Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899122702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899122702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-27
- Monat1899-12
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-PreiS A d« Haupterpeditton oder den km klebt» öaairk »ad den Bororten errichteten Aus- aabrsteven abgeholt: vierteljährlich X4.50, Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abenä-Au-gabe Wochentags um b Uhr. Ledartiou und Expedition: IvhanniSgaffe 8. Dir ExpedUion ist Wochentag- »nuuterbroche» gebffuet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Filiale«: Dtt» «iemm'S Sortim. (Msretz Hahnt, NniversitStsstraße A (Paulinum), Laut» Lösche, Aatharinrnstr. 14. part. und KönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MpMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petikzeile 20 Pfg. Rcclamen unter dem SteoactionSsrrich (4g» Ipaltrn) 50^, vor den Famitiennachricktrn (Lgejpailen) 40^. asrögere Schriitrn laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifi«aia» nach höherem Taris. ikxtra-veilagen (gesalzt), nur mü der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrsürderuug ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-AuSgab«: Bormittags 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei dru Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde srsther. Anzeigen sind stet- an die Grtze-itian zu richten. Truck und Verlag von E. Polz ia Leipzig. 858. Mittwoch den 27. December 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. December. Da- letzte GeihnachtSfeft des officiellen Jahrhunderts ist ungestört verlaufen. In Afrika scheint vollkommene Waffenruhe geherrscht, die innere Politik aller Länder Feiertag gehabt zu haben. Seinem Schreiben an die Amerikaner, da« nur um die Sympathie dieser Nation wirbt, schreibt Präsident Krüger gewiß selbst nicht die Bedeutung eines politisch sofort wirksamen Schritte- zu. Unter den spärlichen Nachrichten der Festtage empfinden wir schmerzlich die vom Ableben de« österreichischen ReichsrathSabaeordneten Schlesinger. Mag man mit der Methode deS Verstorbenen nicht einverstanden gewesen sein, er war ein ehrlicher, unermüdlicher, die Trägen aufrüttelnder Streiter für das deutsche VolkStlmm im Osten. Sonst ist höchsten- noch der Erwähnung Werth die telegraphisch sehr ausführlich übermittelte Schilderung der Zeremonien, mit denen der Papst da« „Iubiläumsjahr" eröffnet bat. Die dabei beobachteten alten Gebräuche sind den römischen Schaulustigen gewiß sebr interessant ge wesen, die protestantische Welt aber lassen die Aeußerlich- keiten, mit denen die päpstliche Kirche das neunzehnte Jahr hundert al- ein römisch-katholische- buchen und daS zwanzigste al- ein römisch-katholische- diScontiren möchte, ebenso kalt, wie die deutsche Welt die französischen Versuche, mittelst eine- Jahrmarktstreiben- der Jahrhundertwende die Etikette eine- von franko-gallischen Thaten und Ideen beherrschten .Zeitpunkte- aufzukleben. Rom wie Paris benutzen eben sinn fällige Reize, um über den Mangel an innerem Gehalt weg- zutäuschen, der unter den christlichen Nassen daS unverlier bare Eigenthum der Germanen ist, die eben deshalb wenig Wesens davon machen. Rom und Paris werden voraus sichtlich einen Flitter-Gold» und, da hier wie dort der Verkäufer» und der Bermietheestandpunct eine große Rolle spielen, auch einen in geprägtem Gold ausweisbaren Erfolg haben, Rom noch etwas mehr. Die tragischen IünglingSnaturen vom Schlage desjenigen, für den eS bestimmend wurde, daß er „sah den Papst in seiner Herrlich keit", sind Wohl nickt ausgestorben, und gewiß sind cS nicht die älteren Müden oder Verlebten, die unter den Fittichen der Romkirche wie in einem Pfründnerstift für Geist und Gemüth Schutz vor dem Branden der von Gott bewegten Wellen deS Denken- und Leben- suchen. Paris gedenkt übrigens Rom sein Compliment zu macken. ES ist ein echt romanisches uud echt klerikales Projekt, während der Weltausstellung von Pari» ans Wallfahrten zu der Stätte de- von Margarethe Llacaque, der durch PinS IX. selig Gewordenen, begründeten „Herz Iesu-CnltuS" zu machen. Die Eigenart diese« Plane- muß sich aber Jeder, der Pari« kennt, selbst au-malen, sie zu beleuchten, verbietet der zur Privi- legirung der römischen Kirche dem Strasgesetzbuche des deutschen Reichs einverleibte tz 166. Der Protestant Friedrich Schiller hat betriebsamen Künstlern einen — freilich satirisch ge meinten — Rath gegeben, wie sie „zugleich den Kindern der Welt und den Frommen gefallen" konnten. Diese Gegen überstellung — wenn ernst gemeint — war Stümperei im Vergleich zur römiscken Psychologie, die Wollust und Frömmig keit in einer und derselben Brust nicht zu trennen versucht, vielmehr für beide Gerichte an einer und derselben Tafel bereit hält — zum wechselnden Genuß. Herr Kirschner ist also als Oberbürgermeister von Berlin bestätigt worden. Nach anderthalb Jahren erst, aber selbst die unerhört lange Dauer bis zur Entscheidung stellt an die Gefälligkeit gewisser Federn keine zu großen Ansprüche. Man liest von befriedigender Entschließung, von einem versöhnlichen Act u. s. w. Aber in der wirklich politisch denkenden Presse und namentlich in den Zeitungen, die da« Heraufbesckwören von Conflicten zwischen Hof und Stadt — das Ideal ge wißer Berliner Fortschrittsleute — stets auf daS Eindring lichste widerrathen haben, wird entweder derbe Kritik laut oder eS herrscht das Sckweigen deS Unbefriedigten. Diese Erscheinung ist sebr erklärlich. Die Erledigung und Auf klärung der rätbselhaft gewesenen Angelegenheit bat nämlich deren staatspolitische Bedeutung in ungeahnter Weise erhöbt und ibren Charakter als unerfreuliches Symptom erheblich verschärft. Man batte den Grund deS langen Ausbleibens eines Bescheides — nur dieses erregte Befremden, die Nicktbeslätigung des Herrn Kirschner wäre reckt gleichmütbig bingenominen worden — nicht gekannt, allerdings aber als vas bestimmende Moment den Beschluß des Magistrats betrachtet, den Friedhof der Berliner Märzgefallenen mit einem Portal zu versehen. Diese Annahme wurde fallen gelassen, nachdem der Minister deS Innern v. d. Necke im Abgeordnetenhanse vorbehaltlos erklärt batte: „Ein Zusammenhang zwischen der Portalfrage und der Bestätigung Kirsckner's besteht nicht". Von da ab verlegte man sich wieder eine Weile auss Rathen, um später hin, namentlich nacktem Herrn Kirschner die herkömmlichen Bezüge eines Oberbürgermeisters zugesprochen worden waren, dem „Fall" gründliche Gleichgiltigkeit zu widmen. Nun aber erfährt die Welt auS dem Munde des Monarchen — auch die halbamtliche „Nordd. Allg. Ztg." giebt die unseren Lesern bekannten kaiserlichen Worte wieder —, daß in der Timt die Fricdbofssacke der Bestätigung ent- gegengestandcn bat und zwar diese Angelegenheit allein. Der Minister des Innern war also in der Lage gewesen, da ihm die Wabrheit nicht bekannt war und er offenbar auch keine Bermulhung nach der Richtung der Wahrheit batte, vor den Vertretern des preußischen Volkes mit aller Destinuntbeit eine absolut unrichtige Erklärung abzugebeu. Dieses Miß geschick, daS selbst den entschiedensten Gegnern des früheren Ministers Frhrn. v. d. Necke aufrichtige Sympathie cinflvßt, illustrirt den Zustand der ministeriellen Verantwortlichkeit in Preußen aufs Klarste. Die Minister sind nickt nur nicht im Stande, ihnen nicht zweckmäßig erscheinende Maßregeln zu Verbindern, sie kennen vie politischen Beweggründe solcher Maßregeln nicht nur -nickt, sie befinden sich sogar über die herrschenden Absichten so sehr im Dunkeln, daß sie, wie dem Frhrn v. d. Necke widerfahren, dahin gelangen können, daS Obwalten thatsächlick obwaltender Erwägungen in Abrede ru stellen. Frbr. v. d. Recke batte seinen Erklärungen zu folge die Verzögerung der Bestätigung Kirschncr's nicht für politisch räthlich gehalten, ein conservativer Beamter im Abgeordnetenhausc und der Abg. v. Kardorff haben die Nicht erledigung gleich Wortführern der anderen Parteien als politisch bedenklich bezeichnet; ein Zweifel, daß die Oberbürger meister-Angelegenheit eine solche politischer Natur gewesen, konnte mithin nirgends entstehen. O b Minister der Abkehr vom constitntioncllcn Herkommen entgegenwirken sollen und wie sie dies etwa könnten, soll nicht erörtert werden. Ein Ver schulden trifft daS Ministerium jedenfalls, daS mangelhafter Berichterstattung über wichtigste Vorgänge in den Parla menten. Der Kaiser und König war Herrn Kirschner keine Aufklärung über die Gründe seines Zögerns schuldig und Wilhelm II. ist nickt ein Monarck, der über seine Rechte nach der positiven wie der negativen Seite im Unklaren wäre. Wenn der Herrscher ohne die Nöthigung der Pflicht dem Berliner Oberbürgermeister für den Aufschub seiner Bestätigung einen Grund benannt hat, den ein Minister im Abgeordnctenhause als nickt existirend bezeichnet halte, so ist kein Zweifel daran möglich, daß der Monarch über diese Erklärung eines seiner Minister nicht unterrichtet gewesen war. Das neue österreichische Labinet, das Cabinet mit dem „eminent provisorischen Charakter" und der „im vorhinein begrenzten Existenzdauer", in daS cinzutreten die Herren vr. v. Koerber, I)r. v. Kindinger, R. v. Härtel und R. v. Kniaziolucki wegen ihrer verfassungsmäßigen Bedenken gegen die Anwendung deS 9 ll auf die vom Abgeordnctenbause nickt erledigten Gesetze abgelehnt haben, bildet trotz der ihm vorgeschriebenen Marschroute in seiner Zusammensetzung keine unbedingte Bürgschaft dafür, daß eS das vollbringt, was die Krone von ihm erhofft. Es hat nur einen Politiker, nicht den Ministerpräsidenten, sondern den Minister des Innern, bis herigen Sectionöchef R. v. Stummer, einen ausgezeichneten Kenner der Sprachenfrage, aber leinen Mann von dem weilen Blick vr. v. Koerber'«. Herr v. Stummer wußte sich seiner Zeit als Statthalter-Vicepräsident in Prag das Vertrauen der Deutschen zu erwerben; nach Wien berufen, war er die rechte Hand des Grafen Thun. Von den Sectionsckefs, mit welchen die Refforts der Justiz, des Unterrichts, der Finanzen und des Ackerbaues provisorisch besetzt werden, ist nichts zu sagen, als daß cS Beamte sind, die sich den, Wunsche der Krone und dem Willen des Seniorministers fügen werde» und keinerlei Interesse erwecken. Von Herrn v. Wittek verlautet, daß er es gar nicht erwarten könne, die Tschechen mit der tschechischen Dienstsprache zu beruhigen, und daß er in dieser Angelegenheit nicht so skrupulös sei wie Graf Clary. Aller dings war Herr v. Wittek auch im Cabinet Tbun für die Auf hebung der Sprachenverordnungen gewesen, ohne irgend etwas zu erreichen. Auf daS Vertrauen, daS Clary und Koerber durch ihre gradsinnige und gradlinige Politik sich bei den Deutschen erwarben, dürfen die neuen Männer nicht zählen; was sie erwarten dürfen,daS ist eine neutrale zuwartende Haltung der oeutschen Abgeordneten. Vor Allem 'wird es an Herrn v. Stummer sein, zu zeigen, ob er sich ton Z-m politischer Ueberliesernngcn »eine« Gönner- Tbun freiznmachen vermag. Der neue Minister de« Innern kennt Böhmen und daS Terrain des Prager Landtag« wie wenige. An ihm wird es sein, die Bürgschaften für das Gelingen einer VerständigungSaclion zu finden und zu verhindern, daß fick die tschechische Feudalität unter heuchlerischen Ver- söhnungsphrasrn derart zwischen Deutsche und Tschechen setzt, daß eine wirkliche und dauernde Annäherung aus geschlossen bleibt. An ibm würde es aber auch sein, einer Verftändigungscomödie keinen Beistand zu leihen, die als Fortsetzung dcS kürzlich Erlebten unter dem Zeichen der wieder ralliirten Rechten deS Abgeordnetenhauses von den selben Veranstaltern versucht werben sollte. Tie Deutschen werden die böhmische Landstube nicht voreilig betreten. Sacke der Regierung wird es sein, seine Parteien zu einem Ent gegenkommen zu bringen, daS ihren Wiedereintritt ermög licht. — Wie man siebt, hat das neue Beamtenministerium hinreichende und schwierige Aufgaben zu bewältigen, die in I etlichen Wochen, höchstens bi« zum Frühjahr zu lösen sind. I Der Krieg in Südafrika. -u. Der heilige Friede des Weihnacht-feste-, das ja auch im schwarzen Erdtheil begangen wird, ist allem Anschein nack durch keinen Kanonenschuß gestört, durch kein vergossenes Blut entweiht worden. Die Waffen haben wohl die Feier» tage über in beiden feindlichen Lagern geruht und was heute berichtet wird, bezieht sich aus frühere Vorgänge. Werfen wir einen Blick auf sämmtliche drei Theile de- Krieg?- schauplatzes. In Natal wartet General Buller, der einen Theil seiner Streitkräfte aus Frere und darüber hinaus zurückgezogen hat, Ver stärkungen ab. Diese werden, wie sich jetzt heraus- stellt, der fünften Division entnommen, dir, obschon ihr Commandeur Sir Cbarle« Warren mit seinem Stabe in De Aar weilt, nicht al- Ganze« im Westen ver wandt, sondern, wie die bisher eingetroffenen Truppen, aus ihrem Verbände berau-geriffen und tropfenweise tbcilS im Westen, tbeilS im Osten eingesetzt werden soll, eine Taktik, die sich wieder schwer rächen dürfte. In dieser Hinsicht urtheilt der militärische Kritiker der „Times" sebr pessimistisch. Er meint, baß die Ausgabe, die Lord Roberts voll patriotischer Gesinnung übernommen habe, von jedem Gesichtspunkte au« mit Schwierigkeiten förmlich besät sei. Die englischen Truppen seien überall in dir Defensive zurückzcbrängt und über einen riesigen Flächenraum zerstreut. Die Armeecorp« seien zersplittert; selbst die Divisionen und Brigaden seien in ibren Verbänven nickt mehr fest. Die Wirkung der neuesten Schritte der Regierung, sowie die Wirkung der im Gange befindlichen nationalen Bewegung könnten vor vielen Wochen nickt verspürt werden. Buller's Rückzug ist bekanntlich deshalb nöthig geworden, weil die Boeren unter Schalk Burgher sich nicht darauf be schränken, ihre Verschanzungen nördlich vom Tugela beträcht lich zu verstärken, sondern energische Umgehung-bewegnngen macken, um Buller von seiner Operation-basi« Durban ab- zuschneiben. Dieser wurde übrigen« in der Schlacht am Tugela von einem abspringenden Shrapnelgeschoß in Vie Seite ge- treffen, kam indessen mit einer geringfügigen Hautverletzung davon. Wenn Buller am IS. und 20. December dir Stellungen der Boeren bei Colenso mit Lyddit-Granaten beschossen hat, so verfolgt er tzen Zw»ck, dir Borrrn au» ihren Brrschanzunzen zu vertreiben. Er vergeudete aber nur seine Munition. Die Boeren antworten gar nicht, ein Beweis, daß die englischen Geschosse ihr Ziel entweder nicht erreichen oder keinerlei Schaden anrichlen. Inzwischen ist von General Buller abermals eine berichtigte Liste über den Verlust in der Schlacht bei Colenso eingclroffen. Danach beträgt die Zahl der Getödtrtrn, Osficiere wie Mannschaften, nunmehr 144; ferner sind 42 Osficiere verwundet und 18 werden vermigt; an Mann schaften wurden 700 verwundet, 203 werden vermißt. Der Gesammtverlust beläuft sich also auf 1107 Köpfe, während die Boeren nur 30 Todte und Verwundete hatten. Der Eingang dieser Nachrickten beweist, daß die telegraphische Verbindung zwischen Colenso und Pietermaritzburg noch offen ist. WaS Ladysmith betrifft, so gehen di» au« brieflichen Mittheilungcn gezogenen Schlüffe jetzt überein stimmend dahin, daß General White noch für nicht ganz fecke Der neueste, große Roman von Hans Hopfen „Die ganze Hand" ist von uns zum alleinigen ersten Abdruck für unser Gebiet erworben worden und wird mit dessen Veröffentlichung an dieser Stelle mit dem neue« Jahre begonnen werden. sj Eine Aordlandgeschichle. Don V. Paul Kaiser. citalbdnick verb-ten.) Dir Kikchoogt hatte ein lanzgestreckiks, einstöckiges Haus. In der Mitte war die Thür. Auf 'der einen Seite war Vas ge räumige Gastzimmer, auf der anderen lag eine große Stube, welcht Küche, Schlafroum und Arbeitszimmer zugleich war. In Leiden Zimmern liefen an den Wänden lange Bänke herum. Da- Gastzimmer war ziemlich voll. Drei Ehrenbaucrn aus verschieornen Gevrrgsdörfern saßen an einem Tische und tranken Kaffee. Ein alter Lappe lag langgestreckt airf dem Fußboden unter der Bank und schlief, da- Ränzrl unter dem Kopf. Ein Lfunghalsbewohner saß am Htrde und stopfte sich norwegischen Tabak, den er Mit den Fingern etwa» zerkleinert hatte, in eine eiserne Tabakpfeife; dann rauchte er mit großem Wohlbehagen, loiihrend er seinen schwarzen Rock, ohne eS zu wissen, an die frischgetünchte Wand anlehnte. In einer Ecke de» Zimmer-, den Rücken dem Gingang zuge- wendrt, saßen zwei junge Lappmädchen, sie sahen einer Hündin zu, welche In dem Winkel auf einem Renrrlhierfrll mkt ihren Jungen spielte. Die eine war etwa- städtischer gekleidet, als dir andere, aber man sah deutlich, daß fie ihre Herkunft nicht ver bargen wollte. Sie trug die hohe Lappmütze und hielt sich ganz zu ihrer lappischen Begleiterin. Der alte Päl Jonasson war heiterer, al» er in ganz nüchternem Zustande zu sein pflegte. Er sprang und sag dotbcki die aste Lappweise: „Jag sättige Lappmann" u. s. w. Ich armer Lappmvnn wohne In de» Norden- bergiger Zone, Um cnrf den steinigen Haiden Die Rennthierheerde zu weiden. Er machte den Zuschauern offenbar diel Vergnügen. Auch hie beiden Mädchen lächelten, aber sie schämten sich dabei etwas ihres angetrunkenen Landsmannes und sahen immer wieder in den Winkel. Jetzt that sich die Thür auf und Jakko trat ein. Aber kaum war die Thür geschloffen, als sie aufs Nene ziemlich luftig auf- gerissen wurde. Hinter Jakko tam Fynvig, in sein vunkelblaues Eostüm gekleidet, das blanke Knöpfe hatte. Jonasson erschrak bei seinem Kommen, brach plötzlich seine Vorstellungen ab, nahm die Mütze ab und karierte sich an der Herokanlr nieder neben dem LsUNgvalSbcwohner. Aber nicht ihm, sondern Jvklo galt Fyn- dig's Kommen. Fyndig trat jetzt an den von Jonasson verlassenen Platz, daß Alle auf ihn aufmerksam werden mußten. Dann zog er ein Papier heraus, das J'atko'S Unterschrift trug. Es war ein Revers, lautens auf dreihundert Kronen, den ihm Jakko aus gestellt hatte. Vor etwa vier Jahren toar es gewesen. Jakko mußte davon nichts. Er lzatte offenbar das Papier an jenem Tage unterschrieben, den er so gerne aus seinem Leben ausgelöscht lsiitte, und der ihn damals in oie Ferne trieb. Auf dem Papier stand, daß er sich verpflichte, an Fyndig diese Schuld zu zahlen, sobald er im Stande fein werde, eS zu thun. Das las Fyndig laut vor. Dann fragte er: „Wißt Ihr nicht Alle, daß er Rennthierbesitzer ist? Dieser Gauner!" Es antwortete Keiner. Jetzt rief Fyndig mit dröhnender Stimm« unter die Ver sammelten: „Wißt Ihr wirklich oas nicht?" Da antwortete Päl Jonasson ziemlich kleinlaut und ängst lich: »La." , „Komm dann mit, eS mir schriftlich zu bezeugen." Jakko kämpfte innerlich. Dieser Erzschurkc nennt ihn vor Allen einen Betrüger. Ein Bär >im Fangeisen kann nicht tiefer grollen. Aber hatte er nicht die Arme und Berne frei, und trug er in ilmen nicht sein« ganze ManneSkraft? Auf sprang er und erreicht« Fyndig noch, ehe dieser das Gast zimmer verlassen hatte. „Nieder mit Dir, Du Schurke! Nieder! Du hast eS hundert Mal verdient um unS, daß Du keinen Schritt weiter durch Dein sündhaftes, schändlich«» Leben thust!" Jakko hatte nichts, seinen Todfeind niederzuschmettern, al- seine Faust, feine eiserne Faust. Jetzt wand sich Fyndig zu seinen Füßen. Der Kirchvogt war hereingestürzt. Der entstanden« Tumult hcrtt« auch Andere veranlaßt, heeeinzutreten. Man trennte Jakko von seinem Feinde. Andere trugen Fyndig auf die Bank an der Wand. Schwere Verletzungen Hot er nicht dadongetragen. Er stöhnt zwar, aber er droht. Wenn er noch drohen kann, dann ist ganz gewiß noch fein« ganze, häßliche, schwarze Seele in ihm. Das beruhigt Manche. Um so besorgter ist man um Jakko. Jetzt tritt die Ordnungsmacht ves Ortes herein. Tie wollen Jakto abführen, als den Unruhestifter. Da erst fällt zufällig Jcttto's Blick auf daS eine der beiden Mädchen, das den ganzen Voisall ängstlichen Blickes verfolgt hat und sich durch die um stehenden Männer oordrängt. „Jakko!" spricht sie, uns will ihm ihre Hand hinstrecken. „Nanna!" ruft er. Ja, daS war sie! Sie, die er so ost in seinen Träumen und holdesten Einbildungen geschaut haitc. Die er einst gerettet, und mit der er nur ein paar Stunden seines Lebens zusammen gewesen war, das war Nanna, Ginar's Tochter, nur noch herrlicher war sie geworden. Sie slairo wirk lich vor ihm, und da» jetzt, unter diesen Umständen! Er sah sie wie einen Engel erscheinen und wäre ihr crm liebsten zu Füßen gefallen. „Du hier?" kam es über seine Lippen. Aber jetzt trennt man die Beioen. Draußen halte sich der Himmel umwölkt. Von Süden kam es hrrangezogrn über den St-orsee, dunkel, schwarz. Die schweren Wolken waren ans der Luntdörshödle liegen geblieben, von wo man Thors Wagenräder rollen hörte. Mächtige Donnerschläge dröhnten über das Thal. Die Nalur da draußen, die Wolken Häupter, die sich drohend erhoben hatten, waren schön, auch jetzt in ihrem Zorne. Die Blitze, welche den Himmel zu theilen schienen, die mit Schleiern umhüllten Felsen, von denen eS spritzt und raucht, der brausende Els, welcher eine noch lautere Stimme all» vorher hat und mit dem Donner zu wetteifern scheint, zu beiden Seiten der Lanozunge drr aufgeregte See, den der Sturm aufwühlte, und dessen Wogen an den felsigen Strand schlugen — das Alles hätte sonst wohl die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber im vollgepfropften Gastzimmer de» Kirch vogt», wo man Fyndig die Schläfe mit Wasser kühlte, nachdem man ihm daS blaue bostüm mit den blanken Knöpfen auSgezoyen, hatte man dafür nicht Auge und Sinn. Leicht gerührt ist de» Nordländer» Herz. Fyndig war der Feind der Meisten, die dort um ihn beschäftigt waren. Sie thaten ihm jetzt dennoch Samariterdirnste, al» ob er ihr bester Freund wäre. ES war nicht leicht, auf den ganz durchnäßten, schlüpfrigen Wegen den Rückweg anzutreten. Päl Jonasson, der nun ohne Jakko heimkchrt«, war da» Herz schwer. Hatte er Schuko, daß Alles so gekommen? Hatte er seinen Freund Jakko nicht ver- rathen? War auch Jakko jetzt weniger beliebt, als vor Jahren, wo er noch nicht Moralpredigten zu halten pflegte, so war Fyndig doch al» Betrüger genugsam bekannt. Da» stand Allen fest, daß Fyndig sich nicht mit der Straf«, die der Ort-richter Jakko zu messen würde, den paar Tagen Arrest, begnügen, sondern noch schrecklichere Rache an ihm nehmen würde. Einen anderen Weg hatten Einar Jonsson mit Nanna und seinem Freunde Sakris, der von den OvikSalpen gekommen war, eingeschtagen. Neben Nanna ging Sakris' Mago, das andere Lappmädchen, das wir in des Kirchvogts Gastzimmer trafen. Alle vier waren Hochzeilszäste in Storsjö gewesen. Jetzt hatte SakriS Einar und seine Tochter eingeladen, ihm nach Tiärn vallen zu folgen. Nanna, tvelche ihm erzählt hatte, daß Jakko dec Retter ihres Ledens sei, hatte er versprochen, daß einer seiner Knechte ihm alsbald Nachricht über Jakko nach Tjärnvallrn bringen werde. Da hatte Nanna dem Vater zugesprochen, die Einladung dorthin anzunehmcn. Es war nach dem Gewitter eine köstliche Stille. Es prangte Alles auf dem Wege in frischerem Glanze. Die Laubbäume hotten ein volleres Grün bekommen. Die weißen BirkrnstLmme smimmerten noch Heller durch vir dunklen Tannen, mit denen sie zusammenstanden. Die Sonne schien wieder uns goß ihr Goto über Fels und See, über die weißen Bergzüge und Gletscher und über sie braune Haide mit dem Haidekraut und den Zwerg virken unv dem Moos. Von der Erd« stieg «in erquickender Wohlgeruch. Eine Meise fll>g über den Weg des Wanderers, indem sie rhr Tä-kä-tä anstimmte. Aber man hörte dat nicht gerne. Das bedeute gewöhnlich Unglück, sagte Sakris. Ter Weg war lang, und oft mußten die Uebrigen auf Sinar Jonsson warten. Erft gegen 2 Uhr Nachts kamen sie zum Lcpplager in Tjärnvallrn. Die Nacht war ganz hell, die Sonne leuchtete, als Einar in das erste beste Zelt kroch, um zu schlafen, und die Anderen alsbald hier und da untergebracht wurden. Nach drei Tagen bangen Wartens sah Nanna den Knecht Sakris' auf die Schneefelder zustruern. Aber «r war nicht allein Ist er » wirklich? Jakko ist's. Man war in Storsjö nicht der Meinung gewesen, daß Jakto's Schuld eine so große wäre. Man kannte Fyndig und hatte mancherlei mildernd« Umstände ge sunden. So kam es, daß man Iakko nach zwei Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt hatte. Jakko lzatte von Sakris' Knechte gehört, daß Einar Jonsson und seine Tochter als Gäste in Tjärnvallen sich aufhirltrn. Sollte er nun nicht Nanna aufsuchen? Und wenn sein ganzes Herz ei« deutliche» Ja auf dies« Frage antwortete, so mußte er die Gegenfrage an sich richten, ob er denn nach dem Vorfall in Storsjö vor sie und ihren Vater hiittreten könnte. Aus Storsjvs Gefängniß zu ihr! Das Ja war stärker, als da- Nein ge wesen. Die kurze Begegnung im Gastzimmer de» Kirchvogts hatte ihm gesagt, daß Nanna seiner gedachte. Er war ko kühn gewesen, anzunebmen, daß stein der Zwischenzeit sogar ost sttner gedacht haben könnt«. Alnr ob sie so diel an ihn dachte, wie er an
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite