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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991207023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899120702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899120702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-07
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Diese ist denn in erster und zweiter Lesung erfolgt; wenn nicht ein gesetzliches Hinderniß entgegengestanden hätte, hätte auch sogleich die Schlußabstimmung statlftnden tonnen. Der so einfache und so schwierig gemachte Casus ist damit als endgiltig erledigt zu betrachten, eL hätte des halb keinen Zweck mehr, auf die Erklärung d»S Reichs kanzlers zurückzukommen, wenn es nicht unrecht erschiene, ciu so geschickt abgefaßteö, durchaus die geistige Physiognomie veS feinenDiplomatenFürst Hohenlohe widerspiegelnde Kundgebung unerwähnt zu lassen. Ob das vom -Kanzler geäußerte Bedauern über daö Scheitern der v. d. Recke'schen Vereinsgesetzvorlage, die die Aufhebung des Verbindungsverbotes mit einer Reihe — wie bieFranzosen sagen würden —„unmöglicher"Bestimmunaen bepackte, die Seele des alten Herrn bis in die tiefsten Tiefen aufrübrt, darf dahingestellt bleiben. Die gestrige Anwesenheit des Nachfolgers des Frhrn. v. d. Recke am BundesrathStische deutet vielleicht sogar darauf hin, haß man selbst im preußi schen Ministerium mir dem, was nun im Reiche wird, und mit dem, waS in Pieußcn nicht geworden ist, sich ausgesöhnt bat. Nicht ansgesöhnt erscheint nur der Abgeordnete Freiherr v. Stumm, der zweimal Las Wort gegen den Bundes- rath ergriff und sich auch mit dem Abgeordneten Bachem vom Centrum über die richtige Behandlung der Socialdemo kratie im Allgemeinen stritt, wobei beide Herren unseres be scheidenen Eracklens sich al» noch aufklärungSbedürstig zeigten. Die deutschen Conservativen erklärten sich durch den Mund deS Abg. v. Levetzow gleichfalls gegen das Gesetz und stimmten demgemäß. Aber bei dieser Partei, so will es bedünken, handelte es sich mehr um eine „Anstandödepense", die sie wohl nicht unterlassen zu dürfen glaubte, nachdem sie avuc» 1«r v. d. Recke dem nun halb verwichenen freiconservativen Abg. v. Zedlitz und Neukirch geholfen, die VercinSgesetzangelegenheo zu einer hochpolitischen hinaufzuschrauben. Das ist nun Alles in daS Meer der Vergessenheit, in der seit 1890 schon so manche in Berlin ausgeheckte Haupt- und StaatSaction un beweint schwimmt, hinabgeflossen. Aber eS bleibt doch ein bitterer reichspolitischer Bodensatz zurück. Reichs politisch im höheren historischen Sinne. DaS Reich „schneidet" in dieser Sache „gut ab", eS hilft der preußischen Regierung auS einer „Patsche", in die sie durch die ihr an haftende Unbesonnenheit gerathen ist, und befreit den persön lich so überaus vertrauenswürdigen Reichskanzler Fürsten Hohenlohe auS einer schlimmen Lage, in die er — obwohl er preußischer Ministerpräsident ist und trotz seines gestern geäußerten Bedauerns! — wider Willen gedrängt worden war. Aber angesichts der Entstehungsgeschichte de« Reiches und bei der realen und staatsrechtlichen Mackt- vertheilung unter seinen Gliedern ist cS vom reichspolitischcn Slandpuncte nicht erfreulich, wenn Preußen, daS das Reich gebildet hat und seine Vormacht repräscntirt, eS ist, das der Bundeörath auS selbstverschuldeter schwerer Verlegenheit befreien muß. Von ihm gemachte große Fehler sind unmöglich geeignet, Preußen die Autorität zu erhalte«, die eS im Reiche und um deS Reiche« willen bewahren müßte. Diese BerbindungSverbotSangelrgenbeit stellt aber einen Knäuel von Fehler« vor. Zuerst, vor fünf Jahren, kam der damalige Minister v. Köller aus den Gedanken oder wurde er zu dem Gedanken geführt, die socialdemokratische Organisation wegen Uebertretung deS Z 8 des preußischen Vereins- gesetzeS, der die Verbindung mehrerer Vereine untersagt, zu verfolgen. Lange Untersuchung, langer Prcceß durch die drei Instanzen hindurch und al« Schlußergebniß bi« Freisprechung aller Angeklagten, also ein Triumph für die Socialdemokratie, der nur wenig durch die Thatsache abgeschwächt wurde, daß auch gegen die nationalliberale und die konservative Partei wegen der vermulheten gleichen Uebertretung vorgegangen worden waren; hier ergaben schon die Vorerhebungen den Irrthum der Organe des Herrn von Köller. WaS zu Tage getreten war, was man aber in interessirten Kreisen schon längst gewußt hatte, war die Gewißheit, daß dieses Verbindungsverbot nur die bürgerlichen Par teien schädigte, da die Socialdemokratie kraft eine« in diesem Umfange nur ihr möglichen mündlichen Verkehrs die förmliche Verbindung der Vereine ausreichend zu ersetzen wußte. Dennoch tonnte man sich in Preußen nicht nur nicht zu einer Beseitigung des Gesetzes entschließen, man kam, nach dem Fürst Hohenlohe die bekannte „Zuversicht" geäußert und nachdem fast alle Bundesstaaten, die daS Verbot hatten, die „Erwartung" des Reichskanzlers gerecht fertigt hatten, mit der erwähnten Belastungsvorlage und tbat sogar eifrig mit, als im Abgeorbnetenbause der Versuch gemacht wurde, auS dem Regierungseutwurf ein reichspolitisch undenkbares Ausnahmegesetz für den alleinigen Gebrauch Preußens herzurichten. Hätte sich das dem Abge ordnetenhause vorgelegte Gesetz aus die Beseitigung des Ber- bindungSverbots beschränkt, so wäre eS angenommen worden. Die Improvisationen der lex Recke und der Zeblitz'schen Anträge zwangen Preußen, sich in denReichstag zu flüchten. Die gestrigenBehauptungen des Abg. Singer, daß dies auS „Furcht vor der Socialdemokratie" geschehen sei, daß diese also einen Sieg davongetragen hätte, sind freilich „Nachrichten", würdig, von der südafrikanischen Filiale des BureauS Reuter verbreitet zu werde». Unrecht hat der Abg. Singer auch darin, daß er den Be schluß desBundesrathS mit derFlottenverhandlung ^Zusammen hang bringt. Wenn er damit eher Gläubige finden sollte, so würde es dem Schlußglied der langen Kette gemachter Fehler zuzuschreiben sein, daS darin bestand, daß man nicht schon dem ersten, gleichfalls auf nationalliberalen Antrag be° schlossenenReichSgesetze betr. Aufhebung des Verbindungsverbotes zustimmte und eS den Reichstag „zweimal sagen" lreß. AuS dem schließlichen Erfolge des wiederholten Beschlusses wird daSCentrum neuen Muth zum Anstürmen auf das Jesuiten- gesetz schöpfen; Herr Bachem schien schon gestern an eine folche „Analogie" zu denken. So bleibt von dem Ausgange der Affäre nichts weiter übrig, als die negative Genugthuung darüber, daß daS Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches ohne bittere Nebengedanken begrüßt werden darf. Wenn die CentrumSfraction des Reichstags zur Flotten frage die Stellung einnimmt, zu der rin Theil der klerikalen Blätter sie drängen will, so wird die Auflösung deS Reichs tag« unvermeidlich werden. „An die Gewehre!" ruft tampfesfreudig die „Kölnische Volkszeitung". Sie will dadurch beweisen, daß sie nicht, wie ihr von einigen Seiten imputirt worden war, Angst vor einer Neichstagsauflösung habe, sondern kühl dazu sagen werde: „Wir's beliebt" Offen bar soll durch derartige Auslassungen die CentrumSpartei gegen die Regierung „scharf gemacht" werden, um e« gelegentlich der Beratyung der Flottenvorlage auf eine Macht probe ankommen zu lassen. Der erste warnende Fingerzeig war die Verweigerung der CommiffionSberathung für die „Zuchthausvorlage", bei der da- Centrum so eifersüchtig darauf hielt, einstimmig zu sein, daß, wie der „Vorwärts" seinerzeit erzählte, „ein nationalliberaler Herr, der sich in die CentrumSreihen verirrt hatte und sich dortselbst zu Gunsten der Eommissionsberatbung erhob, während der Abstimmung von den CentrumSlcuten herauSgehrängt wurde, damit er nicht durch sein Aufstehen ihre Partei in falschen Verdacht brächte." So ernst wurde die Sache genommen, um der Regierung die volle Geschlossenheit der Partei vor Augen zu führen. Jetzt fragt die „Kölnische Volkszeitung", warum sie sich vor der Auflösung deS Reichstag» fürchten sollte, und fährt fort: „Einmal muß es doch zum Krach kommen. Wir glauben, daß es gar nicht schaden kann, wenn di« jetzige schwüle politisch» Atmosphäre einmal durch »in tüchtige» Gewitter g»klärt wird, wir hoffen dann mit Sicherheit auf rrioe Luft. Die Regierung wird nach einer gründlichen Niederlage weit umgäng licher werden . . Die „Kreuzztg." glaubt jedoch vorläufig nur an ein „Tbeater- gewitler" und hält «S für gar nicht unwahrscheinlich, daß Herr Or. Lieber, wenn er bei den bevorstebeuden Ekats- berathuiizen die »»gekündigte Säuberung der „schwarzen Wäsche" vornimmt, euirm Drache" läuberlich auS dem Wege gebt. Nach unierem Dafürhalten hängt die Stellungnahme deS Cenlrums wesentlich von der Haltung der Regierung ob. Zeigt diese bald und unzweideutig, daß sie weder zu Concessionen noch zur Nachgiebigkeit bereit ist, so wird daS Centrum schwerlich die Prob« machen, ob die katholische Wählerschaft kurzsichtig genug ist, den Schutz deS ReicheS und seiner Handelsinteressen lieber dem „festen Thurme de» CentrumS", al« einer starken Flotte anzuvertraven. Die französische Regierung ist überzeugt, daß trotz der Worte Chamberlain'» von einem deutsch-amerikanisch- englischen Bündniß nicht die Rede sein kann. Schon die fast leichtfertige Art, mit der Chamberlain die Ausdrücke „Bündniß, Einvernehmen und Einigung" durcheinander wirst, offenbart, so meint man in Pari», die Fadenscheinigkeit seines diplomatischen Dilettantismus. Aber auch abgesehen davon sei für England der Augenblick noch nicht gekommen, von seinem alten Grundsätze: „Freundschaft mit Allen, Bündniß mit Nie mandem" abzugeben; wenn daher drüben von Bündniß und Bundesgenossen gesprochen werde, so solle man nie vergessen, daß England sich dieser politischen Kosenamen schon lange bedient, um die Nationen zu bezeichnen, die mit ihm durch irgend einen Vcrtrag verbunden sind. Die Portugiesen besaßen in dieser Hinsicht schon vom Halbinselkriege her den mageren Vorzug, der „älteste Bundesgenosse" Englands zu sein; bekanntlich hat daS Lord Salisbury nicht gehindert, ihnen ihre Be sitzungen in Südostafrika abzuknöpfen. Ebenso sind die Franzosen oft von den Engländcn in amtlichen Schriftstücken „our krieucks auck nUies" genannt worben, weil sie beispiels weise den später aufgesazten Handelsvertrag von 1860 mit ihnen abgeschlossen hatten. Die Deutschen würden sich daher, so gebt in Paris weiter die Meinung, nicht allzu weitgehende Schlüsse zu gestatten brauchen, wenn Chamberlain sie auf diese fragwürdige Weis« auSzeichne; die neue Bünduißgenossenschaft halte sich in sehr engen Kreisen. Es braucht nicht erst besonder» darauf hingrwiesrn zu werden, daß die Franzosen sich mit der Interpretation d«r Rede Cbamberlain'S und ihrer Auf fassung in Deutschland im Irrthum befinden. Chamberlain weiß so gut wie wir und wir so gut wie Chamberlain, daß England al» Bundesgenosse un» nicht- bieten kann, resp. nichts bieten mag. Cbamberlain'S Rebe bezweckt auch in erster Linie nicht, uns zu einer Allianz zu bewegen, sondern Miß trauen gegen Deutschland i» Rußland zu erwecken und beide Nachbarn aufeinander zu Hetzen, um dadurch Rußland von seinen antienglischen Actionen abzuhalten. WaS die Vor würfe betrifft,die gegen Delcasss selbst in der französischen Presse geschleudert worden, als habe er sagt man weiter, einem deutsch- französisch-russischen Einvernehmen gegen Eng land beizutret«» abgelehnt, so seien diese Vorwürfe vollständig au- der Luft gigriffe». Indessen, gesetzt, der Vorschlag wäre aufgetaucht, so hätte Frankreich niemals dabei die führende Rolle übernehmen können. In einem Kriege zwischen Eng land und dem Festland« würdeFrank reich denPrÜHcl- jungen spielen; sein Handelsverkehr mit England, großer als der irgend einer andern Macht, ginge dabei in die Brüche; und seine bedeutende ÄUstenausdehnung zöge ihm in erster Linie die Feindseligkeiten der englischen Riesenflotte zu, während Deutschland durch die Unnahbarkeit seiner Häfen (?) und vollends Rußland erst durch seine geographische Lage ihrer mehr oder weniger spotten könne. Frankreich S Leben sinter- essen verböten eSihmdaher, daSOdiumeinerIni- tiative gegen Eng land zu überneh nien. In,Ucbrigen ist sich Frankreich auch obne eine solche Initiative wobl bewußt, wessen eS sich von England zu versehen hat. Tie Rede Delcass^'s enthält darüber einen leider nickt sehr lichtvollen, aber doch sehr zu beherzigenden Wink. Es heißt darin: „Ick glaube, daß wir unsere Hilfsquellen für die an unsere Lebeusinteressen gestellten Anforderungen aussparen müssen." Vielfach bat man darin eine Anspielung auf den Tod de« Kaisers Franz Joseph und die dabei gemuthmaßte Auflösung ter österreichisch-ungarischen Monarchie sehen wollen, auf eine möglicke Entschädigung Frankreichs für den Anbeimfall der Deutsch - Oesterreickcr an daS deutsche Reick. Indessen ist diese Erklärung zu weit hergeholt; sie liegt näher: die Worte weisen auf England hin. Wem dies nicht klar sein sollte, dem bat Chamberlain selbst in seiner Leicesterrete ein L'chr ausgesteckt, als er seine Drohung gegen die Nachbarn Englands aussprach. Delcaffs'S obige Wendung lieferte dazu nur im Vorau- die Antwort: die Lebensinteressen Frankreicks be dingen die Aufsparung seiner Hilfsquellen für den Eintritt eine- Angriffs durch England, wie ihn Chamberlain in einer nicht mißzuverstehenden Sprache angedeutet hat. Der Krieg m Südafrika. —t» Auf dem östlichen wie auf dem westlichen Kriegs schauplätze dürfte in den nächsten Tagen eine Entscheidung sallen. Mafeking und Ladysmith können sich unmöglich noch lange halten. Ueber Ladysmith wurde schon unterm 28. November berichtet, die Bvercn hätten jetzt die schwächsten Puncle der Stadt entdeckt, das Feuer der Belagerungsgeschütze fange an eine verheerende Wirkung zu haben, die täglichen Rationen seien herabgesetzt und eine beträchtliche Anzahl von Leuten sei erkrankt. Weiter wird unS heute gemeldet: * London, 6. Decembrr. Dem „Reuter'scheu Bureau" wird o«S dem Hauptlager von Ladysmith vom 30. November über H Das verkaufte Genie. Ein Sommernachtstraum. Novelle von Anton Freiherrn v. Perfall. Nachdruck v»rd»t<n. Isländer stutzte. „Pardon, mein Herr —, Sie sind doch der Mister Float, der in M.... ein so herrliches Palai» gebaut haben soll —, Float au» Caltsornini?" „Allerdings, der bin ich, und — entschuldigen Sie auch meine Frage — Sie sind doch der berühmte Maler Martin Isländer, dessen Werke ich so doch verehre?" „Martin Jolanver, der bin ich — jawohl", erwiderte der Maler, dem dieser Mensch noch immer ein Räthsel war. „Nun also", fuhr der junge Mann fort, „dann bin ich der Bettler, der um eine klöine, für ihn unendlich werthvolle Gabe bittet au» Ihrem unerschöpflichen Schatz —, um «inen guten Rath." — „Ah, so meinen Sie das?" Isländer lacht«. „Jetzt verstehe ich erst. Ja, da» sagt sich ganz hübsch, besonder» von Ihrem Stand punkte aus, aber näher besehen, nimmt sich da» Alles doch ver dammt ander» au», verdammt ander», Herr Kloot, ich vevfichere Ihnen. Seien Sie sroh, daß Sie nicht» davon wissen von dem erbärmlichen Kleinkram, mit dem sich Unserem» hrrumschlagen muh . . . Doch das wird Sie wenig intereffiren. Gott, ich be klage mich ja auch nicht. Also,, wozu brauchen Sie meinen Rath. Ich denke. Ihnen könnt' es daran nicht fehlen Wollen Tie nicht eintreten?" Isländer führte Mister Float in das Empfangszimmer, von dem au» man einen Blick in das Atelier hatt«. E» war einfach, aber auiaesprochm individuell eingerichtet, ebenso weit entfernt von der übermodernen Koketterie mit dem Bauerntbum, wie von städtischer Stillostgkeit. Zu dreitheiligen gothrschen Erkerfenstern grüßte Re heitere Landschaft herein. Die Selbstironie Isländer'», welcher stet» den Drang fühlte, wa» er besaß, zu verkleinern und zu verböhnen, machte keine Wirkung auf den jungen Mann. Er trat mit einer gewissen An dacht in den Raum und betrachtete Alle» mit einrr gewissen naiven, Isländer unerklärlichen Bewunderung. „Herriich, reizend! Ja, da» ist'» eben, selbst geschaffen! AuS allen Ecken, von allen Wänden spricht Martin Is länder." Er seufzte schwer auf. „Da» ist Ihr Zimmer! Ich hab« kein Zimmer, werde nie eines haben, nein, lachen Sie nur, es wird stets das Zimmer eine» Baumeister» sein, irgend eine» Künstlers, wenn nicht gar eines Tapezirers, eines Möbelsabrikanten. Ja, das ist auch drollig, sehr drollig, und dann wird man von allen Menschen beneidet, für ein Glückskind ausgeschrien." „Und hat nicht einmal ein Zimmer", ergänzte lachend Is länder. Ein sonderbarer Gedanke war ihm gekommen und nahm mit jedem Worte des Jünglings an Stärke zu, ein Gsdanke, der ihm eine gewisse Genugthuung verschafft«. Di«s«r Unglückliche hat ein« fixe Idee; er hält sich wirklich für arm und seinen un ermeßlichen Besitz für werthlos. Daß er in diesem Falle nur einen Leidensgenossin vor sich habe, daran allerdings dachte er nach Art aller Belasteten nicht. Von diesem Augenblicke an gesellte sich zu seiner Sym pathie für dem schönen Jüngling noch ein« Dosis wohligen Mitleids. „O, verspotten Sie mich nur", fuhr der Jüngling fort. „Ein Mann in meinem Alter, der sich nur mit fremden Federn zu schmücken versteht, verdient eS nicht anders." „Aber Sie sind ja vollständig auf dem Holzweg«, entschuldigen schon Mister Floot, das ist ja gerade die herrlichste und dankbarste Kunst, alles Schöne im Leben verständnißvoll auszuwählen, Har monie hineinzubringen in dieses wilde Chaos, ungebunden, frei von dem Handwerk des TageS, von allen beengenden Grenzen, nicht Maler, nicht Dichter, nicht Musiker von Profession, sondern einfach Künstler — LebrnSkünstler! Was ist dagegen all' daS Geschmier, ein trauriges Surrogat, Brodarbeit, weiter nicht». O, treten Sie nur ein, wenn Sie Lust haben", eemunterte er Floot, welcher sehnsüchtige Blicke in da» Atelier warf. „Kommen Sie nur." Er führt« ihn vor daS beinahe vollendet« Bikd auf der Staffelei. „Sehen Sie, da haben Sie gleich ein Beispiel. Mein Be streben ist, in dieser AbenVlandschaft einen musikalischen Reiz zum Ausdruck zu bringen. Seit einem Monat quäle Ich mich damit, eS will mir nicht gelingen. Bald höre ich etwas daraus, bald nichts, bald fürchte ich zu übertreiben, da» Motiv in dem Farbenklang, in der Bewegung der Bäume, de» Waller», de» Schwane», darauf zu stark betonend, bald fürchte ich, völlig unver standen zu bkeiben. Wa» thue ich, wenn ich Mister Floot bin? —> für andere Leut«, die nichts daraus hören, nsich mit der Lein wand quälen? Gewiß nicht. Ich schaffe mir", fuhr Isländer fort, „den Zauber in Wirk lichkeit, in einem Park, an einem See mit schneeweißen Schwänen, hinter den Büschen verborgene Knabenchöre sorgen für di« Musik, jedenfalls viel plastischer, al» ich «s vermag, und ich, der Meister, genieße in aller Ruh«, ohne all' das qualvoll« Ringen, die Wahr heit des hier künstlich Urbertragenen." Floot blickte bald auf das Bild, bald auf d«n Maler, eine heftias Äemüthsbewegung hatte ihn ergriffen. Dieser große Meister, den er über Alles verehrte, den er unzählige Male im Stillen beneidete, war von einem unglücklichen Wahn befallen! Zugleich röchele der Unmuch Wer solchen Frevel seine Wangen. „Und die Wonne des ureigenen Schaffens, di« Wiedergabe Ihres ganzen Wesens, die heilige Begeisterung, die Sie durch dringen muß, den Ruhm, die Anerkennung, Pie Verehrung Tapsender, die Ihnen den reinsten Genuß verdanken, den un vergänglichen Lorbeer, der Ihnen blüht, den achten Sie gering? O, Herr Isländer, das ist nicht schön von Ihnen, daß Sie sich auf diese Weise über mich lustig machen. Wenn ich auch kein Künstler bin von Gottes Gnaden, wie Tie, so liebe ich doch die Kunst über Alles, ja, offen gesagt, ich bin auch nicht mehr ganz Laie darin. Ich male selbst, und wenn ich auch in Ihren Augen der verächtliche Dilettant bin, so bin ich doch so weit eingrdrungen, daß ich dieses hohe, einzige Glück fühle, das mir für immer ver sagt ist, das Glück des Genies, um das ich den albernen Reich- thum, der mich beschwert, freudig hingebcn würde." „Herrlich, herrlich!" rief «ine weibliche Stimme. Der junge Mann wandte sich überrascht, Marie stand er- röthend vor ihm. „O, sprechen Sie! Sprechen Sie! Mein Vater wollte sich nicht lustig machen, gewiß nicht, er meint e» wirklich so. Lesen Sir ihm nur ordentlich den Text. Ich fühle es sa gerade so, das hohe Glück, nur finde ich die schönen Worte nicht, wie Sie. Bater", wandte sie sich jetzt, hochaeröthet vor freudigem Eifer, an diesen: „hörst Du eS? Kannst Du noch etwas erwidern? Siehst Du endlich Dein Unrecht ein, Du Undankbarer?" Isländer fand diese unvermittelte Dazwischenkunft seiner Tochter höchst unpassend. WaS sollte sich der junge Mann davon denken! „Ihre Tochter wohl?" fragte Floot, mit Wohlgefallen da» jung« Mädchen betrachtend, ehe der Maler eine herb« Zurecht weisung von den Lippen brachte. „Eine Ihnen ungewohnte Vorstellung, nicht wahr? Meine Tochter — Mist«r Floot, von dem Du mir soeben vorge lesen." „Bon mir, mein Fräulein? Was kann man von mir wohl schreiben? Daß ich einig« Millionen von meinem Vater geerbt?" „Nun, das ist nicht das Schlimmst«, was man über Jemand schreiben kann", meinte Isländer. „Man schreibt aber noch viel mehr", bemsrkte Marie. „Daß Sie ein kostbares Palais gebaut, daß Sie alle Künste unter stützen, daß Sie im Land« irgendwo ein wunderbares Schloß bauen wollen." „Ja, allerdings, das ist auch mein« Absicht", entgegnete Floot, „deshalb bin ich hier." „Deshalb? Wegen de» Schlosses?" Isländer erschrak, er hatte über dem Gespräche die Hauptfrage vergessen. „Wegen ins Schlosse», zu dem ich mir Ihren Rath erbitte. Was sagen Sie zu dem Stolzenfels da drüben?" Er trat an da- Fenster und zeigte auf die Burgruine gegen über. „Ließe sich daraus nicht ein herrliches Bauwerk machen? Zu haben ist der Platz, ich habe mich bereits erkundigt, möchte aber ohne Ihren Rath nichts unternehmen." Isländer kratzt« sich den Bart. „Hm, da» ist allerdings ein Verhängniß, daß Sie gerade meinen Rath — mir ist nämlich die Ruine da drüben lieber als da» schönste Schloß der Welt — und dann, gerade heraus, eS ist daS so eine Sache; ich gehe eigentlich allen Schlössern und Palästen aus dem Weg«, aber da ich am Ende doch nicht» daran ändern kann, wenn Si« meinen Rath wirklich wollen. WaS soll ich denn eigentlich rathen?" „Alle», Herr Isländer; kein Stein soll gesetzt werden ohne Sie " Isländer fing an, sich zu intereffiren. „Aber dazu haben Str ja, wenn ich mich nicht irre, bereits Ihren Mann bei sich." „Wat nsitzt mir ein Mann, ein Architekt, der Schlösser dem Dutzend nach baut um da» schnöde Geld. Ich will einen Künstler haben, Si« will ich haben. Da» war mein erster Gedanke, al» ich von Ihrer Anwesenheit hier erfuhr. Da können Sie ja frei schaffen, ohn« alle beengende Grenzen, qanz nach Ihren Wünschen, ich werde Ihnen gewiß nicht im Wsge sein. Wollen Sie, w«nn ich Sie darum bitte?" „Allerdings ein sehr verführerische» Angebot, und wenn ick bedenke, daß, wenn ich Rein sage, irgend so «in Stümper die
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