „Monarch" rc Das Enlsatzycer un- seine «ufgate. * Lan-on, 24. November. Die letzte Nummer der Lon doner „ Finanz-Ebron ik" bringt den zweiten Tbril de» ans der Feder eines deutschen OfsicierS stammenden kritischen Rückblickes ans den Krieg in Südafrika. Die Situation, wie sie sich durch dir Ankunft der Truppenverstärkungrn in Süd afrika ergiebt, wird einer eingehenven Erörterung unterzogen, auS drr wir Folgendes hervorheben: Die englischen Nachschübe lassen sich in drei Staffeln »inthelleir. Erste Staffel: dir drei Infanteriedivision»» und die Eavallerie- division des mobilisirten Armeecorp». Bor Ende de» November werden die Infanteriedivisionen und am Anfang des December auch die berittenen Truppen in Südafrika sein. DaS Eorp» wird dann eine Gefechtsstärke haben von 997 Offizieren, 21 981 Gewehren, 3584 Säbeln, 108 Feldgeschützen mit Bedienung uud 24 Maximgrjchützen^ Ansang December wird also die englisch« Feldarmee unter General Sir R. Buller über im Ganzen annähernd 1500 Osficiere, 33,650 Gewehre, 6750 Säbel, 200 Feldgeschütze mit Bedienung und gegen 40 Moximgeschiitze verfügen. Zweite Staffel: 7 Bataillone In fanterie (2. Northamptonshiere, 1. Royal Scot», 2. Suffolk, 1. Essex, 1. Welsh, l. Gordon Highlander», 2. CorawallS Light Jnfautry-, 2 Reiter-Regimenter (6. Dragoon Guard», combinirtes Garde- Cavallerie-Regiment) und eine Feldbotterie, zusammen Gefechts stärke 249 Osficiere, 6160 Gewehre, 896 Säbel, 6 Geschütze mit Bedienung. Das Eintreffen dieser Staffel ist bis Mitte December zu erwarten; die englische Armee in Südafrika wird durch sie erhöht werden auf rund 1750 Osficiere, 39800 Gewehre, 7650 Säbel und 208 Feldgeschütze. Dritte Staffel: 5 Bataillone Jo» santerie (2. Cheshire, 1. Trrbysbire, ein Bataillon West Kent, 2. Gloucester und 2. Shropshire), die 38. Frldbaitrrie, die 4. Ge- birgsbatterie, die 15. Artillerie-Eompagnie mit Haubitzen und die 6 und 20. Pioniercompagnie (auS Gibraltar), zusammen Gefechts stärke 167 Osficiere, 2804 Gewehre, 28 Feldgeschütze mit Bedienung. Tas Eintreffen dieser Staffel ist unbestimmt, doch wird man wohl für Anfang Januar 1900 mit Bestimmtheit darauf rechnen dürfe». Die Gefechtsstärke der englischen Armee in Südafrika wird dann rund zählen: 1900 Osficiere, 44 500 Gewehre, 7650 Säbel, 229 geschützt und gegen 50 Maximgrjchütze. (Nicht eingerechnet find die Freiwilligen von Tanaka und Australien, außer den 80 Lanzeureitern.) Das ist die Gefechtsstärke deS Heere-, mit dein, so weit bis heute bekannt, England den Krieg zu einem günstigen Ende führen will. Die bisherige Zahl der Boerenstrriter wird wie folgt angegeben: Nördlicher Kriegsschauplatz: 1000 Mann. Im Transvaal 2000 Mann. Oestlicher Kriegsschauplatz 25 000 bis iOOOO Mann. Südlicher Kriegsschauplatz: 8000 Mann. West- licher Kriegsschauplatz: 10000 Mann, im Ganzen 46—51000 Ge wehre, gegen 45 Feldgeschütze und gegen 20 Maximgeschütz«. Die englische Heeresleitung wird also Anfang Januar über «in« etwa gleiche Zahl an Gewehren und über eine bedeutend« Ueberlegenheit an Reiterei und Artillerie verfügen. Es ist nicht zu übersehen, daß an dem mit Unlust und Mangel an Verständniß betriebenen AngriffSunteruehmunge» der Boeren sich zweifellos nicht alle waffenfähigen Boeren betheiligt haben, und daß im Falle der ausgezwungenen Vertheidigung der Grenzen nicht nur die Kampflust und das Verständniß größer sein werden, sondern auch unzweifelhaft die Zahl der Borrenftreiter wachsen wird; die Möglichkeit taktischer Erfolge wird dadurch wesentlich erhöht. Das ieste Äesüge eines europäischen Heeres, die große Ueber- macht an Artillerie, die Beweglichkeit der Truppen, das Alles sichert den Engländern den Erfolg, aber er wird nicht leicht sein. Einer für alle Fälle aufzustellenden Reserve ia der Heimath wird man noch bedürfen. Um nun den Erfolg zu erreichen, sind Anmarschlinien zu wählen, auf denen der Feind nicht in günstigen VertheidigungSstellen angetrofien werden kann. Die Linien liegen alle an der südlichen, genauer an der südwestlichen Grenze des Oranje-Freistaates. Hier werden die Berge, auf denen der Boer und die Seinen, hinter Klippen gedeckt, liegen und ihre Freikugeln verschießen, vermieden; hier finden die englischen Feltz- balterien günstige Stellungen und die englischen Reiter können hier die Ueberlegenheit ihrer Waffe ausnützen. Jeder kräftige englische Vormarsch wird die von den Boeren eingeschlossenen Puncte ent setzen und die belagerten Garnisonen von Mafeking, Kimberley und Ladysmith freimachen. Deutsches Reich. X Leipzig, 28. November. Der vom Alldeutsche» Verband erlassene Aufruf für die verwundete» Boeren und zur Unterstützung der Angehörigen der Ge fallenen bat einen hocherfreulichen Erfolg gehabt, der besser als irgend etwas beweist, mit welch herzlicher Antbeilnahlne Las deutsche Bolt den Kampf seiner niederdeutschen Stammes brüder um ihre Unabhängigkeit begleitet. Bis zum 27. No vember d. I. sind eingegangen 58 410,26 Davon wurden bereits 12 081,37 an den in Belgien unter dem Vorsitz des Herrn Professor Pol de Mont bestehenden „Hilfs- auSsckuß für Transvaal und Oranjefreistaak, begründet für Belgien von der Antwerpener Ortsgruppe Ve» Allgemeinen Niederländischen Verbandes, für Deutschland vom Alldeutschen Verband", dem auch drei Mitglieder de» Alldeutschen Ver bandes angeboren, abgeführt. Die von diesem Ausschuß aus gerüstete SanitätScolonne, die auS 23 belgischen Staats angehörigen, 10 Reichsdeutschen und 3 Oesterreichera besteht, ist bereits nach Transvaal unterwegs. Ueber den verbleiben den Restbetrag von 46 338,89 und die weiter noch ein gehenden Gelder wird nach der demnächstigen Beschlußfassung des geschäftSführenden Ausschusses deS Alldeutschen Ver bandes verfügt werden. Ein Theil deS Geldes wird jeden falls für das deutsche HilfScorps verwendet werden. — Weitere Beiträge werden stets gern entgegengenommcn. K Berlin, 28. November. Der ehemalige Hof prediger Stöcker bat dieser Tage in einer Versammlung der christlich-socialen Partei Berlins «inen Vortrag gehalten, der nicht unbeachtet geblieben ist. Nach verschiedenen Be richten, ausnahmslos von Blättern gebracht, die der Richtung deS Redners nahestehen, ist bei dieser Gelegenheit ganz der alte Agitator bervorgetretru, der mit packender Beredtsamkeit Wahres mit Falschem mischt und dem — die» die Grundursache seines Niederganges — die Unfähigkeit, seine Person znrücktreten zu lassen, nach wie vor anhaftet. Herr Stöcker bezeichnet es als die schmerzlichste Erscheinung de» zu Ende geheuden Jahrhunderts, daß der gläubige Protestantismus seinen Einfluß, seine Kraft in Deutschland verloren, daß er „im öffentlichen Leben nichts mehr gelte". Sieht man näher zu, so zeigt sich diese Klage al« ein Ausfluß einerseits unausrottbarer Abneigung de» Vortragenden gegen den Fürsten Bi-marck, dem er bekanntlich den „Scheiter bausen" zugedacht hatte, andererseits des Aeraers des Ehr geizigen, der eine einflußreiche Rolle am Berliner Hofe auSgespielt hat. Von den» todten Kanzler und von ferner früheren Stellung bat Herr Stöcker natürlich nicht geredet, aber der unerreicht gewandte Redner hat doch nicht Selbst beherrschung genug, aus gemeinverständliche Lndeuttmgen zu ver zichten, die teigen, weß sein Herz eigentlich voll ist. Wenn er vom Ebriitrntbume spricht, von christlichen Einflüssen, vor denen man sich „ia maßgebenden und hochstehenden Kreisen mehr als vor Herrn Singer gefürchtet hat", da ist
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite