Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991206014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899120601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899120601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-06
- Monat1899-12
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen-Ausgabe Die Morgen-An-gab« erscheint um '/,7 Uhr, dir Abend-Au-gabe Wochentag« um k Uhr. Filiale«: ett, klemm'« Sorti«. («Ifre» Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Loui» Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und königS-latz 7. Ne-artion und Lrpeditio«: JohanniSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. cipMr Tageblatt Anzeiger. Nttüsvkatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes ««- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Bezug-Preis brr Hauptexpedition oder den im Ltadt. bezirk und den Vororten errichteten Aus» aaoestellrn ab geholt: vierteljährlich^l4.bO, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn« Han«>tb.bO. Durch die Post bezogen sllr Dentschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendung in« Au-land: monatlich 7.50. Anzeigen.PreiH die 6 gespaltene Petitzeile LV Pfg- « Reklamen unter dem Rrdaction»strich (4ae» spalten) öO/^, vor den Familimnachrtchten gespalten) 40^. «rüdere Schriften laut unserem „»m» vrrzeichniß. Tabellarischer und Zlsftrasatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gefalzt-, »ar »Ml der Morgen-Au-gobe, ohne Postbeförderuag ^l SV —, mit Postbesördernng 70.—. AuuahMschluß für Auzn-e»; Ab end »Ausgabe: Lormittag« 10 Uhr. Morge»-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr- Bet den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die Ertzedttio« zu richten. «<»»» Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig 93. Jahrgang. Mittwoch den 6. December 1899. M. Französische Hoffnungen. Man schreibt unS: Daß der Groll der Franzosen gegen die Engländer wegen der mehrfachen Durchkreuzung französischer colonialer Pläne noch nicht erloschen ist, ergiedt sich au« der Haltung der französischen Presse im TrainSvaaltriegel Die Earica-turen der illustrirtcn Zeitungen und der Witzblätter find fast von einem ebenso leidenschaftlichen Hasse eingegeben, wie die berühmt berüchtigten Caricaturen, mit denen sich die Franzosen 1870 über ihre jammervollen Niederlagen hinwegzuhelfen versuchten. Eins aber übertrifft den Haß der Franzosen gegen England noch immer: der Haß gegen Deutschland und die Hoff nung, für 1870 Rache zu nehmen. Selbst ein so ruhiger Staats mann, wie Herr Delcasstz, vermag sich der Anspielung auf die Revanchehofsnungen nicht zu entschlagen, und es ist charakte ristisch, daß die Darstellung, die er in der Kammer von den aus- wärrigen Beziehungen Frankreichs gegeben hat, an der Stelle den größten Beifall gefunden hat, wo er in recht durchsichtiger Weis« davon sprach, daß der Zweibund gestatte, die weitesten Pläne zu fassen, deren Durchführung lediglich von der Ge^ duld, der Consequenz urkd der Zeit adhänge. Daß diese An spielung sich auf die Hoffnung der Zurückgewinnung von Elsaß Lothringen und nur darauf bezog, wird schon durch den er wähnten Beifall dergesammten Kammer dargethan. Mögen sich die Herren auch sonst noch so oft gegenseitig als Schufte und Betrüger bezeichnen und gelegentlich auch mit Ohrfeigen be denken: in Einem sind sie vom radikalen Minister bis zum royalistisch-antisemitischen Gräfin einverstanden, in der Ab sicht, Rache für Sedan zu nehmen. Wenn Herr Delcasstz gerade im gegenwärtigen Momente so offen die Hoffnungen enthüllt, die Frankreich an den Zweibund knüpft, so geschieht dies wohl nur, weil er hofft, gerade gegen wärtig den Boden in Rußland wohl vorbereitet zu finden» Mit anderen Worten: er hofft, daß eine Verstimmung zwischen Ruß land und Deutschlanw eingetreten sei, oder daß mindestens die Beziehungen zwischen den beiden Kaiserreichen nicht mehr io freundschaftlich seien, wie in den letzten Jahrev. Diese Hoff nung ist auf zwei Anlässe zuriickzufiihren: einmal nämlich rechnet man in Frankreich darauf, daß die anscheinende Annäherung Deutschlands an England in Rußland bereits verstimmt habe und noch weiterhin verstimmen müsse. Zum Zweiten ab«: speculirt man auf die eifersüchtige Sorgsamkeit, mit der Ruß land in Vorderasien ein gewisses Monopol der Bormacht sich zu erhalten bemüht ist, ein Monopol, das anscheinend durch die deutschen Aspirationen in Vorderasien, beispielsweise durch die Bagdad-Bahn, gefährdet wird. Lhatsächlich handelt es sich in beiden Fällen um nichts, was eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland Herdeizuführen brauchte. Was das Verhältnis, Deutsch lands zu England an langt, so hat der nunmehr beendet« Besuch des deutschen Kaisers in seinem ganzen Verlaufe 'dargethan, daß er keineswegs ein Beweis für intimere Abmachungen zwischen den beiden Ländern ist. Denn der private Charakter des Besuch-, scheint mit großer Geschicklichkeit gewahrt worden zu sein. Ueber- haupt wird man in Rußland zugeben müssen, daß die auswärtige deutsche Politik selbst den Schein einer Intimität mit England zu vermeiden versteht. Soweit überhaupt von Abmachungen die Rede ist, beziehen sie sich auf coloniale Angelegenheiten im Stillen Ocean und in Afrika, und ob Samoa deutsch oder englisch ist, oder in welcher Weife dermaleinst der portugiesische Besitzstand in Afrika zwischen Deutschland und England aufgetheilt wird, kann für Rußland völlig gleichgilttg sein. Die einzigen Puncie der Welt, an denen gleichzeitig deutsche, englische und russische Interessen in Frag« kommen, wo als» eine Verknüpfung der deutschen mit den englischen Interessen den russischen Zielen nachtheilig werden könnte, sind Ostasiien und die Gegend des persischen Meerbusens. In Ostasien aber hält.sich Deutsch land von den zwischen England und Rußland spielenden Jn- triguen sorgfältig firn und ist nur bemüht — vielleicht sogar in einer zu ängstlichen Weise bemüht, denn die anderen Mächte haben sich ein größeres Maß werthvoller Concessionen auszuwirken verstanden —, die Entwickelung des von ihm 1897 erlangten Einflußgebietes zu fördern. Was das Gebiet Les persischen Meerbusens anbelangt, so sind Deutschlands Interessen ausschließlich wirthschaftlkhr. Auch mit der Bagdad- Bahn-Concession,die nun erfreulicher Weise durchgesetzt ist, beabsichtigt Deutschland nicht politischen Einfluß zu er langen, sondern nur seine wirthschaftliehen Beziehungen in Kleinasien auszudehnen und sie womöglich auch nach Persien hinüberzuspielen. Den Bemühungen Rußlands aber, sich dir politische Herrschaft am persischen Meerbusen und in Persien zu sichern, steht Deutschland nicht im Wege. Daß es für Ruß land bequemer wär«, wenn auch wirthfchaftlich ein völlige» Monopol Rußlands bestände, und daß es deshalb lieber gesehen hätte, wenn Deutschland di« Bagdod-Äahn-Concession nicht an- gestrebt und nicht erhalten hätte, sei unbestritten. Die russischen Staatsmänner find aber einsichtig genug, di« Bemühungen Deutschlands, seine wirthschastlichen Interessen auszudehnen, als berechtigt anzuerkennen. Im Uebrigen sei daran erinnert, daß, wenn im Osten Kleinasiens vielleicht wirthfchaftlich« Gegensätze zwischen Deutschland und Rußland bestehen mögen, im Westen Kleinasiens politisch-religiöse Gegensätze zwischen Frankreich und Rußland bestehen. Es ist deshalb die Frage, ob es sich für Frankreich empfiehlt, Rußland gerade mit Rücksicht auf vorder asiatische Angelegenheiten gegen Deutschland .scharf machen" zu «vollen. So darf man -offen, daß die französischen Bemühungen, Deutschland mit Rußland zu verfeinden und dadurch dem Zweibund« eine, bislang wohl von Frankreich, aber nicht von Rußland gewünschte offensive Tenderq zu geben, vergeblich sein wehren. Die Offenherzigkeit des Herrn DelcassS wird aber obendrein noch den Nutzen haben, die deutschen Staatsmänner in der Aussicht zu bestärken, daß auch der Anschein einer für Ruß land dedenkltchen Jntimttät zwischen Deutschland und England deutscherseits vermieden werden muß. Die chinesisch-japanische Annäherung. Nachdruck auch mit Quellenangabe verboten. Wir erhalten ausP «kingzu der für die ostasiatische Politik so wichtigen Frage eines chinesisch-japanischen Bündnisses einen eingehenden, etwas skeptisch gehaltenen Bericht unseres dortigen Herrn Mitarbeiters. Da wir Anlaß haben, bei ihm eine besondere Kenntniß der an Jn- triguen so reichen Pekinger Politik vorauSzusetzen, so geben wir den auch die Vorgeschichte der Annäherung be handelnden Theil des Berichts in Folgendem ungekürzt, weil erst dadurch ein klares Bild der gegenwärtigen Verhältnisse entsteht. Peking, 12. Oktober. Obwohl der Nachricht vom angeblichen Abschlüsse eines Schutz- und Trutzbündnisses zwischen China und Japan sofort von gut unterrichteter Seite in China und Japan selbst, in Ruß land und England auf das Bestimmteste widersprochen worden ist, hat der Glaube daran so feste Wurzeln geschlagen, daß davon noch immer wie von einer Thatsache die Rede ist. Sicherlich hat eine Annäherung zwischen beiden Ländern stat-tgefunden, von einem Bündnißabschluß ist aber unseres WissenskeineRedr. Nach Abschluß des Handelsvertrages im Herbst 1896 wurde an Stelle des Barons Hayashi Herr Funio Aano zum japanischen Gesandten in Peking ernannt. Da er bis dahin Director der kaiserlichen Mausoleen gewesen war, wurde seine Ernennung mit der scherzhaften Bemerkung begleitet, Japan betrachte das Reich der Mitt« schon als einen tobten Körper, dem durch den neuen Gesandten ein Begrälbniß erster Classe zu Theil werden solle. Der frühere MausoleumSdirector entfaltete aber bald eine fieber-1 hafte Thätigkeit, die nichts mit Leichenfeiern zu thun hatte. Fast täglich konnte man ihn, der die sonst als Beförderungsmittel für hochgestellt« Personen übliche Sänfte verschmähte, auf einem schwarzen Esel mit grünem Sattel zum Tsungli-Aamen reiten .sehen.. Die Provinz«» wurden von zahlreichen japanischen Emissären überschwemmt, die namentlich bei dem Generalgouver neur in Wuchang, dem gelehrten und patriotischen, aber phan tastischen und unpraktischen Chang-chih-tung, eine freundliche Aufnahm» fanden. In Tientsin wurde unter dem Namen KnowLnpao, Reichszeitung, mit japanischem Gelbe und japanischen Redakteuren ein Organ gegründet, das fanatischen Fremdenhaß predigte und das Evangelium des Anschlusses an Japan verkündete. Die idealen, auf die Wiederaufrichtung Chinas gerichteten Bestrebungen Herrn Iano's verhinderten ihn nicht, für Japan diel« wichtige Zugeständnisse zu erlangen. Die Errichtung von japanischen Handelsniederlassungen in einer An zahl von Vertragshäfin, die schon in dem Handelsverträge vor gesehen war, wurde mit Eifer in Angriff genommen, dazu kamen japanische Banken und «ine Dampferlini« auf dem Iangtze- Strom. Da England und Frankreich die Zusicherung erlangt hatten, daß gewisse chinesische Provinzen an kein« andere Macht abgetreten werden sollten, glaubten die Japaner, die, wie alle Asiaten, in Schablonen denken, daß ein ähnliches Zugeständniß auch für sie großen Nutzen haben müsse, und ließen sich von der chinesischen Regierung erklären, daß sie die Provinz Fukien nie an eine dritte Macht abtreten werde. Als Lehrer an Sprach- und landwirthschaftlichen Schulen, in der Post- und Zollver waltung, neuerdings auch in Wuchang, wo sie an Stelle der deutschen Officiere treten, deren Coirkoct abläuft, haben viele Japaner Anstellung als Militär-Jnstructeure gefunden. Eine Anzahl von jungen Chinesen wurde von Wuchang, Nanking und Tientsin aus nach Japan geschickt, um dort Kriegsschulen zu be suchen und militärisch ausgebildet zu werden. Neuerdings sind auch aus der firnen Provinz Seuchnan mehrere Militär- Mandarin« in das Land der ausgehenden Sonne entsandt worden, um sich über daS japanische Militärwesen zu informiren. Die Freundschaftsbezeugungen der Japaner erreichten ihren Höhepunkt im vorigen Sommer, als Kang-yo-wei, der Leiter der Reformbewegung, beherrschenden Einfluß über das schwache Ge- müth des Kaisers Kuanghsü gewonnen hatte uikd die kurzlebige Aera der überstürzten und daher undurchführbaren Reformen begann. Kang - yo - wei ging in der japanischen Gesandtschaft au» und ein, die Einladung des Marquis Ito, nach Peking zu kommen, um Premierminister oder doch wenigstens Berather des Kaiser» zu werden, war sein Werk. Als der MarquiH.in Peking eintraf, war das Ende der Reform-Aera schon wieder da, der Staatsstreich, durch den der Kaiser alle MaKtMrlor, fand während seiner Anwesenheit statt. Der einzigSemMudienz, die Ito beim Kaiser hatte, wo^Mdie Kaiserin- Regentin hinter einem Vorhang bei, der geänMigte Sohn des Himmels beschränkte sich daher auf einige Höflichkeits phrasen. Tief enttäuscht kehrte Ito nach Japan zurück und gab wiederholt seiner Ansicht Ausdruck, daß jede Hoffnung, China sich erheben zu sehen, geschwunden sei. Den neuen Macht habern in Peking war der Verkehr deS zum Erzverräther ge wordenen Kang-yo-wei in der japanischen Gesandtschaft wohl be kannt, der Umstand, daß die zersprengten Reste der Rosorm- partei in Japan eine Zuflucht fanden^ untd der, -daß Japan ebenso wie die anderen Mächte ein Marine-Detachement als Gesandt schaft-wache in Peking «inquartirte, konnte unmöglich dazu bei tragen, die gegenseitigen Beziehungen herzlicher zu gestallten. Allein im Frühjahre dieser Jahres verließ das japanische Detachement als erstes die chinesische Hauptstadt und bald wurde der schwarze Esel mit dem grünen Sattel wieder häufiger in Be wegung gesetzt, um Herrn Uano in» Tsungli-Yamen zu tragen. BÄd tauchten japcnkffche Handelscommissionen aller Art auf u»d japanische Officiere bereisten die chinesischen Truppenlager, um Paraden albzuhalten. Dies gab natürlich den Gerüchten von im Gange befindlichen Verhandlungen über ein Schutz- und Trutzbündniß neue Nahrung. Als dann zwei Chinesen, die nicht einmal der Beamten-Hierarchie angehörten, ober durch ein am 20. November v. I. ergangene« kaiserliches Ldict die allgemeine Erlaubniß erhalten hatten, sich ins Ausland zu begeben, um sich über HandelSangelegenheiten zu informiren, in Japan erschienen und dort bei Hofe empfangen wurden, galt die« al» unanfecht barer Bewei», daß eine Allianz zwischen beiden Ländern ab geschlossen worden sei. Sicher ist jedoch nur, daß «ine ver mehrte Annäherung zwischen beiden Ländern bemerkbar wird und daß Japan immer größere Anstrengungen macht, in Peking tonanaebenden Einfluß zu g«iae»a. Hierzu gehört auch di» bevorstehend« Ernennung de» japanischen Ge- sandtenam chinesischen Hofe zum Botschafter, wodurch derselbe Doyen des diplomatischen Corps werden würde. Selbst wenn das Schutz- und Trutzbündniß sich in Zukunft einmal verwirklichen sollte, wird es auch dann Japan nicht ge lingen, die schlummernde Kraft des chinesischen Riesenreiches zu organisiren und seinen Zwecken dienstbar zu machen, es wird an der Aufgabe scheitern müssen, das chinesische Volk aus dem Sumpfe der Verkommenheit herauszuziehen. Wahrscheinlich werden sich die japanischen Politiker damit begnügen müssen, neben einer allgemeinen Stärkung japanischen Einflusses mehr und mehr die Provinz Fukien zur japanischen Jnteressensphä re zumachen. Fukien ist für das gegen überliegende Formosa die wichtigste Provinz Chinas, reich an Produkten, ebenso bedeutungsvoll für Süd-China in kom merzieller wie für Nord-China in strategischer Beziehung. Die Straße von Formosa käme dadurch ganz in die Hand der Japaner, die dann im Stande wären, bei einem Kriege in Ost asien ihre militärischen und maritimen Zwecke mit großer Aus sicht auf Erfolg durchzuführen. Der Krieg in Südafrika. Tie militärische Lage. (Von unserem Specialcorresponventen.) L. 6. London, 3. December. Die Lag« aus dem Kriegs schauplätze hat sich im Laufe der verstossenen Woche so wesent lich verändert, daß ein Neberblick über dieselbe um so mehr angezeigt erscheint, als inzwischen daS erste ArmeecorpS seinem Gros nach vollständig in Südafrika eingetroffen ist. Die englischen Truppenkörper sind auf allen drei Operationsfeldern, d. b. in Natal, im Norden der Cap- colonie und auf der Linie Capstadt—Kimberley mehr oder weniger wesentlich verstärkt worden, und wenn daS englische KriegSamt sich seit dem Kampfe am Modderflusse und den Operationen um Estcourt in ein fast undurchdringliches Mysterium hüllt, so ist da« offenbar zum Tbeil uicht nur ans den Wunsch zurückzuführen, ungünstige Nachrichten zu verheimlichen, sondern auch auf da« berechtigte Bedürfniß, die eigenen Operationen nicht vorzeitig dem Feinde zu verrathen. Daß die Dinge für die englischen Truppen nicht be sonder- glänzend stehen, ist selbst dem großen englischen Publicum kein Geheimniß, aber man sollte sich auch davor hüten, aus einem Extrem in daS andere zu verfallen und von vornherein anzunehmen, daß die englische Kriegsführung in der nächsten Zeit nichts als Unglücksschläge erwartete. WaS ihr bisher fehlte, eine genügende Truppenzahl, und vor Allem Cavallerie und Artillerie, hat sie jetzt zur Verfügung (überall ? D. Red.), und sollte eS ihr trotzdem nicht gelingen, im Laufe der nächsten zwei Wochen einige große erfolgreiche Schläge gegen die Boeren zu führen, so würde damit Alle- bewiesen sein, außer daß es General Buller an Mannschaften und Artillerie gefehlt habe. Die letzt« Woche allrin brachte ihm weitere zwölf Batterien und sechs Cavallerieregimenter; der Rest der Cavallerie und drei Batterien Haubitzen werden in den nächsten Tagen landen. In Natal hat er auf der Linie Maritzburg-Estcourt- Frere jetzt 18 000 Mann und zwar 6000 Mann al« Avant garde, unter General Hildyard, zwischen Estcourt und Frere 4000 Mann (eventuell 6000), die sogenannte zweite Brigade, unter General Barton, bei Estcourt, und eine dritte Brigade von 4000 Mann unter Wolfe Murnrey. Dazu kommen in ihrer einzelnen Zusammensetzung noch nicht bekannte Cavallerie regimenter, darunter die Royal DragoonS, die zwölften LancerS und ein Theil der CarabinierS unter Lord Airlie. Neben diesen regulären Truppen hält ein verschieden auf 3 bis 5000 Mann geschätztes einheimisches Corps von sogenannten GuardS die CommunicationSlivie mit der OperatwnSbasiS Durban be setzt. Diese Truppenmenge sollte um so mehr genügen, General Buller zur Ausnahme der Offensive zu er- muthigcn, als General Joubert ihm offenbar irgendwie überlegene Streitkräfte nicht gegenüber stellen kann, am wenigsten in Artillerie, seitdem der englische Feldherr die besten Schiffsgeschütze der vor Durban liegenden Kriegsschiffe an sich herangezogen hat. Trotzdem scheint General Buller zu zögern, denn alle die Nachrichten der letzten Woche über einen raschen Massenvormarsch der britischen Colonnen gegen Eolenso sind durch nicht» bestätigt worden, vielmehr durch verschiedene Thatsachen dementirt. Bei Frere steht offenbar nur ein ganz kleines Vorposten-Detache ment, welche« die Boerencominandos mit langen Ochsenkarren rügen rechts und links aus der Straße nach Colenso vorüberziehen sah, ohne einen Angriff auf dieselben zu wagen, waS offen bar geschehen wäre, hätte General Hildyard daS Hauptcorps seiner Avantgarde bereit« soweit vorgeschoben. Wäre General Buller, respective der mit der Führung diese- Entsatzheeres betraute General Clery auch nur annähernd bereits actionS- fähig, so würde er zweifellos die langsam gegen den Tugela- ftuß ziehenden einzelnen BoerencommandoS angegriffen Haven. DaS geschieht offenbar nicht au« dem weiteren Grunde, weil General Joubert ein starke« Beob- achtung-corp- in der englischen Flanke, jedenfalls bei Wernen, sehr wahrscheinlich aber noch viel weiter südlich gegenüber Willow Grange, zurück gelassen; ja nach einer englischen Meldung müßte ein Boerrncommando mit Artillerie noch östlich vom Mooi- fluss«, auf dem Ausläufer der Hügelkette bei Soutb- down, stehen. Da- absolute AuSbleiven von Nachrichten auS Natal macht jede genauere Controle dieser Angaben unmöglich. Auch heute, Sonntag, liegt nur «ne inhaltlose Meldung auS Ladysmith vor, deren Alter garnicht einmal anzugeben versucht wird, die aber unglaublicher Weise selbst von Durban, statt weniger Stunden, volle fünf Tage gebraucht hat. Danach zeigten die Boeren »keinerlei DiSposilionen, ihre verschanzten Stellungen auf den Hügeln um Ladysmilh aufzugeben, die stärker als je; die Boeren hätten 22 Geschütze m Position, 5 Personen seien in den Straßen Ladysmith« getödtet, eine Anzahl verwundet und großer Schaden den öffentlichen Gebäuden zugefügt.' Nach alledem steht der erste Hauptkampf zwischen dem Entsatzheer» und General Joubert « Truppen am Tugelaflusse noch keineswegs so unmittelbar vor der Thür, als frühere englische Meldungen eS haben wollten. Die Ursache liegt offenbar in dem schweren Mangel an TranSportthieren, welcher noch eine Zeit lang an dauern wird. In völlige- Dunkel gehüllt ist die Lage im Norden der Capcolonie. Wir wissen nur, daß der dort commandirende General Gatacre noch immer in Queenstown seine Truppen concentrirt, die jetzt mit Hart'- und Littleton'« beiden Bri gaden 9000 Mann betragen sollten. Wäre ihm irgend ein erfolgreicher Vorstoß gegen Sterkstroom—Stormberg oder RoSmead—Naauwpoort gelungen, so hätten wir zweifellos von solchem „Siege" gehört. (Nach den letzten Meldungen sollen di« Engländer Molteno, nördlich von Sterkstroom, be setzt haben. D. Red.) Die Boeren dort müssen sich in sehr festen Stellungen oder großer Ueberuwcht befinden, denn sonst könnten sie nicht, wie zuverlässig gemeldet wurde, einen wesentlichen Tbeil ihrer CommanvoS vor General Gatacrr'S Front ungestraft weggezogen habem um sie westlich auf die Bahnlinie de Aar - Oranjeslußstatio« binzuwersen, in der ausgesprochenen Absicht, General Methuen von seiner OperationsbasiS ab zuschneiden und General Wauchope zu verhindern, mit seiner Brigade dem bedrängten Gardengeneral zu Hilfe zu eilen. Wir haben allerdings gehört, daß General Gatacre, wie der südlich von Naauwpoort (genau wo, weiß Niemand) stehende General Frrnch alle ihnen zur Ver fügung stehenden Truppen ausgeboten hätten, um die Action deS Commandanten Grübler zu verhindern, aber alle weiteren Nachrichten fehlen auch hier. Da die Boeren im Besitz aller Eisenbahn,Knotenpunkte und der nach de Aar führenden einzigen Bahnlinie (vom Osten aus) sind, und überdies, weil sämmtlich beritten, sich viel schneller als die Engländer bewegen können, so ist schwer abzusehen, wie die Generäle Gatacre und French ibn»n zuvorkommen könnten. General Wauchope selbst aber steht mit seiner ursprünglich der Nataldivision Clery'S zugetbeilten Brigade (meist schottische Regimenter) auf dem Bahnkörper zwischen Victoria West und dep Oranjeflußstatibn. Sein CorpS umfast angeblich 4000 Mann. Wäre die Bahn zum Modderfluß frei, so wäre General Wauchope mit diesen 4000 Mann offenbar sofort seinem Obergeneral zu Hilfe geeilt und auch dieser, wenigsten strategische Erfolg, wäre unS längst vom ossiciöseu Kabel mitgetheilt, wenn auch nur, um die täglich unruhiger werdende englische öffentliche Meinung etwas zu besänftigen. DaS ist nicht geschehen und deutet mindestens daraus hin, daß die letzten Meldungen richtig, wonach Commandant Delarey die Bahnverbindung Lord Methurn's mit seiner Basis am Oranjefluß unterbrochen habe. Wir dürfen also eventuell von einem neuen Kampfe bei Belmonte oder Enslin hören. Aber Lord Methuen, welcher osficiell am Modderfluß wartet, bis seine Pioniere ihm eine Brücke über den Fluß geschlagen, waS sie in den seit dem Tage am Modderstuß verflossenen 6 Tagen längst hätten thun können, wen» nicht irgend etwas sie daran hinderte, hatte nach einer balbofficirllen Meldung Cavallerie und reitende Artillerie zur Aufrechterhaltung seiner VerbiodungSliaie und Brückenmaterial verlangt. Wenn diese ihm nicht gesandt worden, so kann da- wiederum entweder nur daran liegen, daß da- Verlangte nicht vorhanden, oder daß die Bahnlinie nicht frei. In beiden Fällen ist die Lage de« Sieger- am Modderfluss« ein« wenig erfreuliche. Auffällig ist, daß er, wenn oie Boeren wirklich ihre Stellungen am Movderflufse geräumt und er also ganz ungestört denselben übersetze» konnte, er da- nicht auch ohne einen besonderen HilfS-Brückentrain zu thun im Stande war. Ein kleiner Theil seiner Truppen haue bereit« gegen Ende der Schlacht den Fluß auf Pontons glück lich überschritten, Lord Methuen wußte, daß der Modderfluß zwischen ihm und Kimberley lag und der Feind ihn di dortigen Brücken nicht in- tadellosem Zustande übergeben werde. Er mußte also mit Brückenmaterial versehen sein. Kurz, die einfachste Logik führt auch unter diesem Gesichts punkte zu der zwingenden Schlußfolgerung, baß ihm sein Brückentrain entweder abgeschnitten worden und die Boeren sich also seiner Rückzugslinie be mächtigt haben, oder aber, daß sie da» jenseitige Ufer de« MvdderflusseS in genügender Stärke halten, um ihm den Uebergang zu verwehren — vielleicht beides. Wie man in englischen militärischen Kreisen selbst über den Kampf am Modderfluß, den Bericht Methuen'- und dessen heutige Lage beurtbeilt, dafür ein Beispiel. Ter militärische Kritiker deS „Sunday Special" schreibt wörtlich: ,Lord Methuen ist für die Spärlichkeit der Nachrichten zu tadeln — wenn er wirklich der Verfasser der (ofsiciellen) Modderflußdepesche ist. Sie ist jedenfalls einrnttäuscyende- Document und könnte gerade so gut von irgend einem impulsiven Untergebenen abgefaßt sein, nachdem sein Ebes gefallen. Ihre Mängel springen kraß in vir Augen. In emem Augenblicke, wo rin einzige« Wort von Wichtigkeit, war «S fast kindisch, den Raum mit Plattheiten zu vergeuden. Man erzählt uns von der furchtbaren Tödtlichkeit des KanipseS und doch erhalten wir nur eine kurze Verlustliste. (Der Schreiber glaubt offenbar auch nicht an die 68 Tobte und 373 Ver wundete der ersten ofsiciellen Liste.) Wir haben keinen Bericht über die wirkliche Natur de« Kampfe«, über die von, Feinde eiuaenommenrn Stellungen, über dir für den Angriff ge troffenen Positionen, darüber, wo Pole-Eare» seinen Ueber- gang vollsührte, oder zu allerletzt darüber, WaS an« dem Feinde geworden. Würde un« nicht officiell versichert, daß die Bahn und die Telegrapbenverbindung bi« zum Modder flusse offen, so hätten wir Grund zu ernsteu Befürchtungen." Auch der Einwurf, die »leichte Fleischwundr" Lord Methuen « könne seinen Vormarsch aufzebaltrn haben, erklärt die UnthLtigkeit einer ganzen Woche in keiner Weif«, um so mehr, als der verwundete Oberbefehlshaber neben sich einen im afrikanischen Kriege erfahrenen General in Sir Henry Colvile, dem Commandanten der Gardebrigade, hat und der Transport de« verwundeten, wenn r« sich wirklich nur
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite