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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190101205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010120
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-20
- Monat1901-01
- Jahr1901
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1901
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Die tiefsinnigen Auseinandersetzungen klerikaler Baterlaudöfreunde, daß man auS diesem Anlaß nicht zu viel verlangen rürfe, weil e» sich doch um em preußi sches, nicht um ein deutsches Fest bandele, sind gcgenstanvlos geworden durch die freudige Würdigung der nationalen Be deutung der Erinnerung an den 18. Januar l70l in der gelammten nicht reichSfeintlichcn Presse. An ernst zu neh menden Mißtönen hat es allerdings nicht gefehlt, sie wurden aber in wohlmeinenden preußischen Organen laut. So bat z. B. der „Hannoversche Courier" im An schluß an eine allgemeine Betrachtung über das unaus gesetzte Berliner Feiern bemängelt, daß bei den Anordnungen für das Krönungsfest der Befehlston zu sehr durckgeklungen habe. DaS ist ein Ecko von Stimmen in der preußischen Volksvertretung, und zwar durchaus nicht nur von demokratischen Stimmen. Aber in Abgeordnetenkreiscu hat man nicht das Bedürfniß gehabt, ein Gefühl der Kränkung öffentlich zu verratben, unv das genannte Blatt hat mit seinem Tadel seine Freunde kaum zum Danke verpflichtet. Man sollte, und das ist in diesem Falle auch die Meinung der Conservativen, Prunk- und Festsachen nickt zu ernst nehmen, am wenigsten dann, wenn sie außer der Stiftung eines neuen Ordens kaum etwas Bleibendes hinterlassen. Ein nicht particularistischeS bayerisches Blatt ist in den Fehler des Suchens nach Tadelsgiünden noch viel tiefer verfallen, als das bannoverfche. Es regte sich außerordentlich darüber auf, daß für den 18. Januar ein Festspiel „Der Avler- flug" — natürlich aus der Feder dcS Herrn Laufs — angekündigt war mit dem Zusatz, daß da« Theater stück „seine Entstehung einer Anregung des KaiseiS ver dankt". AuS diesem Zusatze, an den man von beinahe unzähligen malerischen, bildhauerischen, musikalischen und literarischen Produktionen im In- und im Auslande ge wohnt ist, wurden nun die merkwürdigsten diplomatischen und bundeSpolitiscken Bedenken geschöpft. „Unter den vielen fürstlichen Abgesandten aus allen Tbeilen unseres Con- tinernS, die der Vorstellung beiwohnen würden", so wurde gesagt, „befinden sich auch die Vertreter solcher Staaten unv Dynastien, deren Wappentiere einst brüllend und fauchend und zischend gegen den einköpsigen schwarzen Adler sich erhoben und ihm den Weg zu verlegen ge sucht Haden; sie werden das, was man ihnen zu sehen und zu büren giebt, mit kritischerem Blick und schärferem Obr entgegennchmen, als das altpreußischc GroS des Auditoriums", uud „eine durchaus befriedigende Lösung" ist .fast unmög lich". Das Blatt ist jetzt wobl beruhigt, das Theaterstück hat sich abgespielt, ohne daß irgendwie eine Verstimmung ringetreten wäre, auch im „Jnlande" nicht, wie gleich falls, treu besorgt, befürchtet worden war. Nur wegen dieser Warnung vor dem Inlande und weil sie wegen dieses Hinweises auf daS Inland im Auslande unwillkommene Beachtungen gefunden, haben wir uns bei dieser kleinlichen Bemäkelung länger aufgebalten. Tact empfiehlt sich in bundeSpolitiscken Dingen immer und, mit Verlaub, auch Con'equenz. Dasselbe Blatt, daS, wie vorstehend mitgetbeilt, an eine vom Kaiser notorisck gewollte Thealernotiz eine hochpolitische — wir haben nur einen sehr kleinen Theil wiedergegeben — Betracktung ankuüpft, dasselbe Blatt, es ist die Münchner „Allgemeine Zlg.", entrüstet sich gleich zeitig darüber, daß man zu viel Notiz von Aussprüchen Les Kaiser» nehme; es sei, so meint es, ein Unrecht, nickt auch den Regierenden das Recht zu lassen, das in dem Worte beansprucht wird: „Mein Haus ist meine Burg". An diese Schulmeisterei werden verdächtigende Bemerkungen über die Beweggründe der „Registrirnng" von monarchischen Aus sprüchen geknüpft. Dazu paßt eS nun schleckt, daß dieselbe Münchner „Allgemeine Zeitung" in diesen Tagen sich sehr viel daraus zu Gute getban hat, ein Wort deS Königs Albert von Sachsen reproduciren zu können, und dabei war diese» — allerdings sehr gute — Wort längst bekannt. Zum preußischen Jubiläum glauben wir noch nacktragen zu sollen, daß daS süddeutsche Centralorgan sich zwar in der gehässigsten Weise über die Erinnerung auSläßt, ihr aber in einer Nummer — abgesehen von der gestern mit- getheilten anerkennenden Localnotiz über das sociale KönigS- thum der Hobenzollern — zehnunveinbalb Spalten, durckweg tendenziösen Inhalt» natürlich, wohlgezählt, widmet. Daraus ergiebt stck, daß die Socialdemokratie Veranlassung hat, alt- preußiscke Ueberlieferungen zu fürchten. Die Woche bat in Berlin wieder zwei Parlamente in Arbeit gesehen, aber dir Ausbeute ist überaus dürftig. Im Reichstage wurde fast ausschließlich socialvemokratisckcS Garn gesponnen, ohne daß e»waS Fruchtbares zu Tage ge fördert worben wäre, außer einer Erklärung deS Herrn Möller, die wir schon erwähnt, aber wegen der Bedeutung, die sie uns zu baden scheint, ausführlicher wiedergeben möchten. Der nationalliberale Abgeordnete erklärte: Dem socialpolitischen Programm de» nationalliberalen Fractions- r«dner» stimme ich in den meisten Puncten bei, allerdings bestehen einzeln« Unterschied« zwiicken meiner Aussossung und der de» Ab- geordneten Vassermann. Der Abgeordnete Bassermann betont mehr da« ethisch« Moment. Aber wir sind un« alle einig darüber: Wir wollen nicht still stehen auf dem Gebiete der Socialpolitik, wir sind alle darauf stolz, daß wir zweifellos all«n anderen Ländern in Bezug auf den Arbeiterschutz bereit» um viele Pferdelängen voran» sind. In keinem anderen Lande wird so gearbeitet, wie bri un», in keinem Land« wird so darauf gesehen, daß auch di» Gesetze durchgefllhrt werden. Die beiden Geflcht»puncte. daß Deutschland überhaupt — mau denke an die so opferdeischenden VersickerungSgesetze — allen anderen Ländern weit vorau» ist, und der weitere, daß unsere socialpolitischen Vorschriften keine Sckaugerickre sind, sind in der Tbat die auSscklaggebrnken für die Bemessung de» Tempo» bei dem von Herrn Möller und von allen anderen Natiouallibrralea al» selbstverständlich erachteten Weiterschreitrn auf dem Weg« der Weiterbrlastung der Ar- Im preußiscken Abgeordnetenhause bat die erste Berathung de» Etats siatlgefunven. Sie war noch matter als ihre Vorläuferinnen, so kraftlos, daß die „Nationalztg." dafür eintritt, man solle diele Generaldebatten, die sich an den Etat knüpfen, den früheren Avreßdebatte» in den Orkus folgen lasten. Wir möchte» allerdings der Preisgabe der Form das Wort nicht reden. Sie ist an sick geeignet, der öffentlichen Meinung an berufener Stelle Gehör zu verschaffen, und wenn sie beute keinen Inhalt hat, so liegt das nickt an dem Gefäße, sondern an der Zaghaftigkeit Derer, die in dieses Gefäß den goldenen Wein ihrer innerer Ueberzeugung von den Grundmängeln des deutschen össentlicken Lebens zu gießen die Pflicht haben. Diese preußische EtalStcbatte ist nickt der Rede wertb; der äußere Anlaß, den sie zur Erörte rung der Polenpolitck gab, soll demnächst von uns benutzt werden. Ob „gesteigert" oder „gesichert", die Linke ist und bleibt ungehalten über die Auslassung, die der Kanzler und Ministerpräsident in vergangener Woche im Landtage zu der landwirthschaftlich en Zollfrage gcthan hat. Es ist der Ton, der eine ihr mißiönige Musik machte. »Laues Säuseln überall, aber nirgends brausender Sturm wind, der daS Aufziehen eines drohenden Wetters mit nachfolgender Luftreinigung verkündet. Eine wahre Stickluft herrickt, aber mau schraubt ängstlich Fenster und Thüren zu, anstatt sie zu öffnen. Soll eS wirtlich so weiter gehen?" So die „Frankfurter Zeitung", die aber für ihre Erregung viel näber wohnende Adressaten hätte, als den Grafen Bülow. Die wnrltembergische Demokratie, ihre Gesinnungsgenossen, machen auch die Fenster nickt auf, sie sind vielmehr ent schieden für eine weitere Verdickung der Luft durch Erhöhung von Schutzzöllen. Ja, die Well liegt im Argen. Der Krieg in Südafrika. Bor Krügers Abreise aus Transvaal. (Schluß.) Nach einem zehntägigen scharfen Ritt, nicht ohne intevesianir Zwischenfälle und Begegnungen mit englischen Truppen, die den .Präsidenten fangen wollten, langte Präsident Stcijn und >eine kleine Gesellschaft bei Präsident Krüger an. Sofort begannen die gemeinsamen Berathungen, deren ersten traurigen Stoff ein Schreiben an Lord Roberts vom 2. September 1900 lieferte. Als ich am Abend des 3. September Präsident Steijn in seinem Salonwagen aufsuchte, sagte der sonst stets heitere, freundliche Mann ernst: „Hier ist die letzte Nachricht von den Englischen, sie wollen uns jetzt alle Frauen und Kinder heraus senden ins Buschfeld", und hierbei gab er mir den genannten Brief, in welchem Lord Roberts wörtlich schreibt, er würde stine Pflicht gegen seine nationalen Interessen nicht thun, wenn er den Frauen und Kindern seiner Feinde fernerhin gestatten würde, in den von ihm besetzten Gebieten zu bleiben. Er werde des halb alle Frauen und Kinder, beginnend mit der (alten, kränk lichen) Frau des Präsidenten Krüger und den anderen Frauen und Kindern in Pretoria, ihnen in das Buschfeld herausscnden und sie möchten Vorbereitungen treffen für den Empfang und die Unterkunft ihrer Familien. „Diese Maßregel", so schloß Roberts sein Schreiben, „ist mir sehr zuwider, allein sie ist mir aufgezwungen durch die offenbare Entschlossenheit von Ihnen und Ihren Burghers, den Krieg fortzusetzen, nachdem alle: Zweifel über dessen künftiges Ende aufgehört hat." Ich brauchte einige Zeit, um mich zu fassen und zu erholen von dem Eindruck dieses Briefes. Er hätte einem Franz Moor Ehre gemacht. Die Männer sollten mitansehen müssen, wie ihre Frauen und Kinder in der Wildniß und Fieberluft des Buschfelds in Folge Mangels an Ernährung und Unterkunft langsam zu Grunde gehen, das war der schöne Gedanke des Schreibers. Was thun? Präsident Steijn meinte ruhig: „UnsereFrauen werden auch dasertragen. Und wer ft erben soll, wird st erben. Wir Männer werden weiterkämpfen." Es lag etwas Großes in diesen einfachen, ernsten Worten. So läßt der Krieg die Kraft erscheinen im Leiden und Ertragen, wie im Handeln. Als Christian Dewet auf obigem Zuge seine seither auch „kriegsgefangen" gemachte Frau wiedersah, fragte er sie, was nun aus ihr werde, wenn er weiterkämpfe; damals war schon seine Farm zerstört, und die Engländer begannen die Frauen und Kinder zu mißhandeln, um die Männer dadurch zum Nachgeben zu bringen. Die Frau Dewet's erwiderte: „Kämpfe Du ruhig werter; wenn wir nichts mehr zu essen haben, gehe ich mit den Kindern Ameisen graben." Meinen Gedanken, die von Lord Roberts herauszusendenden Frauen und Kinder wenigstens zum Theil nach Europa zu senden, fand Präsident Steijn bäum ausführbar; immerhin aber sprach er die Hoffnung aus, man könnte vielleicht durch Hinaus senden eines Theils die grausame Maßregel des englischen Be fehlshabers zur sofortigen Kenntnis, der gesitteten Mächte bringen, und sagte, wir wollen einmal zu Präsident Krüger gehen und seine Ansicht hören. Dieser, der in seinem Salonwagen saß und sein Pfeifchen rauchte, war nach längerem Hin- und Herreden damit einverstanden, wenigstens die Alten, Kranken und Schwachen hinauszusenden und zunächst einmal bei Consul Pott in Lourenyo Marques, wegen der Möglichkeit, einen Dampfer zu bekommen, anzufragen, um dann die Sache vor den ausführenden Rath zu bringen. Demzufolge dictirte Prä sident Steijn dem Sekretär de» Präsidenten Krüger, Fr. Eloff, die Depesche an Pott. Obwohl der Plan dann deHakb nicht ausgefikhrt werden konnte, weil Roberts die Frauen und Kinder nicht aussetzte, so lange die Delagoobai noch offen und damit ein Fortschaffen derselben möglich war, so ist doch das Haupt motiv desselben eine bezeichnend, Aeußerung des immer bri den Barren wiederkrhrenden Gedankens, daß die gesitteten Nationen dies Alle» doch nicht stillschweigend mit ansehen können. Daß sie die» thun, kann der schlichte Sinn dieser Bauern nicht verstrhru. Ein w«iterer Gegenstand der gemeinsamen Berathungen war die Reorganisation der Streitkräfte drr beiden Republiken, oder besser gesagt, die Einführung von Organisation und DiSciplin überhaupt, mit welcher der geniale Dewet schon seit der Schlacht bri Bethlehem (6. und 7. Juli 1900) langsam begonnen hatte, lieber diese interessante Tkttwickelung, die den ganzen bisherigen Verlauf des Krieges, wie auch den Loerrn selbst verstehen hilft, muß ich mir Vorbehalten, ein ander Mal gesondert zu schreiben. Hier möchte ich nur noch des letzten Gegenstandes der gemeinsamen Berathungen beider Präsidenten und Regierungen kurz gedenken, der Reise des Präsi denten Kruger. Sie war veranlaßt durch einfache Rück sichten der Zweckmäßigkeit. Mit der bevorstehenden Einnahme des letzten Stücks der Delagoabahn war für den Präsidenten die Wahl nöthig, ob er nun auch, wie dies Präsident Steijn, Staatssekretär Reitz, Schalk Burger u. s. w. schon lange thun, mit einem der Commandos im Lande ziehen oder ins Ausland gehen will. Gegen ersteres sprach das Alter, die Gesundheit und vor Allem auch die körperliche Schwerfälligkeit und Schwer hörigkeit des Präsidenten; er hätte den Strapazen des Lager lebens erliegen oder gar in die Hände des Feindes fallen können. Für letzteres sprach die Hoffnung auf diplomatische Erfolge, insbesondere die officielle Anerkennung des Präsidenten als Präsidenten der von England „annectirten" Republik durch die neutralen Mächte. Es war tveder eine Flucht, noch ein letzter verzweifelter Appell an die Mächte. Daß Präsident Krüger letzteres nicht nöthig hatte, wußte er und seine Burghers schon in Nelspruit, und über die Aussichten auf Intervention war er von der Sondergesandtschaft klar informirt. Aber die Welt ist durch England hinsichtlich der Reise des Präsidenten Krüger ebenso getäuscht worden, wie hinsichtlich des Verlaufs des Krieges überhaupt. So unwahr es gewesen ist, daß Lord Roberts je etwas mehr als die Bahnlinien und die daran gelegenen Plätze in den beiden Republiken erobert hat, so ist jetzt unwahr, wenn Kitchener telegraphirt, er habe alle Truppen auf die Bahnlinien concentriren und das übrige Land aufgeben müssen. Wie die englische Sprache in Südafrika nach hundertjähriger Herrschaft im Frieden nicht über die Bahnlinien und die daran gelegenen Plätze hinaus ins Innere des Landes gekommen ist, so ist seine militärische Herrschaft in diesem Krieg auch an der Bahnlinie stets gehangen. Darum wird immer wieder um die „verdammte Eisenbahn" gekämpft werden, und zwar so lange, als England es aushalten will oder kann. (Schwäb. Merk.) Bon Pretoria wird gemeldet, daß die Stadt mit britischen Truppen voll gepfropft ist, und daß das englische Hauptquartier unter Kit- chcner's persönlicher Leitung fieberhafter Eile die Vor bereitungen für den erwarteten größeren Zusammenstoß mit den unter Botha und Dewet vereinigten Boeren trifft. — Im Uebrigen nimmt das systematische „Einsammcln" und Zu sammentreiben der sämmtlichen Boerenfamilien mit ihren Vieh beständen in den Außendistricten seinen Fortgang, und zwar mit der bereits sattsam bekannten Rücksichtslosigkeit und „Bruta lität." An allen passenden Puncten sind große Lager hergerichtet worden, in denen die Boerenfamilien freiwillig oder unfreiwillig unter schärfster Bewachung gehalten werden, und in dieser Ge fangenschaft im Großen, bei sehr kleinen Rationen und be schränkter Bewegungsfreiheit, einen guten Vorgeschmack der Wohlthat des britischen Regimes bekommen. Die Wirren in China. Amerikanische Sonderbünöclei. Die Unionsregicrung glaubt wieder einmal der chinesischen Action der Mächte hilfreich unter die Arme greifen zu sollen. Im Ministerrathe zu Washington wurde, wie von dort ge meldet wird, vorgestern ein neuer Antrag an die cooperirenden Regierungen berathen, und zwar soll derselbe dahin gehen, daß nach erfolgter Ratification der Friedensnote durch die chinesischen Bevollmächtigten nunmehr den Wünschen Chinas, betreffs Ein stellung der militärischen Operationen entsprochen und demgemäß die verbündeten Truppen baldmöglichst aus China oder wenigstens aus der Nähe von Peking zurück gezogen werden sollen. Es gehört, schreibt die „Münchner Allg. Zig-", die zähe Ausdauer der Panker-Rasse dazu, um sich nach so Piel Mißerfolgen, welche Amerika mit seinen Vorschlägen zur Chinapolitik schon erlebt hat, die immer wiederholte Auf wärmung alter Vorschläge nicht verdrießen zu lassen. Die Idee, daß Petschili noch vor der endgiltigen Unterwerfung Chinas unter den Willen der Mächte zu räumen sei, ist bekanntlich russischen Ursprungs und wurde in der vielerwähnten Note der russischen Regierung vom 25. August zum ersten Male propagirt. Rußland wollte mit seinem Vorschläge China «inen Beweis seiner unveränderten freundnachbarlichen Gesinnung geben und Amerika will nun, indem es den russischen Vorschlag sich zu eigen macht, Rußland und China zugleich für sich gewinnen. Bei Rußland speculirt es auf commercielle Vortheile, und von China erhofft es Vergeltung etwa in Form einer späteren Land- oder Hafenconcession. Inwieweit es bezüglich Rußlands etwa auf seine Rechnung kommt, ist noch nicht klar geworden, bei China hat es bisher jedenfalls wenig Gegenliebe und Erkenntlichkeit ge funden; alle sein« Bemühungen, einen vortheilhaften Sonder frieden abzuschlirßen, sind vielmehr fehlgeschlagen. Voraussicht lich wird auch der jetzige Versuch, China einen guten Dienst zu er weisen und sich dieses dadurch zu verpflichten, fehlschlagen. Denn was man China zu Gefallen durchsetzen möchte, wird sicherlich nicht geschehen, d. h. die in China militärisch vertretenen Mächte werden sich nicht dazu verstehen, die Occupation Nordchinas schon jetzt, wo nur erst die formellen Vorfragen für den Friedens schluß erledigt sind, die Friedensbedingungen im Einzelnen noch nicht feststehen, und noch leine Gewähr für ihre schließliche Er füllung geschaffen ist, aufzugeben. Amerika für sich ist aber gar nicht in der Lage, China durch einen Verzicht hinsichtlich der militärischen Action sein Wohlwollen zu documentiren, da es kaum noch über eine nennenswerthe Truppenzahl in China ver fügt, mit deren Zurückziehung eS diesem eine Annehmlichkeit bereiten könnte. Eben dieser Umstand, daß Amerika schon lange bei den militärischen Operationen am wenigsten mitthut, dürfte eS auch rn den Augen der anderen Mächte am wenigsten zum Mitrathen in diesen Dingen berufen erscheinen lassen. * Karlsruhe, 18. Januar. Di« soeben erschienene „Südd. ReickScorresp." enthält folgende, offenbar iafpirirte bedeutungsvolle Mittbeil nag: Die nunmehr bevorstehend, Eröffnung der auf die Lösung zum Theil schwieriger Einzelfrage» gerichtete« FriedenSonter- handlungrn mit China wird di« gemeiuschastliche Arbeit d«r Großmacht« in Ast«« »och Vermehren. Ei» «ut-edaldige» Ab springen einzelner Regierungen vou den vereinten Bemühungen ist kaum mehr zu besorgen. Denn eS handelt sich um Streitfragen, die vom besonderen Jnteresseustandpunct jeder einzeln«» Macht einer praktischen Entscheidung bedürfen, und wenn die Mächte für diese Entscheidung auch mit einander nicht leicht, so können sic doch gegen einander überhaupt nicht dafür wirken. DaS Masi der wechielseitigen Rücksichtnahme im Dienste gemeinsamer Friedcnsausgabeu wird sich noch erhöhen. Selbst die voraus sichtlich längere Dauer der Gesammtarbeit in Peking braucht insofern nicht beklagt zu werden, als durch die Nothwendigkric, in Asien rin ungestörtes Concrrt zu behalten, auch andere den Keim zu Verwicklungen bergende Fragen zurückgedrängt werden, zu deren vorzeitiger Ausrottung die gegenwärtige Inan spruchnahme der britischen Macht für Südafrika und die unruhige Thätigkeit gewisser Balkanpolitiker sonst vielleicht Aulasi geben konnten. Als Symptome solcher Tkätigkeit sind die falschen Aus- streuungen über antirussische Bünduisibestrebungen im Orient unter angeblicher deutscher Förderung, sowie die neuerlichen Denunciatioucn der französischen Presse gegen Oesterreichs Bor- dringen auf dem wi'rthschafrlichen Expansionkwege nach Salonichi und die Klage englischer Blätter über die Lage in Makedonien, wie über die Unwirksamkeit dcS russisch-österrcichischen Balkan-Abkommens in Verbindung mit der rührigen Agitation bulgarischer Vereine nicht unbeachtet geblieben. Einstweilen haben diese Signale nur Lie erwünschte Wirkung, die Wachsamkeit der Großmächte, die in Europa den Frieden nicht erschüttern lassen wollen, zu verschärfen. Und so werden auch nach der diesjährigen Schurrschmelze am Balkan die Wasser sich wohl gesahrloS verlaufen. * Berlin, 19. Januar. Gegenüber den in auswärtigen Blättern neuerdings ausgetaucktcn Berichten aus Shanghai mit einer Wiederholung der Behauptung, daß die Pork'fche Expedition iu Kalgau «ine Niederlage erlstten und Graf Jork Selbstmord verübt habe, stellen di« „Berl. Nenest. Rachr." di« Grundlosigkeit dieser Behauptung fest. Durch die amt lichen Ermittelungen ist erwiesen, daß der Tod deS Oberste» infolge von Einuthmen kohlenoxqddaitigrr Gase erfolgte. * Berlin, IS. Januar. Dir „Berliner Correspondenz" schreibt: Nach einer Depesche vom Eommando deS Ostasiatischen Ex- peditionscorps ist das Unglück beim Salntschießen zur Jahreswende im Peitangfort dadurch herbeigesührt worden, daß nach einem Scklagohrveriagen mit Feuererscheinung der Verschluß des eroberten Küstengeschützes zu frühzeitig geöffnet wurde. Die Vorschrift sagt ausdrücklich, daß eine ganz bestimmte Zeit nach einem derartigen Versager mit dem Oefiaen des Verschlusses gewartet werden soll, um sich zu ve» gewisser«!, daß die Kartusche durch die Schlagröhre nicht in Brand gesetzt ist. Oeffnet man also den Verschluß zn zeitig und ist die Kartusche doch in Brand gerathen, so schießt der starke F,»erstrahl derselben rückwärts und seitwärts heraus und kann der Bedienung große Geiahr bringen, wie eS bedauerlicherweise in diesem Falle geschehen ist. Dazu kam noch, wie es in dem Telegramm heißt, infolge Fahrlässigkeit der Bedienung, daß dieser Fcucrstrahl den in der Nähe befindlichen Kartuschenraum in Beand setzen konnte, wodurch daö Unglück natürlich noch bedeutend verschlimmert wurde. DaS Geschütz war eine eroberte lb-Eentiineter-Kanon«. Die Nach richt einiger TageSblättcr, daß es sich um ein schwere? Feldhaubttzen. rohr der deutschen Fnßartillerie handle, bestätigt sich also, wie voraus zusehen war, nicht. Deutsches Reich. * Leipzig, 19. Januar. Ueber den Rechtsstreit ehr maliger Mi litärauwärter gegen den ReichSpost- fiscuS wegen Nachzahlung von Gebalt-bezügen bringt vir „D. Vcrkebrsztg." folgende genaueren Mittbeilungen: Daö Landgericht in Hamburg batte die Ansprüche der Kläger durch Urtbeil vom 26. Mai 1900 zurückgcwiesen, weil cs der Ansicht war, daß die von» BundeSratb er lassenen „Grundsätze" von 1882 nicht dir Eigenschaft einer Rechtsnorm besäße«!, sondern als Verwaltungs vorschriften zu betrachten seien, auf die der einzelne Beamte nickt privatrechtliche Forderungen stützen könne. Auf die Berufung der Kläger gegen dieses Urtbeil bob daS Han seatische OberlanvcSgericht in Hamburg durch Erkenntniß vom l2. November l900 vaS erstinstanzliche Urtheil aus und verurlbeilte den PostfiScuS zur Nachzahlung der be anspruchten GebaltSbeträge. Gegen diese» Urtbeil bat der PvstfiSciiS beim Reichsgericht Berufung eingrlegt. E« stcbt somit zu erwarten, daß demnächst durch die Entschei dung der böchstrickterlichen Instanz in diesem Processe eine endgiltige Klärung der Rechtsfrage erzielt werden wird. Unabhängig ven dem Rechtsstreit in Hamburg sind auch noch Beamte der O.-P.-D.-Bezirke Berlin, Frankfurt «Main); Magdeburg und Oldenburg wegen der gleichen Forderung hegen den ReickSpostfir-cuS klagbar geworden. Hier ist bis jetzt nur in einem Falle (Berlin) eine Entschei dung ter ersten Instanz ergangen, durch die der FiScu» zur Erfüllung der Forderungen verurtbeilt wird. Außerdem schwebt noch ein Proceß zweier Beamten in Bremen gegen den PostfiscuS. Hier handelt e» sich biSber nur um die Entsckeivung der rein formellen Frage, ob in einer Er klärung de» Beklagten vor der ersten Instanz «in bedingte» Anerkenntniß und rin bestimmte- ZablungSversprrchcn im Sinne der Civil-Proceßorvnuug zu erblicken sei. Da» Ober- landeSgerickt iu Hamburg hatte diese Frag« bejaht und de» FiScu» wegen seine» angeblichen ZadluagSver- sprechens zur Erfüllung der klaaerischen Forderungen verurtbeilt. Dagegen ist vom Pvstsiscu» Revision drim Reichsgericht eingelegt Word«» und diese» bat iu seinem Erkenntniß vom 2o. Decemder 1900 da» Urtheil de» Ob«r- lanvrSgericht» aufgehoben und die Sack« zur anderweitigen Eiitsckeivuag an dasselbe Gericht zueiktverwiese», iu drr Suche selbst aber keine Entscheidung getruffei». Berlin, 19. Januar. (Die ZeugnißpfNcht der Zeitungen.) Die Berathungen der Reichßta-üvLommtfssun
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