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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189912038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18991203
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18991203
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-03
- Monat1899-12
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1899
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Gelärme der Herren Richter und Bebel, hinter dem der pure nationale Nihilismus steckt, wird so wenig Bedeutung beanspruchen können, wie daS bei früheren Gelegenheiten von diesen Parlamentariern verursachte Geräusch; man erinnert sich noch, oder vielmehr man erinnert sich meist nicht mehr, wie geschwind die „große Rede Richter'- vom 18. Mai" verpuffte, trotz der für sie gemachten großen Reklame. DaS Centrum hat keine patriotischen Schmerzen und ist klug, und die Fraktionen, die wirklich patriotische Schmerzen empfinden, oder empfinden sollten, sind — vorsichtig, eine Eigenschaft, von der eS bei nationalen Parteien und angesichts der Verhältnisse fraglich bleibt, ob sie klug zu nennen ist. Gewitter, die die schwüle Luft reinigen könnten, wird man also wohl nicht erleben. Jedenfalls werden zur auswärtigen Politik die Gedanken angedeutet werden, die von Herrn Chamberlain'S vielbesprochener Rede in deutschen Köpfen angeregt worden sind. Nachdem aber be kannt geworden, daß diese Rede nicht in einer nüchternen Versammlung, sondern bei einem Frühstück gehalten worden ist, wird es dem Grafen v. Bülow nicht allzuschwer fallen, seine Hörer zu bewegen, die seltsamen Ausführungen des englischen Colonialministers über die internationalen Be ziehungen, insbesondere zu den Vereinigten Staaten und Deutschland, nicht höher zu bewerthen, als der weit überwiegende Theil der englischen Presse die- gethan hat. Und sollten Unbescheidene mit einer solchen allgemeinen Kritik der Nachtischrede von Leicester sich nicht begnügen und näheren Aufschluß über die von „woblinformirten" deutschen Blättern zugestandenen colonialpolitischen Berstäadigung-versuche in Windsor verlangen, so wird der Herr Staatssekretär diese Unbescheidenen mit dem Hinweise zu beruhigen wissen, daß der Staatsmann, der es fertig gebracht, auf die deutschen Rechte an Samoa nickt zu verzichten, vor dem Verdachte ge schützt sein sollte, er hätte sich in Windsor über den Löffel barbieren lassen. In der inneren Politik trifft eS sich für die Etatsdebatte — vom Standpunkte der Friedfertigen — günstig, daß die Angelegenheit deS Verbindung-Verbote- für Vereine schon vorher zur Sprache gekommen sein wird. Der nationalliberale Antrag auf Aufhebung diese- Verbote« soll künftigen Mittwoch berathen werden. Der Reichskanzler bat bekanntlich im Reichstage die Beseitigung dieses Verbotes durch einzelstaatliche Acte bis zum Inkrafttreten de- Bürger lichen Gesetzbuches, also bi- zum 1. Januar 1900, zugesagt, aber gerade in dem Staate, dessen Ministerpräsident Fürst Hohenlohe ist, in Preußen, ist die Erfüllung auSgeblieben und kann sie bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte, da der Landtag nicht versammelt ist, nicht mehr erfolgen. So ist die reich-gesetzliche Aufhebung deS Verbindungsverbotes der einzige Weg, um den Reichskanzler auS einer peinlichen Lage zu befreien und daS ohnehin stark lädirte Vertrauen zur Regierung vor einem neuen schweren Stoße zu bewahren. Es finden sich auch jetzt wieder Leute, die mit ihrer Repu tation die Behauptung vereinbar finden, daS Versprechen des Kanzler- sei durch die Einbringung der preußischen Vereins gesetznovelle von 1897 eingelöst worden. Wir bezweifeln nicht, daß ein Mann wie Fürst Hohenlohe für diese Art von „Dertheidigung" das Gegentheil von Dank übrig bat. Die Beseitigung deS BerbindungsverboteS für politische Vereine ist von ihm bedingungslos zugesagt worden, jene preußische Gesetzesvorlage, die lsx Recke, enthielt aber, wie man sich wohl erinnern wird, neben der Aufhebung deS Berbote- eine Reibe von Bestimmungen, die daS Vereinsrecht empfindlich beschränken wollten. Die Behauptung, daß Fürst Hohenlohe bei der Verpfändung seines Wortes an eine derartige Be dingung für die Erfüllung gedacht, ist eine verleumderische; denn da die Nichtannahme eines Entwurfes wie deS v. d. Recke'scken vorauSzusehen war, besagt sie, der Kanzler habe den Reichstag mit einer reservatio mentalis * hinterS Licht geführt. Es muß sich bald zeigen, ob die complicirte innere Lag« durch die Wcgscbaffung wenigsten» dieser materiell von fast allen Bundesregierungen im Sinne des ReickStageS und der öffentlichen Meinung erledigten Angelegenheit etwa» vereinfacht werden wird. Grund dazu hätte die Regierung wahrlich. Die Schwierigkeiten, die das zeitliche Zusammentreffen der Flotten- und der Canalangelegenheit mit sich dringt, verschärfen sich, anstatt eine Abschwächung zu erfahren. Da und dort erklärt man zwar jetzt auch in der preußischen Canalpresse, die gleichzeitige Auslösung de- Reichstag» und de» Abgeordnetenhauses für unmöglich zu ballen, aber, so wird weiter gesagt, man müsse sich auf beide Möglich keiten vorbereiten. Da» scheint auf den ersten Blick harmlos, auf Wahlen sollte eigentlich jede Partei jeden Augenblick vorbereitet sein. Aber der Au-spruch begreift die (Sleichbewerthung von Canal und Flottenverstärkung in sich, ein national nicht haltbarer Standpunkt. ES ist auch nicht ricktig, daß nur zur Vorbereitung von Wahlen aufgefordert worden war, e» ist die Ausschreibung von Landtag-Wahlen dadurch verlangt worden, daß man dieAuslösung für den Fall der abermaligen Ablehnung der Eaaalvorlage al« un ausbleiblich bezeichnete, und zwar die» nicht etwa in der Form einer Vorhersage, sondern unter Hervorhebung der durch die Nichtauflösung angeblich gefährdeten Autorität der Krone. Der CanalsanatiSmuS hat sich auch jetzt noch nicht abgeküblt. Man empfiehlt soaar, um durch die Flottenangelegenheit nickt in der Auflösungspolitik gehemmt zu werden, ein Zusammengehen der Nationalliberalen mit rem Eentrum in der Marinefrage. Da« ist neueste Berliner Weisheit: nicht der Klerikali-mu-, sondern der Agrarconservati-mu- e'oat l'-nowi. Daß da» Eentrum sich umsonst mit den Nationallibrralen über di« Berstärkunj der Flotte verständigen werde, glauben diese Berliner natürlich nicht. Sie sagen aber auch gar nicht, daß sie von den Klerikalen etwas für da- Reick geschenkt haben wollten, und scheinen vielmehr zu jedem Opfer bereit, eine Freigebigkeit, die sie ibrigenS auch schon — und auch hier nur von der caualis sacra lawes getrieben — in Sachen des Communalwahl- recht» bekundet haben. Außerhalb dieses Kreises wird man ich sagen, daß daS Centrum jedenfalls einen höheren rolitischen Preis verlangen würde, als die politischen Kosten der Vertagung der Canalangelegenheit bis zum nächsten Herbst sich belaufen könnten. Dabei wird man noch an Anderes und an mehr als an die Jesuiten denken, denen die „Germania" jetzt unaufhörlich den idealen Beruf wieder zuerkennt, an der Erhaltung des DeutschthumS jenseits der Meere mitzuwirken, „wie eine starke deutsche Flotte". Um zu erfahren, wie es der Iesuitismus mit dem deutschen Volksthume meint und was dieses von ihm überall zu erwarten hat, braucht man nickt überseeisch zu werden, ein Blick über die österreichische Grenze genügt. Mit dem Wasser des Mittellandkanals boffen aber anscheinend einige Berliner Nationalliberale auch diese Sünden von den umworbenen Klerikalen abwaschen zu können. Daß das Deutsch- thum in Posen und Westpreußen mit zu zablen hätte, wenn es den AgrarconservatismuS für ungleich gefährlicher als daS Centrum zu betrachten und zu bebandeln entschlossen wäre, daS versteht sich ohnehin von selbst. Aber wie gesagt, eS ist auf eine glänzende Jsolirung der Nurcanalpolitiker zu »offen, und es bricht sich vielleicht sogar in Preußen die An sicht Bahn, daß es bei einem Unternehmen, das seit dreißig Jahren inS Auge gefaßt ist, dessen Durchführung mindestens einen Zeitraum von zwölf Iabren erfordern würde und dessen Inangriffnahme, ohne daß die res publica dadurch merklichen Schaden erlitten hätte, schon um ein Jahr ver zögert worden ist, auf ein weiteres Jahr nicht ankomme. Bis dahin könnte man sich auch überlegen, ob eS zweckmäßig ist, für den Canalbau sich auf die Warnung des sächsischen Finanzministers vor der Fortsetzung des Baues un rentabler Eisenbahnen zu berufen. Als ob der Mittelland kanal bestimmt Ware, die Herstellung von Reben- ode- gar von Kleinbahnen zu ersetzen! Ganz im Gegentheil wird ausgesprochenermaßen wegen dieses CanalbaueS die preu ßische Regierung mit erhöhten Forderungen für Neben- und Kleinbahnen an den Landtag berantreten. Die Flottenangelegenheit wird in ruhiger, solider und nachhaltiger Weise auch durch Borträge Berufener, die nicht nach der von Herrn Victor Schweinburg ergangenen An weisung vorgehen, gefördert. Mit diesem Herrn haben sich etzt schon drei angesebene Gelehrte persönlich auseinander gesetzt, wobei man die höchst wifsenSwerthe Tbatsache erfahren hat, daß eben dieser Herr Schweinburg die Ursache ist, daß nicht ein einziger Berliner UniversitätSprofcssor dem Flotten verein angehört. Man kann nur wünschen, daß Herr Schweinburg hieraus für sich die Notbwendigkeit ableitet, einen exponirten Posten im Vereine aufzugeben. Ist sein selbstloses Interesse an der Flottensache so groß, wie seine hohen Protektoren versichern, so wird er wohl einen Weg finden, der seine zweifellos seltene Arbeitskraft dem Vereine erhält, diesen aber von der Verbindung mit einem Namen befreit, der nun einmal der großen nationalen Sache Gegner chafft und Freunde abwendet. AMan-sftirnmen über Chamberlain's Tripel-Allianz. England. * London, 2. December. (Telegramm.) Ein Artikel der „TimeS" sagt: Unsere deutschen Freunde sind ohne Zweifel überrascht, die Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland mit einer Gefühlsergießung beschrieben zu seben, wofür sie keine Aeußerung im eigenen Lande vorbereilet hatte. Indessen, wenn die deutsche Presse Sinn für Humor und gute Laune hätte, würde sie in Chamberlain'« Rede rin Zeugnißfürden persönlichen Zauber des deutschen Kaisers gefunden haben. Trotz der Heftigkeit der Urtbeile der deutschen Presse, haben wir vermerkt, daß das augenscheinliche Bestreben unseres Colonialsekretärs, soviel als möglich Freundschaft mit Deutschland zu pflegen, weit davon entfernt ist, in den deutschen maßgebenden Kreisen unwillkommen zu sein. Wenn die Deutschen meinen, daß einige unbestimmte Wendungen in der Rede deS Eolonial- secretär» die fest bestimmte Politik dieser Nation ab lenken können, so können wir nur sagen, daß die Deutschen noch manckeS zu lernen haben. (Was wir an politischem Verständuiß von England und sveciell von den „Times" lernen könnten, nämlich den Sinn für Intriguen- spiel schlimmster Art, würde auch uns nur da» übliche „schmückende" Beiwort Albion'» im AuSlande eintragen — und davor behüte unS da- Schicksal. Die Red.) * Lon»on,2. December. (Telegramm.) Der „Globe" erhebt gegen «ine britische Allianz mit Deutsch land unter dep Begründung Einspruch, daß Frankreich und Rußland auf der einen Seite, Deutschland, Oesterreich und Italien auf der anderen sich in die Control« des conti- nentalen Europa theilen, und daß England seine Stellung als Sch ied-rick ter (I) zwischen beiden Liguen opfern werde, klebrigen» könne Deutschland England keinen Ersatz für die Verantwortlichkeit geben, die ein« Allianz England auferlegen würde. Dieselbe Erwägung paffe auf die Allianz mit Amerika. „Pall Mall-Gazette" hebt hervor, indem sie zu- giebt, daß die Behauptung richtig sei, die natürlichste Allianz sei diejenige zwischen England und dem großen deutschen Reiche, daß zur Zett rin starke» Vorurtheil gegen England in Deutschland vorhanden sei, und mißbilligt den ausdrücklich«, Hinweis darauf, daß England mit der deutschen Regierung, nicht mit der deutschen Presse eine Verständigung oder Allianz sucke. -rankreich. * Pari-, >. December (Telegramm.) Di« Mehrzahl der Blatter nimmt die Drohungen Chamberlain'S nicht ernst; vielfach wird die Hoffnung ausgesprochen, daß Salisbury demnächst das Wort ergreife, um den von Chamberlain begangenen Fehler wieder gut zu machen. Valfrey sagt im „Figaro", Chamberlain habe gegen über Frankreich alle Grenzen überschritten und weder als Staatsmann noch als künftiger Premier gesprochen. Wahrscheinlich babe er seine erschütterte Popularität befestigen wollen, indem er sich gegenüber Frankreich die Form des extremsten Imperialismus zu eigen machte. * Paris, 2. December. (Telegramm.) Die „Dubais" besprechen die Rede Chamberlain'« und meinen, Chamberlain bedaure sichtlich, daß die jüngste Rede des Ministers des Auswärtigen Delcasft die Iingoisten der Möglichkeit be rauben, gegen die Politik Frankreichs irgendwelche Beschwerde zu sühren. Die Campagne Chamberlain'S bezwecke, die Franzosen zu Unbesonnenheiten zu verleiten, um daraus Vortbeil zu ziehen. Die französische Presse werde sich hoffentlich hüten, Chamberlain in die Hände zu arbeiten. „Petit Bleu" spricht seine Befriedigung aus, daß die englische Presse Chamberlain desavouire. Amerika. * London, 2. December. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus New Hort: Die einzigen Blätter, die bisher die zweite von Chamberlain in Leicester gehaltene Rede be sprechen, sind zwei chauvinistische. Sie äußern fick dabin, daß mit Chamberlain in vielen Punct en die Ameri kaner übereinstimmten. Alles, was die Amerikaner von ihm im Hinblick auf die Beziehungen England« zu Amerika forderten, sei, daß er ihnen nicht Unmögliches vorschlage und keine Sprache gebrauche, die die Er füllung seiner und ihrer Wünsche schwieriger machen. Der Krieg in Südafrika. General Methuen spielt va drmqus, da- ist wiederholt bervorgehober. wardci., als bekannt wurde, daß der Lord in forcirten Märschen den Entsatz Kimberleys zu erzwingen hoffte und zu dem Zwecke sich aller nicht zum nothdürstizsten Unterhalt nötbigen Bagage entblößt hatte und das ohne jede sichere Verbindung mit anderen englischen Truppen oder Hilfsmitteln. Aber erst jetzt zeigt sich, wie gefährlich das Unternehmen ist, denn wenn der im Nachstehenden signalisirte Plan -er voeren gelingt, dürfte dem General das Schicksal White'« beschieden sein, nur daß er obne die Hilfsmittel deS wohlverprovian- tirten Lagers von Ladysmith zu fechten haben würde. Die hier folgende wichtige Meldung zeigt zugleich die Beweggründe, von welchen die letzten Operationen der Boeren im Westen ge- eitet wurden; das Zurückweichen der Boeren ist jetzt trategisch erklärt. London, 2. December. (Privat-Telegramm.) Commandant Grübler wirst alle verfügbaren Boerencorps zwischen Aliwal-North um Richmond gegen die vahnlinie Lrangeflntz - Te Aar, um die Operationsbasis General McthuenS abznschneiden. Die Generäle French und Gatacre haben Ordre, Gröbler'S Plan mit allen Kräften zu verhindern, und haben zu dem Zweck alle verfügbaren Verstärkungen erhalten. Auf Ladysmith und dessen wahrscheinlich erfolgten Fall bezieht sich wohl folgende Nachricht unseres Londoner Correspondenten: k'. London, 2. December. (Privat Telegramm.) Das Londoner Kriegsamt halt drei Depeschen Buller's zurück. Durch die Transvaal-Gesandtschaft in Brüssel wird diese Auffassung bestätigt, denn Leyd« läßt der „Allgem. Zeitung" zufolge erklären, die Gesandtschaft sei überzeugt, daß Ladysmith bereits in den Händen der Boeren sei. Zugleich bezeichnet die Gesandtschaft den englischen „Sieg" bei Modder-River keineswegs als entscheidend, nicht ein mal als wichtig. Die Boeren occupirten nach wie vor die starke Stellung am Modder-River, welchen die Armee des Generals Methuen bisher nicht zu überschreiten wagte. Inzwischen beginnt bereits der Rücktransport der verwundeten englischen Soldaten nach England. * Las Palmas (llanarische Inseln), 2. December. (Tele gramm.) Der englische Dampfer „Sumatra" ist mit einer großen Anzahl verwundeter Soldaten, aus Capstadt nach England unterwegs, hier eingetroffen. Neber Cronje nn- Methuen bringt die „Frankfurter Zeitung" von einem alten preußischen Officier in London neues Material, daS Wohl geeignet ist, daS bisher von den feindlichen Führern entworfene Bild in wesentlichen Punkten zu rectificiren, weshalb wir der Schilderung Einige- entnehmen. „Cronje ist einer der bestgehaßten Führer der Boeren- miliz, wenigstens soweit die Gefühle der Engländer in Betracht kommen. Man hat ihn 1881 kennen und bassen gelernt und er war eS, der Iameson die gereckte Züchtigung zu Tbeil werden ließ. Man nennt ibn in der englischen Presse stets mit Grimm. Er soll nicht ehrlich sein, er soll grausam sein, er soll nicht aufrichtig sagen, wa» er denkt, und am liebsten überhaupt nicht sprechen. Der erste und der dritte Vorwurf decken sich wenigsten«, soweit die militärische Seite eines Manne- in Betracht kommt, und ich muß gesteben, daß der Mann, der einem Feinde gegenüber mehr redet al« unbedingt noth- wendig ist, in meinen Augen ein Narr ist. Wir haben in unserem großen Schweiger Moltke den Beweis, daß e- bei dem Soldaten nicht auf daS Reden, sondern auf da« Handeln ankommt, und wir können e« deshalb nur bedauern, wenn die englischen Militär« in dem Schweigen einen Vorwurf entdecken. WaS nun die Grausamkeit Cronje'« anbelangt, so hat man dafür au« seinen Kämpfen gegen Eingeborne Beweise liefern wollen. Gegen derartige Beweise au« englischer Quelle muß man sehr arg wöhnisch sein und schließlich ist ein Krieg gegen Eingeborene nicht zu vergleichen mit einem Kriege gegen civilisirte Gegner. Haben doch die Engländer bei Omdurman die verwundeten Derwische niedergemacht, ohne daß die maßgebende englische Presse sich deshalb zu dem Borwurf der Grausamkeit gegen Lord Kitchener hätte erheben können -- ja man hat den Sieger von Omdurman trotzdem mit Ehrengaben überhäuft. Die Verschmitztheit und Gewandtheit Cronje'» ist aber durch die Kämpfe, welche die englische Division auf ihrem Marsche nach Kimberley zu bestehen hatte, durchaus bewiesen. — Er ist ein ArriSregardenführer, wie ihn wohl kaum eine Armee wieder aufzuweisen haben wird. Nichts verrätb die Stellung seiner kleinen Armee bei Beginn deS Kampfe», als höchstens die vier Geschütze, die er besitzt und dir so postirt sind, daß wie bei Graspan die gesammte englische Divisionsartillerie, einschließlich der Marineartillerie, in drei stündigem Feuergefecht sie nicht zum Schweigen zu bringen vermag. Da muß die Infanterie vor und siehe da — daS Feuer verstummt. Was nun geschah, da» citire ich aus dem letzten (unfern Lesern bekannten) ofsiciellen englischen Bericht: „Wir alle glaubten, daß der An griff leicht sein würde und daß wir die feindliche Stellung mit minimalem Verluste nehmen würden. Nicht» zeigte sich vom Feinde, als die Marinetruppen vorgingeu. ES schien, als wenn sie unser Granatfeuer nicht batten au-haltrn können und zurückgegangen wären. Wir wurden rauh und plötzlich auS diesem Glauben gerissen. Als die Marinier» zwei- bis dreihundert Meter von der feindlichen Stellung entfernt waren, wurden sie mit einem Feuerregen von allen Höhen ringsum begrüßt." DaS Resultat diese« Feuerregrns kostete den Engländern 20 Procent der Mariniers, und als schließlich die Höhen genommen waren, war der Feind verschwunden. Da» ist Cronje'S Leistung. Er allein war im Stande, seiner Miliz beizubrinaea, sie den Feind bi» auf di« Räbe heraukommen lassen sollet ohne zu schießen. Er vermochte während dieser Zeit, die Geschützt zurückzuschaffen, und der niedergesckmrtterte Feind erstürmte nachher unbesetzte Höhen und Lord Methuen meldete dann einen neuen, blutigen und unbefriedigenden Sieg. Und dieselbe Taktik, die Boerni- taktik könnte man sie nennen, sehen wir beim Modder River. Jetzt verstehe ich, warum man Cronje haßt. Er ist der geborene Guerillafeldherr. Er ist der Milizgeneral, wie er nicht besser gedacht werden kann. Ja er ist mehr als das, denn er versteht, was kaum ein Beruf-general verstehen würde, er versteht, das Geschoß der aufgeregten Untergebenen im Lauf zu bannen, bis zu dem Moment, wo e» dem Feind« den größten Verlust zufügeo muß — und da- im Zeitalter der weittragenden Schnellfeuerwaffen. Wollen wir nun General Methuen, den Gegner Cronje'S, recht beurtheilen, »so müssen wir un» zunächst über seine Aufgabe klar werden. Er hatte mit einer verstärkte« Division von etwa 14 000 Mann, von der er vermuth? lich 1000 Mann mit einer Batterie zum Schutze des Lagers bei De Aar-Iunction zurückließ, gegen einen im Ganzen auf 6000 Mann geschätzten Feind eine be lagerte Truppe zu befreien. Sehr schwer konnte ein derartiger Auftrag nicht erscheinen, und vermuthlich ließ sich Methuen auch durch die scheinbare Leichtigkeit deS ihm gestellten Auftrag"« zu seinem rücksichtslosen Vor gehen — wenigstens im Anfang seines Vormarsches — be wegen. Methuen hat keinerlei FeldrugSerfahrung al» Truppenführer. Man weiß au» seiner Jugend nur zu er zählen, daß er sich gerne in den Straßen London» herum boxte, und daß er später in die Garde eintrat. Aber er hat an der Betschuana-Expedition theilgenommen und muß daher Afrika kennen. DaS zusammen mit der Tbatsache, daß er eine beliebte Person in der Londoner Gesellschaft und in der Garde war, genügte, um ihm ein scheinbar leicktcS Commando in dem augenblicklichen Feldzüge zu ver schaffen. Nun, seine Lust am Raufen bat er tbatsächlich beibehalten, wie die Gefechte beweisen. Er ist ein wirk licher Marschall Vorwärts — aber ohne die unserem alten Blücher innewohnenden strategischen Instinkte. Er geht der Eisenbahn nach Kimberley nach, ohne sich aus taktische Feinheiten einzulassen, und greift an, waS sich ihm in den Weg stellt. Da» gebt auch auS seinen Telegrammen hervor. „Die Garde-Brigade auf dem rechten, die andere Brigade auf dem linken Flügel, griff ich an." E» ist, al« wenn man einen mangelhaften Manöverbefehl läse, wenn man Metbuen'S Gefechtsberichte liest. Vielleicht oder wahr scheinlich hat ihn auch seine aufklärende Cavallerie im Stick gelassen. Jedenfalls hat er nur da» geleistet, WaS ihm seine Uebermachl zu leisten gestattete. Und daS hat er geleistet, ohne die geringste Schonung seiner Truppen und obne jede taktische Idee. — „Eine Umgehung am Modder flusse war unmöglich" — so meldet er, und doch haben die allerdings nicht ganz zuverlässigen Zeitungen England» vor dem Kampfe bereit» überlegt, auf welche Weise die Stellungder Boeren am Modderfluss« zu umgeben wäre, und sieben Wege auSgefunden. — Nun muß ich allerdings sagen, daß die schnelle Erledigung eine» Auftrage» ohne Rück sicht auf die Verluste manchmal geboten erscheint, und daß viel leicht Methuen andere Nachrichten über die Sicherheit Kimber leys hatte, als man dem Publicum mitzutheilen für gut hielt. Da» würde s«in rxercirplatzmäßige» Vorgehen einigermaßen entschuldigen. Aber eins gefällt mir bei dem Lieblinge de« HoseS und der Gesellschaft auch in diesem Fall« nicht — da- ist der Versuch, seine Verdienste, die wahrlich gering genug sind, in «in besseres Licht zu stellen. Die Mittheilungen in seinem ersten Telegramm, daß seine Verluste größer gewesen sein - würden, wenn er nicht in früher Morgenstunde angegriffen haben würde, wäre besser durch eine näher« Angab« üb«r die erlittenen Verluste ersetzt worden und grenzt an eine versuchte Entschuldigung dafür, daß er den Kampf vor einer genügenden Artillerie-Vorbereitung eröffnete. — Wenn er in seinem Telegramm vom Modder River sagt, daß der Feind „über vier Geschütze und zwei schwere Geschütze und so weiter" verfügt babe, so ist diese» „und so weiter" nicht- Weiter, al» rin Versuch, falsche Vorstellungen zu erwecken. Wa» soll unter diesen Umständen „und so weiter" übrrhaupt heiß,»?"
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