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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010128026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901012802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901012802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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Äitttsblatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6gespaltene Petitzcile 25 Lj. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten («gespalten) SO L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung«-.« und Offertenannahme LS S, (excl. Porto).- Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70 —, Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oon früh 8 bis Abends 7 Uhr( Druck uad Verlag voa E. Polz in Leiozt^ Montag den 28. Januar 1901. 85. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. -p. Während der neugekrönte König von Großbritannien und Kaiser von Indien, Eduard VII., seine ersten Negierungshand- langen vollzieht, die Minister, die den südafrikanischen Raubkrieg auf dem Gewissen haben, feierlichst in ihren Aemtern bestätigt und die Armee, die diesen Krieg zu keinem Ende zu führen ver mag, mit Lob und Anerkennung überhäuft, kommen Meldungen von neuen Erfolgen -er Boeren, die ihnen der von genialer Hand geleitete Guerillakrieg einbringt. Man berichtet uns: r. London, 28. Januar. (Privattelkgramm.) Ans Pretoria wird gemeldet: Zwischen Laroltna und Wonderfontcin fand ein fünfstündiger Kampf statt. Tie Engländer hatten 12 Verwundete, darunter Z Ofstciere, »nd 25 Todte. Carolina ist von den Boeren besetzt. k. London, 28. Januar. tPrivattelegramm.) Aus Pretoria wird unter dem 17. Januar gemeldet: Bei Lichtenburg wurde Sie englische tkavalleric ge schlagen und die Bcomanry sammt ihrem Major gefangen. — Am 25. Januar wurde vunningham von Telarey bei Kopperfouteiu geschlagen. Zwei Officiere nud vier Manu sind todt nnd 27 verwundet. Tie Schutztruppe -er Kimbcrleybah» wurde gefangen. Carolina und Wonderfoniein liegen südlich der Delagoa- bahn, südöstlich von Middelburg. Längs der Bahnlinie ent falten die Boeren schon geraume Zeit eine energische und erfolg reiche Thätigkeit und halten ihre nördliche Hauptmacht stets in bedrohlicher Nähe von Pretoria. Im Osten von Transvaal stehen also die Chancen der „Rebellen" ganz vortrefflich, aber auch in der westlichen Hälfte, in der Nähe der den Engländern so gefährlichen Witwaterrandberge, glückt ihnen Schlag auf Schlag. Lichtenburg ist auf der den ganzen Witwaterrand sich entlang ziehenden, Mafeking und Johannesburg verbindenden Straße zu suchen; von Mafeking ist es etwa 40 englische Meilen entfernt. Kopperfontein muß auch im westlichen Transvaal liegen, doch vermögen wir es auf der Karie nicht -u find-n. Sind diese neuesten Bethätigungen bocrischer Zähigkeit, Ge wandtheit und Schlagfertigkeit, denen gegenüber die Schwer fälligkeit der Engländer sich sehr unvortheilhaft auSnimmt, auch keine durchschlagenden Erfolge, so tragen sie doch erheblich dazu bei, das Prestige der Boeren bei den Capholländern bedeutend zu heben und ihre eigene Siegeszuversicht zu stärken. Wie unter solchen Umständen die Antwort Louis Botha's auf die Anfrage des „Frstdensausschufses der Boeren" ausfallen wird, kann man sich denken. Ter Wendepunkt im TranSvaalkriege. Folgende, uns sehr zutreffend erscheinende Ausführungen lesen wir in der ,. T ä g l. R u nL s ch.": Nach einer Meldung, die dem Londoner Sekretär der Rand Central Electric Works von dem Betriebsleiter in Johannesburg zugegangen ist, haben die Boerenin der Nacht vom vergangenen Sonnabend zum Sonn tag Vie Johannesburger Werke angegriffen. Drei Dynamomaschinen sind durch Dynamit beschädigt. Der Gesammtschaden ist noch nicht festgestellt. Der Betrieb mußte eingestellt werden. Von den Angestellten ist Niemand verletzt. Die Nachricht ist geeignet, in England nicht nur, sondern in der ganzen Welt eine große Erregung bervorzurufen, liegt doch in den industriellen Anlagen in den Minen bei Johannesburg I nicht nur englisches, sondern auch anderes europäisches, vor Allem > auch deutsches Capital. Schon bei Beginn des Krieges wurde von mancher Seite befürchtet, die Boeren würden die Johannes burger Werke vernichten, die alles Leid über die beiden Bauern staaten gebracht haben. Zu allgemeiner Ueberraschung zeigte sich aber die afrikanische Cultur der europäischen in beschämender Weise überlegen. Denn während die englischen Soldaten auf den friedlichen Farmen ihrer Gegner wie die Hottentotten hausten und Alles niederbrannten, hüteten sich bisher die Boeren mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, sich am Eigenthum der Engländer und anderer Ausländer zu vergreifen. Es mag wohl dabei der Umstand mitgesprochen haben, daß man sich in Pretoria nicht di« Sympathien Europas, das finanziell so start bei den Rand unternehmungen betheiligt war, verscherzen wollte. Konnte man sich damals in Südafrika doch noch immer nicht in den Gedanken finden, daß die Großmächte die Erwürgung der kleinen Frei staaten durch die Horden des goldgierigen England zulassen wer den. Die bitteren Erfahrungen des letzten Jahres baden aber den südafrikanischen Staatsmännern die Augen geöffnet über die vielgepriesene, in heuchlerischen Redeergüsscn verherrlichte und durch prunkvolle Abrüstungscongresse dargelegte Friedensliebe und die sogenannte Civilisation Europas. Diese Bauern, die bisher in rührendem Festhalten an den Lehren des Evangeliums in Ergebung gegen den Willen Gottes mit Thränen in den Augen ohne Widerspruch zusahen, wie die angeblich ihnen an Cultur so weit überlegenen englischen Gentlemen in Khaki die Früchte jahrelangen Fleißes mit rohen Füßen zerstampften, ihr friedliches Heim in Schutthaufen verwandelten und ihre Weiber und Kinder in di« Wüste jagten, diese Bauern fassen jetzt in ihrer Verzweif lung den finstern Entschluß, dem Gott der Rache zu folgen nnd seinem Gebot: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Wie dc Wet mit der allzu milden Gewohnheit gebrochen Hai, die Gefangenen laufen zu lassen, so bezeichnet dieser Angriff auf die Johannesburger Werke einen Wendepunkt in diesem fürchterlichen Kriege. Verübte bisher die englische Soldateska nur unerhörte Verbrechen gegen das Völkerrecht, fo folgen nun die Afrikander diesem europäischen Beispiel insofern, als auch sie jetzt zeigen, der Feldzug werde zum Vernich tungskampf. Die civilisirte Welt ist nicht im Zweifel darüber, wen die Schuld trifft, wenn das beginnende 20. Jahr hundert das grauenhafte Schauspiel der Zerstörung einer Jahr hunderte alten Culiurarbeit erlebt. Zwar haben die Großmächte ohne Ausnahme das Dogma verkündet, daß Moral in der Politik zu jenen sentimentalen Anwandlungen gehört, über die die leuchtete „reale" Staatskunst unserer Zeit längst zur Tagesord nung Übergebungen ist und die höchstens noch die Männer auf der gefühlspolitischen „Bierbank" in Wallung bringt. Mit derselben Gelassenheit würde man also auch an sich an den maßgebenden Stellen Europas bereit sein, die Dinge am Cap weiter ihren Lauf nehmen zu lasten. Das Schlimmste ist nur, daß mit der Zerstörung der Minen das europäische Capital angegriffen wird, und da das Hrrz unserer „Realpolitiker" in der Geldbörse sitzt, beginnt's vielleicht bei dieser seltsamen Kunde aus dem fernen Südafrika ängstlich zu schlagen. Die von England so zärtlich geliebten Uitlander haben der britischen Regierung bereits mit er frischender Deutlichkeit klar gemacht, daß man den englischen Feld zug zu allen Teufeln wünsche, da er den Engländern das Stimm recht noch immer nicht gebracht und ihre wirthschaftlichc Existenz vernichtet hat. Um diese armen Teufel hat man sich bisher in London nicht gekümmert. Jetzt geht man aber den Finanz männern aus den Freundeskreisen Chamberlain's zu Leibe, und da wird das englische Cabinet wohl etwas feinfühliger werden, zumal man die Herren in Downing Street wohl von Paris und Berlin her darauf aufmerksam machen wird, daß in Geld angelegenheiten auch auf dem Festlande die Gemächlichkeit aufhört. Die Wirren in China. AricdcnSverhandlungen Dem Bureau Laffan wird aus Peking gemeldet: Die chinesischen Commissare haben den König der Belgier telegraphisch um die Erlaubniß ersucht, einen Belgier Namens Wouters de Oplinter als rechtskundigen Berather «ngagiren zu dürfen. Wird die Erlaubniß ertheilt, so glaubt man, werden die Unterhandlungen sich verzögern. — Aus einer Unterredung Conger's mit Li Hung-Tschang geht hervor, daß die Chinesen die Absicht haben, wenn möglich den größten Theil des Schadenersatz«» den Ausländern aufzubiirden, und zivar dadurch, daß sie die Tarife erhöhen. Es ist auch bekannt geworden, daß der russische Gesandte von den Chinesen damit betraut worden war, seinen Collegen ein Angebot zu machen, wonach den beschuldigten Prinzen und Beamten weitere Strafen auf erlegt werden sollten. Li-Hung-Tschang erklärte, Tschnngful,staun könne nicht bestraft werden, weil er oon seiner Armee umgeben sei, aber die Chinesen seien schon dabei, die anderen Forde rungen zu erfüllen. Bezüglich der Ruhestörungen in Tschili sagte Li-Hung-Tschang: „Ich bin Vicekönig in dieser Provinz, ich will dafür sorgen, daß hier Ordnung herrscht." Dem „Globe" wird aus New Aorl berichtet, es heiße dort, daß nur 300 Amerikaner zur Bewachung der Gesandtschaft in Peking zuriickgelassen und die übrigen amerikanischen Truppen zurückgezogen werden sollen, gleichviel ob die anderen Mächte ihre Truppen dann ebenfalls zuriickziehen oder nicht. Conger habe in einer Conferenz mit den Gesandten auf eine allgemeine Zurückziehung der Truppen gedrungen. Eine russische Jereunade. Die „Pet. Wedomosti" bringen eine Pekinger Correspondenz, vermutlich vom Herausgeber des Blattes, Fürsten Uchtomsly, stumm-'nd, »ie von Anfang bis zum Ende ans dem Gejammer über die bösen Deinschen, ihre Schuld an dem "Unglück Chinas und ihr selbstsüchtiges Auftreten gegen die Rusten nicht herauS- kommt. „Der Zutritt zu den verbotenen Gärten mit den ge- heimnißvollen Daostempelchen steht dem weißen Manne frei", klagt der Verfasser. „Von den hungernden Hündchen und Papageien des Hofes umgeben, warten die Eunuchen vergeblich auf die Rückkehr der Herren und Gebieter. Sie werden nicht kommen; sie haben ihre Blicke von dem geschändeten Peking ab gewandt und hundertmal lieber wird ihnen ein abgelegenes Pro- vinzialcentrnm, wo es keine Streitigkeiten mit den Diplomaten im Tsung-li-Uamen giebt, wo kein Prinz Heinrich die seit un vordenklichen Zeiten bestehende Hofetikette zum Acrgerniß für den Pöbel verletzt, wo es dem Kaiser unbenommen ist, den An forderungen des grauen Alterthums entsprechend, inmitten der unsichtbar zu ihm hinabfliegenden Schatten aller früheren Herrscher Chinas zum Himmel zu beten." Die Lage in Peking wird als sehr ernst geschildert. Wie Leute, die dem Grafen Waldersee nahe ständen, versicherten, erkenne dieser selbst die Fruchtlosigkeit seines weiteren Verweilens. Die kürzlich noch gut disciplinirtn deutschen Soldaten würden immer plünderungs süchtiger und der alte Feldmarschall könne selbst durch strenge Strafen nicht helfen. Die letzten Phasen der ostasiatischen Politik erschienen ihm als eine Verirrung; an Schantung und I dem kostspieligen Kiautschau hab« Deutschland, nach seiner An sicht, gerade genug, die Eroberung Petschilis sei mehr als uner wünscht. Aber schwerlich werde man in dem aufgeblasenen Berlin auf die Rathschläge des vielerfahrenen und scharf blickenden Grafen Waldersee hören. Voller Empörung schreibt der Corrcspondent über die heuchlerische ausländische Presse, die über jede Kleinigkeit, die sich ein russisch«! Soldat nach dem Kriegsrecht aneigne, ein Geschrei erhebe, bei den Thaten der eigenen „Banditen und Piraten" aber die Augen verschließe. Nun schüttele Rußland allmählich den Staub von seinen Füßen und eniferne sich aus Petschili, und ein wahrer Hexentanz ginge los; man wirft uns vor, daß wir für die eigenen Interessen kein Verständnis hätten, daß wir treubrüchig seien, mit den Chinesen geheime Vereinbarungen getroffen hätten u. s. w. Man gebe zu verstehen, daß die Russen unter den gebildeten Nationen die Rolle von Kulis zu spielen hätten. Europa — dieser große Meister im Lügen und in der Berstcllungskunst —- sei es zufrieden, daß Rußland di« undankbare Schwarzarbeit thäte, kaum aber nahe der Augenblick d«r Bezahlung, so hieße es, „der Mohr hat seine Schuldigkeit gethan, der Mohr kann gehen". Der Gewährsmann der „Pet. Wed." beklagt sich ferner über die geringe Gastfreundschaft der Deutschen gegen d:e russischen Officier: und über die Schwierigkeiten, welche die Deutschen in Peking gemacht hätten, als die Rusten einige von ihnen s«lbst eroberte, dann aber der Fürsorge der Verbündeten überlassen« chinesische Kanonen verlangten, um sie zum Andenken in ein russisches Museum zu senden. Die augenscheinlich etwas alte Correspondenz verdient, so meint die „Münch. Allg. Ztg.", die Wiedergabe nur als Musterleistung in der Kunst der Ver drehung und Entstellung notorischer Thatsachen, die selbst in den China-Artikeln der russischen Presse während dieses Winters ihresgleichen sucht. Politische Tagesschau. * Lei-zi-, 28. Januar. Mit der gewaltigen Mehrheit von 238 gegen 43 Stimmen bat am Sonnabend das preußische Abgeordnetenhaus den konservativ - klerikalen Antrag, die Regierung aufzuforoern, mit größter Entschiedenheit darauf hinzuwirken, daß der Landwirtbsckaft ein wesentlich gesteigerter Zoll- schny zu Tbeil werde und die Vorlage deS in Vor bereitung begriffenen Zolltarifs an den Reichstag baldigst erfolge, angenommen. Wenn nun auch im Reichstage eine so starke Mehrheit für einen ähnlichen Antrag sich nicht gesunden hätte, so können die Gegner jeder Erhöhung der Getreide zölle aus der Abstimmung im Abgeordnetenhause dock ersehen, baß sie so viel Anhang nicht haben, wie sie glauben macken möckten. Andererseits würden die extremen Agrarier sich sicherlich täuschen, wenn sie glaubten, die preußiscke Regierung sei durch diese Abstimmung genöthizt worden, sich für eiue Steigerung der Getreidezölle, wir die Leiter des Bunde- der Landwirtbe sie wünschen, ins Zeug zu legen. Die Erklärung, die Gras Bülow im Namen deS Ministerium- abgab, gebt zwar über die kürzlich bei der Einbringung der Canal- vcrlagr abgegebene scheinbar biuauS, indem sie da- Eintreten der Regierung nicht nur für einen „gesicherten" Schutz der Landwirtbschaft, sondern für einen „ausreichenden unv deshalb entsprechend zu erhöhenden Zoll schutz für die landwirtbschaftlichen Produkte" verspricht, aber damit ist keineswegs gesagt, daß die Regierung sich da- Maß des Schutzes von den BundeSsührern vorschreiben lassen wolle; im Gegentbeil deuten die sorgfältig abgewogenen Worte darauf hin, daß die Regierung da- Urtbeil über einen für ausreichend zu erachtenden landwirth- schaftlichen Zollschutz sich Vorbehalt. Neue- enthält also die Feuölletsn. 28i Das neue Mnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. Nachdruck verdoNii. Schwändi sah sie an, als zweifle er an ihrem Verstand. „Du wolltest — Du unterfängst Dich —? Ha, giebt's denn noch eine Gerechtigkeit auf der Welt?" „Ich hoffe es!" Anna wandte sich zur Thür. Ihr hoheiisvoller Blick traf Orell, der einen Moment Miene gemacht hatte, sich ihr in den Weg zu stellen, so drohend und verächtlich, daß Jener feig zurückwich. „Wohin soll es gehen?" schrie der Alte. „Nach Bern fahre ich — noch in dieser Stunde — zum BundeSrath!" Schwändi wollte ihr Nacheilen, aber seine Füße versagten ihm den Dienst. Er taumelte — hielt sich am Tisch — macht los sank er in seinen Sessel zurück. So blieb er lange, lange Zeit regungslos liegen. „Das leibliche Kind — das leibliche Kind!" lallt« er weiner lich, als er aus seiner ohnmachtsähnlichen Betäubung wieder zum Leben erwacht war und sich der letzten Scene entsann. „Orell — ich beschwör' Sie blos — waS ist in das Mädel ge fahren?" Hilflos sah er in die Höh«. Zugwind hatte die Lampe auS- gelöfcht. „Warum reden Sie nicht?" fragte er kläglich. Er erhielt keine Antwort. Da wandte er sich stöhnend vor Schmerz um und starrte inS Dunkle. Orell war verschwunden. XU. Elisabeth war erst spät in der Nacht in die Pension „am Gräbli" zurückgekehrt. ES war ihr «ine große Wohlthat, daß die Anderen schon schliefen, sie ihnen also nicht erst ausführlich Rechenschaft darüber zu geben brauchte, wo sie gewesen und weshalb sie sich Mittags so heimlich davon gemacht hatte. Frau Palm improvisirte ein Nachtlager für ihre ehemalige Pensionärin, bracht« ihr den Hhee und lieh st« dann allein. Lange blieb Elisabeth noch am Tische sitzen, die Stirn in die Hand stützend. Sie hatte das schwere Amt ausgeiibt — die schmerzvollste Aufgabe ihres Lebens erfüllt. Theils fühlte sie sich nun erleichtert, theils auch wieder von Neuem bedrückt. Anna Schwändi hatte sich erst ablehnend, kühl und sehr von oben herab gezeigt — so wie sie sich wohl den aufdring lichen Bittstellern gegenüber, vor denen sie sich bei ihrer offenen Hand nie retten konnte, zu benehmen angewöhnt haben mochte. Allmählich aber war Leben und Bewegung in sie gekommen, als Elisabeth die Art ihrer eigenmächtigen Mission andeutete. Je doch nicht Nachklänge der Trauer um ihn, den sie verloren wähnte, nicht Angst um seine Schicksale bewegten sic — was die ersten leidenschaftlichen Worte auf ihre Lippen trieb, das war der Ausbruch ihres verletzten Stolzes. Er lebte also — und er hatte es bei vollem Bewußtsein gewagt, ihr diese Schmach vor aller Welt anzuthun? Wenn sie die bestimmte Nachricht von seinem Tode erhalten hätte, so würde sie wohl befreit aufgeathmet haben. Es ward Elisabeth unsagbar schwer, schwesterliche Worte diesem Wesen gegenüber zu finden, von dessen Empfindungsleben sie eine ganze Welt trennte. Wenn auch Anna im Verlaufe der denkwürdigen Unterredung zugab, den ersten Fehler begangen zu haben, der zu dieser Tren nung geführt hatte, wenn auch ihre Reue mehr und mehr durch brach und bei der endlichen Erkenntniß von Orell's niedriger, brutaler Gesinnung eine tiefe Beschämung über sie kam, so viel glaubte Elisabeth doch schon in der ersten halben Stunde heraus zufühlen, daß sie die Rechte nun und nimmermehr für Arnold war. Und dennoch hatte sie nicht nachgelassen, mit fast leidenschaft lichen Worten in die Fremde zu dringen, einen festen Strich unter ihr bisheriges Dasein zu machen, da» Kreuz auf sich zu nehmen und sich zu demüthigen. Was war es für ein Kreuz — was für eine Demüthigung? Elisabeth mußte unter Thränen lächeln. Nur Gutes, Edle« harrte jener Frau, die die Verzeihung deS von ihr verkannten ManneS anrufen sollte. Sie durfte ihn pflegen, der Wunden warten, die das Schicksal — in letzter Reihe sie selbst — ihm ge schlagen, in täglichem, heißem Bemühen an seiner Seite unter seinen ernsten, an» Herz rührenden Worten einen LäuterungS- proceß d«r Seele durchzumachen! Nun, da» Werk war aethan — e» war ihr glänzender ge lungen, als fie zu hoffen — oder al« sie gefürchtet hatte! Sie mußte sich jetzt de» Worte« entsinnen, do» der letzten Predigt ihres Bruders, die sie in der kleinen Kirche von Wängli gehört, zu Grunde gelegen hatte: „Wahrlich, es wird im Himmel mehr Freude sein über einen Sünder, der da Buße thut, denn über zehn Gerechte!" „Buße zu thun" — dazu hatte sich die immer kleinmüthiger und verzagter gewordene, aber auch von immer mächtigerem, gerechterem Zorne erfüllte, ehemalige Braut Arnold's denn auch schließlich voll und ganz bereit erklärt. Mit Schauder dachte sie daran, welch' ungeheuerliches Bllndniß sic da im Begriffe ge wesen war, einzugehen. Was Elisabeth ihr in ihrer schlichten, chrnchen Art sagte, trug so ohne weitere Betheuerung den Stempel zwingender Wahrheit, daß sie mit einem Male Orell in grellstem Lichte sah und sich nun selbst darüber wunderte, daß sie ihn nicht schon längst in seiner wahren Gestalt erkannt hatte. Welch' glänzender Komödiant dieser gleißnerische Spe kulant doch war! Elisabeth sang kein Klagelied über all' das, was er ihr angethan hatte — denn sie war weit davon entfernt, ein Rachegelüst befriedigen zu wollen — nur so viel mußte sie über ihre Erfahrungen von ihm enthüllen, als zur Klärung der Situation nothwendig war. Jbren Ausführungen über den grausamen, schier unlöslichen Conflict, in den Arnold durch seine Erkenntniß vom Werthe der Orell'schen Behauptungen gerathen war, mit deren schonungs loser Bloßlegung zugleich die Schwändi'schc Speculation zu- sammenbrechen mußte, folgte Anna in wachsender Erregung. Elisabeth fühlte in dem Augenblick, da der Unglücklichen klar ward, daß sie mit ihrergedankenlosen Parteinahme für dieOrell'sch« Politik den Bräutigam selbst vor eine so unheimliche Alternative gezwungen hatte, wirkliches Mitleid mit ihr. Ein großer Moment, in dem Elisabeth, die vordem so Kühle, Unnahbare, bewundern — ja, fast lieben konnte, war der, da Anna stolz und fest erklärte, daß mit ihrer Einwilligung der Be trug nicht ins Werk gesetzt werden sollt«! Sie wollte, Rechenschaft fordernd, vor ihren Vater treten. Er sollte ihr selbst daS Schreiben in die Feder dictiren, das noch in dieser Nacht, mit seiner Unterschrift versehen, nach Bern wandern mußte. „Ein Schwändi kann wohl straucheln — aber nicht fallen!" Das waren die letzten Worte der Patriziertochter gewesen, bevor sie sich von ihrer neuerworbenen Freundin trennte. Unsagbar gedemüthigt — aber zugleich von fast fanatischem Zorne erfüllt — war Anna dann später wieder auf dem Bahn hofe erschienen und nach Bern abgereist. Aus eigener Machtvollkommenheit wollte sie nun da« schlau vorbereitete Werk Götz Orell'» vernichten. Zu der Stunde, da Elisabeth endlich, zerquält und zermürbt von ihren Reflexionen, das Lager aufsuchte, mochte Anna Schwändi an ihrem Bestimmungsorte angelangt sein. Draußen graute schon der Tag. Was mochte er bringen? .... Nur wenige Stunden hatte Elisabeth in einem Schlummer ohne Erquickung gelegen. Noch immer müde und zerschlagen erhob sic sich. Herrliches Frühlingswetter herrschte draußen. Es duldete sie nicht in der stillen, einförmigen Pension. Sie mußte unter fremde Menschen gehen, sonnige Bilder sehen, um sich endlich loszureißen von ihren selbstquälerischen Gedanken. Aber sie kam sich doch recht vereinsamt und überflüssig vor in dem geschäftlichen Wirrwarr der großen Stadt. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen so thatenlosen Winter verbracht wie diesen, auf den sie jetzt ohne alle Befriedigung zurücksah. Das hastige Treiben der Anderen ängstigte fie darum — und beschämte sie zugleich. In Wien, in Glasgow und in New Dork hatte sie eine rege Beschäftigung gehabt, da war sie vor Arbeit — und auck vor Sorgen — nie so recht dazu ge kommen, über sich selbst nachzudenken. Die Leere in ihr hatte nun etwas Trostloses. Sic war so ganz auf sich selbst ge stellt — und um nur Jemand zu haben, der auf sie achtete, der es überhaupt bemerkt«, daß sie lebte, mußte sie wieder in Stellung gehen. Ihr Dasein war doch zu traurig und werthlo»! Sine große Künstlerin war sie nicht, sie wußte auch, daß sie'- nie werden würde. Also mußte fie, so lange ihre Kraft es zuließ, als Gesellschafterin, al« Stütze, als Lehrerin ihr kärglich Brod Verdienen. Wenn sie nur irgendwo auf der weiten, weiten Welt ein winzige» Fleckchen gehabt hätte, da» sie ihre Heimath nennen durfte. Ihr Geburtsort Wängli war ihr verschlossen — und damit war sie auch abgeschnitten von dem einzigen Freunde, dem Bruder. Sie hatte ihren Platz dort der ehedem so stolzen, jetzt endlich reumüthigen Patriciertochter eingeräumt. Sie, die Arme, die ärmste der Armen, hatt« ihn der Reichen gegeben! Elisabeth empfand einen quälenden Schmerz in der Keh^, so oft sie an Wängli und den lieben, armen Leidenden, der dort in ihrem Mädchenstilbchen lag, zurückdachte. ES war eia Ge fühl, wie jene» Heimweh, das fie in ihren Dienstjahren in der kalten Fremde so oft überwältigt hatte, ohne daß sie'» ihre Um gebung, die fie für ihr freundliche» Gesteht, für ihre kleinen künstlerischen und häuslichen Talente ja vezahlte, merken lassen durfte. Da hatt« sich so manchmal, st« 1» vatz«ha«Itchen Ge»
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