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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010108019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901010801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901010801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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Wir erinnern nur zum Beweise der wahrhaft freund schaftlichen Gesinnung beider Staaten gegen Deutschland an die Theilnahme des österreichischen Kaisers bei den Festlichkeiten gelegentlich der Großjährigkeit des deutschen Kronprinzen, an den wahrhaft herzlichen Empfang, den deutsche Truppen, und insbesondere Graf Waldersee, bei der Ausreise nach China in den beiden befreundeten Ländern fanden und endlich an das durch keine Jntriguen zu erschütternde Zusammengehen beider Staaten mit Deutschland in der chinesischen Frage. Der gute Wille, d. h. die Bundestreue, steht also fest. Blickt man aber auf die inneren Zustände in beiden Staaten, so wird man finden, daß sie derart unerfreulich beschaffen sind, daß da durch auch die äußere Aktionsfähigkeit einigermaßen beeinträchtigt wird. In O e ste r r e i ch hat das vergangene Jahr ebensowenig eine friedliche Lösung des Nationalitätenstreites gebracht, wie die beiden vorhergehenden Jahre. Das gegenwärtige Ministerium ist gewiß deutschfreundlicher gesinnt, als manches unter seinen zahlreichen Vorgängern, aber es besitzt nicht die genügende Energie, um dieser Gesinnung zum endgiltigen Siege zu ver helfen. Seine Nerven sind so zart besaitet, daß sie am ersten Tage, an dem ein auf die Lösung der nationalen Streitigkeiten abzielender Entwurf berathen werden sollte, zusammenklappten, weil Jungtschechen mit Kindertrompeten, Kochtöpfen und Pult deckeln ein unharmonisches Concert aufführten. Das Ministerium wußte sich nicht besser zu helfen, als mit der Auflösung deS Ab geordnetenhauses, wiewohl es von vornherein wissen mußte, daß das neu zu wählende Haus für die Zwecke einer friedlichen Bei legung des Sprachenstreites nicht besser zusammengesetzt sein würde, als es das alte gewesen ist. So sehen wir denn um die Jahreswende Oesterreich in einen Wahlkampf verwickelt, dessen Heftigkeit nicht daran zweifeln läßt, daß die Hoffnung L>es Ministeriums, das neue Parlament werd« sich nicht mit den nationalen Streitereien, sondern in erster Reihe mit fruchtbaren socialen und wirthschaftlichen Aufgaben beschäf tigen, eine verfehlte gewesen ist. Von dem Parlamente jedenfalls ist auf absehbare Zeit keine Förderung der wirthschaftlichen Ent wickelung des Landes zu erhoffen. Sind die inneren Zustände in Oesterreich unerfreulich, so sind sie in Italien geradezu trostlos. Denn was wollen die parlamentarischen Streitigkeiten und die gelegentlichen Prüge leien zwischen Deutschen und Tschechen besagen gegen die furcht bare Ermordung des Königs Humbert? Hätte es sich däbei nur um die That eines vereinzelten Irrsinnigen oder Fanatikers ge handelt, wie.es etwa bei der Ermordung der Kaiserin von Oester reich der Fall war, so hätte das menschliche Mitgefühl die Poli tische Bedeutung überwogen. Aber nein, weite Kreise der italie nischen Arbeiterschaft billigten die ruchlose That. Der Schreiber dieser Zeilen hatte Gelegenheit, kurz nach der Ermordung des italienischen Königs, mit den mit der Durchbohrung des Simplon-Tunnels beschäftigten italienischen Arbeitern zu sprechen, und ein Theil dieser Leute verhehlte nicht seine Genug- thuung darüber, daß das Attentat vollständig geglückt war. Der Haß gegen die „Hüte", gegen die Besitzenden und Mächtigen, ist bei den besitzlosen Classen in Italien fürchterlich. Er hat freilich, wie eS dem Hasse so häufig passirt, das unrichtige Opfer ge troffen; denn nicht die Dynastie ist an der socialen Unfruchtbar keit und dem wirthschaftlichen Elend schuld, sondern ein an Jämmerlichkeit und Unbelehrsamkeit nicht zu übertreffender Par lamentarismus. An der passiven Opposition dieses jeder Reform abgeneigten Parlamentarismus scheint auch der energische Wille deS jungen Königs, der nach der Ermordung seines Vaters den Thron Italiens bestiegen hat, scheitern zu sollen. Eine der dringendsten Reformen ist eine gerechtere Dertheilunq der Steuerlasten, vor Ml«m eine Entlastung der schwächeren Schultern. Nun hat der parlamentarische Ausschuß, der über die Finanzfrage berathen soll, einen Beschluß gefaßt, der eine Vertagung der notwendigen Reform auf erhebliche Zeit bedeutet. Er verlangt erst die Schaffung weiterer Unterlagen, bevor er sich über die Herabsetzung der Verbrauchsabgaben, insbesondere auf Mehl, schlüssig machen will. Die blutigen Unruhen in Sicilien und in Ober-Italien, die Ermordung des Königs Humbert, scheinen also diesem wür digen Parlamente noch nicht genügende Unterlagen zu sein. Wenn irgendwo, so wird in Italien das Parlament von dem krassesten EgoiSmuS regiert. „Der Wille ist gut, aber das Fleisch ist schwach", muß man also sagen, wenn man den guten Willen Oesterreichs und Italiens, die Bundestreu« zu hakten, mit den inneren Zuständen dieser Länder zusammenhält. Es ist nicht erfreulich, aber noth- wendig, sich über diese Zustände keinen optimistischen Jllussionen hinzuaeben, damit man sich vor Allem darüber klar sei, daß Deutschland trotz seiner Bündnisse in erster Reihe auf seine eigene Kraft angewiesen sei. Nächst der Berücksichtigung der im Dreibunde vereinigten Staaten ist die Verfolgung der französischen Politik vom deutschen Standpunkte aus vom größten Interesse, weil nun einmal Frankreich derjenige Staat ist, von dem sich Deutschland am ehesten einer Störung des wünschenswerthen Frieden» zu versehen hat. Die auswärtige Politik Frankreichs zeigt, so weit Deutsch land daboi in Frage kommt, einen Januskopf. Während der Weltausstellung war daS Verhalten der Franzosen gegen Deutsch, land und die Deutschen rin wirklich freundliches, ja fast freund schaftliches. Einmal gefiel den Franzosen die Liebenswürdig, keit und Ritterlichkeit, mit der der deutsche Kaiser aus seinem Pvivatbesihe gerade solche Gegenstände in Paris ausstellte, die der Eitelkeit der Franzosen wohlthaten; zweitens kamen die Deutschen in großen Massen zur Pariser Weltausstellung, und wußten sich ckls gut zahlende und taktvoll auftretende Gäste befiebt zu machen; schließlich aber mußten die hervorragenden Leistungen gerade der deutschen Industrie auf der Weltausstellung den Fran- zosen imponieren. Und es sei auch bei dieser Gelegenheit hervor gehoben, daß die Franzosen ehrlich und anständig genug waren die Bedeutung der deutschen Leistungen nicht nur unumwunde: anzuerkennen, sondern dieser Anerkennung auch durch zahlreiche Verleihung hoher Auszeichnungen an deutsche Aussteller sicht baren Ausdruck zu geben. Bald aber sollte sich die Stimmung gegen Deutschland wieder ändern. Schon im Sommer bereitete sich dieser Stimmungs umschlag durch die der französischen nationalen Eitelkeit wenig genehme Ernennung des Grafen Waldersee zum Oberbefehls- Haber in China vor. Der Nichtempfang des Präsidenten Krüger durch den deutschen Kaiser vollendete diesen Stimmungsum schlag, obgleich doch diese Handlung Deutschlands weder der nationalen Ehre Frankreichs irgendwie zu nahe trat, noch auch die französischen Interessen berührte. Gerade darum aber ist er charakteristisch dafür, daß im Grunde die Franzosen heute noch eine ähnliche Abneigung gegen Deutschland besitzen, wie vor einem Menschenalter. Fast noch stärker aber, als Deutschland, hat England in der letzten Zeit die Abneigung der Franzosen empfinden müssen. Schon während der Ausstellung fehlte es nicht an Reibereien zwischen Franzos«» und englischen Ausstellungsbesuchern. Auf das Stärkste aber kam die Antipathie gegen England bei dem demonstrativen Empfange des Präsidenten Krüger zur Geltung. Trugen doch die französischen Nationalisten unmittelbar nach dem Besuche Krüger'- ihren Haß gegen das Jnselreich so off«n zur Schau, daß sie bezüglich der Vermehrung der Wehrmacht unter Vorbereitung des Krieges Anträge stellten, die nur für einen Krieg mit England einen Sinn haben konnten. Sind nun die inneren Zustände Frankreichs so consolidirt, daß die Franzosen mit dem Gedanken eines Krieges nach zwei Fronten spielen dürften? Wir möchten diese Frage bestimmt verneinen. Hält man sich nur an Aeußerlichkeiten, so könnte man ja eine gewisse Consolidirung darin sehen, daß am Ende des Jahres noch dasselbe Ministerium — im Großen und Ganzen wenigstens — am Ruder ist, wie zu Beginn des Jahres; denn das ist eine für französische Verhältnisse sehr seltene Thatsache. Blickt man ober tiefer, so muß man bekennen, daß trotz dieser Thatsache und trotz der kurz vor Jahresschluß endlich durchgedrllckten Am nestie für alle mit dem Dreyfus-Handel in Beziehung stehenden Verfehlungen die Geqensähe zwischen den überzeugten Republi kanern und den verkappten Republikanern alias Nationalisten in alter Schärfe sortbesteben. Ja, diese Gegensätze haben sich im letzten Jahre ber eine: Organiscnion, die gerade für ven Fall eines Krieges von der allerersten Bedeutung ist, noch verschärft: nämlich beim Heere. In Folge des zwar nothwendigen, aber doch recht zweischneidigen, rücksichtslos«« Vorgehens des gegenwärtigen Krieqsministers gegen reactionäre Umtriebe in der Armee hat sich die Kluft zwischen republikanischen und monarchistisch pfäffischen Ofsicieren zur Unüberbrückbarkeit erweitert. Daß angesichts des fortdauernden erbitterten Kampfes der Parteien in socialer und wirthschastlicher Hinsicht in dem letzten Jabre wiederum recht wenig geleistet worden ist, ist nur zu er klärlich, und dieser Ucbelstand wird dadurch nicht gerade gebessert, daß die Weltausstellung wirthschaftliche Vortheile nur Wenigen und in beschränktem Maße gebracht, hingegen zahlreiche Existenzen ruinirt hat. Der Krieg in Südafrika. —c>. Zwei wichtige Meldungen liegen vom Kriegsschauplatz« vor, die erkennen lassen, daß nach Vollzug de- für die Eng. länder so völlig überraschenden CoulissenwechselS die Parteien die Waffen wieder zu kreuzen beginnen — wie nickt anders zu erwarten, mit wechselndem Erfolg. Man berichtet uns: * Landau, 7. Januar. (Reuter s Bureau.) Sine Depesche des Lord Kitchener aus Pretoria meidet: Oberst Babinaton batte rin Gefecht mit den Com- mandos vonDelarcy und Steenkamp bciNaanw- poort. Der Feind, dessen Verlust auf zwanzig Todte und Brrwnndete geschätzt wird, wurde gezwungen, sich znrnckznziehen. Die britischen Verluste sind noch nicht bekannt, ikommandant Dupree» wurde ge fangen genommen. — An Heilbronn «»gekommene Verwundete berichten: Eine zu General knor ge hörende A btheilung van 120 Mann gerietst in der Rüde von Lindley mit einer stärkeren Zahl von Fe nden in ein Gefecht. Oberstleutnant Laing, zwei vffi- eiere und 15 Mann sind tadt, zwei Offtctere «nd 20 Mann verwundet. Naauwpoort ist noch aus den Kämpfen au- der ersten für die Boeren glücklichen Epoche deS Kriege- bekannt. Sckon damals waren diese über Cotesberg bis zu dem wichtigen Eisenbahn knotenpunkt vorgedrungen, wo die Verbindungslinie zwischen ven beiden großen Verkehrsadern Port Elisabeth—Pretoria re. und Capstadt-Kimderley »c. abzweigt, um bei dem Waffen- und MunitionSdepot De Aar zu münden. Es liegt nördlich von Middelburg, wo außerdem noch die beiden Port Elisabeth und Port Prince Alfred beraufkommenden Linien sich ver einigen. Die strategische Bedeutung deS Platzes liegt auf der Hand und gerade hier werden die Engländer Alle» aufbieten, Herren der Lag« zu bleiben, was ihnen nach dem obigen Telegramm bis jetzt auck gelungen zu sein scheint. Kitckener'S Untergenerale im Freistaat sind, soweit sie nicht De Wet in Schach zu halten haben, in Eilmärschen südlich über den Oranjeflnß gegangen, Grenfells und Williams Corps auf Middelburg, Brabant auf Graaf Reinet, Barker und Wbitr folgen; Ptacdonald sucht die Bahncentren im Norden der Colonie zu besetzen. E» wird sich uun zeigen müssen, ob auch hier die überlegene Zahl der eng lischen Truppen den schwächeren Feind zu umklammern und zu zerdrücken vermag. Die Boeren werden dem dadurch auSzuweichen suchen, daß sie sich so viel nur irgend möglich decentralisiren und den Feind n'öthigen, srine Streitkräfte zu zerspliltrrn. Auf diese Weis« werden sie nirgend» leicht zu fassrn sein, vermögen aber den Gegner zu ermüden und durch einzeln« Uebrrfälle »u schädigen; auch werden st« Gelegenheit baden, den Bahnkörper wieder und wieder zu demolirrn und so Störungen in ber Zufuhr hervor« ,urufen. Zu entscheidenden Schlägen dürfen st« e» nicht kommen lassen, ihr Ziel muß sein, den Krieg möglichst lange binzuziehen und dadurch den Gegner zu bemoralisiren. Der zweite Zusammenstoß hat bei Lindley im nörd« 'ichen Freistaat, öiilich der Babnlini« Kronstadt-Pretoria, statt gefunden und er hat den Engländern schwere Verluste gebracht. Allem Anschein nach beabsichtigt Dewet nicht, wie erst gemeldet wurde, sein Operationsselv im Freistaat zu verlassen. Das märe strategisch auch viel richtiger, als auch seinerseits in die Capcolonie einzufallen. Im Norden ist seine An- wesenbeit von ungleich größerer Bedeuiung, dort ist er der Magnet, der stets einen beträchtlichen Theil der Armee Kitchencr's anzieben und diesen bindern wirv, seine gesammte Macht aus die Boeren in der Colonie zu werfen. Kilckener bat sich schon genötbigt gesehen, in beiden Republiken seine Truppen auf Bloemfontein, Pretoria und die wichtigsten Baün- centrcn zusammenzuziehen und die Landstädte von Rouxville, Smithfield, Wcpeuer bis Senckal, Faurcsmitb, Boskos und Hoopstad zu räumen. „Daily Mail" schreibt: „Die Nvth- wenvigkeit unverzüglicher Entsendung ansebnlicber Ver stärkungen war niemals dringlicher als jetzt; da 90 000 Manu zum Schutz der Verbindungslinien erforderlich sind, muß Lord Kilckener weitere 60 000 Mann unabhängig von den in Süd afrika rccrutirten Streitkräften erhalten." Aber woher nehmen? Kitchener'- Frikdensbrdinaungrn. Die Jahreswende hat außer dem Einfall der Boeren noch einige Ueberraschungen in der südafrikanischen Politik Englands gezeitigt. Der grimmige Eisenfresser, Lord Kitchener, von dem die echten Jingos eine kurze Campagne schonungs losester Brutalität erwarteten, hat, wie man weiß, in Pretoria eine Rede gehalten, in welcher die Vorsöhnlichkeit und die Hoff nung auf ein baldiges einträchtliches Zusammenleben und Wirken zwischen Engländern und Boeren eine große Rolle spielt. Außerdem stellt Kitchener, natürlich im Einverständniß mit der Londoner Regierung, Bedingungen für die Boeren auf, l falls sie sich übergeb«» wollen, die einen ganz erheblichen! Fortschritt gegen die frühere resp. bisherige anmaßende und un-! versöhnliche Haltung Englands ausmachen. Man kann sich aber hierbei des Verdachtes nicht erwehren, daß diese friedliche und versöhnliche Stimmung im britischen Hauptquartier im allerengsten Zusammenhänge mit der kritischen Lage in der Capcolonie einerseits und der m«hr als unklaren Situation in den „annectirten" Republiken steht. Vor sechs Monaten, als die oc«tischen Waffen anscheinend überall siegreich waren, dachte kein Mensch auf englischer Seite an eine solche Milde und Nachgiebigkeit; im Gegcntheil, wer zu jener Zett etwas Aehn- liches auch nur andeutete oder vorschlug, wurde als ganz ge meiner Probur verschrieen und hätte in London jeden Tag seine Knochen zu Markte tragen können. Tempora mutantrir — damals waren allerdings die Boeren noch nicht auf dem Marsche nach Capstadt, und die Regierung der Colonie, im Verein mit dem britischen Hauptquartier, sah sich damals auch noch nicht in die Nothlag« versetzt, jeden fclddienstfähigen Colonisten eiligst zu den Waffen zu rufen, um den militärischen Ansprüchen der kritisch«» Lage nur einigermaßen genügen zu können. Die Bedingungen, die Kitchener für die Boeren in Zukunft in Petto hat, gehen sogar so weit, daß alle BurgherS, selbst solche, die den Neutralitätseid gebrochen und wieder zu den Waffen gegriffen haben, gleichmäßig behandelt werden sollen, während keine Deportationen irgend welcher Art m«hr stattfinden werden. In beiden „Colonien" sollen die Boeren die weitestgehende Selbst regierung, natürlich unter dem englischen Gouverneur, haben, und ihre alten Institutionen, Sitten und Gebräuche würden weitestgehende Berücksichtigung finden. — Alle diese schönen Köder werden schwerlich viele Boeren vom Kampfplätze fort locken, und, wie verschieden« liberale Londoner Blätter mit Be dauern betonen, die g«sammte gute und vortheilhaftc Wirkung, die Kitchencr's Aeußerungen hätten haben können, wird in rauhester Weise durch die gleichzeitig erfolgende Ernennung Sir Alfred Milner's zum Gouverneur vollständig vernichtet. Milner wird immer als einer der Haupturheber des Krieges angesehen und gehaßt werden, und selbst wenn seine zukünftige Politik noch so versöhnlich und liebenswürdig sein wird, so kann und wird er nun und nimmer Gegenliebe bei den Transvaalern und Freistaatlern finden. Deutsches Reich. * Leipzig, 7. Januar. Zu der Streitfrage über angebliche Ausgaben der De Beers Company für Agitationszwecke in Deutschland gebt uns von einem deutschen Aktionär der Company eine Zuschrift zu, der wir einige Bemerkungen voranSsckicken müssen. Der Verbreiter der Behauptung (der Berliner Vertreter der „Lcipz. N. Nackr." in Berlin, Vr. Liman), die Gesellschaft habe für das zweite Semester des Jahres 1899 einen Geschäftsbericht verfaßt, in dem als SpecialfondS für Agitationszwecke in Köln 1 200 000, für gleiche Zwecke in Berlin 7 000 000 aufgesübrt seien, bäit den mitgetheilten Anzweifelungen gegenüber an seiner Behauptung fest, erklärt, daß es sich um einen diScreten, nur wenigen Personen zugänglichen Bericht handle, und fügt dann hinzu: „Dieser Bericht — die eidesstattliche Erklärung de» Folgenden liegt vor mir — bildet ein gedrucktes Heft mit den Wappen der Company al- Haupt, in der Form der gewöhnlichen englischen Amtsblätter, in dem dl» betreffenden Zahlen standen. Er trägt die Unterschrift: Lionel Philipps und befand sich im Gouvrrne- mentSgebäudr zu Pretoria. Der Herr, der ihn mir (dem eidesstattlich Versichernden) zeigte, ist Gouvernementsbeamter und heißt Sluhter. Ter Bericht wurde mir vorgelegt mit etwa folgenden Worten: „Kyk, wat hullie Menschen onS land doch banja vernäkt Hibben." (Sehen Eie, wa» Ihre Leute unserem Land» doch für einen bösen Streich gespielt haben.) Einen Eid über meine Mittheilungen nehme ich jederzeit freudig an." Hierauf drzieht sich die erwähnt« Zuschrift, dir folgender maßt» lautet: Seit 12 Jahren eingeschriebener Aktionär dieser Gesellschaft, erholte ich deren Berichte und sonstig« Druckschriften regelmäßig zugesandt. Noch nie habe ich in denselben größere Ausgaben für deutsche Plätze verzeichnet gesunden, speciell enthält auch der zuletzt au-gegebene Jahresbericht, der do» Geschäftsjahr vom 1. Juli 1898 bi- 30. Juni 1899 umsoßr, keinen Posten, der direct oder indirect auf «u-qaben für Agitationszweck« in Deutschland hinwiese. Der vom Berliner „Kleine» Journal" bereit» gegebene Au-zug au» diesem letzten Berichte, wonach die GesammtauSgaben für Salaire, allgemeine Auslagen, Telegramme, Reisespesen, Gaben, Schenkungen, Commissionsgehälter rc. in dem genannten Geschäftsjahr insgesammt 108 722 P 2 eb 2 <l betrugen, ist vollständig richtig. Der Bericht für 1899/1900 ist noch nicht auSgegrben, sondern befindet sich noch in Vorbereitung; er wird voraussichtlich in einigen Wochen erscheinen. Ich Halters nach den bisherigen Erfahrungen für aus geschlossen, daß dieser kommende Bericht eine so bedeutende Summe, wie behauptet wird, für Agitationszwecke ausführe. Ei» solcher Posten würde in der ActionSreversaminlung in London ganz sicher beanstandet werden. Die Verfügungen des AussichtsrathS und der Directoren werden in diesen Versammlungen keineswegs schlank weg gutgeheißen, sondern sorgfältig geprüft und oft eingehend er örtert. Die Behauptung, daß der Posten vielleicht in einem ge heimen, nicht für die Aktionäre bestimmten Berichte enthalten ge wesen sei, erscheint mir in Anbetracht der Größe der Summe auch ganz unglaubwürdig. Ich bin fest überzeugt, daß vr. Liman, der seine Behauptungen offenbar in bestem Glauben ausgestellt hat, irre geführt worden ist. ES bestärkt mich in dieser Ucberzeugung die Mittheilung, daß der betreffende Bericht daS Wappen der De BeerS- Gesellschaft getragen habe. Ich habe ein solches Wappen noch nie gesehen; kein einziges der im Laufe von 12 Jahren mir zuge kommenen gedruckten Hefte und Blätter der De BeerS trägt ein Wappen. (Dagegen sind alle Drucksachen der Chartered (British South Asrica) Company mit ausfallenden Wappen versehen.) Auch die Behauptung, der Bericht sei von Lionel Philipps unterzeichnet, ist verdächtig. Bisher hat sich der Name Philipps uoch nie unter den Unterschriften der De BeerS befunden. Noch in dem letzten Geschäftsjahre befand sich Lionel Philipps weder im Aufsichtsrath noch in der Direktion der De BeerS. Sollte er inzwischen eingetreten sein, was mir nicht bekannt ist, so dürfte er doch kaum einen derartigen Bericht allein zeichnen. Viel leicht tragen meine Mittheilungen zur Aufklärung in der unerquick liche» Angelegenheit bei." Daß durch diese Darlegung viel zur Aufklärung deS Sachverhalts werde beigetragen werten, glauben wir nicht; nicht einmal, wenn der noch ausstehende Geschäftsbericht für daS zweite Semester 1899 Angaben über Ausgaben für AgitationSzwecke in Deutschland nicht enthält, ist noch nicht erwieien, taß solche Ausgaben nicht gemacht worden sind. Selbst die Beleidigungsklage, die vr. Liman gegen die „Köln. Ztg." angestrengt hat, braucht volle Aufklärung nickt zu bringen, da sie sich auf eine objecuv beleidigende Aeußerung der „Köln. Ztg." gründet und bas Gericht auf die Sache selbst nicht einzugeben braucht, um dieses Blatt der Be leidigung schuldig zu finden. Volles Lickt dürste daher nur verbreitet werden, wenn Jemand, der über die Verwendung der angeblich nach Deutschland geflossenen Summen Genaueres zu wissen glaubt, offen mit direcren Beschuldigungen herauS- tritt und die Beschuldigten zwingt, den Beschuldiger zur Erbringung des Wahrheitsbeweises zu nöthigen. -r- Berlin, 7. Januar. (Die Straßburger Facul- iätsfrage und der elsässische Klerus.) Man weiß, daß der Vatican, abgesehen von den Jesuiten, in erster Linie auf das Drängen des französisch gesinnten elsässi schen Klerus hin seine Genehmigung zur Errichtung einer theologischen Facultät an der Straßburger Hoch schule verweigerte. Auch ist bekannt, daß der Widerstand des elsässischen Klerus gegen die Facultät auf die Absicht zurück- zufllhren ist, das Straßburger Priesterseminar als die Pflanz- tätte französischer Gesinnung zu erhalten. In welchem Grade dieses Seminar und der streitbare elsässische Klerus von deutsch feindlichen Geiste erfüllt sind, dafür liegen jetzt conkvete Belegt in der Schrift eines eingeborenen Elsässers selbst vor. Ihr Verfasser ist vr. Ernst Hanviller und seine sehr lesenSwerthe Schrift betitelt sich: „Frankreich und Elsaß im 17. und 18. Jahrhundert". Man erfährt aus ihr, daß es haupt sächlich die deutsch-feindlichen Treibereien geborener Elsaß- Lothringer waren, die im Jahre 1898 den Exodus rcichsdeutscher Professoren aus der Universität Freiburg i. d. Schweiz hervor rief. Und man erfährt weiter, daß die Straßburger bischöfliche Behörde seit Jahren den elsässischen Theologen nur den Besuch der Universitäten von Innsbruck und Freibung i. d. Schweiz (die von Jesuiten bezw. Dominikanern in Bezug auf die Theo logie Studierenden geleitet werden) gestattet, den Besuch reichs deutscher Universitäten aber untersagt. Anläßlich der Polemik klerikaler Blätter gegen die Schrift Hanviller's ist ferner zur öffentlichen Kenntniß gelangt, daß weder im Straßburger Priesterseminar, noch in der bischöflichen Anstalt zu Zillisheim am Geburtstage deS Kaisers eine Feier stattfindet. Auch hörte man bei dem gleichen Anlaß von der lediglich papiernen Be deutung einer Verordnung des Bischofs vr. Fritzen, vom Herbst 1892 ab Niemand in das Priesterseminar aufzunehmen, der nicht auch ein deutsches Gymnasium vorher besucht hatte; in der Praxis sind bis in die letzt« Zeit vom Priesterseminar auch solche Zöglinge ausgenommen worden, die ihre Vorbildung inFrank- reich erhalten hatten. Angesichts solcher charakteristischen Züge ist es unbestreitbar, daß sowohl das deutsche Jesuitenorgan „Stimmen aus Maria Laach" wie der Vatican, sich in den Dienst französischer Interessen stellen, wenn sie die Er richtung einer katholischen theologischen Facultät an der Straß burger Hochschule bekämpfen. Abgesehen von der nationalen Be deutung der Angelegenheit, ist es vom allgemeinen Culturstand- puncte aus höchst Wünschenswerth, den elsässischen Klerus mit neuetn Geist« zu erfüllen. Schreibt doch ein Kenner der Ver hältnisse wie Hanviller von der geistigen Verfassung deS elsässi schen Klerus unter Anderem das Nachstehende: „Allzeit bereit zu sein, daS blaariflaium iritolloatria zu bringen, gilt in diesen Kr«isen auf wissenschaftlichem und gar auf theologischem Gebiete als ein Kriterium der Orthodoxie, auf politischem als ein Zeichen unerschütterlicher Gesinnungstiichtigkeit." — Geistige Dispositionen dieser Art sind allerdings in den Augen der Jesuiten und des Vatikans so werthvoll, daß von beiden In stanzen schwerlich jemals die Zustimmung für eine Neuerung, die hierin Wandel schüfe, erwartet werden darf. * Berlin, 7. Januar. Ein hübsches Beispiel von Verderblichkeit der s o c ia l d« m o k r a t i s ch e n Agitation für die Arbeiter selbst wird au»
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