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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010119022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-19
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Nach einer Nach, richt der „Central News" sind sechs Boeren commandos (nach einer anderen Meldung fünf Commandos von 3000 Mann mit sechs Geschützen) im Bezirk von Ermclo zwecks Einfall -> in Natal zusammengezogen worden. Louis Botha werd: di- Operationen des Heeres leiten. Hält man diese Mittheilung zu sammen mit den Berichten der letzten Tage, so gewinnt sie an Wahrscheinlichkeit, hat doch Lors Kitchener bereits unterm 16. Januar, gemeldet, daß 3000 Boe re n bei Carolina, das etwa 50 Kilometer nördlich von Ermelo liegt, versammelt sind Kitchener dürfte durch den neuen Plan der Boeren nicht über rascht worden sein. Aus seiner schleunigen Rückkehr von De Aar, wo er sich von dem Stande der Dinge im Capland unterrichtete, war zu entnehmen, daß er seine Anwesenheit in Transvaal für erforderlicher hielt, als in der Capcolonie. Allerdings konnte er damals noch nicht ahnen, daß er auch mit Tewet zu kämpfen haben werde. Denn damals waren noch alle Anstrengungen der Engländer darauf gerichtet, Dewet an der Erneuerung des Ver suches, in das Capland einzudringen, zu verhindern. Nun aber hat der kühne Führer auf neuerliche Ueberschreitung des Oranje- slusies zunächst verzichtet, und cs ist ihm gelungen, über den Va« zu gelangen und sich dcn unter Botha's Oberbefehl stehenden Truppen anzuschließen. Es liegt System in den neuesten Plänen der Boeren. Sie suchen, wie zu Beginn des Krieges, di« Operationen auf englisches Gebiet zu verlegen, weil dadurch der Kriegsschauplatz erheblich erweitert wird und die Engländer genöthigt werden, zur Veriheidigung ihrer Colonien bedeutende Truppenurasien aus dem Gebiete der beiden Boerenstaaten zu- rückzuziehen. Dadurch aber bekommen die Boeren auf ihrem eigenen Grund und Boden wieder mehr Luft null freie Hand. Unser Interesse an den Vorgängen in Südafrika wird in der Folg« zwischen dem Capland und Natal getheilt sein. Vor Krüger s Abreise ans Transvaal. Ein ehemaliger deutscher Freiwilliger in Transvaal schreibt dem „Schwäb. Merk.": „De verdomre Spoori" (d. h. die verdammte Eisen bahn), so sagten die jungen Boeren oft, wenn man sich der Bahnlinie näherte, um zu sehen, ob man nicht wieder einen Zug mit „Khakis" oder englischem Proviant und der Post ab fangen könne; ein älterer Boer wird das Wort „verdammt" aus religiösen Gründen niemals gebrauchen. Mit der Eisen bahn ging es den Boeren ähnlich, wie den Chinesen. Zwar hatten sie vor dem Kriege nie gegen Eisenbahnen sich gesträubt, im Gegetheil, sie selbst viel benützt; allein mit dem Ausbruch des Krieges begann alles Unangenehme an die Eisenbahn sich zu knüpfen: sie hatte mit dazu geholfen, den Fremden in das Land zu bringen, sie hatte cs ihm ermöglicht, dies reiche Land begehrenswerth zu finden, und nun brachte sie dis für den Zahlensinn dieser schlichten Naturkinder ungeheuerlichen Masten englischer Soldaten ins Land. An der Bahnlinie hing, um der Derprovianttrung willen, die ganze Maste des englischen Heeres und der Kriegserfolg Englands bis Mitte September vorigen Jahres war lediglich das Einnehmen dec Bahnlinien in den beiden Republiken, bis herunter nach der Grenzstation Komatipoort an der Delagoabahn. Bon der Zeit an, als die Engländer auf ihrem Vormarsch längs der Bahnlinie Bloem fontein-Pretoria vor letztere Stadt gekommen waren, residirie Präsident Krüger in seinem Saloneisenbahnwagen. In Eisen bahnwagen auf Schienen waren die verschiedenen Negierungs kanzleien Trasvaals, und sic, wie der Präsident, mußten in demselben Maße auf der Delagoabahn „rctiriren", als die Eng länder vordrangen. „Wir mästen reticiren, es sind schrecklich viele Khaki», und sie haben so viele große Kanonen", so pflegten die Boeren zu sagen, und getreu ihrem oversten Grundsätze, sich von einem „Engelsmann" nicht todlschießen zu lassen, retirirten sie in aller Gemüthsruhe, sobald die Sache gefährlich wurde. Auf diese Weise war die fahrende Residenz des Präsidenten Krüger Ende August 1900 bis auf den Lahnhof der kleinen Station Nelspruit, etwa 6 Srunden von der portugiesischen Grenze, auf der Delagoabahn gekommen. Tort blieb der Präsi dent, bis er Mitte September nach der Delagoabay abreiste. Während seines kurzen Aufenthaltes in dem ttcincn Nelspruit hat sich Bedeutendes ereignet. Das Erste war das Zusammen treffen mit Präsident Steijn. Präsident Steijn und die Mitglieder der Froiftaatregierung waren in der Nacht des 15. Juli 1900 mit Christian Dewet und seinen Getreuen, unter denen auch ich das Glück hatte zu sein, durch dcn Cordon der 45 000 englischen Truppen unter Hunter gezogen, und nach einem anstrengenden Marsche, bei Tage kämpfend, bei Nacht trckkend, am Vaalfluß, südlich von Potchefstroom, angelangt. Dort erhielt Präsident Steijn eine Einladung, zu Präsident Krüger zwecks gemeinsamer Berathungen zu kommen, und dem zufolge trennte sich Präsioent Steijn am 18. August von Dewet bei Pretoria. Bis vor Pretoria war der gemeinsame Zug ge gangen. Dewet standen Thränen in den Augen, als der Präsi dent, dem er über Alles ergeben ist, sich von ihm verabschiedete, um nun um Pretoria herum und nördlich von der Dslagoabahn- linie durch das Buschfeld zu Präsident Krüger zu ziehen, und der kleine Zug des Präsidenten Steijn war kaum einen Tag unterwegs, da kam auch schon ein Bote von Dewet mit einem Briefe an dcn Präsidenten nachgesandt, besten Inhalt zeiat, wes Geistes Kind Dewet ist. Er schreibt, da nun der Präsident zum Präsidenten Transvaals gehe und cs sein könnte, daß anläßlich oder gelegentlich deS Zusammenseins der beiden Regie rungen Unterhandlungen mit dem Feinde gepflogen werden, möchte er den Präsidenten bitten, ihm in diesem Falle zu ge statten, anwesend zu sein. „Euer Hochedcln", fährt er fort, „werden mich wohl genug kennen und mir dies gewiß nicht al» einen Mangel an Vertrauen zu E. HochEd. auslegcn; allein es mochte sein, daß Abreden getroffen werden, die für unsere Un abhängigkeit in irg.nd eivr Weise oeem.rächtigend sem lounren, und da müßte ich dann mein ganzes Lebe» lang die GemüEs- beschwcr mit mir herumlragcn, die Pflicht g.men unser liebes Land und die Sache unserer Unabhängigkeit nickst recht gethan zu haben." (Schluß folgt.) Die wirrni in China. Tcutschlanv und Frankreich. Der Berichterstatter des „Ecko de Paris" meldet aus Peking vom 24. November, daß der französische Ge sandte Pichon ihm gegenüber u. A. Folgende» geäußert habe: Tie Rückkehr des Kaisers nach Peking scheint mitten im Winter schon aus materiellen Rücksichten schwer durchzuführen zu sein; ferner sind auch di: Truppen um die kaiserliche Stadt herum und in den Palästen selbst noch zu zahlreich. Man muß eine fortschreitende Wandlung, eine Abmilderung des Belage rungszustandes dazu abwarten. Ueber die Frage der Schutz wachen für die Zukunft muffen erst die näheren Bestimmungen getroffen werden. Aber meine Meinung darüber steht uner schütterlich fest; eine ansehnliche Truppenmacht ist inTientsin und in Paotingfu zum Schuhe unserer Eisenbahn er forderlich. Ein Regiment, glaube ich, und einige Batterien müssen noch für eine lange Frist hier gelassen werden. Aber wir muffen darauf gefaßt sein, daß alle Mächte unserem Bei spiele nicht folgen; die Engländer werden zögern, nur 200 Mann hier zu lassen und die stattgefundencn oder bevor stehenden Truppcnzurüüziehungen Rußland» und der Ver einigten Staaten sind ja bekannt. Deutschland und Frankreich werden sich nicht vom Fleck rühren, bis sie die absolute Gewißheit haben, daß ihre Unlerthanen und ihre Interessen wirksam beschützt werden. Wenn ein theilweiscr Abzug vor dem Frühling stattfinden soll, so werde ich auf jeden Fall verlangen, daß auf dem gesummten Gebiete, auf do» sich Ker französische Einfluß erstreckt, starte Truppenmassen belassen werden. Ich bin nicht der Ansicht, daß ein Feldzug im wahren Sinne des Wortes jetzt erforderlich ist; aber eine ernst hafte Besetzung und kleine Polizeicolonnen, wie wir und die Deutschen solche täglich herumschickcn, sind noch für eine geraume Zeit unumgänglich. Tas ist die beste Vorbereitung zu dem erwarteten und hoffentlich nicht allzu fernen endgiltigen Frieden. Russische Liebesmühe. Die Russisch-Chinesische Bank in Peking vcrtheilie, wie amt lich gemeldet wird, neben unentgeltlicher Abgabe von Reis am 16. Januar 1200 warme Kleidungsstücke Namens des russischen Kaisers an arme Chinesen, wie es früher all jährlich durch die chinesische Regierung geschah. In nächster Zeit werden noch 1000 Kleidungsstücke vertheilt. Politische Tagesschau. * Leipzig, !9. Januar. Die Kundgebungen und Auszeichnungen, die der Kaiser anläßlich der Preus; scheu Kröiiuiigsfcicr dem Heere und der Marine hat zu Theil wervcn lasten, werden auch beim Volke einen sympathischen Widerhall finden. Die Art aber, wie das Krönungsjubiläum sonst amtlich begangen wurde, bietet nach, der positiven, als nach der negativen Seite hin manchen Anlaß zur Kritik. Was zunächst die negative Seite an- betrifft, so muß das Ausbleiben jeder Amnestie einigermaßen befremven. In Bezug aus die positive Seit: aber wir) man es in. :,en Kreisen denkender Pui- i- beklage-:, daß da» Haaptstück oe. ganzen amtlichen Krönungsfeier in der S i i s t u n g e i n e s neuen Ordens besteht. Als vor einiger Zeit vom „Kleinen Journal" diese Stiftung angekündigt wurde, hat c- in der natio nalen Presse nicht an Stimmen gefehlt, die gegen die weitere Be reicherung unseres öffentlichen Lebens um eine neue Aeußerlich- keit Einspruch erhoben. Im Sinne des ersten preußischen Königs dürfte es allerdings liegen, daß die Zahl der Ordcnsauszeich- nnngen, wie im letzten Jahrzehnt wieoerholt, so auch jetzt wiederum vermehrt wurde. Käme diese neue Stiftung nur als ein Accevenz zu sonstigen Acten von größere: Bedeutung hinzu, so brauchte man darüber kein Wort zu verlieren. Sie ist aber thatsächlich das Hauptstück der ganzen amtlichen Feier. Das kommt schon äußerlich im „Reichsanzeiger" "dadurch zum Aus druck, daß die betreffende Urkunde an der Spitz: des amtlichen Blattes und in ungewöhnlich großen Typen abgedruckt ist. Für die Wichtigkeit, die damit der Stiftung von Ordcnsauszeich- nungen auch vom gesummten preußischen Staatsministcrium beigemeffcn wird, fehlt seh: weiten Kreisen, die der bürgerlichen Demokratie ebenso fernstehcn, wie der socialen, das Verständnis;. Tie Demokratie, besonders di: sociale, wird schwerlich verfehlen, den äußerlichen Charakter des Hauptstückes der amtlichen Feier für die Sache der „Genossen" auszuvcuten. Und das ist um so bedauerlicher, je weniger das Centralorgan der deutschen Social demokratie im Staude gewesen ist, die Feie: ohne einen Beweis der Anerkennung für das Wirken der Hohenzollern vorübergehen zu lassen. Freilich darf man dies: Anerkennung nicht im poli tischen Theile des „Vorwärts" suchen; der ist ausschließlich dem „Beweise" des vom „Genossen" Stadthagen ausgestellten Dictums gewidmet: „So weit Hohenzollern thätig gewesen sind, haben sie nichts getha^, was der Lulturbewegung oder der Größe Preußens ooer Deutschlands dienlich g«we;en wäre." Im lo calen Theile des „Borwärts" aber findet sich ein kleiner Artikel, der eine blutige Satire zum Leitartikel über das sociale König- thum der Hohenzollern bedeutet. Der betreffende Localartikel erhebt nämlich die Forderung, daß in Zukunft alle Dillen colonien in der Umgegend Berlins mit Straßenzügrn von Ein- und Zweifamilienhäusern nach Bremer System durchgesetzt werden, und fährt dann fort: „Ein Theil der Berliner Arbeiter würde i« der Lage sein, sich in solche« Häusrru onzusirdel« u«d diese zu erwerben, wenn etwa die Altersversicherung mit Eapitalien hinzuträte." Die unfreiwillige Anerkennung dessen, was unter dem so cialen Königthum der Hohenzollern für die Arbeiterklasse erreich! ist, kommt im vorstehenden Zugeständnisse überaus drastisch zu Tage und hat nur insofern einen komischen Beigeschmack, als die "Altersversicherung, auf die Ser „Vorwärts" anspielt, von den sozialdemokratischen Volksvertretern seiner Zeit verworfen wor den ist! Heute liegt der stenographische Bericht über die Sitzung des Reichstages vom Dienstag vor und bringt den genauen Wortlaut der Aeußerungen des Grafen PosadwSky über den Stand der Vorbereitungen des neuen ZolltarifrS. Di« Aeußerung lautet verclausulirt und vorsichtig. Das Einzige, waS bestimmt ausgesprochen wird, ist der Wunsch des Reichs kanzlers, den Zolltarif möglichst bald vorlegen zu können. Daß der Wirthschaftliche Ausschuß seine Arbeit langst beendet hat, ist bekannt. Wie es im Ucbrigen mit dem Entwürfe steht, bleibt einigermaßen im Unklaren. Namentlich macht die Erklärung des Staatssekretärs auf den ersten Blick den Eindruck, als sei zur Zeit nur das Reichsschatzamt mit der Be arbeitung der Materie befaßt. Dem muß aber bestimmt wider sprochen werd'«. Das Reichsscbotzomt hat lediglich eine calcu-^ atonschc Arbeit vorzunehmen, die fertig sein muß, wenn der Bundesrath den Entwurf des neuen Zolltarifes festsetzen soll; denn er hat nicht nur die wirthschaftlichen Verhältnisse zu prüfen, sondern auch die finanziellen Wirkungen in Betracht zu ziehen. In letzterer Hinsicht muß das Reichsschatzamt ihn mit infor matorischem Material versehen, und dieses Material stellt Graf Posadowsky für Ende Januar oder Anfang Februar in Aus sicht. Wie lange die Bundesregierungen und der Bundesrath Zeit beanspruchen werden, um den Zolltarif zu prüfen, darüber kann der Staatssekretär keine Auskunft geben. Tas hört sich nun so an, als ob die Bundesregierungen mit der Prüfung noch gar nicht begonnen hätten. In Wirklichkeit liegen die Dinge aber so, daß Mitte November die gesammten Ergeb nisse der Vorarbeit, welche der wirthschaftliche Ausschuß geleistet hat, sowohl dem Reichsschatzamt, als auch den Bundesregierungen übermittelt worden sind, den letzteren zur Prüfung der einzelnen Positionen nach der wirthschaftlichen Seite hin und der handels politischen Verhältnisse, dem ersteren zur calculatorischen Be arbeitung. Nun soll dem Reichsschatzamt kein Vorwurf gemacht werden, wenn es länger als zwei Monate braucht, um eine solche calculatorische Bearbeitung zu leisten. Sie braucht nicht früher abgeschlossen zu werden, als bis auch die Bundesregierungen den Entwurf zurückgegeben haben werden. Aber eine besondere An crkennung für beschleunigte Arbeit wird dem Reichsschatzamte auch Niemand aussprechen wollen. Doch das hauptsächliche Interesse richtet sich darauf, wann die Bundesregierungen mit ihrer Prüfung fertig sein werden, damit der Bundesrath als Fenilletsn. iss Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. dlaLkruck «ttdotrn. Auch in der schweigenden, starren Natur, die sie rings umgab, war's innerhalb der letzten halben Stunde trüber und düsterer geworden. Allenthalben herrschte jene bange Stille, die an schwülen Sommcrtagen dem Ausbruch eines heftigen Gewitters voranzugehen pflegt. War es die innere Erregung, die ihr das Blut stürmischer durch die Adern trieb, war's die Anstrengung des Steigens — sie fühlte die Winterkälte längst nicht mehr. Matt und unlustig machte sie immer wieder einen Halt, bang ausschauend nach der Hütte, die — einem fensterlosen Kasten gleichend — jenseits eines mächtigen Couloirs, daß noch von ihr zu umschreiten war, sich am östlichen Abhang des Brandcis gletschers erhob. Aber der Bau war plötzlich nicht mehr zu sehen; vermuthlich überzog ihn einer der Schneeüberhänge, hie wie Riescngiebel den -Abhang abschlossen, ihren Blicken. Doch nein, sie mußte schon auf gleicher Höhe mit der Hütte sein, denn jene mastige, graue Wolkenwand, die sie vorher hinter dem Bau erblickt hatte und die so dick und schwer auf den höheren Bergspitzen lastete, als wolle sie für eine Ewigkeit dort hängen bleiben, klebte links da drüben, so nah bei ihr, als könne sie sie greifen. Wie ein gewaltiger Schleier, dessen unterer Rand zersetzt und ausgefranzt war, streckte sie sich dräuend über die Thalmulde. Ein leichtes Gruseln kam sie an. Sie lauschte, denn es war ihr, als habe sie's irgendwo gedämpft wimmern hören. Nein, eS war nur ein Windstoß, der über den Abhang daher fegte und den Schnee aufwirbelte. Nun entschloß sie sich zu kräftigerem Ausschreiten. Solch' kleine Wetterumschläge waren in dieser Höhe fast unvermeidlich. In einer Viertelstunde spätestens mußte sie die Hütte ja erreicht haben. Aber das seltsame unheimliche Tönen, da» erst leise und seufzend, dann vernehmlicher, näher und näher in den Fels kammern und Steinschluchten erklang, beängstigte sie doch mehr und mehr. Es war, als ob ferne, verwebte Stimmen um Hilfe riefen. Diese durch die Luft streichenden Klagen entfernten sich immer Ml wieder, rasch verklingend, in anderen Gebirgsrevieren. Aber die Stille von vorhin kehrte nicht mehr zurück. Denn rasch folgten neue Windstöße, die ihr lose Schichten Schnee über den Kopf wehten, begleitet von einem pfeifenden, zischelnden Klingen, das nicht wieder aus ihrer Ohrmuschel wich. Plötzlich sauste es klatschend durch die Luft auf sic zu — wie ein flatterndes, weißes Gewand rauschte es über die Thal mulde — und da prasselte auch schon ein Hagel feiner, nadel spitzer Eispfeile auf sie nieder. Sie schlug, erschrocken über die unbändige Gewalt, die Hände vor's Antlitz; aber durch die Handschuhe hindurch fühlte sie dcn feinen, prickelnden Schmerz. Sie wandte sich hastig dem Felsen zu, an dem sie entlang ge schritten war, doch nun peitschte der scharfkörnige Schnee ihren Nacken und ihre Ohren. Gleich brandenden Meercswellen um tosten sie die jagenden Fluthcn der Eisnadeln. Sie preßte di: Augen, die Lippen fest zusammen. Am eiskalten, naycn Fels gestein sich festhaltend, suchte sie weiter zu kommen. Sie konnte nicht sehen — kaum vermochte sie zu athmen. Das war ein Hetzen und Peitschen durch die Lüfte — das tobte, stöhnte, pfiff und brauste rings um sie her. Ein Schnee sturm war es — ein richtiger, wilder Schneesturm, der über das Gebirge einherfegte. Elisabeth begannen die Kniee zu zittern. Als Gebirgskind erkannte sie die furchtbare Gefahr, in der sie sich befand. Nun durfte sie nicht nach dcn Schmerzen mehr fragen, die die auf sie eindringenden Eispartikelchen ihr an Gesicht, Hals, Händen und Gelenken verursachten — in beschleunigtem Marsch galt's zu fliehen, um die schützende Hütte zu erreichen. Wohl eine Viertelstunde lang tastete sie sich empor, instinktiv sich an der Wand haltend. Ihre Handschuhe wirkten durch die Nässe und Kälte so unleidlich auf der Haut, daß sie sic abriß, lieber den stechenden Schmerz des Hagels ertragend. Eine kleine Ausbuchtung der Felswand bot ihr dann endlich Schutz. Hier erst vermocht sie wieder die Augen zu öffnen. Aber entsetzt starrte sie um sich. In scharfer Schneide setzte wenige Meter vor ihrem Stand ort der FelS ab. TXr Weg führte dann frei empor, um den Rand des Couloirs herumbiegend. Die Hütte war nicht zu sehen — und überhaupt nichts zu erkennen, was weiter als zehn Meter vom Auge sich entfernte. Sie kannte nun wohl die Richtung, in der sie zu erreichen war, sah aber keinen Weg mehr, denn jed« Fußspur im Schnee war vertilgt. Ein Licker weißer Teppich hatte sich über die dunkel graue Kette der durch die Fußspuren entstandenen primitiven Wegweiser gelegt, denen sie früher gefolgt war. Und noch immer prasselte es pfeifend und surrend in dicken, regellos bald dahin, bald dorthin sich wendenden und windenden Linien auf oie leuch tende Decke ein. Elisabeth bedeckte die Augen mit den schmerzenden Händen. Dann raffte sie sich von Neuem auf. Sie durfte hier nicht unthätig verharren. Mit jeder Minute, di: sie zögerte, vergrößerte sich die Gefahr. An eine Rückkehr während des Schneesturme» war nicht mehr zu denken. Weiter unten, wo die Schlünde lagen, brachte jeder Schritt über die gleichmäßig erscheinende Schnee decke Lebensgefahr für den Wanderer — denn in diesem wilden Aufruhr war es unmöglich, festen Schnee von trügerischen Schneebriicken zu unterscheiden. Also mußte sic den letzten Theil de» Aufstiege wagen. Es konnten ja auch kein: dreitausend Schritt: mehr bis zur Hütte sein! — Die Lippen zusammenpressend und vorzebeugten Kopfes warf sie sich dem Sturme entgegen. Wie da» auf der wunvgewordenen Haut biß und brannte! Tie hüllte sich in den Rock ein, den sie über Kopf und Schultern schlug. Langsam nur, Schritt für Schritt, vermochte sie vor wärts zu kommen, jeden Fußbreit Weges sich erkämpfend, er trotzend. .Plötzlich riß eine dicht vor ihr vom Sturm losgelöste Schnee wand sie zu Bosen. Jäh schrie sie auf — denn sie verlor den Erdboden unter dcn Füßen und gerieth in'S Rollen und Gleiten. Endlich vermochte sie sich an einer Felsklippc festzuhalten. Aber den Kopf zu erheben wagte sie nicht. Ein Prasseln und Poltern, daS sic als Kind einmal gehört — damals, als die Lawine vom Löffclhorn niedergegangen war — und das si: wegen der entsetzlichen Folgen nie zu vergessen vermochte, er füllte sie mit Entsetzen. . . . Das war Steinschlag! .... Eine kleine Lawine nur brauchte der Sturm dort oben von den höchsten Stellen der Moränen abgelöst zu haben, und die vom Schnee befreiten Schuttwälle, die das eisige Winterkleid bisher zusammengehalten, barsten unter der Wucht de» droben rasenden, in die CouloirS, in Vie Firnbccken eingeschlossenen Wirbels. Ein donnernder Schall — nachhallend rollte das Getöse durch die Thäler — dann erneuerten sich, stärker anschwellend, die erschütternden Laute. Furchtsam wagte Elisabeth die Augen zu össnen. Es war fast Nacht — die Tageszeit schien vom Hellen Mittag dcn Abend übersprungen zu haben — aber über sich sah sic trotz de« dämmernden, fahlen grauen Lichts rauchendes, von den Lüften verwehte», stäubendes Gewölk und unmittelbar darunter «ine gleitende, niederwallende Bewegung an den Firnhängen. Scheinbar langsam schwebte die Schneekaskade über dir Felsenwände herab, an jäh vorspringenden Fetssätzen sprang sie ab, zerstob in wollige Schaumbogen und zerslatterte in kleine Dampfwolken. Prasselnd schlug da und dort in Eltsabeth'S Nähe ein Stein auf. Sic wandte den Kopf ab, zog ihn zwischen die Schultern — al» könne sie diese Bewegung vor der furchtbaren Gewalt schützen! Für ein paar Secunden hörte der peitschende Schneefall auf. Der Luftdruck war so mächtig, daß Elisabeth keinen Athem bekam. Aber da» Furchtbar« tobte vorüber, ohne sie mitzureißen. Ueber zwanzig Meter von ihr entfernt brauste der Steinschlag, den Sichte Schneelasten der Lawine ähnlich machten, in die Tiefe. Sie war gerettet. Aber auf wie lange? Konnte nicht in der nächsten Minute ein neuer Steinschlag donnernd seine Bahn nehmen — und direct über ihren Körper weg? Dann war sie auf der Stelle erschlagen und der wilde Wirbel erfaßte ihren zer mürbten Leib, ihn mit sich reißend, zerschellend an den zackten Felsvorsprüngen. Wohin sich retten aus diesem Orkan? Vorsichtig suchte sie nach einem Anhalt, ganz erschöpft, ganz ermattet. Wieder löste sich droben Steinschlaa laß. Tie hörte daS Rollen und Knattern, begleitet von dem Knirschen und Rauschen des sich selbst zerprcffenven Schnees, dem stöhnenden Krachen zersplitternder Moräne, dem zischenden Fluge über ihren Kopf weg geschleuderten Felsgesteins und deren klatschendem Anprall an die Gebirgswände. Die Nacht brach herein. Wenn nicht der Steinschlag fi; tödtete, so war sie dem Erfrieren, dem Verhungern preisgegeben. Tagelang, wochenlang konnte die Wucht dieser Winde» an halten, der bis jetzt daS Hochgebirge so außerordentlich verschont hatte. Aber derSttinschlag bot doch die nächste, die grtlßtrGefahr. Er preßte die eiskalten, verkrampften Hände gegen Vie Schläfen uns versuchte zu überlegen. Wo fand sie Schutz? Dicht unter sich sah sic den Abhang. Unwirtlich war sie unter der Gewalt des Luftdruckes ins Gleiten gekommen. Rur noch wenige Meter trennten sie vom Rande des CouloirS. Wenn sie versuchte, unterhalb dieses Randes einen Fettdor«
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