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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010118025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-18
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Amtsblatt -es königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Volizei-Änttes -er Ltadt Leipzig. 33. Freitag den 18. Januar 1901. Arrzeigeir.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SS Reekame« unter dem Redactionsstrich (»gespalten) 75 Ls, vor den Familirnnach» richten (6 gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürdenm- SO.—, mit Postbesürdcrung 70.—> Ilnnahmelchlub für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrvchen geöffnet oon früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Lerlaq vou L. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Ziele der Boeren-Commandos im Caplaude. AuS dem Haag wird unS berichtet: In den hiesigen Boeren- treisen wird es als sicher bezeichnet, daß Commandant Hertzog in der nächsten Umgebung von Worcester eine feste Stellung einzunchmen gebenlt. An dieser Stelle würde er den gesummten Eisenbahnverkehr Lurch die Capcolonie lahmlegen können, was das vorläufige und ausschließliche Ziel der unter Hertzog in dir Colonie eingedrungenen Commandos ist. Ein angriffsweises Vorgehen gegen die Engländer im Caplanae soll dagegen erst erfolgen, wenn De Wet an der Spitze einer größeren Truppenmacht im Eap steht. Tic militärische Tttuatiou i» Ser Capcolonie ist, so schreibt man uns aus London, 17. Januar, eure der artig ungeklärte und dificile, und zwar sowohl für die Boeren wie für die Briten, daß es nicht leicht ist, ein richtiges Bild der ganzen Lage zu schaffen. Auf englischer Seite nehmen nach den letzten Telegrammen die Mobilisation und die Organisation der zusammengelesenen Truppen in fieberhafter Eile ihren Fort gang, während jedoch der Ausfall der Anwerbungen von Frei willigen weit hinter allen Erwartungen zurückgeblieben ist. Üeber die Dertheilung der britischen Truppenkörper verlautet so gut wie gar nichts, und man wird abzuwarten haben, bis cs zu einigen Zusammenstößen gekommen ist, bevor man genau weiß, wie die Engländer und ihre colonialen Hilfscorps den Boeren entgegentreten. Auf jeden Fall nähern sich die Eindringlinge und die Verthcidiger mit großer Geschwindigkeit, und die Nach richt von einem größeren Gefecht kann stündlich erwartet werden. Mittlerweile ist bei Murraysburg in der Nähe von Graaf Reinet für die Engländer sehr verlustreich gekämpft worden. D. Red.) Auf englischer Seite befürchtet man, wie der Draht von Cap- stadt wiederholt meldet, daß die Boeren keinen geschlossenen An griff unternehmen und sich überhaupt nicht fassen lassen werden, indem sie nach bewährter Taktik sich, wenn eS Noth thut, in kleinere Abteilungen foriniren, wie sie es bereits zum Thcil ge- ihan haben und auf diese Weise die Aufgabe der britischen Truppen unendlich erschweren oder unmöglich machen. Man ver spricht sich in Capstadt große Dinge von dem täglich anwachsen den R a d f a h r e r c o r p s, das bei dem vorherrschenden Mangel an Pferden die berittene Infanterie ersetzen soll. Der Führer der colonialen Freiwilligentruppen, General Brabant, wendet diesem Corps eine ganz besondere Sorgfalt zu und bemüht sich mit allen Kräften, dasselbe einige Tausend Mann stark zu ge stalten) und zu diesem Zwecke werden sogar bereits Bichcles im Privgibesitz massenhaft reauirirt und schwer bezahlt, soweit die Besitzer nicht schon unter Waffen stehen oder sich für den Dienst im Felde zur Beifügung gestellt haben. Wie diese Infanterie auf Stahlrossen sich allerdings in dem schwierigen gebirgigen Gelände Lewähren soll, wird nicht berichtet, und den gewandten Poniks der Boeren dürften auch die besten Räder nicht gewachsen sein. — Der einzige, wirkliche Bortheil, den eine solche Rad fahrertruppe den berittenen Infanteristen voraus hat, besteht darin, daß beim Feurrgefccht nicht der nerte Thcil der ganzen Mannschaft wie bei den Pferden zur Bewachung oder zum Halten der Rosse zurückbleiben muß und somit diesen Ausfall an efsectiver Gefechtsstärke erspart. Allerlei vom AriegSschanplatze Ein Privattelegramm aus Pretoria vom 16. d. M. meldet, Lord Kitchener habe Befehl ertheilt, den ganzen District von Rustenburg von „Boeren zu säubern" und die Familien der dort ansässigen Farmer sofort nach Pretoria zu transportiren. Ob ihm die „Säuberung" des Rustenburger Districis von Boerentruppen ebenso leicht gelingen wird, wie die von deren Frauen und Kindern, darüber schweigt die Depesche. Einer anderen Nachricht aus Pretoria vom selben Datum entnehmen wir, daß es Boerenfarmern nicht mehr, wie bisher, gestattet ist, Gemüse, Fleisch, Butter, Eier, Geflügel, Obst u. s. w. in das Innere der Stadt Pretoria zu Markte zu bringen. Lord Kitchener fürchtet, daß sie den boerenfreundlichen Theil — die Mehrheit — der Bevölkerung über die fortwährenden Niederlagen der Engländer unterrichten und andererseits Nach richten über die Stärke der Besatzung u. s. w. hinaustragen könnten. Von nun ab müssen, nach Lord Kitchener's Befehlen, die Boeren ihre Wagen bei den britischen Vorposten halten lassen, von wo aus sie durch eigene Führer in die Stadt gebracht und nach Verkauf der Ladung mit dem Erlös für dieselbe leer an die Farmer zurückgesiellt werden. Es ist den Boeren nicht einmal gestattet, den Verkauf ihrer Products außerhalb der Vorposten linie abzuwarten, sondern sie werden strenge verhalten, sofort auf ihre Farmen zurückzukehren. Wie die „Birmingham Gazette" meldet, hat Lord Kitchener einen Armeebefehl erlassen, in welchem allen englischen Soldaten verboten wird, ohne besondere Erlaubniß nach Hanse zu schreiben, und cs sollen überdies alle Soldatcnbriefe von hierzu besonders ernannten Officiecen gelesen werden. Wie es scheint, hat „Tominh Atkins" etwas gar zu viel aus der Schule geplaudert. Das englische Kricgsministerium hat in den letzten Tagen wieder nach Canada und Australien große Aufträge für Kriegsproviant vergeben, so z. B. wurde die Regierung von Neuseeland allein ersucht, so rasch als möglich zwölftausend Tonnen (12 Millionen Kilogramm) Hafer anzukaufen und nach Südafrika zu verschiffen. * Capstadt, 17. Januar. (Reuter's Bureau.) Das Kriegs recht ist für alle Bezirke der Colonie, mit Ausnabme der Bezirke Capstadt, SimonStomu, Wynburg, Port Elizabeth, East London, Transkai, Timbuland und Lst-Griqualand verkündet worden. Nach der Proclamanon ist es alle» Bewohnern der Cav-Halbimel mit Ausnahme der Beamten und Militärperionen verboten, im Besitze von Waffen und Munition zu sei», die bis zum 1. Februar Len Behörden abgeliesert werden müssen. London, 17. Januar. Tat „Reuter'sche Burea: " meldet auS Standerton vou heute: Wilhelm Steijn, der Telegirte der Boeren von hier und Umgegend, welcher abgesandt war, um seine Landsleute zur Uebergabe zu bewegen, wurde gefangen ge il ommeu und nach Piet Nctief gebracht. Er wird wegen Hoch- verraths angcklagt werden. * London, 17. Januar. „Evening Standard" verzeichnet das Gerückt, daß eine Anzahl gefangener Boeren aus Ceylon entkommen sei. Lissabon, 17. Januar. („Reuter's Bureau".) Ungefähr 900 Boeren» die nach Lourcn^o Margnes auSgewaudert sind, sollen auf einem portugiesischen Transportschiffe nach Lissabon befördert werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Januar. Der Staatssekretär Graf Posadowsky bat Glück. Seine Feinde im Reichstage schießen mit ihren Angriffen aus ibn so weit über das Ziel und verratbeu so deutlich, ein wie unbequemer und zu fürchtender Gegner er ihnen ist, baß der Reichskanzler, selbst wenn er wegen der Ver- tbeidigung dessen, was er selbst getadelt hatte, durch den Staatssekretär noch etwas grollen sollte, zu der Ansicht kommen müßte, er würde durch Opferung seines früberen College» dessen Gegnern einen weit größeren Gefallen tbun, als sich selbst. Jedenfalls liegt, nach dem gest:rn dir socialdemotraiischen Redner Mit glieder der Reckten zu einer weit wärmeren Vertheidizung des Angegriffenen, als sie sonst wobl erfolgt wäre, förmlich gezwungen batten, die Wahrscheinlichkeit nabe, daß am Montag, wenn der socialdemokratische Antrag, die l2 OOO-Mark-Asfäre zum Gegenstände einer parlamentarischen Untersuchung zu machen, zur Abstimmung kommt, diese Abstimmung zu einem entschiedenen BertrauenSvoium für den Grafen PoiadomSky fick gestaltet. Im Uebrigcn hätte manches, was gestern zur Sprache gekrackt wurde, in die Debatte über die Duell- Interpellation deS Centrums gebürt. Wie schön Kälte cs fick ausgenommen, wenn bei dieser Gelegenheit einem der socialdemokratischen Eiferer gegen das unsittliche Duell der Officiere vom Äbg. v. Kardorsf vorgebalten worden wäre: Wie cS im Zukunftsslaat eist werden wird, davon hat man ja schon jetzt einen Vorgeschmack. Im Correspondenzblatt der Buch drucker wird mitgctheilt, Laß Herr Schön! ank seinen Redacteur gc ohrfeigt habe. DaS Blatt muß daraus eine Berichtigung dieses früheren Redacteurs, Herrn Katzenstein, bringen, Laß Lieser Herr Schönlank geohrseigt habe. Meine Herren, ein Ideal aus dem Zukunstsstaot! (Heiterkeit.) Aehnliche Zustände sollen ja auch in dem Truckereibetricb Les früheren socialdemokratischen Reichstags abgeordneten Herbert in Stettin herrschen. Die ganze Art Ihrer Agitation bei den Arbeitern ist tief unmoralisch. Und wie herrlich hätte es in die Debatte gepaßt, wenn darauf der socialdemokratische Abg. Fischer, wie er eS gestern getban, den klerikalen Antiduellfanatikern entgegen gehalten hätte: Die Herren vom Centrum, die so vergnügt lächelnd die Sache vorher hingenommen haben, sollten sich an ihre Brust schlagen und rufen: men oulpu, wen mnxiwn culpa! Es ist Loch auch kein Zeichen der Achtung, wenn Herr Roeren zu Herrn Dasbach sagt: „Wenn dich dein geistliches Gewand nicht schützte, würde ich dir rechts und links eine herunterhauen!" Wie angenebm Ware cs für den K iegsminisler von Goßler gcweien, wenn er den socialdeuiokraliscken und den klerikalen Schwärmern für die radicale Unterdrückung des Duells hätte die Versicherung erthelken können, er würde dem köcksten Kriegsherrn empfehlen, durch eine CabinctSordre dem deutschen Ofsiciercorps nachdrücklichst einzuschärfen, beim kameradschaftlichen Verkehr sich die Freundlichkeit der Sitten der Herren Schönlank und Katzenstein, Roeren und DaSbach unablässig als leuchtendes Muster vor Augen zu kalten! —Im preitszifchcn Abgcordnctcnhausc ist gestern die Besprechung der Interpellation wegen des Offenbacher Eisenbahnunglücks noch nicht zu Ende gekommen, und wenn sie am Montag zu Ende gekommen sein wird, wird man voraussichtlich incht viel klüger sein als vorher. Die Hauptschuld an dem unbefriedigenden Ausgange werden dann diejenigen Abgeordneten tragen, die den Eisenbahnminister mit unerwelSbaren Beschuldigungen überhäufen. Solche Beschuldigungen machen dem An gegriffenen die Abwehr leicht llnd lenken die Aufmerksamkeit von dem ab, was hauptsächlich Gegenstand der Eiörlerung sein sollte. So konnte gestern der Minister der öffentlichen Arbeiten von Thielen dem Vorwürfe, baß die Eisenbahn verwaltung sich in Bezug auf die Betriebssicherheit über triebener Sparsamkeit befleißige, leicht mit dem Hin ¬ weise auf die jährlich in den Etat für Verbesserung der SickerkeitSeinrichtungen eingestellten Summen begegnen. In ter Tbat sind die Ausgaben für solche Zwecke nicht gering. Man darf auch Herrn v. Tbieleu auf das Wort glauben» daß jeder Unfall, der sich trotzdem ereignet, ibn selbst und seine Beamten tiefer erschüttert, als jeden Un bet heiligten, und ihn und diese Beamten zu ernstlicher Prüfung der Frage anregt, was getban werden müsse, um Aehnlicheß für die Zukunft zu verbäten. Es fragt sich nur, ob beständig von den rechten Leuten die Einrichtungen auf ibre Zulänglichkeit geprüft werden und beständig darauf gedrungen wird, daß die neuesten Errungenschaften der Technik zu weiteren Verbesserungen auSgenuyt werben. Und dafür, daß auf diese Fragen eine befriedigende Antwort ertheilt werden könnte, dürfte noch Manches zu tbun sein. Wir erinnern un», daß früber einzelne Privatbahnverwaltungen mit den Gutachten ihrer BetriebSbcamten über die Sicherheitseinrich« tungcn sich nickt begnügten und an Privatleute, die oft und weit reisten, mit dem Ersuchen sick wendeten, ab und zu ihre Deobacktungen und Vorschläge der Direktion mitzutbeilen. Würde auch heute ähnlich verfahren, so würde man schwerlich erst jetzt daran denken, in Bezug auf die Stangen an den Fenstern der O-Dage« eine Aenderung eintreten zu lassen. Wer in einem Betriebe steckt und an seine Einrichtungen sick gewöhnt, übersiebt leicht Mängel, die dem auffallcn, der bei der Benutzung eine» Betriebes zumeist an seine Sickerbeit denkt und mit seinen Mitreisenden die Meinungen auStausckt. Vorschläge, die auf die beständige Information der Eisenbabnverwaltuug über Beobachtungen, Wünsche und Besorgnisse deS reisenden Publicums hinauslansen, würden angebrachter sein, als unerweisbare Vorwürfe, und vermuthlich auch willigeres Gehör finden. Die ministerielle „Berl. Corr." knüpft an die Reden an, die die Minister v. Miquel, v. Rbeinbaben und vr. Studt im Abgeordnetenbause über „Tic polnische Ge fahr" gehalten haben, und meint, eS habe sich vor der preußischen Volksvertretung das Bild einer nationalpolitische« Agitation Les PolentbumS entrollt, wie eS in dieser Skrupel losigkeit und Gefährlichkeit biSkcr gewiß nur wenigen der Zuhörer bekannt gewesen sei. Danach beißt eS weiter: Nicht nur die polnischen Bolksinassen werden durch die polnische Presse und in den Polenvereinen fortgesetzt in revolutionärer Richtung bearbeitet, sondern sogar auf die Gemüther der Jugend und der polnischen Kinder wird von der oationalpolnischen Agi tation einzuwirken gesucht. Selbst vor Versuchen einer Lockerung Les festen Bande», Las die Armee umschließt und sie zu einem Hort und Schutzwall des Vaterlandes macht, schrecken polnisch« Agitatoren nicht zurück. Diese Thatsachen sprechen eine zu überzeugende Sprache, als daß eine von polnischer Seite gr- lieferte andere Darstellung irgend welchen Eindruck aus die Re gierung und aus die überwiegend« Mehrheit des preußischen und des deutschen Volkes machen könnte. Angesichts der Tvatsache, daß den Polen in Preußen «in ungleich größeres Maß nationaler Bewegungssreiheit gewahrt ist, als es fremdsprachigen Volks- elementen anderwärts, selbst in republikaniichen Staaten, zu- gedilligt wird, kann es unmöglich gelingen, die revolutionäre Sprache der polnischen Presse und die immer schärfer sich hervor- wagenden Tendenzen zur Wiederausrichtnng des ehemaligen Polen reiches lediglich als eine Gegenwirkung gegenüber angeblicher preußischer Bedrückung glaubhaft darzustellen. Die polnischen FouiHotsn. iy Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. NaLdrack virbotru. Mit gemischten Gefühlen verfolgte Alexander, soweit dies von hier aus überhaupt möglich war, den Fortgang der Arbeiten. Wenn er vernahm, daß die Bohrversuche an einer Stelle abge brochen worden waren, um an einer anderen wieder ausgenommen zu werden, so beschäftigte ihn dies stets aufs Lebhafteste. Be deutete cs eine Niederlage Orell's, der sich allzufest auf das ja nur lückenhafte Wissen der beiden Alten verlassen hatte — oder einen Schritt weiter zur Ausführung deS gewaltigen Planes und gleichzeitig damit einen Sieg des „Mannes der That" über Arnold Zwyler's Theorien? Natürlich sprach er gegen Elisabeth seine Vermuthungen häufig aus, allein cs wollte ihm scheinen, als habe daS Interesse seiner Schwester für die Vorgänge im Brandeisgletscher-Gebiet erheblich nachgelassen. Vielleicht zwang sie sich aber auch nur auS ganz bestimmten inneren Gründen dazu, sich nicht fortgesetzt mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen. DaS Abgeschnittensein von aller Welt ward ihr mit der Zeit schier unerträglich. Alexander ging in seinem verant wortung-reichen Wirkungskreis so völlig auf, daß er keiner An regung von außen her bedurfte; in ihr dagegen meldete sich die Sehnsucht nach einer Berührung mit der Außenwelt immer Zwingend«! und leidenschaftlicher. So verstand sie es vor Allem .sicht, wie der Bruder es fertig brachte, d«n ganzen Winter hin durch auf jede Zritungslectürc zu verzichten. Alexander las ja viel in seiner freien Zeit; er studirte geschichtliche und philo sophische Werke, wenn er nicht musicirte. Aber für die Zeit ereignisse hatt« er wenig Interesse. Er hätte mit seiner stillen Be schaulichkeit und dem nach innen gerichteten Ernst geradezu fürs Klosterleben getaugt. Elisabeth bereute es nun, nicht wenigstens mit den Pensio nären der Frau Palm oder Ghey, der sie so herzlich um die Er- laubniß, ihr schreiben zu dürfen, gebeten hatte, i» einer, wenn auch nur losen Verbindung geblieben zu sein. Es dränqte sie, zu erfahren, wie eS in Zürich aussah, ob die Hochzeit Arnold'» mit Fräulein Schwändi zu Weihnachten stattgesundcn halte, ob er regelmäßig seine Kollegien lese, und was sonst noch die Thcil- nahmr mehr qltz die Neugierhe beantwortet wissen wollte. Auch ihre Lehrthätigkeit im Dorfe genügte ihr nicht. Sie glaubte, die Verpflichtung zu haben, mit dem Pfund, das ihr geworden, wuchern zu sollen. Sie wollte wieder in Stellung gehen, um sich ihr täglich Brod selbst zu verdienen; so anspruchslos sic für ihre eigene Person selbst war — sie fürchtete doch, dem Bruder mit der Zeit zur Last zu fallen. Als die Botenfrau den nächsten Gang nach Oberwald machte, gab Elisabeth ihr ein Schreiben mit, das sie zur Post befördern sollte. Es waren ein paar Zeiten an Frau Palm, die sie bat, eine Annonce für sic in die Zeitung zu setzen und ihr bei Ge legenheit ein paar Blätter zu schicken, in denen sich vielleicht Stellenangebote fänden. Wenige Tage später hatte sie bereits ein ganzes Bünde! Zeitungen in Händen. Wie ein Gruß aus der Welt der Lebenden in ihre stille winterliche Einöde wirkte die Lectüre auf sie, die sie nun inner halb weniger Stunden mit den Ereignissen der letzlen Monate bekannt machte. Alexander befand sich gerade in Windgäll, als die Sendung eintraf. Es waren nicht Amtsgeschäfte, die ihn fortgeführt hatten; man hatte ihn vielmehr wieder einmal als Heilkundigen hingebeten, und der Geistliche war mit seiner kleinen Hausapo theke willfährig dem Rufe gefolgt. Er wunderte sich nicht wenig, als er, gerade im Begriff, das ärmliche Haus des bejahrten Kranken wieder zu verlassen, von Schulkindern die Meldung erhielt: „Fräulein Liesbeth sei in Windgäll!" Was wollte sic hier? Weshalb kam sie ihm nach? War der alten Leneli etwa was zugestoßen? Aber dann würde sie doch erst recht nicht Wängli verlassen haben! Oder was war sonst für ein Unglück geschehen? Eilig verabschiedete er sich und stürmte hinaus auf die Dorf straße, der Schwester entgegen. Elisabeth's Wangen waren vor Kälte und Erregung roth ge färbt. Ihr Blick flackerte — sie schien nervös und ängstlich — ein Ausdruck wie Entsetzen beherrschte ihre Züge. „Schwester — Liebling — was ist Dir?" entfuhr es ihm in größtem Schrecken. „Da — lieS — lies!" stammelte sie. Und dabei händigte sie ihm die alte, zertcsene Nummer einer Zeitung ei», deren Inseratenteil eine Bekanntmachung enthielt, worin Arnold Zwyler's Name zu verschiedenen Malen in großen, sofort ins Auge fallenden Lettern angeführt war. ES war der Aufruf Schwändi'» an die Oeffeutlichteit, ihm Mittheilungen über seinen verschollenen Schwiegersohn zukommcn ZN lassen. Der Geistliche vermochte das ebensowenig zu fassen wie seine Schwester. „Ist er todt — verunglückt? Barmherziger Gott, was mag ihm zugestoßen sein? . . . Und Du hast die späteren Nummern durchgelesen, Lisbeth, ohne eine Notiz zu finden, die weiteren Aufschluß giebt?" „Ich Habs sie alle — alle durchflogen. Fünf Mal erschien der Aufruf: aber nichts scheint darauf erfolgt zu sein. Er ist spurlos verschwunden. Und in einem Anfalle von Geistes umnachtung habe er sich entfernt, steht da zu lesen; wie schrecklich, wie entsetzlich!" „Höre, Schwester, das kann aber nicht stimmen! Er ist doch, wie ich aus dem Datum erkenne, seit demselben Abend ver schollen, an deni wir Beide Zürich verließen?" „Ja, um acht Uhr verließ er das Haus Schwändi's — und ist von Stund' an nicht mehr gesehen worden." „Nun — und ich habe ihn doch eine Stunde zuvor noch ge sprochen. Da war er aber noch durchaus Herr seiner Sinne uns Gedanken." „Wenn nur das Eine nicht wäre", brachte Elisabeth furcht sam, ganz tonlos hervor, „das mich auf Len Weg zu Dir ge trieben hat, weil es mich selbst um den Verstand bringen könnte " „Erbarme Dich, Elisabeth!" „Alex, denke doch nur, wenn ihn der grausame, fast un lösliche Conflict, in den er sich da durch unsere Nachricht versetz! sah, in einen freiwilligen Tod gejagt hätte!" Ganz entsetzt sah der Geistliche seine Schwester an. „Es war doch ein Christ, Elisabeth, kein Heide!" Elisabeth fand endlich wohlthuende Thronen, die ihre ner vöse Spannung lösten. Nun gab sie sich einer weichen Rührung hin. „Wie unsäglich muß er gelitten haben, der Arme, der Un glückliche! — Und saß gerade wir beitrugen zur Verstärkung feiner inneren Zerrissenheit, daß wir ihn in einen neuen Kamps der Pflichten und des Gewissens hineinzerrten. . . Ernst schüttelt« der Geistliche den Kopf. „Wir brauchen uns keine Vorwürfe zu machen, liebe Schwester. Wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde, wie damals: ich würde nicht anders handeln können. Es mußte von meiner Seele herunter. Wir waren ihm Offenheit schuldig. Verzichtete er großmüthig darauf, Göh Orell zu enllarven — bei uns stand es nicht, darüber zu ent scheiden." Die Geschwister tonnten Vie Einladung des bescheiden im Thorweg auf sie wartenden Dorfältesten zu einem Glas Land- ivein nicht abschlagen. Sie bedurften auch wirklich einer Stär kung, umsomehr, als sie noch die beträchtliche Strecke nach Hause zurückzulegen hatten. Während der Gemeindevorsteher sich mit dem Geistlichen in wichtigem Tone über die Arbeiten va droben am BranveiSgletscher unterhielt, die heute Mittag vorläufig ihr Enve erreicht zu haben schienen, Va sämmtliche Arbeiter entlassen waren, blätterte Elisabeth wieder in dem Rest der Zeitungen. Plötzlich erhob sie den Kopf und fragte den Wirth ziemlich erregt: „Es steht doch fest, daß der Fremde, der da oben die Arbeiten vornahm, Herr Götz Orell ist ?" „Orell? Ich habe seinen Namen noch nie gehört, Fräulein!" „Nicht? .... Aber wo 'Sie seit Wochen mit ihm zu thun haben! Haben Sie ihn denn nie nach seinem Namen gefragt? Hat er auch nicht correspondirt — Wurmspach-Gottfried hat ec einen Brief heruntergcschickt, Briefe empfangen, meine ich?" „Das nicht, Fräulein. Blos heute früh mit dem der nach Zürich gehen sollte — ja, schon mehr ein Packet war es, kann man sagen, eingeschrieben, und Tabellen und Zeichnungen und so was seien drin gewesen, sagt der Wurmspach. Und da» Ganze war adressirt an ein Fräulein in Zürich." „An ein Fräulein? Wissen Sie den Namen etwa?" „Schwändi — oder so — glaub' ich." Alexander hatte seine Schwester während dieser Reden forschend angesehen. „Warum zweifelst Du plötzlich daran, daß cs Orell ist? Wer sonst sollte ein so großes Interesse am Beginn der Vorarbeiten gehabt haben?" Erregt deutete Elisabeth auf eine Stelle des Blattes, da vor ihr lag. „Die Nummer ist vor zwei Wochen erschienen — und die berichtet über «ine Versammlung der Bahnbaugesellschaft in Zürich, in der Orell als Redner ausgetreten ist." „Orell — in Zürich?" fragte Alexander. Auch der Wirth ließ sich in zweifelndem Tone vernehmen: „Unser Herr von da oben? Bis auf die paar Nächte, die er hier unten zugebracht hat, ist er nicht von der Hülle fortgekommen." „Also bleibt nur eine Möglichkeit", sagte Elisabeth stockenden Ath«ms, „die, daß der da oben nicht Orell ist." Fast gleichzeitig hatten die Geschwister ihre Platze verlasse.^, „Wenn es Arnold wäre!" Sie sagten e» Beide wie aus einem Mund«. Sie blickten ei«, ander forschend in's Auge — lange, ohne weitere Worte zu finden. Als sie — nach ziemlich unvermitteltem Abschied vom Ge- meinveältesten — wieder auf der Dorfstraße draußen im Schnee standen, sagte Elisabeth plötzlich mit festem Entschluss«;
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