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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991127019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-27
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Größere Schriften laut unserem Preis» vrrzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»AuSgabe, ohne Posibesörderuug 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vonnsttag» 40 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sxpeöitio« zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. «03. Montag den 27. November 1899. 93. Jahrgang. Coloniale Wünsche und Winke. -L>- Eine Reihe erfreulicher Thatsachen lenkt gegenwärtig daS Interesse immer mehr sich erweiternder Kreise in Deutschland auf den deutschen Kolonialbesitz in der fernen Südsee, einmal die Uebernahme der deutschen Landeshoheit über das bisherige Schutzgebiet der privaten Neu-Guinca-Gesellschaft, dann die El' Werbung der Karolinen, Marianen und Palaoinseln uisd endlich der deutsch-englisch-amerilanischr Samoa-Vertrag, welcher die Hauptinsel des Samoa-Archipels dem deutschen Kolonialreiche endlich und endgiltig angliedert. So haben wir in der Südsee eine große, in sich geschlossene Interessensphäre geschaffen, deren Theile sowohl als ganz besonders ihre Einheit, als wirthschaft- liches Ganze, dem Vaterlande Marksteine auf dem Wege zu großer weltpolitischer Entwickelung sein werden. Um aber jene Inselwelt tatsächlich zu einem der wesentlichsten Stützpunkte des Deutschthums im fernen Südosten der Erde werden zu lassen, bedarf es der Kenntniß der wirthschaftlichen und sonstigen Verhältnisse der in Betracht kommenden Inseln und ihrer Ausbeute nach allen Richtungen menschlicher Thätigkeit. Daß auf diesem Gebiete noch unverhältnißmäßig wenig Positives geschaffen ist, muß leider zugestanden werden. Um so dankbarer aber nehmen wir jeden Rath erfahrener Kenner unserer Colonien an, die berufen sind, uns gangbare Wege zu zeigen und zu ebnen. Zu ihnen zählen wir H a n s B l u m , der rm Dienste der Neu- Guinea-Eompagnie als Pflanzer und Expeditionschef auf den Inseln der Südsee eine umfassende Thätigkeit entfaltet und sich das Schutzgebiet nach allen Richtungen hin gründlich angesehen hat. Leider sah er sich krankheitshalber genöthigt, in die Heimath zurückzukehren, aber wir verdanken der unfreiwilligen Muße des geistvollen, feingebildeten Leutnants a. D. eine großangelegte, namentlich für den Geographen, Ethnologen und in erster Linie für den Volkswirthschaftler höchst instruktive Arbeit: „Neu-Guineaundder Bismarck-Archipel", die, getragen von jugendfrifcher Begeisterung für das „größere Deutschland" und warm für eine imponirende maritime Macht entfaltung des Reiches eintretend, eine Fülle von Anregung und Belehrung birgt.*) Der temperamentvolle Verfasser führt u. A. auS: Die Forschungsarbeit großen Stile» muß unter allen Um ständen von Fachleuten — worunter nicht Forschungsrcisende modernster Gattung zu verstehen sind — geleitet und geleistet werden, und wird um so ersprießlicher sein, je vielseitiger wissen schaftlich gebildet die Theilnchmer solcher Expeditionen sind; als Vertreter der Sonderwissenschaften kommen in erster Linie Geo logen und Botaniker in Betracht; die Mitnahme eines Arztes ist nicht nur aus gesundheitlichen Rücksichten geboten, sie entspricht *) DaS 225 Seiten umfassende Buch, das reich illustrirt ist und zahlreiche^wirthschaflliche ttebersichiStabellen, sowie eine geographischü-Specialkarte enthält, ist soeben in dem rührigen Verlag von Schönfeld L Co. in Berlin crjchienen. I auch einem wesentlichen wissenschaftlichen Bedürfniß, da der I Mediciner am ehesten zu anthropologischen und ethnologischen Studien befähigt ist. Wenn Kohlstock in seiner „Tropenhygleine" den Arzt als integrirenden Bestandtheil jeder tropischen Ex pedition fordert, so hat er nicht nur vom medicinischen Stand punkte, sondern auch vom wissenschaftlich-wirthschaftlichen Stand punkte aus Recht, und die in unseren sämmtlichen Schutzgebieten geübte Geringschätzung des Arztes zeugt von Mangel an Ver- ständniß für praktische und wirthschaftliche Fragen. Hans Blum, der in Bezug auf die medicinische Thätigkeit des ArztcS u. A. sehr richtig sagt: „Die Grenzen der Lues, der Lepra, oer Pocken und anderer Geißeln der Menschheit sind auf den Südseeinseln noch keineswegs genügend festgestellt, und die Tropenhygteine Neu-Guineas z. B. mit ihrem reichhaltigen Contingent an Malaria, Dysenterie, seltsamen Hautkrankheiten u. s. w. wartet noch der ersten, wirklich systematischen, mit modernen Mitteln ausgerüsteten ärztlichen Untersuchung", möchte den Aerzten und Technikern in den Colonien an kleinen Vorposten auch die mili tärische und richterliche Autorität anvertraut wissen. Besonderen Nachdruck legt der Verfasser auf die Entsendung von eigens zu diesem Zwecke vorgebildeten WirthschaftS- Politikern. Kein Zweig der Wissenschaft, führt er aus, hat solche Bedeutung für unser praktisches Wirthschaftsleben, wie die Nationalökonomie, und diese jetzt im Brennpunkte des allgemeinen Interesses stehende Wissenschaft wird in den Tamuldörfern Neu- Guineas manche Leuchte auf dem finsteren Pfade zu den Ur zuständen menschlichen Wirthsckaftslebens finden, deren Kenntniß für die Psychologie, die Sociologie und die Oekonomie von weit gehender Bedeutung ist. De--Weiteren plaidirt dec Verfasser energisch für eine Meeres- und K ü st e n v c r m e s su n g in den Regionen unseres ColonialbesitzeS. Während die Engländer hierfür schon seit den siebziger Jahren bedeutende Mittel aufgewendet haben, muß in der deutschen, nunmehr wiederum vergrößerten Südseeinteressen sphäre ein kleines Schiffchen dem Vermessungsdienste genügen, kann aber, selbst bei aller Energie von Officieren und Mann schaften, deren Dienst dort draußen wahrhaftig kein leichter ist, nicht einmal die nothwendigsten Aufgaben erfüllen. Da das Verständniß für die Nothwendigkeit einer großen stolzen Flotte er freulicher Werse in immer weitere Boltskreise dringt, so darf man mit Blum hoffen, daß in wenigen Jahren auch für die deutsch: Südsee ein Scherflein vom Marinehaushalt abfallen wird, damit die Hydrographie besser berücksichtigt werden kann als bisher. Der regere Schiffsverkehr wird die vielen zerstreut liegenden Inseln von selbst zugänglicher machen und so auch dem Forscher näher rücken. Die Einrichtung von ständigen wissenschaftlichen Stationen liegt bei unserem gegenwärtigen colonialen Bud get wohl noch in weitem Fekde. Möchte wenigsten? ein Theil der Einzelforschung unterdessen durch die wenigen Laien geleistet werden, .die sich an-freien Stücken und aus Liebhaberei dem einen oder anderen Zweige wissenschaftlicher Forschung widmen. Leider sind — der Verfasser «xemplificirt wieder auf Neu- Cuinea — die von den ersten Fachleuten zusammengestellten gemeinverständlichen Bücher gerade Denen, für die sie geschrieben sind, nicht oder' nur flüchtig bekannt, man weiß an Ort und Stelle kaum von ihrem Dasein. Das ist um so schlimmer, als die erschlaffende Tropensonne dringend eines Gegengiftes bedarf, damit sie den Menschen nicht ganz zum trägen Gabelgestell macht. Um ferner Laien arbeit auf wissenschaftlichem Gebiete in den Tropen nur einiger maßen fruchtbar zu gestalten, ist die stete Anregung durch einen interessanten wechselseitigen Austausch des Erlebten und Er forschten nöthig, womöglich die Anleitung durch einen vielseitig gebildeten Mann in leitender Stellung. Dahin ist aber noch ein weiter Weg. Vielleicht, daß sich wenigstens einiges Interesse der Laien für wissenschaftliche Arbeit dadurch erwecken läßt, daß für Leistungen solcher Art Prämien ausgesetzt werden. Außerdem kann aber ein großer Theil wissenschaftlicher Laien arbeit durch Verwaltungsmaßregeln in eine dienstliche „Zwangs jacke" gekleidet werden, so vornehmlich alle meteorologischen Messungen; das Studium mindestens einer Eingeborenensprache, nach dom Muster des orientalischen Seminars, müßte für jeden Beamten ohne Unterschied zur Pflicht gemacht und Jedem Ge legenheit gegeben werden, in bestimmten Zeiträumen «inen örtlich begrenzten Ausflug zu unternehmen, über den nach vor geschriebener Anleitung Bericht zu erstatten wäre. Ausflüge der Polizeitruppe, die Ausbildung derselben im Buschmarsch- und Gefechtsdienst geben willkommene Gelegenheit zu solcher Auf klärungsarbeit im Kleinen. Desgleichen können Landmesser, die ohnehin von Nöthen sind, in diesem Sinne wirken. Vor Allem aber gehören, wenn einmal Iuristen nicht ent behrt werden können, solche dort hinaus, die die Amtsstuben als ein nothwendiges Uebel ansehen und den Schwerpunkt ihrer Thätigkeit darauf legen, in de» Eingeöorenendörfern umher- zuziehen, Weisheit zu spenden und Weisheit zu — sammeln. Auch das Letztere thut Noth. Geschrieben« Paragraphen schafft das eintretende Bedürfniß von selbst. Jeder weiß, daß Eigen schaften, wie sie Leute besitzen müssen, die solcher Art in einem uncultibirten Lande wirken sollen, nur wenigen Individuen an haften, und am wenigsten den Berufen, aus denen sich bisher unsere Colonialbeamten ergänzten; unter ihnen gebührt zweifel los dem Officier erfahrungsgemäß immer noch der Vorzug, so lange wir eines Stockes specifischer Colomalpraktiker er mangeln. Einzelne Missionare haben sich Verdienste um die Wissenschaft, vor Allem um die Sprachforschung und die Unter suchung der Eingeborenen-Gebräuche, -Gesetze und -Sagen er worben, allein trotz allen Eifers bleibt diese Laienarbeit doch nur Stückwerk, sie entbehrt der leitenden wissenschaftlichen Gesichts punkte und vermag keine festen Ziele zu erfassen; Beides ist der gediegenen Forschung unentbehrlich; deshalb müssen Männer der Wissenschaft dort hinaus, wo die Wissenschaft ihrer harrt. l HanS Blum schließt: Auf den meerumrauschten Gestaden im ! fernen Südosten der Erde, wo, unter den Palmen hervorlugend. das schwarz-weiß-rothe Banner die vorbeiziehenden Schiffe grüßt, gesellt sich dem „rein idealen" Zwecke der Wissenschast eine Reihe von wirthschastlich mindestens ebenso bedeutenden Zielen. Um so -Her darf man hoffen, daß die Lenker des deutschen Reiches den Segen wissenschaftlicher Forschung auch dem fernen Tochter lande zu Theil werden lassen, auf daß es ein Born des Reich- thums für die deutsche Heimath und zugleich eine Quelle der Be lehrung für die ganze Menschheit werde. Liam, Land und Leute. Vortrag des Herrn Consrrl Ernst von Hesse- Wartegg rm Kaufmännischen Verein. Kein Gebiet des Erdballs steht heute so sehr im Vordergründe der allgemeinen Aufmerksamkeit wie Ostäsien. Der Krieg zwischen den beiden ostasiatischrn Großmächten China und Japan hat in diesen Reichen heftige Erschütterungen hervor gerufen, die selbst in der abendländischen Welt lebhaft empfunden werden. Das große chinesische Reich wird endlich aus seiner tausendjährigen Eultur ousgerüttelt und der Erschließung durch Europa entgegengrführt; Japan hat einen weiteren Schritt vor wärts gethan in seiner hochinteressanten Umivandlung zu einem modernen Reich mit abendländischer Cultur, und droht ein gefahr voller Rivale auf den ostvsiwtrschen Märkten zu werden; Ruß land tritt durch die Besiedelung Ostsibiriens und den Bau der transsibirischen Eisenbahn als neue gebietende Macht in Ostasien auf; das alte ohnmächtige Korea wird wie ein Spielball zwischen den drei Großmächten umhergeworfen, um schließlich wohl dem bleibenden Einfluß Rußlands zu verfallen. Durch diese Umwälzungen im fernen Osten werden auch die Beziehungen Europas mit jenen Ländern in andere Bahnen ge lenkt, der europäischen Industrie werden neue, trotz des japani schen Wettbewerbs, sich immer mehr erweiternde Absatzgebiete erschlossen, und die abendländischen Großmächte wetteifern mit einander in dem Bestreben, sich daran den größtmöglichen An- theil zu sichern. Gegenüber diesen Ereignissen ist das letzte noch unabhängige Reich des fernen Ostens, Siam, in den Hintergrund getreten. Mit großem Unrecht, denn das deutsche Reich besitzt auch dort große und berechtigte Handelsinteressen,welche bei dem natürlichen Reichthum Siams noch bedeutender Steigerung fähig sind, und zu den Reichen, welche wie das chinesische Reich und Niederländisch- Indien Absatzgebiete für den deutschen Handel bilden, gehört auch das hochinteressante Reich des weißen Elephanten, Siam. Gelegentlich seiner letzten Reise um die Welt hat Herr Consul Ern st von Hesse-Wartegg auch Siam be sucht. Durch seine Beziehungen zu allen Kreisen der dortigen Bevölkerung, sowie dank der Zuvorkommenheit des Der Cotta'säie Musenalmanach für das Jahr 19ÜV. Wiederum hat sich der zierliche Stammgast unserer Weihnachtstische, der „Cotta'sche Musenalmanach" (Stuttgart 1900, I. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger) eingestellt, unter der Aegide des Herrn Otto Braun, des fleißigen und gewissenhaften Herausgeber-. Der Musenalmanach vertritt in neuer Gestalt die frühere Taschenbuchliteratur, die zur Zeit, als die von BrockhauS herauSgegebene „Urania" auf allen Toilettentischen lag, rin Sammelpunkt auch vor nehmer poetischer Bestrebungen war. Dichter wie Tieck und Eichendorff lieferten Beiträge zur .Urania". Allerdings überwog da- Novellistische, während der neue Musen almanach in erster Linie die Lhrik pflegt. Und da- halte» wir für ein großes Verdienst in der heutigen Zeit, wo so viele auf den Markt geworfene Gedichtsammlungen auch anerkennenSwerther Talente in den Fächern der Sortimenter vermodern. Und dies gilt auch von der Lyrik der Jüngsten, so sehr sie in einzelnen kritischen Organen angeprieseo wird; auck> die kecksten, ost parodistischen salü mortslv einzelner lyrischer Vortänzer können nur eine vorübergehende Auf merksamkeit erregen und verschaffen diesen Gedichten keinen Platz in den HauSbibliotbeken. Viele ältere Dichter treten aber nicht mit neuen Sammlungen hervor; ihr« Muse ist indeß nicht verstummt; sie bringt auch oft diese- oder jene- JabreSkind hervor, für wtlche- der Musenalmanach ein willkommene- Asyl bietet. Wie alle Jahrgänge wird auch der neueste mit Er zählungen in Prosa eröffnet; die erste ist ernst und hat einen tragischen AuSgang; die zweite ist rin heiteres, humoristisches „Capriccio". Die -Llator äolorosa" twn Frau H. Keller- Jordan. einer besonders durch ihre mexikanischen Novellen und Rrisebilder bekannten Schriftstellerin, bat zur Heldin eine Mutter, die, nachdem sie Wittwe geworden, nur noch kür ihren Sohn lebt, und als sie einen Künstler, der ihr früher in Rom begegnet war und mit ihr schöne Tag« noch vor ihrer ersten Ebe verlebt hat, wicderfindet und dieser ihr Herz und Hand anträgt, so weist sie ibn aus Liebe zu ihrem Sohn, dem sie allein angehören will, zurück. Doch die Begegnungen mit dem Jugendfreund haben dem Klatsch Nahrung gegeben; ihr Sohn schlägt sich um ihretwillen mit einem jungen Verleumder und fällt al- ein Opfer seiner SohneSliebe. DaS ist eine tragische Ironie de« Schicksal-, welche die Schlußbeleuchtung zu dieser ..mator äolvroaa" beraiebt. Desto heiterer ist die Erzählung .Da stumme Clavler* von Ernst Müllenbach; die graziös» Schalkhaftigkeit dieses Autor- macht einen überaus gewinnen den Eindruck. Der Professor hat eine andächtige Zuhörerin in seinem Collegium, die seine Thetlnahme und bei einer gelegentlichen Begegnung sein« Neigung erregt. Er sucht sie überall; da- komische ist nun, daß er mit ihr zu sammen, ohne e« zu Wissen, in derselben Pension wohnt. Er duldet, um in seinen Studien nicht gestört zu werden, kein Clavierspiel in seiner Nähe, und um in der Pension davor gesichert zu sein, mietbet er selbst da- einzige darin befindliche Clavier, daS er in seinem Zimmer aufstellen läßt, aber streng abschließt. eS bleibt dort ein stummes Clavier. E- gehört aber eben dieser Zuhörerin, die natürlich zuletzt seine Braut wird — eine allerliebste, mit den lustigsten Arabesken auSgeschmückke Geschichte. Die zweite Abtheilung, welche Dichtungen in metrischer Form bringt, beginnt mit zwei eigenartigen GcdicktScyklen: „HanS Habenichts" vom Prinzen Emil von Schönaich-Carolath und der.Gast der Einsamkeit" von HanS Hau-bofer. Prinz Carolath schlägt «inen trru- berzig-volk-thümlichen Ton an in der Darstellung dieser Abenteuerfahrten und Heldeuthatrn deS Ritter» HanS Habe- Nicht», einen Ton, der von der sonstigen modernen, oft elegisch klagenden, oft weltschmerzlichen Tonweis« de» begabten Dichter» wesentlich absticht; doch dies« mittelalterliche Naivetät hat etwa- sehr Ansprechende-, und nirgend- fällt der Dichter au» ihn herau-. Der «Gast der Einsamkeit" ist eine hochpoetische Alpenwauderung, in welcher die land schaftliche Schilderung mit dem Sagenhaften und Allegorischen glücklich verschmolzen ist. Und zwar ist die Führerin de- DichterS keine nüchterne allegorische Figur mit den landes üblichen Attributen; es ist eine poetische Gestalt, wie jene Beatrice, welche den slorentinischen Dichter durch Hölle und Himmel führte: Sin Licht in seiner weißen Hand Kommt durch di« Stube mitten, Den Geisterblick auf mich gewandt, Ein seltsam Weib geschritten. Sie iprach: Du bist l» meine» Lana Au- freiem Wille« gegangen; Nun sollst du nimmer, du fremder Mana, «u- diesem Bann gelangen. Ich weihe den Man», der mich versteht, Und der sich mir ergeben. Wenn Alle- um ihn in Trümmer geht, Ich geb' ihm in»««- Leben. Der Dichter Max Haushofer ist noch immer nicht nach Gebühr gewürdigt, er hat viel Schöne- geschaffen, da- unserin Literarhistorikern entgangen ist. Die beiden folgenden Dichtungen: „Gotte- Tochter" von Albert Matthäi und .Sylvesternacht" von Martin Beerel sind in reimlosen, fünffüßigen blano-ver8 gehalten. Di« erste schildert un« einen in Alexandria lebenden, dem Stamm« Inda entspross«»«» Denker, der sich in die Wei-beit Plato'» vertieft und den ergrimmten Anklägern, den jüdischen Sendboten und de» christlichen Mönchen, srioen eigenen Glauben an die Sophia, die Tochter Gotte», entgegenkält, die ihn beseligt, wenn er seinen Plato studirt und welcher er ein b«geist«rteS Loblied singt in Aufzeichnungen, di» nach s«iu»m Tod« zu Tag« komm««: d«nn «r stirbt »in»» aewaltsawen Tod, von fana tische» Juden und Christen gesteinigt. Der Grundgedanke der Dichtung ist nicht ohne Originalität. D«r H«ld d«r .Eylvesternacht' richtet am JatzreSsckluß -in AutodafS an, doch er verschont »in Bündel Dries«. Eß sind di« erst«« Liebe-brirfe seiner spätere« Frau, die ihm untreu geworden und einen grausen Tod gestorben ist; endlich entschließt er sich auch diese zu vernichten, den Kampf de- Lebens muthig weiter zu kämpfen. Und in der Arbeit, in deS Ringen- Glück Such' den Ersatz für daS, wo- du verlorst — eine gewiß zu billigende Tendenz. Albert Möser besingt in den Gedickten die „Lady Cecil Rickmond", welcher der Braunschweiger Herzog bei einem Ballfcst in Brüssel huldigt, von dem er abberufen wird zum Kampf gegen den heranrückenden Imperator. Er fällt bei Ouatre-BarS. Am 14. Juni 1815 wird er in Brüssel be erdigt: Lady Richmond steht am Fenster Und in Thränen schwimmt ihr Auge, Der sie gestern froh umfangen, Kalt und leblo» liegt er heut«. Da- dritte Gedicht aber schildert da- Leichenbegänaniß der Lady Richmond selbst 1895, denn die Dame batte ein Alter von 96 Jahren erreicht. Die Ballade „Ein Schwabenritt" von Heinrich Vierordt trifft den kurz angebundenen Ton soldatischer Bravour; der treue Gumbillo von Vierordt ist ein rührend Lied von treuer Anhänglichkeit. Die .Macht der Musik", die sich nicht dlo» an Menschenseelen bewährt, sondern auch an syrischen Kamrele», besingt Georg Scherer. .Die beiden Selbstmörder" von Ernst Eckstein ist eine düstere Ballade, desto heiterer, wir möchten sagen sonnig heiter, sein .FrühlingSmoraen", der in reimlosen Trochäen Lenz und Liebe stiert. .Der Gesang der Circe" von Bernhard Hofmann lehnt sich ganz an die Uebrrlieferungen der Odyssee an; er ist in sapbischrn Strophen gedichtet. Den Reigen der lyrischen Dichter eröffnet ein Senior deutscher Lyrik, Hermann Lingg, mit einigen ernst gemeinten und tief gedachten, aber in der Form etwa» spröden und ungelenke» Gedichten. Er feiert die elektrische Krast, die größte Errungenschaft der Gegenwart und in dem Gedicht .Verschüttet" die Arbeit der Bergmänner, welche die Verunglückten herauSgrabeu aus der Tiefe. In einer Fest- Hymne besingt er die Arbeit-maschinenauSstellung, ein poetischer vr. tng, wobei er allerlei Technologische- in Poesie umzu sitzen sucht. DaS „canoon saooularo - Lingg'S verherrlicht di« geistigen Thaten und Entdeckungen der Neuzeit und gilbt in ouos einen »«schicht-philosophischen Ueberblick üb«r die Weltaller. Auch Albert Mörser hat ein carmen saecu- lare in woblgefügten Terzinen gedichtet: .DaS neue Jahr- hundrrt". Doch er schwrlgt nicht in künftigen Gesichten; da- Hrhr« und Große des sitzt scheidenden SäculumS steigt vor seinen Blicken auf: Reich war» au Männern und an Rubmeöthalen Und Mutier edler Denker, edler Dichter, Der Zukunft steht er mit Zweifeln gegenüber: Mr weiß, ab sie »och «»et de« Geiste« Güter. Llelletcht erfaßt «errobung Oln« nnd Geel«», Und für da» Sch-ne fiabe» sich «et» Hü«». Ein anderer Veteran, der über Lingg'« Alter noch hinan ist, Wilhelm Ja» da», versetzt seine wuchtigen Hiebe dru literarischen Zeitverlrrungrn Er geißelt die banalen Stich- wörtir, mit den«n di« Jüngsten um sich werfen. Zu 'diesen gehört besonder« da« Epigonrnthum. Nachdem Julius Grosse an- k« ankämpstti. V die Führer der Bewegung aus diesem Princip genug sam herumgeritten, muß der müde Gaul dann da« jour- nalistiscke Tretrad der ckeorum minornm gentium treiben, welche sich wundergroß dünken, wenn sie mit diesem Stich wort wie mit einem Fußtritt nicht zur Clique acbörige Talente au« dem Wege geschleudert haben. DaS in Wilhelm Jordan'« gewohntem Lapidarstil geschriebene Gedicht hat den Titel: .Epigon und Dekadent" und schließt mit den mar kigen Strophen: Bis zum Matzen sind von Dünkel diese Buben angeschwollen, Laßt sie noch di« letzte Neige deS Jahrhunderts wüst durchtollen, Niederschrein Homer und Dante, Goethe'» und der Dichtergranden Treue Jünger. Auch ter Unfug ist in Kurzem überstanden. Lächle denn zum Aberglauben, daß dich die Benennung höhne, Die vor Tbeben einst erkämpfte» tapfrer Helden tapfre Söhne. Lob in Wahrheit ist der Tadel dieser Schüler ohne Schule, Nur ein Epigon von Meistern steigt empor zum Meisterstnhlc. Schwunghaft ist Heinrich Bulthaupt'S Prolog zur Goethefeier der Leipziger Studenten, zart hingehaucht die kleinen Gedichte von Martin Greif, sehr ansprechend die Gedichte von Adolf Berk, „Siegender Lenz", „Worte", „Vorfrühling": Fege'nun von Busch und Baum, Kecker Wind, die letzten Reste! Schass' dem jungen F-ibling Raum Für die neuen Blüthenfeste! Wohl gedenk' ich alter Pracht, Doch Verwelkte« muß verweben: Fege, Wind, bei Tag und Nacht, Laß mich neuen Frühling sehen. Stimmungsvoll ist „Lautlose Nacht" von Wilhelm Hertz, gedankenreich sind die Gedichte von Isolde Kurz, sehr hübsck diejenigen von Juliu« Rodenderg. Ge harnischte Sonette unter ^dem Titel „Harmlose Sonette" bat Jnliu« Haarbau« beigesteuert: „der volkSthümliche Dichter", „der Gocthcforscker", „der Mäcen", satyrisch beleuchtete Genrebilder in der geschlossenen Form des italienischen VierzehnzeilcrS. DaS vierte „Kunst-EothusiaSmuS", knüpft an ein Leipziger Erlcbniß an; Alles wogt und fluthet nach der Alberthall«: Siebt Haase nochmal« eine AbschlebSfeier? Will Abelina wieder coneertiren, Di» neulich trug den dritten Hochzettsschleier? Du fragst mich, Freund- Da« nenn' ich sich blamtrin. Ter Karrengaul deS MöbelfuhrmannS Meyer Ward jüngst dressirt und soll heut debutiren. Schwunghaft und von patriotischem Geist beseelt ist da Gedicht „Deutsche Schiffe" von Max Hartung. Eduard Paulu«, Carl Woermann, Carl Wett- brecht, Ernst Mueklenbach und einige jünger« Dichter und Dichterinnen haben wirthvolle Gaben gespendet, Ernst Ziel, außer einigen stimmungsvollen Rrisedildern, welche krine-weg- versificirte Veduten sind, brhrrziaenSwerth« Reim sprüche, denen sich sinnig, Sprüche von Julius Grosse an schließen, die zum Theil an Altdeutsche- ankamvfen. Bilder von Fritz -Kitz, R. Püttaer, I. v. Pausinger, R. E. Kepler, Alfred Enk, und A. Zick -rretchen diesem auch sonst in jeder Hinsicht elegant auSaestatteten zehnte« Jahr-an- de- Cotta'- schen Musenalmanach» zur Zierde. Rudolf von Gottschall.
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