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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991215021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899121502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899121502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-15
- Monat1899-12
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Filialen: ktto Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), UuiversitätSstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Kathariuenstr. 14 Part, und Königsplatz 7. LrLactiou und LrveLitio«: AohauntSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. VezugS-PreiS 1» der Hanptexpedition oder den im Ltedt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährliche4.50, oei zweimaliger täglicher Zustellung in» Han» e SchO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrliährlich e S.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung in» Ausland: monatlich e 7.50. Abend-Ausgabe. MpMr TaMalt Anzeiger. Ämtovkatt des königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. «38. Freitag den 15. December 1899. Aazeigen'Prei- die Sgespaltme Petitzeile 2V Pfg. Reklame» unter demRedactionsstrich (4g«» spalten) 50 vor den Familiennochrichtea (6 gespalten) 40^. Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Zifferusa- uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. Ilnnahmeschlnk für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreisen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. BundeSrathSmitglieder zu erklären, daß bei der Vor bereitung de» neuen Flottenplanes vollkommen correct verfahren worden ist. Der BundeSralb werde bei der Entscheidung über die Vorlage selbstverständlich die technische und finanzielle Seite der Säte sorgfältig prüfen, doch habe er sich bereits principiell dahin schlüssig gemacht, daß eine Vermehrung der Flotte unbedingt notbwendig sei. Da sich von dieser Nothwendigkeit auch die Mehrheit des Hauses überzeugt gezeigt bat, so könnte man als Sckluß- ergebniß der viertägigen Debatte die Wahrscheinlichkeit be zeichnen, daß auch über die erwartete Vorlage eine Ver ständigung werde erzielt werden, wenn nicht, wie schon oben gesagt, das Centrum seine Vorbehalte gemacht hätte. Aller dings sind diese so dreister Art, daß mau wohl kaum zu be fürchten braucht, der Kaiser werde sich fügen. Und vielleicht machen die Herren CentrumSabgeordneteu daheim die Er fahrung, daß ein namhafter Tbeil der katholischen Wähler patriotisch ohne Vorbehalt ist und bei Neuwahlen die Miquel- stürzler im Stiche lassen würde. Wir haben letzthin unser Bedauern darüber ausgesprochen, daß innerhalb der Freisinnigen Vereinigung gerade Professor Hänel der Flottcnvcrmchrung ablehnend gegenüberstebe, obwohl er Vertreter einer Stadt ist, die der Marine ihren Aufschwung verdankt, und obwohl er ferner lediglich der opferwilligen Unterstützung durch die rechtsstehenden Parteien sein Mandat verdankt. DaS „Berl. Tageblatt" bemüht sich nun, darzutkun, daß Professor Hänel keineswegs als Gegner der Flottenvermehrung auzuseben sei, und als Beweis dafür führt eS an: „Außerdem ist ja allgemein bekannt, daß Hänel für das Flottengesetz gestimmt bat." Dies wäre nur dann allgemein „bekannt", wenn alle Redaktionen eS an Unwissenheit mit dem „Berliner Tagcblatte" aufnebmen könnten. DaS Flottengcsetz wurde bekanntlich im Frühjahr l898 votirt, und zwar von denjenigen Mit gliedern des Reichstags, die bereits im Jahre 1893 bezw. bei Nachwahlen in den Reichstag gewählt worden waren. Herr Hänel aber bat in der Legislaturperiode von 1893 bis 1898 dem Reichstage nickt angcbört. Herr Hänel ist erst wieder infolge der Stichwahl vom 24. Juni 1898 in den Reichstag gewählt worden, er konnte mithin nicht für ein Gesetz voliren, das bereits ein Vierteljahr vorder zur An nahme gelangt war. Im klebrigen würde eS uns gewiß freuen, wenn Herr Hänel sich der flotteufreundlichen Haltung der Mehrheit seiner Parteigenossen an'ckließen wollte: aus seinem Verhalten bei der Bcralbung der Führer seiner Partei konnte man einstweilen diese Hoffnung noch nicht entnehmen. Zu dem deutschen Vahnbau in Kleinasien läßt sich die „Köln. Ztg." auS Petersburg schreiben: So rubig und ge lassen die leitenden Stellen in Rußland die Kunde von deutschen Erf- lgen in West- oder Ostasien hinnehmen, so sehr lärmen Diejenigen, die hier noch nicht zu den politischen Faktoren gebören, unsere College» von der russischen Presse. Der Grundton ihrer Stimmung ist daS mißmutbige Unbehagen darüber, daß dem deutscken Michel mühelos die Wege sich zu öffnen scheinen, die Rußland sich vergebens mit bunderttaufenv Soldaten zu bahnen geiucht. Dem gegenüber wird sodann be merkt: Die Welt ist groß und eS ist sicher, daß andereStellen der Erdkugel sich ebenso gut für eine friedliche Tbätigkeit de- UeberschusseS unserer Millionenstaaten eignen. Deutschland bat der Versuchung widerstanden, den fruchtbaren Tkätig- keitSdranz seiner Michel nach einem Lande zu leiten, daS ein Blick in die Zukunft russischer Arbeit unwiderleglich anweist: Persien nämlich. Wer sucht, sinket, und der russische Nach bar ist auch kein Waisenknabe, weder im Suchen, noch im Finden. Es ist wohl an der Zeit, angesichts des neuen Jahr hunderts einander nicht mehr um solche Errungenschaften zu beneiden, die doch schließlich weniger dem politischen Einfluß, als der Tüchtigkeit menschlicher Arbeit entsprossen sind. Auch dieser Ton klingt Wohl hier und da durch die russische Presse. Er wird durch eine zweckmäßigere Stimmung geboren als die des Neides «nd der Gespensterseherei, er entstammt der Stimmung der Nothwendigkeit friedlichen Wettbewerbs, deS NachahmenS deS Uebertreffens, und wenn Rußland uuomebr Anstalten mackt, sich wirt hsckastlich PersienS zu ver sichern, so ist daS dieser guten positiven Kraft zu verdanken; der Neid bleibt negativ und schafft nie etwas. Oer Krieg in Südafrika. -s- Während gestern in Berlin das Gerücht verbreitet war, Ladysmith habe capitulirt, tauchte in London die Kunde auf, die Stadt sei von General Buller entsetzt. Im KriegSamt wußte man nichts davon und heute wird uns ebenfalls gemeldet: G * * London, 1s. December, früh. (Telegramm.) Bis Mitternacht lag dem Kriegsamte keine Be stätigung der Nachricht vom Entsätze Lady smiths vor. Wäre etwas an der Sache, so würde daS KriegSamt keinen Augenblick zögern, die frohe Botschaft zu verkünden, um die auf den Tiefpunkt gesunkene Zuversicht der öffent lichen Meinung wieder emporzuheben. Da Ladysmith noch von den Boeren eingeschlossen ist — andernfalls müßte doch ein schwerer EntsckeidungSkampf südlich vom Tugela vorauf gegangen sein — so begnügt die englische Preße sich Wohl oder übel mit dem Gerücht seines Entsätze-, da- ja wenigstens insofern seine Schuldigkeit thut, als eS die ebenso betrübten, wie gegen die KriegSteitunz erbitterten Geister von den letzten furchtbaren Niederlagen ablenkt und anderweit beschäftigt. Diesem Zwecke bient auch die Publikation der folgenden zwei „SiegeS"-Bulletins, die offenbar wieder aus einer Mücke einen Stephanien machen: * Loudon, 15. December. (Tel.) Die Abendblätter veröffentlichen eine Depesche aus Wernen vom Dienstag Nachmittag, die besagt, die Garnison von Ladysmith habe einen neuen glänzenden Ausfall gemacht und eine über den Modderspruit führende Brücke zerstört, was die Boeren in große Verlegenheit ver setzen werde. * London, 15. December. (Tel.) Eine Depesche deS Generals French vom 13. d. M. besagt: Frühmorgens wurden drei Abtheilungen deS Feindes in Stärke von 1800 Mann bemerkt, die ihre Stellung verließen und auf Naauwpoort vorzurücken schienen. Die Eng länder fchoben eine starke Abtheilung Cavallerie und Artillerie vor. Die beiden Geschütze der Bocren wurden schnell zum Schweigen ge- bracht, und die Cavallerie warf die Boeren zurück, die meistens ihre frühere Stellung wieder einnahmen. Nachmittag besetzten Hie Boeren Kadlefontein, zogen sich aber, als sie von zwei britischen Geschützen beschossen wurden, mit einem Verluste von 40 Tobten und Verwundeten zurück. Auf englischer Seite ist ein Manu todt, ein Officier und 8 Mann sind verwundet. Nach Analogie der beiden voraufgegangenen Ausfälle auS Ladysmith bars man wohl auch den dritten in die Kategorie der — Münchbauseniaden einreiben. Wie man da« „Zum Schweigen bringen" der boeriscken Geschütze und den Rückzug boerischer Detachements zu beurtbeilen hat, weiß man ja. So wird eS sich auch bei Naauwpoort um einen taktischen Sckachzug handeln, dessen Scklußeffect de» Engländern wahrscheinlich theuer zu sieben gekommen ist. Den Verlust angaben der Depesche des Generals French ist, zumal da sie die Censur in London passiren wußten, natürlich nicht zu trauen, leicht wird da aus einer 4 eine 40 auf der einen, eine 1 aus einer 10 auf der andern Seite. Zum Präludium des großen siegreichen Schlage» der Engländer in Natal gehört auch die folgende Nachricht: * Lourcneo MnrqueS, 14. December. („Reuter'S Bureau.") Winston Churchill, der Correspondent der „Morning Post", der von den Boeren in einem Gefechte mit einem Paazerzuge nahe bei Colenso um die Mitte des November grsa»gen Unommen wurde, ist aus der Gefangenschaft entkommen. Nun ist Albion gerettet! — Wie sehr die öffentliche Meinung in England alterirt ist und wie sehr es ihrer Be ruhigung bedarf, zeigt folgende Meldung: * dort, 14. December. DerHerzog von Devonshire hielt hier heute eine Rede, in welcher er sagte: Wenn man auch bisher keinen großen Erfolg der blritischen Waffen feststellea könne (es giebt überhaupt noch keinen. Tie Red), so beglückwünsche er doch da- Land zu der während dieser Zeit übergroßer Aufregung bewiesenen Ruhe und zu der bekundeten Entschlossenheit, den Kampf bi» zur Erreichung eines besriedigenden Abschlüsse» fortzu- führen. Trotz der Verschiedenheit der politischen Ansichten sprächen die englischen Staatsmänner dieselbe Sprache, indem sie daS Land beichwörcn, die Regierung zu unterstützen. Die Regierung wisse wohl, daß man, wenn der Krieg sich über die Grenzen der Geduld des Landes hinaus verlängere, die Kriegführung und In jedem Falle die Geschätzt»- füHRSVg, klpPurck-Etiege geführt habe, kritisiren werde. Aber er (Redner hoffe,- daß die Kritid auf da» Vorgehen der Regierung sich desHrliinkNl'Äd 'pkcht auf Vie Hchch- langen der Generale und der anderkn 'kWci^«^sje^,,«PLkj»-ÄnxÄ werde. Nichts sei nothwendiger sür den Geisd-HA^W^N Heeres, als Vertrauen zu den Führern. Redner ? den tapseren Männern, die die Truppen unter schwierigen und gefährlichen Umständen geführt hätten, seine Anerkennung aus. Zur Politik übergehend, betonte der Herzog, die Rechtfertigung sür den Krieg sei nicht von Siegen abhängig, und äußerte fick lobend über die von den selbstständigen Colonien gewährte Hilfe, die nicht nur ein Beweis für die Einigkeit de» britischen Reiches sei, sondern auch ganz besonders dartbue, daß die Colonien von der Gerechtigkeit der Sache Englands über zeugt seien, während in den ausländischen Blätter» fast einstimmig die Ansicht zum Ausdrucke gelange, daß England im Unrechte fki, eine Ansicht, der keine allzu große Bedeutung beigelegt werden dürfe. Die aus ländische Presse habe keinen großen Einfluß auf die Politik ihrer Regierungen. Während die Presse fast aller Länder England verurtheile, beobachteten alle fremden Regierungen eine durchaus correete Haltung. Eng land dürfe von diesen Regierungen Billigung »icht er Polilische Tagesschau. * Leipzig, 15. December. Der Reichstag ist gestern nach einer langen Sitzung in die WeihnachlSserien gegangen, aber die WeibnachtSfreude, Gewißheit über das Schicksal der in AuSsickt stehenden Flottenvorlage zu schaffen, bat er den Millionen im Reiche, die nickt ohne Sorge die Folgen einer etwaigen Ab lehnung inS Auge fassen, nickt bereitet. DaS liegt nicht daran, daß der Gesetzentwurf noch nicht vorliegt; von seinen Grundzügen ist so viel bekannt, daß man recht wokl über die principielle Stellung deö Hauses zu der großen nationalen Frage Klarheit batte gewinnen können, wenn da« Centrum eS zu einer solchen hätte kommen lassen wollen. So viel konnte man den AnSlassungen des Herrn Or. Lieber allerdings entnebmen, daß die „regierende" Fraktion mit fick reden lassen will, aber er ließ auck, obgleich er mit Entrüstung gegen die Behauptung proleslirte, das Centrum wolle auch bei dieser Gelegenheit ein Handelsgesckäst macken, erkennen, daß diese Fraktion nur unter Be dingungen zu haben sein wird. Und zwar ist zweifel los die Hauptbetingung die, daß der Vicepräsident des preußischen Staatsministeriums, Finan;minister vr.Miquel, vom Platze weickt. Warum daS Ccntrum gerade diesen Minister mit unversöhnlichem Hasse verfolgt, ist nock nickt ganz klar, denn fast Alles, waS Herr I)r. Lieber dem Gebähten vorgestern vorwarf, ist von diesem widerlegt worden. Es ist aber auch ziemlich gleickgiltig, auS welchen Gründen daS Centrum seine frühere Stellung zu Herrn v. Miquel geändert hat, die Hauptsache ist, daß die Fraktion sich mächtig genug fühlt, für seine „patriotische" Haltung in der Flottenfrage vom Kaiser und König von Preußen die Entlassung eine- Ministers zu fordern, der sich um Preußen und daS Reich Hohe Ver dienste erworben bat und dem selbst das Centrum nichts vorwirft, als daß er sich bei diesem mißliebig gemacht habe. Dieser Tbatsache gegenüber ist alle« Andere, was die vier tägige Elatsdcbatte gebracht bat, nebensäcklick. Am wenigsten erfuhr man gestern etwa» Neues. Daß die Conscrvativen trotz ihres Grolles gegen den Reichskanzler, nickt soweit gehen, seine Entfernung als Bedingung ihrer Zustimmung zur Flottenverstärkung aufzustellen, bewies die Rede deS Grafen Klinkowstroem. Mit dem Centrum in Minister- stürzerei zu concurriren, scheinen nur die Führer deS Bunde» derLandwirthe zu beabsichtigen, in deren Namen der Abg. Or.Rösicke gestern dem Reichekanzlcrden Krieg erklärte. Die Herren Führer werden aber jedenfalls nur einen Tbeil deS Bundes im Gefolge baden, wie das Bundesmitglied Graf Ariola bestätigte. Daß Herr Rickert im Namen der großen Mebrzabl der Freisinnigen Vereinigung für die Floltenverstärkung eintreten würde, war ebenso vorauszusehen, wie die ähnlich lautende Erklärung de» Antisemiten Liebermann von Sonnenberg und die ablebnende Haltung deS Welfen von Hodenberg. Selbst verständlich wie daS unbedingte „Nein" deS Diktators der Freisinnigen Volkspartei war e», daß er über diktatorisches Regiment eiferte und stundenlang alle die Witzeleien und Bosheiten und groben Uebcrtreibungen wiederholte, welche die Leser der „Freis. Ztg." längst auswendig wissen. Eine erfreuliche Folge hatte Herrn Rickter'S Rede aber dock, indem sie durch den Versuch, den Parti- culariSmuS der Bundesregierungen gegen die Flottenverstärkunz mobil zu macken, den Vertreter Bayern-, den Grafen Lercheufeld, veranlaßte, zugleich im Namen anderer Ferrrlletsir. ij Eine Nordlandgeschichte. Don v. Paul Kaiser. (Nachdruck verboten.) Der Norden hatte sein Hochzeitskleid an. Es war Hoch sommer. Die Sonne goß über die Triften und Gewässer, die Berge und die Thäler ihren allerwonnigsten Schimmer Tag und Nacht. Denn jetzt ging sie nicht ganz unter. Es schien auch ihr zu gefallen in dieser zauberhaften nordischen Sommerwelt. Frei lich brachte sie erst diesen Zauber hinein; es war ihr Werk, auf da» sie schaute. Welche Stille in diesen Regionen herrschte! Hier scheint's immer wie an einem heiligen Feiertagsmorgen. Für den, welcher das Gewühl einer großen Stadt gewöhnt ist, ein« beglückende Stille. Nennt ihr, ihr nordischen Freunde, darum euer Land in den Liedern ein erhabenes, ein heiliges? Es scheint, als dürftet ihr es. Wenn nur nicht doch der Mensch auch in diese abgeschiedene Welt noch seine Leidenschaft trüge! Mir war's an dem Tage, als stünde ich in einer ganz anderen Welt. Hier lag die Natur wie eine große, stille Schläferin und schien süß und wonnig zu träumen. Nur eine Amselart, dort „Talltrast" genannt, ließ sein« abgebrochenen, weichen Flöten tone auS melodischer Brust ertönen. ES war wie ein Schlummer lied. Auch die Hochgebirgsseen lagen in völliger Rich« da. Keine Well« kräuselte jetzt dieses klare Gewässer. Ein Boot, das an den Strand gezogen war, deutete an, daß Menschen hier zu ver kehren pflegten. Ich stieg höher hinauf in die Berge, da war eS mitten im Sommer winterlich. An den grauen Felsen und auf den langgestreckten Schneefeldern war kein Haus, keine Hütte sichtbar. Jetzt kam doch mehr Leben in die athemlose Stille dieser einsamen Natur. Man sah, wie auf einem Schneefclde sich dunkle Gegenständ« bewegten. Es war eine Rennthierheerd«. Und dort drüben, stand dort nicht eines von den Zelten, wie es die Lappleut« sich bald hier, bald dort errichten? Der Weg dahin hatte manche Schwierigkeiten. Aber bald stand ich in dem Ein gang de» Zeltes. Dem Lappmann schien die Begegrmng nicht uninteressant. Man konnte zweifeln, wessen Interesse dabei größer war, das meinige oder das seinige. Da er schwedisch verstand neben seiner lappischen Sprache, so konnten wir uns lange unterhalten. Er ging auf alle meine Bemerkungen «in, mochte ich sagen: „Wie schön diese» Land ist!" oder „Wie schwer es doch ist, diese halb Wilde, große Heerde zu hüten!" Wir sprachen von den Mühen und Freuden der Lappleute. Hier muß man das Wort „Mühen" voranstellen. Das ist der Hauptinhalt ihres Lebens. Das Gespräch drehte sich oft um die Leiden, Gefahren und Versuchungen seiner Landsleute, um ihre Freunde und Feinde. Wie dem ernst, fast düster blickenden Manne das Herz aufging, als der Fremde sich mit den Lebens gewohnheiten der Lappen vertraut zeigte und freundlich mit ihm sprach! Immer wieder bewegten sich seine schmalen Lippen, und die runzeligen, alt aussehenden Züge des im mittleren Alter be findlichen Mannes belebten sich. Diesem Lappen verdanke ich die nachfolgende Erzählung, die ich hier in ihren Grundzügen wiedergebe. An einer Stelle unserer Zwiesprache griff er in eine Art Schrank, einen größeren Kasten an der Zelrwand, und holte ein kleines, unringebundenes Buch heraus. Das wollte er mir mitgeben; darin würde ich über das Lcben des Lappmannes noch Manches finden. Ich bat ihn, seinen Namen in das Buch zu schreiben, was er mit meinem Bleistifte langsam bewerkstelligte. Das Büchlein liegt vor mir. Man erkennt an dem Namenszuge eine schwere, des Schreibens un gewohnte Hand. Das Schriftchen ist betitelt: Ljusnedals Jatto, in schwedischer Sprache geschrieben von Anders Jämte. Dem Verfasser ist es recht und lieb, daß ich sein Buch in freier Weise benütze. I. Um di« Zeit, mit welcher die Geschichte unseres Lappmannes anfängt, war «S Wnter, tiefer Winter im Norden. Di« Sonne war untergegangen, aber Abend war es der Uhr nach noch nicht. Um diese Zeit ist hier die niedrig stehende Sonne nur bis zum frühen Nachmittag am Himmel. Dunkel freilich war es doch nicht, obschon daS Tagesgestirn schon einigt Stunden unter dem Horizonte war. Dir weihe, von Schnermaffen ganz hoch bedeckt« Erd« gab den matten Dämmerschein, den sie empfing, verdoppelt wieder. In der Armuth und Noth ist man für jede Hilfe sehr dankbar. Es ist, als ob die lichtarme nordische Welt für jeden fahlen Schimmer sich dem Himmel auch sehr dankbar beweisen wollte. Jede» Schneesternchen der Erde scheint den Beruf in sich zu fühlen, den Sternen de» Himmel» nachzuahmen und zu leuchten. Nicht bloS die Fläche leuchtete. Wo ein« Tanne stand, war sie von Schnee so eingehüllt, daß sie eher einer Pyramide glich, als einem Baum mit den Aestrn. Die Räum« zwischen den Zweigen waren ganz ausgefüllt mit den weißen, glänzenden Schnermaffen. Di« Tannenzweige waren so schwer beladen, daß man sich wundern mußte, wie sie diese große Last zu tragen vermochten. ES ist auch hier wie mit den beladenen Menschen kindern. Die Kräfte scheinen zu wachsen mit der Last. Majestätisch sah man von fern die Berge, die wie Riesen und Könige herabschauten auf das Gefilde mit seinen Hiigelhcbungen und Thalfenkungen. Auch was von Singvögeln in diesen Gegenden des Sommers sich etwa hören lieh, war jetzt in den südlicherenQuartieren. Selten geschah es, daß ein paar Schneehühner über die weiße Fläche huschten. Dann und wann sah man Spuren von Rcnnthieren. Der aufmerksame Beobachter konnte auch die Spur des Wolfes dazwischen finden, der den Rcnnthieren um diese Zeit besonders nachstellt. Er pflegt sich in die unbewachte Heerde zu mengen, welche dann in rasender Eile davonjagt. Um diese späte Nachmittagszeit war es, als rin Schnee schuhläufer über das wellige Terrain dahinglitt. Einen kleinen Freund hatte er an seiner Seite, einen Vierfüßler, mit dem der Lappe beständig reist, arbeitet, schläft, ißt und trinkt. Es war ein buschiger Geselle nach Art der Spitzhunde. Die Lapphund« bilden hiervon eine besondere Art. Der Mann trug die winter liche Pelzbekleidung der Lappen, aber er war ein ungewöhnlich großer Lappmann und mußte sich neben seinen kleinen Stammes- genossen sehr vorthrilhaft ausnehmen. Mit großer Gewandtheit und Geschwindigkeit eilt« er fast lautlos auf seinen Schnee schuhen dahin. Nur wenn er mit seinem langen Stab« nieder stieß, um Halt zu machen und nach dem zuweilen etwas zurück bleibenden Begleiter zu sehen, hörte man einen Ton, den ein zigen in meilenweiter Runde. Wenn es bergauf ging, brauchte er den Stab häufiger. Jetzt schossen einige Strahlen über den Himmel hin, und bald fluthete es wunderbar über der wcißen Welt wie von Schimmer und Morgenröth«, Licht und Flammen. Die Sonne war doch so tief unter den Horizont gesunken; sie war e» nicht. DaS Nord licht flammte. Das Nordlicht, da» hier so unbeschreiblich herr lich und so häufig ist, findet so wenig Bewunderer. ES ist eine Schönheit, die ungesehen, die in der stillen Abgeschiedenheit blühen und verblühen muß. Wer soll es in dieser menschen leeren Welt bewundern? Auch der Schneeschuhläufir schien wenig Blick und Sinn zu haben für diese Herrlichkeit. Denn eS lag manche Wegmeile hinter ihm, seitdem er am Morgen da» Zelt, die verschneile „Käta" *), verlassen und vor dem Eingang des selben einen schweren Abschied genommen hatte. Je und je rief er seinem Hund« Argo ermunternd zu. Dieser war offenbar von dcm langen Wege auch sehr ermüdet und hätte augenscheinlich gerne sich zu den Füßen seines Herrn zur Ruhe ausgestreckt. Sein Herr schien nach einer Menschlichen Wohnstätte zu spähen, aber vergeblich. So ging es denn einige Stunden in derselben - - , - » *) KLla (schweb.) sprich Kota. Richtung weiter. Endlich hemmte der Mann seine rasche Fahrt, indem er langsam auf einen hohen Schneehaufen zusteuerte. In diesen machce er eine Höhle, die nach vorn einen engen Ein gang hatte und nach innen sich etwa» erweiterte, so daß er mit seinem dicken Pelz und seinem Hunde hineinpaßte. Die Oeff- irung schloß er dann bis aus ein kleines Luskloch — ein Nacht quartier, wie es die Lappen auf ihren weiten, unbewohnten Wegen sich herzustellen Pflegen. Darin kann man besser, als man glaubt, weich und wann die kalte Nacht zubringen. Er mochte eine Stund« dort geruht haben, als der Hund anschlug. Was hatte er? In dieser Gegend und zu dieser Stunde? Waren Wölfe in der Nähe? Oder nahte ein Mensch? Der Mann kroch heraus aus seiner Höhlung und schaut« auf merksam nach der von dem wachsamen Thiere durch seine Stei lung bezeichneten Richtung. „Argo, was ist's?" Auf der weißen Bergfläche drüben «in Wallen und Wogen. Sind das Wolken? Sind eS Rennthierheerden, die dort hin ziehen und unter Schneefeldern und Eis sich ihr Moo» hervor scharren? Die Dämmerung ist Ungewißheit und schafft sie oft. Es sind doch wohl Wolken und düstere Nebelschatten, die sich an» Abend gebildet haben. Denn es bleibt Alles still. Man hört nicht das Gebell der die Heerde begleitenden Hunde. Man hört nicht das eigenthümliche Knacken, das die Thiere durch die Be wegung ihrer Hufe hervorbringen. Das Alle» würde man in der Stille der sich niedersenkenden Nacht weithin vernehmen. Der Reisende suchte wiederum sein Nachtquartier auf. Als er eine Weile geruht HE, schlug Argo zum zweiten Male an. „Still. Argo!" Trotz der großen Müdigkeit aber wollte kein Schlummer sich aus die Augenlider des ManneS legen. Auch Argo hatte eine Unruhe in sich, die er schwer bemeistern konnte. Durch de» Lapp manns Seele wogte e», ein ruheloses Meer von Gedanken. Es war nicht die Ungewißheit, was draußen Vorgehen könnte. Wenn es ein paar Wölfe waren, denen Argo einen Ruf de» Hasses nach" gesandt hatte, sie waren ihm nicht furchtbar. E» waren innere Quälgeister, die den Schlummer von hinnen scheuchte». Er dachte an die jüngste Vergangenheit, deren Last sich auf sein Herz wälzte. Er dacht« an seine Zukunft, welch« vor ihm lag, wie die lange, dämmerduntl« Winternacht draußen, durch welche noch immer die zuckenden Strahlen des Nordlichts flammten. Folgen wir seiner stillen Selbstbetracktung. Sehen wir, was seine Seele so tief niederdrückte. (Fortsetzung folgt.)
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