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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991205020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-05
- Monat1899-12
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Neelamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) 50^, vor de» Familiennachrichtea (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Ziffernsatz uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung vO.—, mrt Postbeförderung 70.—» Aunahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Lei den Filialen und Annahmestelle« je eiua halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Gxpedttic» zu richten. Druck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig. AS. Dienstag den 5. December 1899. 93. Jahrgang. —- Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. December. «er Reichstag hat gestern bei einer Frequenz, die diese» Namen nicht verdient, die erste Lesung des Münzgesetzes vorgenommen und die Vorlage einer Commission von 14 Mit gliedern überwiesen. Der Beschluß auf AuSschußberathung war nicht mit Bestimmtheit vorherzusehen, da in der ver gangenen Woche Bemühungen, die zweite Lesung alsbald im .Plenum erfolgen zu lassen, im Zuge waren. Namentlich daS CentrumSmitzlied Müller-Fulda interessirte sich sehr für das Betreten des kürzeren WegeS. Dennoch stimmte auch gestern seine Partei für Commissiousberathung. Diese kann daS Gesetz jedoch nicht im Mindesten gefährden. Nachdem eS, ungeachtet der taktischen Bedenken, die gegen seine Einbringung in kritischer Heil sprachen, nun einmal vorliegt, kann der Ent wurf verständiger Weise nur mehr sachlich beurtheilt werden, und auS diesem Gesichtspuncte ruft er wenig Einwendung her vor. DaS offenbarte sich schon gestern. Hr.vr.Arendtzählt nicht und die Conservativen hatten in dem Abg. v. Frege einen Redner vorgeschickt, der, obwohl er Namens seiner Fraktion die Opposition gegen die Einziehung der Thaler anlündigte, die Erwartungen der extrem agrarischen Presse nicht im Mindesten rechtfertigte und insbesondere sich aller Angriffe aus die geltende Währung enthielt. Weitere Währungs- Debatten au« diesem Anlässe scheint die große Mehrheit deS HauseS auch gründlich abgeneigt. Auch die Umschmelzung der Thaler, die nach deS Staatssekretärs v. Thielmann Zu sage nur sehr allmählich sich vollziehen soll, dürfte bald ge sichert sein, so daß sich die künftige Erörterung hauptsächlich der Frage, ob und eventuell welche neue Scheidemünzen ge prägt werden sollen, zuwenden wird. DaS 25-Psennigstück und das 2'/z-Markstück scheinen viele Freunde zu haben. Der Reichstag hat bekanntlich — über den Vorschlag der von der Regierung eingebrachten Gewerbeordnungsnovelle hinauSgehend — den obligatorischen S-Uhr-Ladenschlutz für daS ganze Reich beschlossen. Vom Grafen P osad owSky ist zwar der Beschluß noch nicht acceptirt, daS ist Sache de« BundeSrathS, aber auch nicht mehr bekämpft worden, und so wird sich wohl die Annahme bestätigen, daß die Regierungen der so beträchtlichen Erweiterung ihres Entwurfs zustinnnen. Ohne starken Widerspruch dürfte dies aber nicht abgehen, die Meinungen sind im BundeSrath ebenso getheilt, wie trotz der Abstimmung im Reichstage in allen bürgerlichen Parteien und vielleicht auch in allen Zeitungsredactionen. Es ist eben «in scharfer Schnitt inS Wirtschaftsleben, der hier gemacht werden soll, und dies darf man wohl in der Erwartung feststellen, deshalb nicht in einen Topf mit Berliner links liberalen Zeitungen geworfen zu werden, die unter völliger Nichtachtung der unverkennbaren Ueberlastung einer ungeheuren Zahl von Angestellten und Lehrlingen im Handelsgewerbe den Reichstagsbeschluß lediglich unter dem Gesichtspunkte des „Glanzes" groß städtischen Nachtlebens betrachten und ihn demgemäß als eine „kleinliche" Maßregel verurteilen zu dürfen glauben. DaS sind antisociale Gesichtspuncte. Die geplante Neuerung verträgt aber auch vom socialen Standpunct eine Kritik. Sie gehört in ganz hervorragendem Maße zu denjenigen Aenderungen der Gewerbeordnung, die sich durch die — social politisch gewiß nicht unbedenkliche — doppelte Wirkung kenn zeichnen, daß sie dem kleinen und kleinsten Gewerbetreibenden wehe thun und daS WirtbshauSleben begünstigen. Wer weder Gehilfen noch Lehrling hält, muß um 9 Uhr schließen, wie die ohuehin durch die natürliche Entwickelung so überaus bevorzugten großen und größten Betriebe, und wer nach 9 Uhr Lebensmittel rum abendlichen Gebrauch einkaufen muß, weil er eben vor her nicht einkaufen konnte, der muß sich in der Gastwirt schaft versorgen, an sich theurer und unter dem unvermeidlichen Zwange, seine Einkäufe zu erweitern, d. h. ein Getränk zu bestellen und zu bezahlen. Man hat de« Consumenten rn diesem Falle etwas zu sehr bei Seite gesetzt. Es ist Unsinn, vielleicht sogar Frivolität, wenn die „Voss. Ztg." geltend macht, mancher Abgeordnete, der für den 9-Uhr- Schluß gestimmt, werde in Verlegenheit geratben, wenn er, nach dieser Stunde zum Hofball gehend, sich nicht noch eine weiße Cravatte oder ein Paar Handschuhe kaufen könne. Aber die ungezählten Arbeitenden in den großen Städten, die in Folge des Charakters vieler Betriebe sehr spät von der Arbeit kommen und allabendlich abgelohnt werden, wird der 9-Uhr-Schluß sehr häufig zwingen, sich im WirtbS- hause zu vcrprovianliren. Solche Leute haben wegen der Unsicherheit ihres Erwerbes oft ihr Schlasgeld allabendlich oder allmorgentlich zu entrichten, eS fehlt ihnen in den Früh stunden nicht selten die Zeit, daS Abendbrot» überhaupt oder doch da cinzuholen, wo nach ihren Erfahrungen der Kauf für sie am vortbeilhaftesten ist. Der Zwang, spät am Abend und mit dem Tagelohne in der Tasche im WirthshauS die Gelegen heit für unnöthige Ausgaben vorzusinden, wird ihnen oft genug am andern Tage übel bekommen, und diese Gefahr droht den spät von der Arbeit kommenden wöchentlich gelohnten Arbeitern sogar für die ganze Woche. Es handelt sich da vor Allem um Brod, kaltes Fleisch und um das im Preise hinter dem in der Gastwirthschaft verabreichten Getränke zurück stehende Flaschenbier. Geringfügig sind diese auS dem Jnteressenkreise der kleineren Verkäufer und der kleinsten Ver braucher hergenommenen Bedenken wahrlich nicht. Graf PosadowSky hat seinen Widerstand aufgegeben, weil in letzter Stunde der zweiten Berathung gefordert wurde, daß, wenn eine Branche eines OrteS einen Ladenschluß für ihre Angehörigen festsetzt, alle anderen Ge schäfte, die den einen oder de« andern Artikel dieser Branche führen, ohne zu ihr zu gehören, solche Artikel nach dem von der Branche eingeführten Ladenschluß auch nicht mehr ver kaufen dürften. Hier ergab sich allerdings eine praktische Schwierigkeit aus dem Rezierungsentwurse. Aber eS heißt doch, sich die. Gesetzgebungsarbeit sehr — vereinfachen, wenn eine Negierung wegen einer Schwierigkeit, die im Gefolge ihre» eigenen Vorschlages gefunden wurde, ftug« eine Ein richtung acceptirte, die sie yorher »«« dem Grunde he, kämpft hat, weil dieser Einrichtung andere Bevensen entgegen stehe«. Da» größte dieser Bedenken ist offenbar die Gleich stellung aller wirthschaftlich so verschiedenen ReichStheile, der größten Stadt mit dem kleinsten Weiler. In Ftnlantz dauert der Kampf des Generalgouverneurs Bobrikow gegen die unabhängigen Zeitungen, von denen im Laufe deS letzten JahreS 4 auf immer und 16 andere 26 Mal auf kürzere oder längere Zeit verboten worden sind, noch immer fort. Der große ökonomische Schaden, der der ohnehin nicht gut ge stellten finländischen Presse dadurch zugefügt worden ist — mau veranschlagt ihn auf 360 000 finnl. Mark — hat nun vor Kurzem ein eigenartiges Abwehr-Unternehmen ins Leben gerufen, nämlich eine von Verlegern und Journalisten gegründete Gesellschaft zur gegenseitigen Versiche rung gegen Suspension. Die Idee entstand Mitte November und bereits am 28. v. M. wurden dem finländischen Senat die Statuten der „CensurvcrsicherungSactiengesellschaft der Zeitungen FinlandS" vorgelegt. Bei dem unberechenbaren Risico der Gesellschaft muß die Versicherungsprämie natürlich sehr hoch sein; sie beträgt nicht weniger als 5 Proc. der Gesammteinnahme der versicherten Blätter. Die finländischen Blätter denken diese Ausgaben zum Theil durch Erhöhung der Abonnements- und Jnseratengebühren aufzubringen und e« unterliegt keinem Zweifel, daß sie in der Opferwilligkeit des finländischen Volkes die uöthigrn Garantien zu weiterem AuSharren finden werden. Der gesammte amerikanische Marineetat ist für 1900/1901 veranschlagt auf fast 312 Millionen Mark. Im jetzige« EtatSiahr sind die Ausgaben festgesetzt auf 206,6 Mill. Mark. Die Steigerung beläuft sich also auf 105 Mill. Mark, die Hälfte des vorjährigen Etats. - In den Etat«- forderungen ist ein Posten für Schiffsneubauten mit 96,5 MM. Mark vorgesehen. Im letzten Etatsjahr wurden an Neubauten gefordert 43,7 Mill. Mark. Mithin eine AuSgabensteigerung für Neubauten nm 52,8 Mill. Mark, also um mehr als das Doppelte der vorjährigen Summe. Welche Schiffs typen bei den Neubauten vornehmlich berücksichtigt werden sollen, scheint noch nicht ganz sicher festzustehen; eS 'st aber nicht zu bezweifeln, da-^die Amerikaner den Vorschlägen ihre- großen seemännisch gebildeten Historikers Maban nachkommen und den Linienschiffsbau fortsetzen werden. Eine besonders bohe Steigerung der nächstjährigen Ausgaben ist auch für Werflvergrößerung und Dockbau vorgesehen. ES wird beinahe daS Doppelte der vorjährigen Summe gefordert werden. In Brooklyn und Norfolk soll je ein neues Dock gegraben werden. Für die schon früher be willigten 5 neuen 'Docks werden weitere Raten gefordert. AuS alledem siebt man, daß die Amerikaner fest gewillt sind, ihre maritimen Streitmittel weiter za verstärken. ES ist gut, daß man schon jetzt von diesen neuen Plänen hört. Andern falls würden bekannte Rechenkünstler nur zu gern wieder einmal das Lied von der „ewigen Schraube" anstimmen und zu constatirea versuchen, daß nur die deutschen Rüstungen daran Schuld sind, daß andere friedliche Staaten ihre Machtmittel vermehren müssen. Der Krieg in Südafrika. —t> Uncontrolirbare Nachrichten bringen jetzt die eng lischen Blätter, und zwar ziemlich übereinstimmend die „Times", „Daily Chronicle" und „Daily Mail" über die Schlacht a« Massrrfluffe. c.r Hiernach bätten die Engländer am 29. November, also am Tage nach der Schlacht, den Fluß überschritten, die Boeren vöm nördlichen Ufer vertrieben und Heren Stellungen besetzt. DaS sind abrr nur unverbindlich« Bericht« vonPrivat- correspvnvrnteu, denen wir vorläufig kei»erlekW«rO>b«zu»rfft» vermögen, so lange nicht ein amtlicher Bericht Altepak Methuen's sie bestätigt. Dieser hat ausdrücklich kerichtft, daß eS nur einer kleinen Abtheilung gelungen sei, über den Fluß zu kommen, nicht aber dem Gros seiner Armee. Maa sieht nicht ein, was ihn veranlaßt haben sollte, diesen großen Erfolg zu verschweigen und das KriegSamt verhindert hätte, ihn bekannt zu geben. Dabei ist es auf fallend, daß den genannten englischen Blättern daS wa« am 29. November geschehen sein soll, erst am 4. December, also fünf Tage später gemeldet wird. Außerdem setzen die Berichte der „Daily Mail" und des „Daily Chronicle" und wohl auch der der „Times" voraus, daß die Brücke über den Modderfluß noch intact war. .„Daily Chronicle" berichtet wörtlich: „Bei einem Versuche, die Brücke zu stürmen, fielen englische Soldaten zu Dutzenden". Wiederholt aber wurde gemeldet, daß die Boeren die Brücke zerstört bätten. Würden sie dies nicht gethan haben, so wäre daS ein so ungeheuerlicher Fehler, wie man ihn den selben schlechterdings nickt zutrauen kann. So bleibt auch heute noch daS Bild der Schlacht unklar und man ist lediglich auf Vermuthungen angewiesen. Auch weiß man immer noch nicht mit positiver Scckerheit, wo Lord Methuen jetzt steht und wo die Boeren unter Cronje sich festgesetzt haben. Ob sie sich wirklich bei Spytfontein, wo das Gelände außer ordentlich durchschnitten und für ihre Taktik besonder geeignet sein soll, der Colonne Lord Methuen's nochmals ent gegenstellen werden, bleibt abzuwarten; vielleicht ziehen sie es vor, auch hier im Westen die jüngste Taktik Joubert's in Natal zu wiederholen und gegen die rückwärtigen Ver bindungen Methuen's vorzustoßen. Eine solche Befürchtung hält vermuthlich Lord Methuen auch am Modder fest und zwingt ihn, durch ausreichenden Truppennacksckub zunächst seine Rückzugs- und Zufuhrlinie sicher zu stellen. Von den beiden belagerten Städten Kimberley «nd Mafeking ist e» so gut wie ganz still geworden. Au« Kimberley er fährt man gar nichts mehr und über Mafeking bloS, daß in der letzten Zeit — bis zum 21. November — da« Bom bardement mehr Schaden augerichtet hat, die Garnison aber glaubt, die Stadt halten zu können und daß am 22. No vember die Boeren von der Westseite her einen Angriff gemacht aber sich zurückgezogen haben, als die Garnison Granaten auf sie abfeuerte. Hinkenden Schritte« geht der Kriegsgott auch auf dem . Central-KriegSschanplatz in den Norddistricten der Capcolonie einher. Wir ver zeichnen folgende Meldungen: * London, 4. December. Au« Sterkstroom (Tapcolouie) meldet „Daily Mail" vom 28. November. General Gatacre habe eia« starke Stellung inne und werde durch da« zweite Northumber- land-Regiment verstärkt. Die Boeren, welche am Tage vorher Molteno besetzten, hätten sich zurückgezogen. * London, 5. December. (Telegramm.) Die „Time«" melde« aus Sterkstroom, General Gatacre hab« am 29. November seine Truppen in Molteno coocentrirt. Er habe fünf Bahnzüg« requirirt, die 1000 Sack Weizenmehl in da« britische Lager schaffen sollen. ' * Kapstadt, 3. December. Ein Telegramm de« „Reuter'scht» Bureaus" auS Rokstad in Griqualaad-East besagt: Die Boeren au« Barkly East wurden in den südlichen Drakenbergea in der Nähe de« Mount Fletcher gesehen. Sie beabsichtige« augen scheinlich eine Invasion von Griqualand-East. * London, 4. December. Dem „Daily Mail" wird au« Lap- stadt trlegraphirt, nach Berichten von Flüchtlinge» feie« di« Grenzdistricte der Capcolonie, nämlich ToleSberg,u«d Burahersdqrz» thatsächlich. ,zu d«n Boeren übergegange»; 26 Fr«istaatiBoeren genügten, um Konterstadt zu nehmen, wo, »i« «an gla»be, über 2000 Tolonisten zu Heu Boeren überginge». Den englisch Sefiantr» wurde gesagt, sie sollten nach Capstqdt gehen und dort für die Böerea-Armee Kaffee kochen. * Amsterdam, 4. December. Hiesigen Blättern zufolge beträgt die Gesammtzahl der Holländer im Caplande, welche in den Reihen der Boeren kämpfen, fünftausend. Wenn die letzteren Meldungen sich bestätigen, und sie kommen von den verschiedensten Seiten, so verschlechtern sich die Chancen der Engländer für eine baldige und siegreiche Beendigung deS frevelhaft heraufbeschworenen Krieges ganz wesentlich, zumal da mit Sicherheit anzunehmen ist, daß der Aufstand der Afrikander ein allgemeiner werden wird, sobald den Boeren irgend ein entscheidender Schlag gelingt. Die gescheiterte „Jsmore" hat ihre Ladung zum größten Theil geleichtert. Man be richtet unS: * London, 4. December. Einer amtlichen Meldung zufolge ist das Transportschiff „JSmore", da« gestern bei den Felsen der St. Helena-Bai auf den Grund gerieth, gebrochen. E« sind nicht nur alle Truppen und Mannschaften, sondern auch 20 Pferde gerettet worden. Wenn da« Letztere besonders hervorgehoben wird, so hat dies, wie man weiß, seinen Grund darin, daß den Eng ländern gegenwärtig ein Nachschub guter Pferde wichtiger ist als ein solcher von Mannschaften. ES fehlt ihnen an Cavallerie zur Verfolgung der Feinde, d. h. zur Ausnutzung ihrer wirklichen und eingebildeten Erfolge. Alle Nachrichten, welche sich auf die Sretgniffe in Natal beziehen, datiren um fünf bis sechs Tage zurück, haben also Femilletsn. so. Das Pflegekind. Roman von Elsbeth Meyer-Förster. Nachdruck verboten. „Zieh das Kind an", sagte Karl zu seiner Frau, als er eine halbe Stunde darauf den Keller betrat. „Wir wollen hinaus in den Grünewald." „Fräulein Nettchen mit?" fragte Anna freudig. „Nein", sagte er bedrückt. „Sie will allein sein; es geht ihr Vielerlei im Kopfe herum. Ich glaube, Anna, sie sehnt sich fort von hier, wir werden sie nicht lange mehr behalten." „Thue ich nicht Alles, was ich ihr an den Augen absehen kann?" murmelte die Frau. Der Gedanke, daß Nettchen eines Tage- nicht mehr da sein sollte, fuhr wie ein heftiger Schreck durch ihre Seele. „Und ich nicht auch?" sagte Karl. „Sie ist so gut mit dem Mädel gewesen", murmelte Anna, während sie ihr fröhlich kreischendes Kind ergriff und die wider spenstigen Aermel in die rothe, plumpe, dickgefütterte Jacke zwängte. „Wie eine Schwester ist sie mir geworden." „Nein", sagte Karl, „noch mehr wie eine Schwester. Ich weiß das Wort nicht für Das, was sie uns geworden ist. Sie ist dieselbe, Anna, um die ich damals von Euch fortlief, als ich »och ein schlechter Kerl war. „Ich weiß", entgegnete Anna ruhig. „Und als ich sie jetzt wiedersah", rief Karl, indem er Anna's Hände ergriff und zum ersten Male das ergebene Weib fest an seine Brust zog, „da dachte ich, ich müßte sie hinaus jagen. Sag' selbst, Anna, wär' es nöthig gewesen, oder hast Du mir ver trauen können?" Die Frau, die nie gelernt hatte, für ihre Gefühle Worte zu suchen, schlang ihre arbeitsmüden Arme um den Hals ihres ManneS und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Es war so still im Hause, vor den Thüren, auf der Straße, — die Sonntagsruhe lag über Allem ausgebreitet. Die eisernen Jalousien vor den Schaufenstern waren herab gelassen, die Ladengewölbe lagen dunkel und verlassen in ein samer Finsterniß. Auch in Prechtler's Drogengeschäft drang kein Schimmer von dem vielen, Hellen Sonnenlicht, das quer über den Kreuzberg hin in die lange Großbeerexstraße hineinfluthete. Die eisernen Stangen waren fest vor die Fensterläden gerammelt, keine Spalte ließ etwas Helle in den schwarzen Hintergrund des Gewölbes. Die Finsterniß senkte sich über die Kellertreppe hinab bis über die Schwelle zur Wohnstube. Aber die Fensterflügel dieses kleinen Raumes waren weit geöffnet, und während in der Tiefe des Zimmerchens die schwarzen Schatten lagen, war in der Nähe des Fensters ein Abglanz von Freundlichkeit und Helle. Nettchen saß dort, die Arme aufgestllht, gedankenlos und doch von tausend Gedanken bewegt. Sie hatte die Hände ineinander geschlungen, und mit ver zehrendem Blick verfolgte sie daS Kommen und Gehen der Menschen draußen, das fröhliche Vorbeieilen der Kinder, den ruhigen, fast gemächlichen Gang der Erwachsenen. Friedliche Sonntagsstimmung. — Alles Hasten und Drängen schien aus der Welt. Die Menschen gingen dahin, wie von einem Ruhegefühl getragen. Langsam, genießend. Nettchen hörte ihre Stimmen, vernahm, war sie sprachen. Unzählige Liebespaare kamen vorbei, dann Männer mit ihren Frauen am Arme. Ganze Familienkarawanen. Fast Niemand ging allein. ' Und während sie den brennenden Blick weiter auf diese dor- llbergleitenden Gestalten geheftet hielt, sah sie alle« Sonntäglich- Frohe u^d Heiter«. Die blitzenden Stiefrlchen und schneeweißen Strümpfe der Kinder, daS Huschen der kleinen Sonntagskleider, unter denen sich eine Kante der steifgeplätteten, Weißen Unterrocks hervordrängte; die stolzen Schleppen der BürgerSfrauen und die niedlich trippelnden Füße der jungen Geschäftsmädchen, die mit dem breiten Ausschreiten ihre« Begleiters Schritt zu halten suchten. Alle die menschlichen Thorheiten der Sonntagsfreude zogen an ihr vorbei: die herrlich geputzten Dienstmädchen, von denen jede Einzelne eine solche Aufmerksamkeit auf die kleinste Schleife ihres Anzuges verwendet hatte, als würde ganz Berlin das Vor handensein dieser Schleife mit Argusaugen verfolgen. Die Sol daten, die an diesem Tage sammt und sonders Schwerenöther sind und wie Feldherren mit dem Säbel rasseln. Die koketten kleinen Schulmädchen, die Arm in Arm dahinziehen, und die wohlhaben den Handwerkerfrauen, die ihren Männern den Cylinder aufge zwungen haben, so daß sie aussehen, als kämen sie direct von der Kirmesfeier. Nettchen ließ Alles an ihrem Blick Vorübergleiten. Sie sah die Dinge und sah sie nicht. Sie empfand nur das Eine: daß Sonntag war, Sonntag für Alle, die da vorüberzogen; — in ihr selbst aber war nichts Sonn tägliches, war nichts als verzehrende Einsamkeit. Ihr Blick verfolgte mechanisch die Paare, die vorüberzogen, bis sie ihren Augen entschwanden. Die Bäter mit ihren Kindern, die jungen Frauen an den Armen alter Frauen, die Brautpaare und die eifrig plaudernden Eheleute. Die lachende Novembersonne hatte die halbe Einwohnerschaft auf die Straße gelockt; es war, als seien sie Alle auf Frühlings ausflügen begriffen. In dem Keller sanken die Schatten tiefer. Die Sünne glitt empor und tauchte jetzt in die Fenster der gegenüberliegenden Häuser unter. Nettchen saß im Schatten. Auch über das Trottoir vor dem kleinen Fenster breitete sich jetzt Schatten aus. Abendkühke strich vorüber. ! > Vor der HauSthür sammelten sich Leute an; «ine Familie kehrte mit einer anderen von ihrem Spaziergange heim. Nettchen sah das Händeschütteln und hörte die AbschiedSwortr, mit der sich die beiden Familien trennten. ES waren junge Mädchen dabei, die sich immer noch etwa» zuzurufen hatten, und daS Ge piepse ihrer Hellen Stimmen war noch zu hören, als die HauSthür bereit» hinter den Heimgekehrten zugefallen war. I Aufstöhnend preßte die Einsame den Kopf in ihre Hände. So mutterseelenallein auf dieser weiten, großen Welt, in der Mensch sich zum Menschen findet. Niemandem gehören, — Niemanden besitzen! Und nie ein Herz besessen haben!! Jerüme hatte sie von sich gestoßen. Das Kindchen, daS Gott ihr geschenkt, hatte nicht zur Liebe erwachen dürfen, und daS einzige Herz, zu dem sie aus dem Schiffbruch ihres LebenS fliehen konnte, verschloß sich in Haß. Haß! Warum Haß? Sie sprang auf und rief die Frage so laut und ungestüm in der Stille der kleinen Stube, daß sie selbst zusammenschreckte. , Sie wollte ertragen, was man über sie verhängte, Gleich giltigkeit, selbst Grausamkeit — — aber Haß!! Das Wort stand vor ihren Augen da wie ein schwarzes, drohendes Gespenst. Jerome hatte sie gehaßt; und ein Gefühl des Entsetzens, der Hellen, bitteren Verzweiflung packte sie an bei dem Gedanken, daß auch Paul sie Haffe. Was hatte sie gethan, um gehaßt zu werden? Sie würde es nicht ein zweites Mal ertragen, gehaßt zu werden. — Nein, wenn sie gehaßt wurde, jetzt, in dem Uebermaß von Liebe zu diesen einzigen Menschen, die ihr ge blieben waren, dann war es besser, zu sterben und Allem zu entgehen. Und der Gedanke, der so blitzschnell kam, hatte etwa- Ver lockendes, daß sie ihn immer wieder aufnehmen mußte. Dann kam sie zu ihrem Kinde, und das würde sie lieben. Zu ihren Eltern, die sie nie gekannt hatte! Ohne Liebe bestehen, ohne Liebe weiter irren, wenn nicht morgen, so doch in Wochen, ihr heimathloseS Dasein wieder auf nehmen, jetzt, da sie sich gerettet zu haben meinte, — sie konnte es nicht mehr. Sie hatte nicht mehr die Kraft, nicht mehr die Jugend dazu. Sie fühlte sich gebrochen. So viel war über sie dahingezogen, und jedes Leid mehr hatte sie tiefer geduckt. Nein, sie war nicht das muthige Nettchen mehr, als daS sie heut Morgen noch im Laden gestanden hatte.
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