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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991212026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
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Anwesend waren allerdings die Mitglieder de» Vollziehung»- unv Gesey- gebung-rechle in sich vereinigenden »Factor»" sehr zahl reich, zum Unterschiede von den Reichötagsabgeordnetea, Vie, al» ob sie geahnt hätten, daß sie nicht activ werden würden, in einer, wenn man den auf die Tagesordnung ge setzten Gegenstand in Betracht zieht, sehr geringfügig zu nennenden Anzahl erschienen waren. Die Fehlenden haben etwa» versäumt. Es ist noch nie dagewesen, daß zu Beginn einer Debatte ununterbrochen ein Regiernngsmitglied das andere ablöste, um „Erklärungen" abzugeben und die ab gegebenen Erklärungen zu begründen. Sech» Redner (darunter zwei zweimal) von der „andern Seite", da» ist ein bischen viel, unv leider kann man es nicht leugnen, der un erhörte Kraftaufwand erzeugte die Vorstellung des Forcirten, ein Eindruck, der durch die schon erwähnte Nichtdetheiligung bundesstaatlicher Vertreter bedauerlicher Weise nicht abgeschmächt wurde. Im gewohnten Gleise blieb nur Freiherr v. Thiel mann, der — aber gegen den Brauch nicht als erster Redner des Tage» — den Etat erläuterte, ein undankbares Geschäft im Reichstage, der in vielem Stadium den NeichShaushaltsentwurf und publicistische Beurtheilungen dieser Vorlage längst kennt, während in Preußen der Etat nicht zur Vertheilung gelangen darf, bevor der Finanzminister sein Exposü im Abgeordnetenbause be gonnen hat. Gestern war es für den Neichöschatzsekretär be sonders schwer, das HauS zu fesseln, erstens, weil ihm Graf Bülow vorangeeilt, zweitens, weil man wußte, daß vom Für st en Hohenlohe noch etwas außerhalb deS eingebrackten Etats Liegendes „kommen" werde, dritten- unv vierten», weil die bekannte Erklärung deS Ministers v. Miquel und die Nachricht vom Boerenneg an den Stormdergen Stoff zu lebhafter Unter haltung bot. Frbr. v. Tbielmann machte es denn auch kurz. Er charaktrrisirte die Finanzlage al» eine günstige und lenkte bereits, obwohl er diesmal nur EtatSredner war, die Ge danken auf zwei der interessirende Tagesfragen, die Flotte und die Abwehr deS FinanzministerS; er begrüßte den Rückgang der Einnahmen au» den Getreidezöllen als eine erfreuliche, weil durch eine gute Ernte verursachte Thatsacbe. Von unberufener Seite war bekanntlich die Flottensache finanziell hauptsächlich auf eine —unerwünschte landwirtbschaftliche Verhältnisse anzeigende — Steigerung der Zölle auf Brodfrüchre gestellt worven. Ja seiner zweiten, den Schluß der Sitzung bildenden Dar legung wußte Freiherr v. Tbielmann mit Geschick unv Glück den Nachweis zu liefern, daß Mehrausgaben für die Flotte auch ohne jegliche Spekulation auf landwirtbschaftliche Cala- mitäten und mit ruhigem Gewissen in» Auge gefaßt werden können. Als vor Eintritt in die Tagesordnung und vor dem Reichsschatzsekretär, dem, wie gesagt, da» Her kommen an diesem Tage da» erste Wort gönnt, Graf v. Bülow sich erhob, erwartete da» Haus etwa» Anderes al» — Samoa, «ad al» der Redner diese- Thema ange schlagen, etwa» wichtige» Neues, wa» aber in keiner der Mit- »Heilungen ve» StaatSsecretörs gefunven wurde. Dann kam eine zweite, jedoch angenehme Enttäuschung. Hatte e» anfangs den Anschein, al» wollte der Staatssekretär deS Auswärtigen Amte» die Bewunderung de» Hauses wegen deS Ausgange» re» Samoastrrite» berauSsordern und, trivial gesprochen, vor Be ginn dieser schwierigen EiatSLebatle die „Wurst nach der Speckseite" werfen, so wurde man zum Schlüsse eine» Besseren belehrt. Graf v. Bülow will nur die noch nicht für die Ratification reifen Verträge nicht er örtert wissen. Dieser Wunsch wird erfüllt werden, wodurch — vielleicht eine angenehm empsunvene Beigabe — auch die Kritik de» Togo-Abkommens von der ersten EtatSberatbung aus geschlossen wird. Der Erklärung deSFürstenHobenlohewar zu entnehmen, daß die verbündeten Negierungen über die Noth- wendigkeit einer wesentlichen Ei Höhung deS Sollbestandes der Flotte einig sind,daß jedoch Umfang unvArtdervomMarineamt in Aussicht genommenen Verstärkung noch der Zustimmung deS BunveSrathS darren, ferner daß die BeschassungSsrist des gegenwärtigen FwttengesetzeS für die neuen Schiffe nicht in die künftige Vorlage übergeben wird, endlich daß die Schiffs bauten aus Anleihemitteln bestritten werden sollen. Diese Mittbeilungen, die fick in dem wichtigen etatSrecktlichen PunclK mit der ertlen Ankündigung de» FlottenplanS in der „Nordd. Allgem. Zta." nicht decken, konnten leider nicht durch An gabe deS Zeitpunktes, an dem die Novelle zum Flotten gesetze dem Reichstage zugeben werde, vervollständigt werden. Auch Viceadmiral Tirpitz ließ darüber nichts verlauten. Im Uebrigen that der Staatssekretär der Marine einleuchtend dar, daß der Mversvruch zwischen den neuen Forderungen und seinen früberen Erklärungen über die Zulänglichkeit des be stehenden FlottengeseveS nicht auf einem technischen Irrlbum beruhe, sondern notbwendig au» den neueren politischen Welt verhältnissen berauSgewachsen sei. Der Redner folgte bier, wie nicht ander- möglich, den Spuren deS Grafen v. Bülow, der anschaulich die Aenderunz in der Weltlage in den letzten zwei Jahren geschildert und die Verstärkung der deutschen Flotte nicht als Abkehr, sondern als einen neuen Act deS Beharrens auf der deutschen Friedenspolitik überzeugend ge- keunzeicknet hatte. Der Dreibund und die Freundschaft mit Rußland — hierin dem Staatssekretär nicht beizutreten, ist ein Kunststück, auf dessen Executirung durch die Flottengegner wir neugierig sind — entheben Deutschland nicht der Notb- wendigkeit, zur See einigermaßen annähernd gerüstet zu sein. Der Dreibund schützt den deutschen Handel nicht bei Schä digungen desselben durch überseeischeStaaten,er bietet uns keinen maritimen (schütz in einem europäischen Kriege, dafür aber droht er sich zu lockern und droht daS Interesse Rußland» an der deutschen Freundschaft abzuschwächen, wenn das Reich, indem e» seine VertbeidigunzSfäbigkeit gegenüber der ihre Schiffe vermebrenden Mächte zurückaeben, das Vertrauen auf seine Kraft bei den befreundeten Staaten schwinden läßt. Von einer Freundschaft mit England sprach der Leiter des Auswärtigen Amte» nicht. Mit diesem Staat „sind wir fest entschlossen, auf der Basis voller Gegenseitigkeit in Eintracht zu leben". Die Gegenseitigkeit, das ist die Schwierigkeit. Daß der Neid, der politische wie der GesckaftSneid, gerade Deutschland verfolgt, da» wird auch ein Demokrat nur unter großen Anstrengungen dem Grasen v. Bülow bestreiten können. Herr Richter dürfte in Ver legenheit gerathen, wenn man ibn fragt, ob er sich nicht mehr der Zeiten erinnert, wo das Wort deS Grafen v. Bülow, daß nämlich die anderen Völker auf Deutschland sähen, „wie hosfährtize Cavaliere aus den armen Hauslehrer", voll ¬ kommen zutraf. Heute wird man vielleicht hören, wie daS Centrum über die Wiederherstellung »ine» solchen Ver hältnisse» denkt. Die im heutigen Morgenblatte mitgetbeilte Erklärung de» Vicepräsidenlen des preußischen StaalsministeriumS, Finanz ministers vr. v. Miquel, enthält für uns und unsere Leser nichts Neues. Wa» Herr v. Miquel als „erfundene Ver dächtigungen" bezeichnet — daß er sich bei Diner» entschieden gegen die Canalvorlaae geäußert, Herrn v. Zedlitz als den Verfasser der canalgegnerischen Artikel in der „Post" ge kannt, die Floltenfrage mit den Kornzöllen in dem Organe deS Herrn Schweinburg in Verbindung gebracht, einen Separat frieden mit den Conservaiiven zu schließen versucht und sich ter Mitverantwortung für die angeblich von ihm angeregte ZurdispositionSstellung der beamteten canalfeindlichen Ab geordneten zu entziehen getrachtet babe —, haben wir von allem Anfang an mit zureichenden Gründen als Erfindungen zurückgewiesen. Auch baß Herr v. Miquel über Vie Vater schaft der zweischneidigen Beamtenmaßregelung Schweigen beobachtet, war zu erwarten. Die Bedeutung seiner Erklärung liegt auch weniger in ihrem Inhalte, als darin, daß er sie über haupt für nötbig bielt. „Der Umstand," sagen mit Recht die „Berl. N. N.", „daß eine derartige Erklärung deS SlaatS- niinisters überhaupt möglich und nötbig ist, ist ei» so charakteristisches Merkmal für unsere öffentlichen Verhältnisse, baß, wer heute ein Buch über die derzeitige innere Ent wickelung in Preußen und Deutschland schreiben wollte, die obige Erklärung getrost als Motto auf das Titelblatt setzen könnte". Das genannte Blatt fügt dann hinzu: „Da die „Freisinnige Zeitung" Herrn von Kröcher als denjenigen Gewährsmann bezeichnet hat, der seinen politischen Freunden über die Unterhaltung mit dem Herrn Reichskanzler „natürlich" Mittheilung gemacht habe, so dürfte es nunmehr an Herrn von Kröcher sein, über seine „den Schein der Nichtigkeit äußerlich an sich tragende Mittheilungen von discreten Vorgängen inWilhelinshöhe sogar au» einerKronralhssitzung" sich össentlich zu äußern." Herr v. Kröcher, der bekanntlich gesagt haben soll, der Reichskanzler habe Herrn v. Miquel als Veranlasser der Beamtenmaßregelung bezeichnet, wird schon de« greisen Kanzler- halber nicht umhin können, „Farbe zu bekennen". Inzwischen erklärt der konservative Reichstag-abgeordnete v. Loebell, von dem die „Freisinn. Ztg." behauptet batte, er sei mit Herrn Schweinburg im Auftrage Miquel'» in der Redaktion der „Kreuzzeitung" gewesen, um die Eonserva- tiven zu beschwichtigen, in dem letzteren Blatte, daß er niemals mit Schweinburg zusammen in der Redaktion der „Kreuzzeitung" gewesen sei und Schweinbnrg überbaupt bis heute nicht kenne. Er stellt ferner fest, daß er am 27. September allein und nicht auf Wunsch oder Anregung des Ministers v. Miquel in der Redaktion der „Kreuzzeitung" war, um Lic Ueberzrugung auSzudrücken, daß Herr I)r. Miguel fälschlich beschuldigt werde, zur Zuspitzung des Gegensatzes zwischen den Conservativen und der Regierung beigetragen nnd sich insbesondere stark an der Maßregelung brr Beamten betheiligt zu haben. Wann wird Herr v. Kröcher folgen? Ueber die nordafrikanischen Colonien Frankreichs schreibt unS unser ständiger Herr Mitarbeiter aus Tunis vom 28. November: Bor drei Wochen ist der höchstgeslellte fran zösische Beamte in Tunesien, Herr Millet, von einer Rund reise durch daS Mutterland zurückgekehrt. Er hat diese Reise dazu benutzt, um in den, verschiedensten französischen Städten (Reims, ChülonS, Lyon u. s. w.) Vorträge über Tunesien zu halten und dadurch Colonisten in da» Land zu ziehen. Da» Uebergewicht der Italiener bereitet nämlich vorauSschauenden französischen Staatsmännern schwere Sorgen. In Tunesien haben wir 1 500 000 bi- 1 600 000 Eingeborene, daneben 60 000 Israeliten, welche aber nur ganz vereinzelt da» französische Bürgerrecht besitzen und sonst als Unterthanen de» Bey gelten (insbesondere der Besteuerung nach), 40 000 Italiener, 10 000 Malteser, 2000 sonstige Europäer, darunter nur 50 Deutsche, diesen allen gegenüber aber blo» 16 000 Franzosen, so daß also nur ein Franzose aus 100 sonstige Einwohner kommt. Diese» Verhältniß ver schlechtert sich noch, wenn man in Betracht zieht, daß der größere Theil dieser 16 000 Franzosen Beamte sind und nur ein kleiner Theil wirkliche seßhafte Colonisten. Allerdings befinden sich 46 000 ba der Bodenoberfläche in fran zösischen Händen, aber in denen von blo» 943 Eiaen- tbümern, die Hälfte etwa in denen einer Gesell schaft. Die meisten dieser Großgrundbesitzer halten sich nur vorübergehend auf ihren Gütern auf, französisch ist daselbst meist nur ein Verwalter und einige Aufseher; die eigentlichen Landbebauer sind Sicilianer in ihren Diensten. Man kann nur 3000 Franzosen rechnen, die ihren eigenen Grund und Boden bebauen. Dafür aber dauert der Zufluß der im Lande bleibenden, sich schließlich selbstständig machenden sicilianischen Arbeiter fort. Die 40 000 üs, welche Italiener besitzen, vertbeilen sich unter 406 Eigen- thümern. Bei der hohen Geburtsziffer der Italiener unter nordafrikanischem Klima (bis 47 auf 1000) wird die Zahl der Italiener binnen 10 Jahren über 100000 betragen, und es ist nach Lage der Dinge für Tunesien die Bildung einer neufranzösischen Bevölkerungsschicht wie in Algerien ausgeschlossen. Kommt e- einmal zu einem Kriege zwischen Frankreich und Italien, so ist da» Ueber gewicht de» italienischen Element- über da» fran zösische für Frankreich ebenso fatal, wie gegenwärtig bas Uebergewicht des Boeren-Element» in der Capcoloni» für England. Der Krieg in Südafrika. —e Wie zu erwarten war, wirkt die Kunde von der Riederlaie Gataere », der übrigen» nach einer amtlichen Depesche au- Pretoria bei Stormberg Ü7L an Gefangenen Verlar, während die Zahl seiner Torten und Verwundeten unbekannt ist, in England höchst deprimirend, zumal da der Rückzug Gatacre'» einer Flucht verzweifelt ähnlich sah. Der „Standard" sagt fast mit unseren eigenen Worten: Gatacre'- Niederlage wird der wachsenden Insurrektion neuen Brennstoff zu führen, die Kunde der Katastrophe wird wie ein Feuerbrand durch die Colonie lausen. Hier haben wir wieder einen Aufschub jenes schnellen siegreichen Vormarsches auf die Hauptstädte der Boeren, von der Sanguiniker bereit» im October sprachen. Das Blatt fordert dann Buller auf, durch eiur» zer malmenden Schlag am Tugela-Flusse da- britische Prestige wiederherzustellen. — Die „Time-" schreiben, e» wäre tlndisch, denErnst der Niederlage zu unterschätzen; sie sei eine Wiederholung de» Unglück» von Nicyolson« Nek. Die politischen Consequenzrn würde» nur zu wahrscheinlich eine ernste und sofortige Wirkung auf die mili- H Das verkaufte Genie. Ein Sommernachtstraum. Novelle von Anton Freiherrn v. Verfall. Nachkrua vkiboteil. Al- dann Float aufstand und eine wirkliche Gusla brachte, die er, wie die Einrichtung des ganzen Gemachs, dem Freunde zu Liebe erworben, 'da nahm dieser seine Lieblingsharfe, griff selbst in ihre Saiten und «spielte die seltsamen, tief ergreifenden Wessen. Mit d«n weißen, gobsugten Haupte, dem über di« Saiten fluthenden Barte glich er einem alten Barden, der Erinnerungen weckt aus fernen Larüen, die keines Menschen Fuß betreten. Der Tod der geliebten Rukmini machte dem Traum ein jähe- Ende. Die Ehe war kinderlos geblieben. Er war wieder der verhaßt« Fremde, 'für den kein Raum rm Lande. Dazu kam oie Sehnsucht nach Eivikisation, nach Menschen seinesgleichen. Er floh auS dem Land« uNd begab sich nach Amerika, sich dort eine neu« Existenz zu gründen. Sein Weg führte ihn nach Lali- fornien. Dort lernte er Mac Floot, den Bonangakönig, kennen, «den Dater Henry'», der, als gdlddurstigri Abenteurer in da» LaNd gekommen, jetzt der Besitzer von Millionen war. Ein Ehrenmann, welcher, in der Erkenntniß ferner mangelnden Bildung, von dem Wunsche beseelt, da» Versäumte nachzuholen und auch seinen inneren Menschen zu bereichern, den vielerstchrenen Arzt rasch sich zum Freunde zu machen wußt«. Auf sein Anrathen wurde der einzig« Sohn Henry zum Studium nach Deutschland geschickt. Und al» der Bader kurz daraus stavb, vertraut« er ihm noch auf dem Lckdtettbett« seinen Liebling an. Eigene» schwere» Leid ver hinderte den Arzt, «sofort seiner Pflicht nachukommen, außerdem ber^igten ihn die kunstbegeisterten Briefe Henry'» vollkommen. Er glaubte darin die edelste Wessir»richtung zu erkennen, die ein Abglriten de» Jüngling» nicht fürchten ließ. Um so leb hafter beunruhigt« ihn bie Lorrospondenz d«» letzt«» Jahve», die Unzufriedenheit, di« daran» sprach, di« seltsamen Wünsch« und Hoffnungen, di« krankhaften Gelbfian-lagen und Verkleinerung«», die Nachricht von einom phantastischen Schloßbau, die Schilderung de» freundschaftlichen Verhältnisse» zu Jolander, dessen Einfluß ihm bedenkkich schien. So eilte er nach Deutschland, seine Pflicht zu erfüllen, zu retten, zu helfen. Da» Alle» brachte «r natürlich, ohne lebe Uebertreibung, trotz d«r bunten Farben mancher Bilder, so selbstverständlich uNd so überlegen in der ganzen Wiedergabe, daß er selbst zuletzt mit den sehr persönlichen Bemerkungen über den Grund seines Kommens keinen seiner beiden Zuhörer nur im Geringsten verletzte. Er be handelte sie ohne Scheu, ohne Rückhalt als seine Kranken, benutzte geschickt das Prestige des Arztes, Wahrheiten zu sagen, und die Gernüthsverfaffung des LeideNoen, welchen die unsanfte Be rührung seiner Wunde durch den Finger des Arztes weniger schmerzt als die vorsichtigste des Laien. Jolander mußt« über sein« Albernheit lachen, in diesom Manne durchaus etwas Geheimnißvolles sehen zu wollen. Nur dios« fixe Idee war an der sonderbaren Sinnestäuschung bei seinem Eintritte schuld, an der ihn beängstigenden Wirkung der ganzen Erscheinung des Mannes, seines Blickes. Jetzt saß er so harmlos ihm gegenüber, und es hörte sich ihm so angenehm zu. Wi« er nur vorhin auf die verrückt« Idee kam mit dem Genie- haüdel! Zum Glück dachte er selbst nicht mehr an den Unsinn. Me Reihe kam nun an Floot, zu erzählen, wie «S ihm di« Zeit über gegangen. Er war ansang» zurückhaltend, verschämt, aber Hutchinson verstand es bewundernswerth, all« Kammern seine- Herzens zu öffnen. Ein Wort genügt« oft, ein Blick, den Zögernden, Stockenden weiter zu locken. All sein ungestillte» Sehnen nach künstlerischer Bethätigung, sein dahinter lauernder, glühender Ehrgeiz, alle Vie Ent täuschungen, die ihm der Reichthum bereitet, in dem anfangs auch er, aks sein Vater gestorben, die höchste Macht, die Be friedigung aller seiner Wünsche erblickte, quollen in seiner ge- wckhnten leidenschaftlichen Weise herau». Der Reichthum war da» Haffeniwrrthe, der Reif, der sich auf alle» Edle und Große legt, der nicht nur den Besitzer blendet, sondern auch den Neid der Be wunderer weckt, so daß dieser die größeren Vorzüge, die größten Veranlagungen vor seinem plumpen Schimmer nicht mehr erkennt. Dem Reichen wird es gar nicht erlaubt, ein Geni« zu sein. Und was tauscht er dafür ein? Freiheit? Selbstständigkeit? Die Freiheit, sich körperlich und geistig völlig zu ruiniren. Die Selbstständigkeit eine» Verlassenen, den kein Bard m«hr an seine Gestnnungrgenossen knüssst, dafür aber tausend Ketten an ein« Gesellschaft, die «r verachtet, über di« er sich unter Umständen er haben dünkt. Besitzen kann man nur, wa» man geschaffen! Nur der schöpferische Geniu» besitzt und wenn er dabei seinen Hunger nicht stillen kann. Roch nie hatte d»r Reichthum einen so haßerfüllten Gegner, wie Floot e» war. Und Hutchinson reizt« ihn immer mehr durch Widerspruch, während er zur rechten Zeit Jolander fest in» Lug« faßt« und ihn förmlich durch seinen Blick hiaüberzog in den Gedankengang de» Freunde». Den Maler verdroß dieses Ausholen Floot's. Mr sollt« er nur kommen, dachte er, da kann er lange warten, bis ich ihm mein Inneres so bloßlege! Hutchinson schenkte den Champagner ein. Er schien selbst ein scharfer Trinker zu sein und stieß immer von Neuem an. Jolander nahm sich wohl in Acht, ein Glas zu viel zu trinken. „Bei dieser Gesinnungsart", begann der Doctor dann, als Floot ausgesprochen, nach längerem Schweigen, „kann ich mir lebhaft vorstellen, welchen tiefen Eindruck das Schaffen Deines Freundes, Herrn Jolandrr, auf Dich gemocht hat. Darin liegt freilich ein großes Glück, sich eine ganz intime Welt aufzubauen, die man allein bewohnt." Jolander lachte spöttisch und leerte daS Seciglas. „Eine Welt, völlig verschlossen gegen außen", fuhr der Arzt fort, mit einem Blick auf Jolander. „Völlig verschlossen!" Der Maler nickt« verdrossen mit dem Kopfe. „So! Und dabei müssen Sie dem Nächstbesten, der mit seinem Geldbeutel rasselt — o, das ginge ja noch — aber das andere Volk, dieses Federvieh, alles was Ihren Namen hinauSbrüllen muß in alle Welt, wenn Sir etwas werven wollen. Seichtes Pack, das nur dem Blendenden nachläuft, mit dem was zu machen ist, das keinen Begriff hat von der intimen Welt, von der Sie sprechen. Alle Thorr müssen Sie ihnen öffnen. Da giebt e» keine Stell«, die sie nicht mit ihren plumpen Füßen zertreten, kein heimliches Plätzchen, wohin nicht die kreischenden Marktstirmnen er schallen, und mitten in dieser intimen Welt sollen Sie arbeiten, r«inen Herzens, unbekümmert um das Gepolter um Sie herum arbeiten — und dann —" Jolander faßte sich wieder. Da hatte er ihn ja schon so weit gehabt, aber er mag nicht, was versteht er denn auch davon. „Fort damit! Auf Ihr Wohl, Herr Doctor!" Er erhob -da» Kelchglas. „Fort damit! Sie haben Recht. Was sollen Sie sich die Laune verderben. Im Allgemeinen haben Sie ja Recht, ganz Recht. Man macht überhaupt viel zu viel Wesen» aus der Kunst. Meiner Ansicht nach ist da» immer da» Zeichen einer decadenten Zeit. Sie können da» zu allen Zeiten, bei allen Völkern beob achten. Der höchsten Kunstepoche folgt aus dem Fuße der Ver fall, ja überrascht sie gewöhnlich noch in Vollreife« Blllthe, so rasch geht dn». Die Kunst ist der Abend, auch er wirkt verklärend, vrrsöhn«nb auf alle Gegensätze, aber unwiederbringlich folgt ihm die Nacht." Da kam er gut an. Jolander einigte fich jetzt mit Floot gegen ihn zu einer lebhaften Debatte. Er aber sah mit stoischer Ruhr, die Harlo in den Weißbart vergraben, dem Branbe zu, den er angefacht. Die beiden Freunde fanden sich wieder auf gemeinsamem Boden, unv die Ruhe des Gegners schmolz sie förmlich zusammen im Feuer der Begeisterung. Man versöhnte sich — begann wieder den anregenden Kampf, den die Geister des Weines immer mehr verwirrten. Hutchinson brachte plötzlich, irgendwo anknüpfend, von Neuem die Sprache auf den spaßhaften Geniehandel. Er erzählte ein interessantes Beispiel eines derartigen Vorganges im Thal« von Goltonoa. Fakire, Beschwörungsformeln, Zaubertränke aus indischem Hanf uwd sinnverwirrende Tänze im Fackelscheine unter den Baumriesen des Urwaldes spielten darin ihre Rolle. Dann und wann, wie zur Begleitung, fuhr er mit den Fingern durch die Gusla, daß ein seltsames Brausen von ihr ausging. Und immer Neue-, Wunderbares, Mystische» mischte er wie betäubenden Wein in da» Gespräch. Dann schilderte er in lebhaften Tönen, wie er sich Jolander denke als Millionär, umgekehrt Floot al» Künstler. E» war kein Halt mehr, immer sinnverwirrender mischte er Schein und Wirklichkeit. Seine Per sönlichkeit schien sich immer mehr zu entfalten, den ganzen schwülen Raum zu eöfiillen, und dabei zwangen Einen diese furchtbaren Augen, zuzuhören. Alles darüber zu vergessen, daß die Nacht schon weit vorgerückt fein mußte, daß der Wein im Hirn zu rumoren begann. Wieder schien es Jolanoer, als sei der Doctor durchsichtig wie Glas oder gar, als sei der Sessel oft minutenlang leer vor ihm, dann tauchte wieder plötzlich das weiße Haupt plastischer als je vor ihm auf. Zuletzt hört« er nur m«hr sein« metallene, ein schläfernde Stimme, sah er nur mehr die unnatürlich großen, mahnenden Augen, di« fich zuletzt wie Feuerräder drehten. „Also Sie find bereit zu dem Handel?" begann plötzlich die Stimme, ckhne daß er fich mehr ekinnern konnte, in welcher Ver bindung. „Ihr Geni« mit all' seiner Lust und Quai geht um ein« baare Million an Mister Float über. Bor zehn Jahren darf unter keiner Bedingung der Handel rückgängig gemacht werden, und dann nur bei beiderseitiger Zustimmung. Floot nimmt in di-ffem Falle sein« Million zurück, Jolander sein Geni«. Tie wollen Beide?" Tolle» Gelächter, al» ob e» Tausend« mit ihnen autstießen. „Ja, wir wollen Beide." „Hier liegt der Lontract. Gehen Tie ihn?" „Ja, wir sehen ihn." „Ditte, unterfchrriben Sie —"
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