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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010115021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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Nach dem Pekinger Berichterstatter der „Morning Post" er klärte Prinz Tschun, der jüngere Bruder des Kaisers, bei seinem Besuche auf der deutschen Gesandtschaft, der Gesandte sei der erste Ausländer, den er jemals kennen gelernt habe. Er wünsche seine nähere Bekanntschaft zu machen. Man betrachtet das freundliche Auftreten des Prinzen als ein gutes Zeichen. Nach einer Pekinger Laffanmeldung ging die Weisung zur Unterzeichnung an die chinesischen Commissare in Form eines telegraphischen Erlasses ein, der tatsächlich aus die Wieder holung des früheren Erlasses hinauslief; hinzugefügt war, es werde erwartet, daß unverzüglich zur endgültigen Erledigung ge schritten werde. Gleichzeitig erfolgte die Ermächtigung zur Be nutzung des kaiserlichen Siegels auf den unterzeichneten Schrift stücken. Tsching suchte am Sonnabend die Erlaubniß des japani schen Kommandeurs zur Abholung des Siegels aus der ver botenen Stadt nach. Nachdem dies Gesuch bewilligt war, wurde das Siegel abgeholt und am Nachmittag den Schriftstücken auf gedrückt. Eine förmliche Anzeige darüber an die Gesandten er folgte nicht. Die Commiffare werden, wie verlautet, die er warteten schriftlichen Fragen unverzüglich einreichcn, worauf in einigen Tagen die Versammlung der Gesandten zur Berathunz darüber Zusammentritt. Der Vicetönig Tschantschitung soll seinen Widerstand gegen die Unterzeichnung eingestellt haben, nachdem er die Denkschrift der Commiffare an die Kaiserin in Erwiderung auf das Verbot, zu unterzeichnen, eingesehen hatte. Die Antwort ging wie alle anderen Telegramme über Hankau durch seine Hände. Es war ihm klar geworden, daß er den Hof schlecht bcraihen und sich dadurch nach chinesischem Ge setze einer strengen Strafe ausgesetzt hatte. Außer Schcng sind auf Li-Hunz-Tschang's Antrag auch Hsu, chinesischer Gesandter in Korea. Tschau, Schatzmeister in Paotingfu, Beide fortschritt lich gesinnt, zu Assistenten der Commiffare für die Friedens verhandlungen ernannt worden. Bezüglich der Weigerung der Kaiserin gegen die Annahme weiterer Straflisten verlautet neuerdings, die Ablehnung der Absetzung sei unter dieser Weige rung nicht verstanden. * Tientsin, l4. Januar. »Mit Ausnahme von lOOO Mann, die theilS zur Bewachung der Gesandtickast in Peking, theilS in Tientsin und Scbandaikwan zurückbleiben, räumen die russischen Truppen die Provinz Tscdili und begeben sich nach Kinschau, von wo sie, wie eS heißt, aus Multen zu marschiren wollen. Oer Krieg in Südafrika. Bc» Mittelung k Auf nächsten Freitag ist in London ei» CabiuetSratb einberufe« und derselbe wird sich wobl hauptsächlich mit der Lage m Südafrika beschäftigen müssen, die durch die letzten Actionen der Boeien wesentlich verändert worden ist. Smr die Engländer doch nicht einmal Herren der kurzen Eilen bahnstrecke zwiicken Johannesburg und Pretoria I Die Briten haben Eisenbahnverbindungen in einer Länge von 2400 km zu beschützen und es ist nicht einzuseben, wie sie dies tkun könnten, selbst wenn weitere 100 000 Man« nach Südafrika geschickt würden. Diese 100 000 Mana sind aber in England nicht mebr aufzulreiben, wie eS scheint, selbst die von Kilchener verlangten 40 000 Mann nicht mebr. Deshalb hasten einzelne Politiker den Augenblick für eine Vermittelung zwischen England und den Boeren für gekommen. So auch der bekannte fran zösische Nationalökonom Paul Leroy-Beaulieu, der in einem Artikel im „Econonnste Frantzais" anSsührl, daß jeder Krieg mit einem Uebereinkvnnucu enden müsse, denn das Ver langen der Engländer, die Boeren sollten sich auf Gnave und Ungnade ergeben, sei „Wahnsinn". Dann bemerkt Herr Leroy-Beaulieu: Die Engländer haben es sich selbst unmöglich gemacht, direc» zu verhandeln, und doch werden sie, wenn sie nicht noch ein Jahr und länger den Feldzug sortsetzen und vielleicht einer Katastrophe entgegengchen wollen, zum Verbandeln gezwungen sein. DaS liegt auf der Hand. Deshalb würde ein Dritter, ein Neutraler, der einen Schritt tbäte, um als Vermittler zu dienen, Groß, britannicn einen wiiklicheu Dienst erweisen. Dieser Neutrale könnte entweder der Kaiser von Rußland sein, wenn sein Gesundheitszustand oder eventuelle Meinungsverschiedenheiten be- züglich der chinesischen Angelegenheiten nicht als Hinternisss er scheinen sollten, oder die junge Königin Wilhelmina, d. h. die holländische Regierung. Dieser wohlwollende und gefällige Neutrale würde sich nach Len Bedingungen zu erkundigen haben, unter denen beide Parteien sich zum Abichluffe Les Friedens bereit erklären würden. Es ist selbstve, stündlich, Laß diele B d ngungcn eine Autonomie für Lie Republiken enthalten müßten, deren Art näher festzusetzen wäre. Tieier Schritt ist um io nothwendiger, als der Krieg in Südafrika den Charakter eines Ausrottungs kampfes anniinmt, der zu allen Principien der zeitgenöisilchrn Civilisaiion im Widerspruche steht. Wird man etwa dagegen einwenden, Laß England nie, selbst durch einen Vermittler nicht, mit Len Boeren in Verhandlung zu treten und ihnen irgend ein? Autonomie zuzugestehen sich geneigt zeigen würde? — Was kommt es daraus au? Um Lie Ehre der zeitgenössischen Civilisation zu reiten, muß dieser Schritt geihan werden. Wenn England ihn zurückwcist, so wird die moralüche Verantwortung für diesen Trotz auf ieiue Schullern fallen; dann wird es daS schreckliche Abenteuer, in das e-Z sich eingelassen hat, nur verlängern und dabei o-ellcicht ganz Südafrika in kürzerer oder längerer Frist verlieren. „Dieser Vorschlag dürfte", meint Lie „Frkf Zlg.", „beute ebenso wenig Aussicht aus Erfolg baden, wie alle früheren BermllletungS-Ankräge. Rußland hat gar kein Interesse varan, Englanv aus seinen Schwierigkeiten zu befreien, unL LcrZar bat bekanntlich schon vor dem Ausbruche res Krieges den Engländern volle Neutralität zugesagt. Die bollänvische Regierung aber gilt den Briten für boerenfrcuntlich und scheint auch nicht geneigt zu sein, vis undankbare Vermittler rolle zu übernehmen." Wie weit die Londoner Meldung, daß der Herzog von Eonnaught „zwecks Abwendung drohender EompUcatronen" plötzlich nach Beilin geichicki sei, mebr als Eombinalion enthält, läßt sich nicht beurtheiten. Worin die drohenden Eomplicationen bestehen sollen, La weder Rußland noch eine andere Groß macht willens ist, England in die Arme zu fallen, ist nicht recht ersichtlich. Unmöglich ist cS dagegen, trotz gegenlheiliger Meldungen, nicht, raß im jetzigen kritischen Moment der englischen Regierung ein sreundsäiasiliches Vermittelungs anerbieten nicht unerwünscht, vielleicht dringenkst erwünscht ist und daß man daher bei „unserem besten Freund" ansragen lassen will, ob er geneigt ist, England aus der Patsche zu Helsen. Hilfe dagegen wider „drohende Eomplicationen" in Berlin zu suchen, wäre ein Flcischergang. Noch sind wir zum Glück mit England nickt alliirt. Ucber die Teutschrn im Bocrenhrere macht ein Theilnehmer am Boerenkriege im „Franks. General- Anzeiger" eine Reihe interessanter Mittheilungen, denen wrr Folgendes entnehmen: Am aufrichtigsten begrüßt wurden active Officiere, die den völlig legalen Weg gewählt hatten, in Deutsch land ihren Abschied zu nehmen und dann nach Afrika zu gehen; sie sind nach ihrer Rückkehr auch anstandslos in die Armee wieder eingestellt worden, so Oberleutnant v. Schell oon der Garde Feldartillerie und Andere. Einige Wenige waren „mit Urlaub" zu uns gekommen, oder, wenn man so will, zu uns durch gebrannt, darunter Major Freiherr v. Re itzen stein, bei Weitem die fesselndste Erscheinung unter ihnen, der „geheime Attachs" der preußischen Militärverwaltung, der bei uns un endlich viel mehr sehen und berichten konnte als Hauptmann v. Lüttwitz, der „officielle Attachö" bei den Engländern, den man zuerst wochenlang in Capstavt sitzen ließ, dann in Eastcourt von der Schlacht bei Colenso fernhielt und schließlich nur Cronje's Fall bei Pardeberg miterleben ließ. Reitzenstein, dann Oberst a. D. v. Braun, der am Tage der Kriegserklärung in Neapel sich cingeschifft hatte, ferner Villebois und der russische Oberst Gurko, der 'Sohn des berühmten Generals, der unter Skobelew gefochten hatte, waren ständig in der Umgebung Louis Botha's. "Die Boeren sind im Allgemeinen mißtrauisch: wenn sie Braun und Neidenstein sogar zu ihrem Krregsrath zuzogen, so will das schon etwas heißen. Joubert sah sie schief an. Aber Botha war die Liebenswürdigkeit selbst. Vor Allem auch der Staatssekretär Reitz. Der rüstete jeden ankommenden deutschen Ofsicier mit gutgesatteltem Pferde, mit Wagen uno Kaffernboy aus. Ein Graf Vitzthum von Eckstädt that begeisterte Dienste als gemeiner Soldat, „schob" Wachen und war un- ermüdlich. Bei Belfast von einem Granatsplitter im Knie ver- wnnoet, humpelte er, kaum geheilt, weiter. Ein Pferd hatte er auch nicht mehr, als zahlreiche andere Deutsche aus Viesen Grunde bei Komati-Poort über die Grenze gingen; aber er schulterte sein Gewehr und marschirte zu Fuß seinem Commando nach. Bei der Boerenartillerie waren auch mehrere Deutsche an gestellt: v. Wichmann, Grothaus und Major v. Dal - wigk, ein Verwandter dcS Kanonenkönigs Krupp, der in der Schlacht bei Dalmanutha (Belfast) tödtlich verwundet wurde und einige Tage später starb. Er war, obwohl ihm der rechte Arm abgeschlagen, die linke Hand zerschmettert war und ein Granatsplitter ihm den Lerb aufgerissen hatte, bei voller Be sinnung und sagte zu den Umstehenden: „Meine Papiere hat Staatssekretär Reitz. Meine 'Stellung ist verrathen worden und ich bin dem Verräther .... zum Opfer gefallen." Als der von Dalwigk Genannte, auch einer von den angeblichen Officieren, verhaftet werden sollte, schoß er dem den Befehl führenden Ober leutnant v. Schell das Pferd unter dem Leibe weg und ging zu den Engländern über. Niemals Hai man ihn bei uns wieder gesehen. In einem anderen Falle hatten zwei saubere Herren ebenfalls den Namen deutscher Officiere gemißbraucht. Zech prellereien, Pferdedicbstähle und dergleichen mehr verübten sie unter diesem Deckmantel. Eine wahre Erquickung war diesen unheimlichen Gestalten gegenüber Leutnant v. Brüsewitz, der in Deutschland bei der bekannten Karlsruher Affäre ent gleiste junge Officier, der hier in Afrika, als bester Kamerad ge schätzt und von Allen geliebt, den Heldentod am Spionskop fand. Im Eifer deS Gefechts hatte er die Deckung verlassen und schoß stehend eine Kugel nach der anderen in die englischen Reihen. „Es geht ja heute famos!" jauchzte er — in demselben Augen blick saß ihm ein tödtlicher Schuß mitten in der L-tirn und er fiel hinten über. Major Freiherr v. Reitzcnstein hat aus einer englischen Proviantkiste ihm ein einfaches Kreuz auf sein Grab zuvechtgezimmert.... Bei jeder besonders schwierigen Aufgabe waren Vie Deutschen voran und sie schlugen sich namentlich am Spionskop und weiter bis Komati-Poort hervorragend tapfer. Viele von den Officieren und einige Hundert von den Mann schaften sind wieder nach Europa zurückgekehrt. Botha selbst bat bei Komati-Poort darum, weil es an Pferden damals mangelte und auch an Ambulanzen, ein Fußmarsch in das nörd liche Fieberland aber Wahnsinn gewesen wäre. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Januar. Auch wenn der Reichstag gestern bei der Fortsetzung per zweiten Beratdung ves ElatS des ReichSamlS des Innern die Prüfung der focialpoliliscken Tbätigkeit des Grafen Posa- doweky sachlibcr betrieben hätte, wüide der Löwenaiitherl deS Interesses an den gestrigen parlamentariscken Verhandlungen denen deS prrnfzischcn Abgeordnctrnhaujcs zuzesallen sein. Es begann nack einer Pause deS Erwägens die erste Et ats- beratbung und zog nack altem Brauche so ziemlich Alles in Debatte, waS im fübrenden deutschen Staate von den verschiedenen Parteien als lobens-, tadelns- und wünfchcnS- wertb erachtet wird. Begreiflicherweise spielte in den Er örterungen fast aller Redner die Canalsrage eine große Rolle, und wenn auch sowohl der Eeiilrumsredner Fritzen wie Ver Wortführer der Eonservaliven, Graf Limburg- Stirum, die Gegner der 1899er Vorlage waren, sich gestern zurückhaltend über die neue Vorlage äußerten und das letzte Wort zu sprechen vermieden, so ging aus lbren Aussübrungen dock beivor, daß Graf Bülow einen günstigen Einfluß auf die Behandlung der Eanalfrage ansgeübi bat, als er diese am 9. d. M. als eine Frage rein wirthickafilicher Art bezeichnete und sie einer Erörterung unter dem Gesichlspuncte politischer und parteilicher Gegensätze zu entziehen suchte. Ob wirklich bereit em« Verständigung zwilchen den ausschlaggebenden Parteien und der Negierung über die Vorlage erzielt ist, läßt sich aus der gestrigen Debatte noch nicht erkennen, aber ter Adg. Richter dürfte doch wohl das Reckte getroffen baden, at er erklärte, dir Sorge um das Zustandekommen des EanatS dürfe man nunniebr der zum guten Einvernehmen mit den Eonservaliven vorschreilenden Regierung allein überlassen. Einen Hanptantheil an Vieser Sorge wird Herr v. Miquel auf seine Schultern nehmen, denn er kündigte an, baß er seine ganze Kraft für die Vorlage emsetzen werde. Breiten Raum in der Debatte nabm ferner, wie zu er warten war, die Frage der Neicksfinanzreform ein. Wie ferner zu erwarten war, nabm der schon genannte EentrumSredner zu dieser Frage die Stellung ein, die der Wandlung dcS Centrums aus einer das R-ick durck die Einzelstaaten beherrschen wollenden in eine die Bundesstaaten durch das Reick zu beherrschen tracktenden Partei entspricht: er trat für die Erhöhung der Ma tricu la rbe»l räge ein, die für viele der kleineren Staaten einen völligen finanziellen Ruin bedeuten würde. Ei freulicherweise fand aber Herr Fritzen für seinen Voischlag nur die Unterstützung des Abgeordneten Richter, wahrend er auf national liberaler, wie auf conservativer Seite Widerspruch eifuhr. Ten entschiedensten jedoch beim Finanzministcr Dr. v. Miquel, der seine schon kürzlich gegen die Erhöhung der Matricular» beiträge gellend gemachten Gründe nochmals eingehend d.rr- legte. Er könne, so führte er aus, als Urheber der betreffen den Bestimmungen der ReichSvrrfasiuiig bezeugen, daß die Matricularuuilagen nur als vorübeigehendeS AuekunftSinitkel, nicht atS dauernde Institution gedacht seien. Es irr auch Feuilleton iH Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. iicachtrua vrrbotin. Alexander wollte ihr daS ausreden, indem er ihr Arnold's großen, freudigen Schreck, seine zitternde Aufregung schilderte, die die Erinnerung an sie bei ihm hervorgcrufen, mit der er nach ihrem Aufenthalt gefragt, geforscht hatte, — aber er machte es damit nur noch schlimmer. „Ich muß fort oon hier — noch heut« Abend!" erklärte sie dem Bruder in angstvoller Erregung. „Vielleicht fahndet er nun aus mich. Und ich darf ihm doch nicht begegnen! Ich würde ihm jetzt nicht mehr frei in'S Auge sehen können!" Diese ängstliche Hast verstand Alexander nun ganz und gar nicht. „Was hättest Du denn verbrochen, Schwesterchen, daß Du Dich vor ihm schämen — abermals vor ihm flüchten müßtest?" fragte er ganz außer sich. „Die da drüben sind zu verdammen, die ihn mit ihrer Hohlheit, ihrer Kälte und ihrem Hochmuth der Verzweiflung In di« Arme treiben. Du hast ihm nur Gutes angethan. Hättest Du seine Bewegung gesehen, seine tiefe innere Bewegung, als meine schlichten, ganz ungesuchten Worte ihn an Dein großes, warmes, opferfreudiges Herz er innerten. Oh, aus seiner Rede flammte wirklich etwas wie heiße, innige, unversiegllche Liebe auf. .. ." „Alex, ich beschwöre Dich, keine Silbe weiter!" siel st« ge- peinigt ein. Angst und Verzweiflung lagen In ihrem Ausdruck; gleichzeitig aber verrieth die jähe Röthe, d e sich über ihr Antlitz ergoß, das selige Erwachen der Stimme hreS Herzens. .... Sie wußte sich ge iebt — noch immer geliebt von ihm! .... Der Geistlich« versuchte nun, seiner Schwester vorzustellen, daß die Abreise noch am selben Abenv unausführbar sei — schon deS Aufsehens wegen, daS ihr plötzlicher Entschluß bei den Damen Hervorrufen würde. Allein, «8 war mit Elisabeth nichts anzufangen. Sie hatte oie bestimmte Vorstellung, Arnold werde ihr nachforschen, sie auf suchen und eine Unterredung mit ihr hcrbeiführcn wollen. „Nun — und selbst für diesen Fall, Elisabeth", sagte Alexander in entschlossenem Tone, „meine ick: Du hättest die AuSstzrache nicht zu scheuen!... Treibt ihn nicht etwa Alles fort von jenen Leuten? Beschimpfen sie ihn nicht in seiner Namens-, in seiner Berufsehre? . . . Wenn er sich zu Dir flüchtete, Ruhe, Rettung, Vergessen bei Dir suchte: würdest Du ihn von Dir stoßen dürfen?" Schluchzend brach' sie wieder in sich zusammen. „Ach, Du marterst mich, Bruder. Wie könnte ich darüber sprechen? Ich liebe ihn doch so unsagbar! Noch immer! Ach nein, heißer denn je! Aber darf ich mich entwürdigen, darf ich jetzt nach so vielen Jahren mich an ihn herandrängen, ihn auS seinen ganz veränderten Verhältnissen herausreißen? Von der Seite einer Anderen hinweg, der er sein Wort verpfändet hat? Wäre das weiblich? Und wie würde die Welt über mich urtheilen?!" „Die Welt! die Welt!" sagte Alexander mit einem tiefen Seufzer. „Wie habe ich mich in meiner Einsamkeit nach ihr ge sehnt — und jetzt — wie graut mir vor ihr! O, diese Welt der Orells, der Blender und der Schwändis, der Ver blendeten! . . . Nein, Elisabeth, daS Urtheil der Leute soll unS nicht anfechten! Sind wir uns bewußt, das Rechte zu thun, so mögen sie unS steinigen. Stolz erhobenen Angesichts blicken wir ihnen in ihr haßerfüllte- Auge. ES war unser Recht, nein, unsere Pflicht, den Unglücklichen zu warnen, ihm den Schleichweg zu nennen, auf dem Orell ihm vom Ziel verdrängen will. — Mag er nun thun, was er für Recht hält. Rache zu nehmen ist un christlich, gewiß, jedoch ihm die Mittel zu geben, ein Verbrechen zu verhüten, — das war für uns Christenpflicht. Hat Zwyler seine Pflicht aber gleichfalls erfüllt, hat er mit Orell abgerechnet und kommt er dann zu Dir, ein freier Mann, freier als damals, wo Du ihn verließest, dann sollst auch Du das Urtheil der Welt nicht höher achten, als Deine eigene Auffassung von Recht und Pflicht. — Dann sollst und darfst Du ihm gehören: Gott im Himmel wird über Euer Glück eine größere Freude haben, als über eine Heirath, die nur zum Unsegen auSschlagen kann! . . . Das sage ich Dir, Dein Bruder — und Gottes Diener!" Er hatte mit so hinreißendem Feuer gesprochen, daß Elisa beth sich ihres KleinmutheS schämte. Ergriffen preßte sie die Hand des Bruders. Dennoch blieb sie bei ihrer Ansicht: daß sie der Möglichkeit, Arnold zu begegnen, ausweichen — daß sie heule noch odreisen müsse. „Denn", sagte sie zitternd, „die Qual seiner Nähe ertrage ich nicht!" „Die Qua! seiner Nähe!" Alexander konnte seine Schwester nicht verstehen. So sprach sie, die den Professor so heiß, so innig liebte?! . . . Die Mitglieder der Pension Palm wußten gar nicht, wie sie sich den jähen Entschluß der sonst so still gedulvigen Musik lehrerin deuten sollten. DaS gab eine Aufregung in der Pension! Man fragte, forschte. Aber die Geschwister blieben verschlossen wie immer. Tas größere Gepäck ließ Elisabeth noch hier; daS sollte ihr erst nächster Tage nach Wängli nachqesandt werden. Sie be gnügte sich vorläufig mit einem Koffer, den sie hastig packte, während sie die Anderen beim Thee wußte. Packen, Abschied, Beförderung nach der Bahn — daS ging Alles wie im Sturm. Ghey, der Student, der sich's troh ernstlicher Vorstellungen nicht nehmen lassen wollte, die Geschwister zum Zuge zu begleiten, und seiner hübschen, jungen Lehrerin ihr Köfferchen und einen Blumenstrauß bis ins Coups zu bringen, zeigte sich ganz un tröstlich über die plötzliche Trennung. Er hatte sich in Fräulein Grimm regelrecht verliebt — und die beiden anderen Pensionärinnen hotten ihn schon öfter damit aufgezogen: ob er seiner Violinlehrerin in einer der nächsten Unterrichtsstunden nicht doch einmal eine Liebeserklärung und einen HeirathSantrag machen werde? So vermessen war der wackere Ghey nun freilich nicht; aber Gedichte auf sie hatte er schon mehrere verbrochen. Wenn er sie in seinem seltsam zischenden und gutturalen Dialect sich selbst vortrug, um sich zu begeistern, so konnte man'S für chinesisch halten, — gut gemeint war'S jedoch auf alle Fälle. Als der Zug aus der prunkvollen Halle hinausfuhr, war Ghey der Einzige, der bis zuletzt vor dem Wagenfenster stille, treue Wacht gehalten hatte. Dampfend und keuchend entschwand der kurze Zug. Nun wandte sich auch Ghey zum Fortgehen, trübselig sein Taschentuch, mit dem er den Geschwistern nach gewinkt, elnstcckend. Es war zehn Uhr vorbei, also viel zu spät, als daß er noch einmal nach der Pension hätte zurückkehren dürfen. Und es verlangte ihn doch so lebhaft nach einer Aussprache mit den Damen über Fräulein Grimm und ihre seltsame Reiseeile. Auch dir Sache mit dem Professor, seiner Zurücksetzung, dem SicL Orell's, gab ihm zu denken. Andern Tags war frühzeitig Privatissimum beim Professor. Auf dem an der Sihl entlang führenden Fußweg nach dem vor der Stadt gelegenen Landhaus Zwyler'ö traf er mit einigen Kommilitonen zusammen, die gleich ihm zu den „Intimeren" des Professors gehörten. Natürlich besprach man die Ereig nisse eifrig und hielt mit seiner Entrüstung über die Geschäfts manipulationen deS Kreises Schwändi und mit seiner Ver wunderung über das große Interesse des Bundes für daS Orell'sche Projekt durchaus nicht zurück. „Der Herr Professor ist nicht zu Haus(!" sagte der Pförtner in kurz abweisendem Tone zu den Studenten, als sie die Haus glocke in Bewegung setzten. Ghey wies auf das CoupK, da- vor dem HauS stand und an dessen Wappen auf dem Wagenschlag er daS Schwändi'sche Eigenthum erkannte. „Ei, bei uns kommst Du an die Lätzen, Alter! Zu HauS wird er schon sein, der Professor! Gelt, aber willst eS blos nicht sagen, weil Besuch bei ihm ist?" Der Alte setzte eine grimmige Mene auf. „Was Teufels, junges, dummes Zeug seid Ihr! Was geht Euch der Wagen da an? Dem Herrn Schwändi seiner ist eS. Der ist doch auch blos hergekommen, um zu fragen, wo fein Tochiermann geblieben ist!" „E aber nein, das sind doch nur Ausreden. Gelt, der Pro fessor läßt sich heut' wieder einmal verläugnen? Glaubst etwa, wir lassen uns was vermachen? Ueber Nacht wird der Professor doch nicht verloren gegangen sein!" „Wohl! Grad! Weder am Abend, noch am Morgen ist er heimgekommen! Um acht Uhr ist er gestern Abend von Schwan, di's aufgebrochen, und seitdem Hot ihn kein Mensch mehr gesehen! Unser Herr ist drinnen. Der bangt sich ja so grausam, daß ihm 'was zugestoßen sein könnte!" Die Aufregung der Studenten wuchs. „WaS zugestoßen!" rief Ghey entsetzt. „Nein aber, daS ist ja wüst, gleich so zu reden!" Der ganze Trupp drängte sich mit in'S HauS hinein. Bis In's Zimmer deS Professors, in dem Herr Schwändi sich aufhielt, wie der Pförtner ihnen angstvoll flüsternd verrieth. wagte sich — nach schüchternem Anklopfen — erber blo» der Wortführer. „Hä, was wollen Sie?" herrschte der Dicke, der sich erschrocken umgewandt hatte, den Studenten an. Ghey entsann sich herzpochend der scharfen Tontroderse, die er mit dem reichen Patricier bei jener öffentlichen Versammlung ausgefochtcn hatte. Zum Glück schien ihn Herr Schwändi, der den ganzen Schreibtisch durchstöbert hatte — wo- die schreck liche Unordnung desselben zur Genüge verrieth — nicht wieder zu erkennen. „Wir waren heröestellt zu Ihrem Herrn Schwiegersohn, Herr Schwändi . . ." „Nichts da, nichts da — heute giebt's keinen Unterricht und solchen Unfug!" „Wohl, Herr Schwändi. Aber gelt, Gke lassen mich erst einmal auSreven? Der Pförtner sagt.. .." „DaS Man! hat er zu halten, der alte, blödsinnige Kaiser!
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