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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010107023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901010702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901010702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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EW^>»WWMMWWWWWWWWMWWWWWM' Abend-Ausgabe. MMcr TaMM Anzeiger. Ämtslikall des Höitigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Votizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die S gespaltene Petitzeile SS Reklame« unter d«m Redaction-strich (»gespalten) 7b vor den Familiennach- richte« (6 gespalten) KO Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühre» sür Nachweisung«., und Offertenannahmr LS S, (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderung tiO—, mit Postbesördrrung 7V.—. ^«nahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgab«: BormittagS Iv Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet ooa früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Polz tu Leipzig. Bezugs. 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Der Streit um die Eisenbahn Es kommt gegenwärtig nur eine Eisenbahn in Betracht: die Linie, die Peking mit dem Meere verbindet. Auf dieser Bahn erhalten die Verbündeten Truppen ihre Zufuhren, nachdem das Zufrieren deS Peibo den Wasserweg unbenutzbar gemacht bat. Da der Hafen von Taku ebenfalls zugesroren ist, so muß die Verbindung von Peking den Weg über Tongku naa> Sckanbackwan nehmen, in dessen Nabe der immer offene Ankerplatz Tsckingwantao liegt. Die Linie stellt also die einzige Verkehrsader der verbündeten Truppen dar. Selbstredend sind ihre Instand- Haltung, ihr Betriebsdienst und ihr Schutz Fragen von hoher Wichtigkeit. Tie Bahn selbst ist mit eng lischem Gelbe erbaut' die Chinesen haben sich zur Zah lung der Zinsen verpflichtet. Die Verwaltung war vor den Wirren cdincsisch, d. h. die Angestellten, in den oberen Stellen meist Engländer, waren Beamte der chinesischen Negierung. Nach AuSbruch der Wirren waren die Russen die ersten, die über Eisenbabluruppen verfügten. ES standen ihnen hier für die Ussuri - Eisenbahn - Compagnien zur Verfügung, deren Cbef, Oberst Keller, den Dienst auf der Ussurc- Babn geleitet hatte. Dank diesen vortrefflich einge arbeiteten Truppen konnte der Verkehr zwischen Tongku und Tientsin schon am 19. Juli eröffnet werden. Damals kamen aus englischem Lager nur Ausiufe des Erstaunens, daß die Russen russische Stationsbezeichnungen angebracht hätten I Nack dem Vormarsch der Nüssen unter General Zerpitzki auf Sckanhaikwan erfolgte durch Graf Waldersee die Uebergabe auch dieser Strecke (Tongku-Schanhaikwan) an die Russen (Armeebefehl vom 13. October), eine Entscheidung, die aus den einzigen hier möglichen Gesichtspunkten, nämlich rein militärischen, geschehen ist. Zn einer amtlichen Mittheilung der russischen Regierung vom 17. December wird diese Entwickelung in musterhaft sachlicher Weise vom militärischen Slandpunct auS dargelegt. Es heißt in dieser Mittheilung ferner: „Von dem Feidmarsckall Grafen Waldersee haben wir die Eisenbahn (Schanhaikwan- Tientsin-Iangtsun) in Verwaltung übernommen, nur zu seiner Beifügung können w.r sie auch wieder zurückgeben und selbstverständlich aus demselben Wege/ wie wir sie über nommen, das heißt laut Armeebefehl nach einem diesem Befehl vorhergehenden gegenseitigen Uebereinkommen über daß Außerkraflreten der gegenwärtigen Verständigung vom 13. Oktober. Wenn die russischen Truppen in der Provinz Tschili gemeinsam mit den übrigen verbündeten Truppen verblieben, so würden gar keine Zweifel obwalten, daß alle Bestrebungen der Engländer, die Eisenbahn in ihre Hände zu bekommen, sowohl von unserer Seite als auch vom Grafen Waldersee abgelehnt würden, und die Verwaltung der Babn verbliebe im Interesse aller verbündeten Truppen in unfern Händen. Anders gestaltet sich die Sache gegen wärtig, wo wir die Provinz Tschili von unfern Truppen räumen und außer geringen Wachtposten an einigen Punclen unS auf die Be.assung einer Garnison in Schandaikwan be schränken. Unter diesen Bedingungen ist die Beibehaltung deS Betriebes und besonder« de« Schutzes der Babn durch unsere Truppen durchaus nickt wünschenSwerth. Daher haben wir selbst den Grafen Waldersee ersucht, unS von der Verbind lichkeit deS Betriebes uud deS Schutzes der Babn bis Aanztsun, die unS durch Armeebefehl zuerkannt war, zu befreien. Wir haben bereits den Wunsch geäußert, daß die Uebergabe der Bahn durch un« nicht später al« am 13. Januar 1901 er- Montag den folge, doch liegt auch kein Hindrrniß vor, daß diese Ueber gabe noch vor diesem Tage statlfindet, falls Graf Waldersee dir« wünschen sollte.* Die russische Auffassung ist durch diese Mittheilung ausgedrückt. Aus einer Meldung der „Time«" vom 2. Januar geht hervor, daß die englische Regierung mit der Ueberyabe der Bahn (Danqtsun-Tientsin- Schanhaikwan) an die russische Ueberwackung ein verstanden war. Es ist nicht zu übersehen, daß in der russischen amtlichen Mittheilung nur von der Bahn gesprochen wird, die inner halb der Provinz Tschili liegt, aber nickt von der Verlängerung dieser Strecke über die Grenze von Tsckili hinaus (Sckanbaikwan-Niutsckwang). Diese letztere Strecke liegt außerhalb deS Befehlsbereiches de- Obercommandirenden; östlich der großen Mauer, an die Schandaikwan grenzt, beginnt die Mandschurei, wo nur russische Truppen, aber nickt als Conlingent der Ver bündeten gestanden haben und stehen. Nack den „Time«" sckweben zwischen den russischen und deutschen Befehls habern Verhandlungen, die zum Ergebniß haben werden, daß Rußland seine Truppen au« per Provinz zurückzieht und daß die ganze Eisenbahnlinie (bis Schandaikwan) am russischen NeujadrStage dem Oberbefehl-Kader zu den folgenden Be dingungen überliefert wird: 1) Rußland verbleibt die Hälfte des rollenden Materials der ganzen Linie für die Strecke von Schandaikwan bi« Niutschwang an der Außenseite der großen Mauer, die russischerseit« besetzt wurde. 2) Rußland wird eine Hypothek auf die Strecke innerhalb der großen Mauer für die Ausbesserungskosten der Linie erkalten und für die Transportkosten während der russischen Besetzung. 3) Rußland erhält die wichtigen Arbeitsplätze in Schaa- haikwan mit ihrem ganzen Inhalt. Der Bericht der „Time«* fährt dann fort: „Da keine deutschen Interessen in dieser Angelegenheit gefährdet sind, ist man darauf gefaßt, daß Graf Waldersee diese will kürlichen Bestimmungen über einen Besitz der englischen Bondholder, der al« Pfand dienen soll, gulheißen wird. Tie mit diesen Bedingungen belastete Eisenbahn wird dann den englischen Behörden wieder ausgeliefert werden. Die Engländer bemühen sich, diese Bedingungen abzuändern. Rußland Hal in der Zeit während seiner Besetzung alle Werkstätten systematisch auSgeplündert, vollständig auSgrleert und da» Astes, was transportfähig war, von der Eisenbahn von Niutschwang nach den russischen Eiienbahnen in der Mandschurei dinüber- gejckleppt. Die Nachlässigkeit, mit der unsere Interessen in Nordchina behandelt worden sind, und die versöhnliche Haltung, die die Engländer während der Unterhandlungen in Petersburg angenommen haben, baden folgende Lage geschaffen: Rußland hat sich jetzt stark in Schandaikwan festgesetzt und dieser Platz beherrscht während deS Winter alle Zugänge nach Peking. Rußland besitzt Niutschwang, ist im Besitze der Eisenbahn von Schandaikwan nach Niutschwang, auf deren Frachten und Erträge die englischen Aktionäre An rechte besitzen. Rußland kann von Schandaikwan eine Eisen bahn durch eine flache Gegend aus einer Strecke von 204 Meilen bauen und riese Eisenbahn wird Rußland den Weg dis nach Peking eröffnen.* Soweit der Bericht der „Times". Es liegt bisher, schreibt die „Köln. Zlg.", «ine Bestätigung der Nachricht nicht vor, ebensowenig eine amtliche Mittheilung, welche Bedingungen zwischen dem Oberkommando der verbündeten Truppen und dem Commando des russischen Contiugcnt« vereinbart worden sind. Nach dem Borbergegangenen können Wir aber annehmen, daß Graf Waldersee, der alle 7. Januar 190!. Truppen befehligt, und nicht nur die deutschen, sich in seinen Entscheidungen durchaus nickt von der alleinigen Rücksichtnahme aus deutsche Interessen leiten lasten wird und überhaupt Alles aus den Verhandlungen ausschalten wird, wa« nicht in da« Gebiet rein militärischer Erwägungen gehört. Da« eine deutsche Interesse, daß die Einigkeit unter den Mächten nicht durch untergeordnete Fragen gestört wird und daß der Dienst in dem besetzten Gebiet zweckmäßig im Jntercfse aller verbündeten Truppen eingerichtet wird, wird freilich im Oberkommando lebendig und wirksam sein, und wir meinen, dies Inlerefse sollte auch da- der betheiliglen Mächte, England nicht ausgeschlossen, sein. Der Krieg in Südafrika. Alfred Milner. Die Königin von England hat zur Jahrhundertwende ihren beiden neuen Südafrikanischen „Colonien" (?) auch den erforder lichen General-Gouverneur in der Person des bisherigen Regenten in der Capcolonie, Sir Alfred Milner, gegeben, und damit hat sie einen Mann an die Spitze der Verwaltung ihrer imaginären neuen Kronländer gestellt, wie er außer Rhodes und Chamberlain von den Bocren und der gesammten holländischen Bevölkerung Südafrikas nicht bester gehaßt und verachtet werden kann. Zum Ueberflussc behält Milner auch noch sein Amt als Ober- commistar für ganz Südafrika, also eine Art von Vicekönig, bei, und vereinigt somit weitestgehend alle Machtvollkommen heiten in seiner Hand, die, wie sattsam bekannt, nur allzu häufig und allzu willig sich von der Rhodes'schen Clique führen und lenken läßt. — Zum Gouverneur der Capcolonie ist, wie ge meldet, der bisherige Vertreter der Königin in Natal, Sir W. Healy-Hutchinson, ernannt worden, der seinerseits durch den Gouverneur von Neufundland, Oberst Sir Henry M'Callun, ersetzt wurde. Diese Ernennungen waren natürlich nach der forcirten Annexion der beiden Boerenrepubliken erforderlich, kommen allerdings dem unbefangenen Gemüthe etwas komisch vor, in einem Augenblicke, wo die annrctirten Länder mehr als zuvor den Eroberern mit der Büchse in der Faust beweisen, daß sie weder von der Königin von England, noch von Herrn Milner bekercscht sein wollen, sondern ihre Freiheit unk Unabhängigkeit vorziehen. — Man würde in London vielleicht auch noch mit der Ernennung des Statthalters der Königin für die Boerenrepu bliken gewartet haben, wenn nicht das Neujahrsfest mit seinem üblichen großen Schub in der hohen und höchsten Beamtenschaft des britischen Weltreiches gekommen und die Veranlassung dazu gegeben hätte. Außerdem will man natürlich hier von London aus die englische Nation im Speciellen und die Welt im Allgemeinen dauernd in der nebelhaften Vorstellung erhalten (natürlich soweit dies möglich ist), daß in Wirklichkeit, trotz aller Boerenerfolge, und trotz Allem, was der Welt über die erschütterte politische Gesundheit des eng lischen Weltkolostes bekannt ist, die ganze TranSvaalaffaire ihren ordnungsmäßigen Verlauf nimmt. Als Gcneralgouverneur der „Transvaal- und Oranje-River-Colonien" erhält Sir Alfred Milner natürlich ein Riesengehalt, das in Anbetracht der Schwie rigkeiten, die seiner warten, besonders hoch ausfällt, und somit hat er, der Mann, der vor 15 Jahren noch ein armer Journalist in London war, seine glänzende Belohnung dafür erhalten, daß er sich zum willigen Werkzeuge der Clique Chamberlain, RhodeS und Consorten gemacht hat. Keinenfalls wird seine Ernennung dazu beitragen, die noch im Felde stehenden Boeren versöhnlicher zu stimmen und sie zum Aufgeben des Derzweiflungskampfes zu veranlassen. 85. Jahrgang. Lord Kitchener. AuS Sydney, 4. December, wird der „Frkf. Ztg." be richtet: Der Dampfer „Harlech Castle", welcher diejenigen australischen Freiwilligen, die durch anderweitig' Verpflichtungen genöthigt gewesen sind, heimzukehren, an Bord hat, ist gestern Nacht vor der Einfahrt in Port Philipp einge troffen. Interessant ist, was die Officiere und Mannschaften während des Aufenthaltes in Adelaide über das Verhalten Lord Kitchener's zu erzählen gewußt haben. Aus diesen Er zählungen geht nämlich hervor, daß dieser die Leute, obwohl deren Zeit längst abgelaufen war, unter keinen Umständen ent lassen und irgendwelche Rücksichten auf deren bürgerliche Ver hältnisse auch nicht von ferne gelten lassen wollte. Zuletzt ist es sogar zu sehr stürmischen Auftritten zwischen ihm und höheren Officieren aus Australien gekommen, und ohne das energische Dazwischentreten von Lord Roberts würden, wie die Hrimkehrenden unumwunden zugeben, die Leute noch heute in Südafrika Dienst thun müssen. (Aehnlichc Erfahrungen haben auch die kanadischen Freiwilligen gemacht. Red.) Lage In -er Capcolonie. * Capsta-t, 6. Januar. („Reuter'- Bureau.") Nach einer unbestätigten Nachricht von Eingeborenen zogen 100 Monn durch den El an william-District in der Richtung ausMalmeSbory. ES sei ungewiß, ob e« Boeren oder einheimische Farmer Warrn. (Der Elanwilliam-District bildet, nördlich von Copstadt, einen Theil der Westküste Südafrikas und ist von der Hauptstadt der Capcolonie nur nock 130 Kilometer entfernt. An seiner Südgrenze liegt der Hexriver-Paß, von dem der Weg über Piquetberg und Malmesbury direct nach Eapstadt führt. D. Red.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Januar. Don morgen ab wird man wieder die Probe aufs Exempel der Diätenfrage zu machen versuchen. Reichstag unv preuszischer Landtag versammeln sich gleichzeitig. Während cs so gut wie gewiß ist, daß die Volksvertretung deS Reiche« nur nach Dutzenden zählen wird, kann man einer besseren Besetzung des preußischen Abgeordnetenhauses ent gegensetzen. Am ersten Tage beweist dieses allerdings gar nichts, denn daS Abgeordnetenhaus muß beschlußfähig sein, um sich constituiren zu können. Der Fall, daß bei Be- a nn eiuer Session die vorgeichriebene Anzabl der Hälfte der Abgeordneten nickt anwesend gewesen wäre, ist auch im Reichstage noch nickt vorgckommea. Wie e« später im Land tage mit der Frequenz sich gestalten wird, bleibt abzuwarten. Einstweilen regt das Berliner Partikular parlament wenn nicht da» Interesse, so doch die Neugier an, waS man vom Reicostag — er behandelt zunächst in erster, unverbindlicher Lesung die DerlagSrecktSvorlage — nicht behaupten kann. Hätte er, wie bei der Versammlung im November, eS mit Cbina zu thun, so würde die Regie rung sehr barte Worte zu kören bekommen. Denn die zurück haltende Berichterstattung über da« schwere Unglück, das sich beim NeujatzrS-Salutsckießen im Peitang- Fort zugetragen hat, ruft lebhaften Unwillen hervor; dre Heimlichtbuerei, Vie ein Unrecht gegen die betroffenen Familien bedeutet, ist vorläufig nicht zu erklären. Zwar beschwert sich beute ein Berliner Blatt, daß die Weiterbeförderung der Telegramme seine« Correspondeutrn von den englischen Telegraphcnbeamten in Tientsin in chicanösester Weise verzögert worden sei, aber da« gilt doch Wohl nicht von Feirill-ton. Das neue Lahnproject. Roman von Paul OSkar Höcker. »<a<drruck verroten. ... In Wahrheit habe er seine Augen nie so hoch erhoben, während dieser paar Monate, daß ihm auch nur im Ent ferntesten der Gedanke gekommen sei, er dürfe es wagen, Anna anders anzusehen, al« mit den Augen des Arbeitsgenossen, — so ließ er sich stockenden Athems vernehmen. Er bewundere ihren lebhaften Geist, bestaune ihr bedeutendes, wenn auch zur Zeit noch ungeordnetes Wissen und Können, er finde sie schön, liebenswürdig, wie geschaffen, einen Mann glücklich zu machen, — und dennoch erschiene ihm die Vorstellung einer Vereinigung mit ihr zum Mindesten abenteuerlich, wenn nicht geradezu ver- messen. Sie war reich, entstammte einer ganz anderen socialen Stufe, als er, — und noch eins, sie war lebenslustig, gewandt, graziös — er dagegen war durch seine drückende Armuth und die Jahre der Arbeit, durch viel kummervolle Ereignisse, bittere Ent täuschungen seines jungen Lebens, und durch seine gesellschaftliche Ungeubtheit kaum im Stande, mit seinem stillen Gelchrtenheim ihr auf die Dauer eine innere und äußere Befriedigung ihres Ehrgeizes zu bieten. Schwändi hörte schmunzelnd zu. Als der junge Professor geendet, sagte er: „Jetzt find Sie ein Prachtkerls* Darauf warf er seine Cigarre fort und brummte: „Aber soll sich unsereins so 'was von einem Federfuchser sagen lassen?! Hä?! Daß du die Motten . . .! Ä bewahr, Professor, das ist nicht so bös gemeint! Recht haben Sie gehabt. Ganz Recht! Und wissen Sie waS? Wenn jetzt Sie mir das nicht gesagt hätten, — nachher hätt' ich'« Ihnen gesagt!" Er machte einen aufge regten Gang durch'- Zimmer, pustend und schnaubend, daß Alles wackelte. Dabei beruhigte er sich, und das Schmunzeln stellte sich auf seinem dicken Antlitz wieder ein. „Aber in dem einen Punkt haben sie Unrecht, Professor! Was das Geld nämlich an belangt. WaS Sie da von Ihrer früheren Armuth sogen, ist Unsinn. Der Mensch gewöhnt sich an nichts so leicht, als wie an'S Geldverpuhen. Da wächst man ganz von selber hinein, Professor; und so wird's auch Ihnen geh'n. Blos die Charakter, frage giebt mir zu sinnen. Sie sind halt stets so arg ernst, Pro fessor. Haben Sie am End schon einmal eine unglückliche Liebe gehabt, hä? So sieht sich'- nämlich grad an. No, immer heraus mit der Sprach« unter unS Mannsleuten. Die Anna braucht Nichts davon -u erfahren." Der Professor hatte das Haupt aufgestlltzt. Wieder nahm sein Antlitz den schwermüthigen, leidenden Ausdruck an, der Jeden ergreifen mußte, — der selbst den derben Schwändi zu dem Nachsatz veranlaßte: „E aber nein — indiskret will ich nicht heißen. Wenn'- halt so wüst ist und nicht zu sagen geht! . . .* „O, warum nicht, Herr Schwändi. ES ist eine ganz einfache, kurze Geschichte. Und ich habe daS Gefühl — gerade nach dem, was zwischen uns heute gesagt ist — muß ich sie Ihnen er zählen." „No, so schießen Sie also los." „Ueber meine traurigen Jugendjahre sind Sie unterrichtet. Ich erzählte Ihnen, daß bei der Eisenbahn-Katastrophe bei Bern mein Vater, der Gemeindeschreiber von Gesingen, auf grau same Art umS Leben gekommen und meine Mutter durch den dabei erlittenen Unfall zeitlebens verkrüppelt war. Die winzige Pension, die sie danach erhielt, setzte sie kaum in den Stand, noth- dürftig zu leben; und wenn mir auch der Besuch einer höheren Schule als geborenem Schweizerkinde freistand: eS war ein mühseliges, entwürdigendes Dasein, so durch Stundengeber, und kleine Stipendien sich das Brod zum Salz zu erarbeiten und zu — erbetteln!" Er seufrte auf; dann schüttelte er den Kopf, als wollte er der demüthigenden Erinnerungen ledig. werden. In festerem Tone fuhr er fort: „Endlich leuchtete auch mir eine kurze Weile lang das Glück. Eine reich« Schottin vrrlrbt« einmal einen Sommer in Bern. Ich ward durch einen meiner Lehrer, der sie flüchtig kannte, an sie empfohlen — und sie setzte mir eine Unterstützung au«, die mir's ermöglicht», forgensrei meinen Studien obzuliegrn. Auf ihren Wunsch bezog ich dann die Universität zu Wien. Frau Maclean, dir inzwischen selbst dahin übergesiedelt war, wollt« mich dort Lft«r sehen — und sie hatte auch in Erfahrung gebracht, daß Professor Zeuttermann in Wien eine erste Autorität in meinem Fach« war. In der Donaustadt nun, wohin ich meine Mutter mitnehmen mußte, denn sie bedurfte fortgesetzt der Hilfe und Pflege, find ich also Zutritt in das gastliche Hau» meiner Wohl- thäterin und lernte da ihre Adoptivtochter kennen — Elisabeth." Der Professor machte eine Pause. Schwändi nickte mit seinem großen Kopf. „Aha, mich bäucht, jetzt kann ich mir'» bald denken." .Da» glaub' ich nicht, Herr Schwändi", sagte Arnold mit trübem Lächeln, „daß Sie sich denken können, wie ideal, wie ver klärt. wie einzig da» verhältniß -wischen un» b«id«n jungen Men- scheu sich gestaltete. Sie war von Geburt gleichfalls Schweizerin, war das Kind eines protestantischen Geistlichen; Frau Maclean, die darin ihre Eigenheiten hatte, hörte eS zwar nicht gern, wenn wir deutsch mit einander sprachen, — aber wir verständigten, wir fanden uns in unserer Heimathsliebr auch trotz der fremden, uns aufgedrängten Sprache. Ach, so viel inner«, seelische Be- > Ziehungen bestanden zwischen uns. Sie hatte Interesse für meine Arbeit, namentlich für das große Werk, mit dem ich mir Reich- ' thum und Stellung und Ansehen zu erringen hoffte — und wenn auch schon kein festes Gelöbniß zwischen uns bestand: ich hegte niemals einen Zweifel daran, daß sie mein Weib werden würde, sobald ich materiell gesichert war — mochte nun! Frau Maclean, die an ihr Mutterstelle vertrat und sie zur Erbin ihres Vermögens eingesetzt hatte, einwilligen oder nicht. — Da kam ich einstmals von einer Studienreise im Auftrag Zeuttermann's, dessen Famulus ich geworden war, nach mehr- , monatlichem Aufenthalt in den Alpen nach Wien zurück — und! erfuhr bei meinem eüsten Besuch im Haus meiner Wohl- thätertn zu meinem Schrecken, daß Frau Malclean schon vor fast einem Vierteljahr plötzlich gestorben und ihre Tochter abgereist sei. . . . Elisabeth hatte sich bei meiner Mutter und bei deren während meiner Abwesenheit angenommenen Pflegerin die ganze Zeit über nicht blicken lassen — einen Briefwechsel hatte uns Elisabeth's Adoptivmutter aber nicht erlaubt gehabt — ich war also nicht einmal über die äußeren Umstände dieser Kata strophe unterrichtet worden und vermochte von den Hausleuten auch nichts Nähere» in Erfahrung zu bringen. Ich nahm also an, dafi Elisabeth, um ihr Erbe zu ordnen, dahin gereist sei. Wohl em Dutzend Briefe sandte ich aus — jedoch keiner erreichte seine Adressatin: sie kamen alle uneröffnet zurück. Ich schrieb dann an den Notar, mit dem Elisabeth früher in Frau Maclean s Auftrag immer corresponvirt hatte; seine Antwort lautete küh' und geschäftsmäßig: ein Fräulein Maclean sei ihm nicht bekannt. Anfang« war ich verzweifelt — plötzlich ober ging mir ein Licht auf: Elisabeth wollte nicht von mir gefunden sein!" Stöhnend barg der junge Professor sein, Stirn für ein paar Sekunden in seinen Händen. Dann richtete er sich auf, trat ans Fenster und blickte schweigend hinau». „E aber nein, da« will mir von dem Mädchen nicht gefallen, Professor!" sagte der Hausherr ziemlich verstimmt. .Wo si, früher doch selber nichts gehabt hat! Und sie hätte sich eigentlich sagen müssen: Vas Geld allein war'» doch nicht gewesen, da» Tie angezogen hätte!" „Wahrhaftig nicht!" bekräftigte Arnold in bitterem Ton. „Ich brauchte ihren Reichthum nicht. Weil ich da« Maclean'schr Capital für diel« kostspielige wiff«nschaftlich« Unt«rsuchung«n draufgehen lassen mußte, galt es ja für mich, sich wieder schlecht und recht durchzudrücken. Bis zu meiner Berufung hierher (und daß ich es Ihnen ehrlich gestehe, bis zu meiner Berufung in Ihr Haus) ist mir's ja miserabel genug ergangen. Aber hab' ich mir aus einem sogenannten guten Leben je etwa» gemacht? Nein, — daß Elisabeth mit dem Erbe ihrer Adoptivmutter vor mir floh, nichts mehr von mir wissen wollte, blos weil sie reich und ich arm war, daß sie glaubte, ihre Schätze vor mir in Sichrr- heit bringen zu müssen, — das hat damals einen furchtbar niederschmetternden Eindruck auf mich gemacht. Es war die schwerste, größte, erbärmlichst« Enttäuschung meines L«benS!" Dem alten Schwändi war die frisch« Havanna ausg«gangen, die er sich kurz zuvor angezündet hatte — da» deutlichst« Zeichen dafür, daß ihn die Erzählung des Professors sehr beschäftigte; denn sonst konnte geschehen, was wollte, seine Cigarre spielte immer die Hauptrolle. „Potz Himmelblau und Türkenbund, hören Sie, Professor, die Sache sollten Sie sich aber doch nicht so arg zu Herzen nehmen. Wenn die so eine war — nachher sein ff« blos froh, daß sie nicht Ihre Frau geworden ist!" „Ich habe endgiltig damit abgerechnet. Di« Wissenschaft, die Arbeit, hat mich darüber hinweggebracht — und die Zeit." „Ha, vielleicht macht sich's noch einmal, daß das Fräulein hört, was für «in großes Thier aus Ihnen geworden ist, ohne ihr Geld, und dann kommt sie gewiß plötzlich daher . . ." „Oh, es ist Alles, Alles aus zwischen uns!" sagt« der Pro fessor fast heftig. Eine kleine Paus« trat ein. Jed«s hing s«in«n Gedanken nach. So kam Schwändi denn zum Ausgangspunct des Ge sprächs: .Und das hat Sie mit einem Schlag zum Weiberfeind ge macht? . . . Ha, wissen Sie, Professor, verstehen kann ich» jetzt. Und ich muß Ihnen sagen: ich begreife wohl, daß Sie — wenn Sie sich überhaupt verheirathen — gerade kein reiches Mädel haben wollen. Wenigstens ihr nicht nachlaufen werden." Er steckte seine Cigarre wieder in Brand und schmunzelte. „Aber bei un» dahier ist dir Sach« ja gerade umgekehrt gekommen. Wir sind Ihnen nachgelaufen . . ." „Herr Schwändi", beschwor der Professor den Hausherrn, „umS Himmelswillen, wie können Sie dos nur so auffassen! Sie werden mir doch meine Offenheit nicht übel genommen haben?" .Ha — im Gegentheil! Blos da» thut mir leid, daß Lie d«r Anna jetzt einen Korb geben!" Arnold Zwyler preßte krampfhaft die Hande inrinandee, mit sich ringend.
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