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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010130017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901013001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901013001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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Ämtsvlatt -es Äönlgkichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nottzei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeige«.Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Necla men unter dem RedacttonSstrich (»gespalten) 75 L,, vor den Familiennac^ richten («gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung .4l «0.—, mit Postbeförderung X 70.—» Itnnahmetchluß für Anzeigen-. Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die ErpehstiSS zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Bolz in Leipzig. 3t. Mittwoch den 30. Januar 1901. 95. Jahrgang. Der Wiederzusammentritt des österreichischen Parlaments. ss Für mehr als ein halbes Jahr hatte sich dec öster reichische Ministerpräsident durch die Auflösung des Abgeord netenhauses Schonzeit verschafft. Jetzt aber ist, da eine Menge dringlicher Aufgaben zu erledigen sind, eine Hinauszögerung des Zusammentritts der neugewählten Kammer nicht mehr mög lich, und so beginnen denn am letzten Tage des Januar die Sitzungen, um — wenn nichts dazwischen kommt — zunächst bis zu den Osterferien fortgeführt zu werden. Wie Kriegsjahre doppelt zählen, so werden sicherlich diese acht Wochen parlamentarischer Arbeit und parlamentarischen Aergers für das Ministerium Körber doppelt zählen müssen. Denn dazu gehört keinerlei prophetische Gabe, um voraus zu sehen, daß die.ParlamentStagung reich an Stürmen sein wird. Sink doch die radikalen Parteien, mit Ausnahme der Socialisten und der Jungtschechen, im neuen Abgeordnetenhause stärker vertreten als in dem früheren. Was die Aussichten des Deutschtums anbetrifft, so sind sie insofern günstiger, als daS Ministerium aus dem Ergebnisse der Wahlen die Ueberzeugung gewonnen haben muß, daß die deutsche Wählerschaft nicht gesonnen ist, ihr Deutschthum mit Füßen treten zu lassen. Auf der anderen Seite aber mutz man berücksichtigen, datz die Wahlen doch nicht das Ergebnitz gehabt haben und auch nicht haben konnten, den deutschgesinnten Par teien eine Mehrheit zu verschaffen. Eine obendrein auch nur recht geringe Majorität ist für die Deutschen nur dann vor handen, wenn sich ihnen, was allerdings der Fall zu sein pflegt, einig« nichtdeutsche Elemente anschließen — nicht sowohl aus Deutschfreundlichkeit, als weil sie in den Deutschen immer noch daS kleinere Uebel gegenüber einer tschechisch-reaktionären Mehr heit ansehen —, und wenn die Klerikalen sich zum Mindesten neutral Verhalten. Dies kann man allerdings annehmen, denn der Verlust einiger Mandate und die HinauSballotirung mehrerer Hauptführer, wie Ebenhoch und Dipauli, dürfte ihnen die Ueber- zeuHUng beigebracht haben, datz mit der bisher beliebten volks- verrätherischen Haltung denn doch kein« guten Geschäfte zu machen sind. Und der Klerikalismus versteht sich ja sehr gut auf das Geschäftemachen. Zu der Thatsache nun, daß eine gegen die Slawen und Feudalen gerichtete Mehrheit nur sehr geringfügig und schwankend ist, kommen noch die starken inneren Gegensätze zwischen den dentschgrsinnten Parteien hinzu. Die durch die Wahlen be sonders erstarkte radikale Gruppe hat außer der energischen Vertretung des Deutschthums noch ein dreifaches Programm: engster Anschluß an Deutschland, und zwar nicht nur in der Form des gegenwärtig bestehenden politischen Bündnisses, sondern in irgend einer staatsrechtlichen Form, Todfeindschaft gegen Rom, Antisemitismus. Mit dem zweiten Programmpuncte finden sich nun (was wir freilich widerrathen haben) die ge mäßigt-liberalen Parteien, wenn sie auch in dieser Hinsicht nicht so weit gehen, allenfalls ab, aber in Bezug auf den ersten und dritten .Punkt stehen sie auf einem voll ständig anderen Standpunkt. Was die klerikal-gesinnten Par teien, die Christlich-Socialen und die katholische Volkspartei, an betrifft, so machen sie den Antisemitismus zwar gern mit, aber si« sind in ihrem Innern mehr als laue Anhänger schon des jetzt bestehenden Verhältnisses zu Deutschland — denn das deutsche Kaiserthum ist und bleibt nun einmal dem inter nationalen Pfaffenthum verhaßt —, aber jeden Gedanken einer noch engeren Verbindung mit dem deutschen Reiche perhorresciren sie vollends. Und daß nun gar das „Los-von-Rom"-Schlag- wovt sie zu Todfeinden der Deutsch-Radikalen macht, bedarf keiner Erörterung. Diese Gegensätze im deutschen Lager sind natürlich den Gegnern vollkommen bekannt und schreiben ihnen zugleich ihre Taktik vor. Man kann sich darauf verlassen, daß die Tschechen die ErledigungoeS Sprachenstreites nach Möglichkeit hinziehen werden, weil, je länger der Streit dauert, die Aussicht desto größer ist, daß inzwischen wieder auS irgend einem Grunde — nicht nationaler, sondern konfessioneller oder staatsrechtlicher Natur — die deutsche Einigkeit aus dem Leim geht. Wir resumiren uns dahin, daß, wenn auch durch die Wahlen die Aussichten der Deutschen bessere geworden sind, sie noch lange nicht gut genannt werden können. Damit sie es werden, werden alle deutschen Parteien di« Tugend der Selbstzucht besser üben müssen, als eS ihnen bisher geglückt ist. Die Wirren in China. * verkitt, 29. Januar. (Telegramm.) „Wolff'- Telegr.- Bureau" berichtet au» Peking unter dem 27. Januar: Prinz Tschun und seine Brüder sind gestern im kaiserlichen Palast« vom Feldmarschall Graf Waldersee empfangen worden. * London, 29. Januar. (Tel. d. Boss. Ztg.) Eine Shanghaier Drahtmrldung der „Daily New»" vom 28. d. M. besagt, Shrng Taotai empfing rin Telegramm von Li-Hung-Tschang mit der Meldung, daß di« russischen Vertreter in der Mandschurei dem Tartarengeu«ral Tsengtschi in Schenking folgend« Frieden Sbe- dinguagrn unterbreiteten: die chinesische Verwaltung soll« in der Mandschurei aufrecht erhalten bleiben, doch sollen russische Beamte die RegirruugSangelegeoheittn beaufsichtig«» und Rußland soll di« Tontrole in alle» militärischen Ding«» habe«; all Befestigungen sollen g«schl«ift werde«, Aasfen und KriegSmunitio« an Rußland abgeliefert werden, die Herstellung neuen Kriegsmaterial» künftighin nicht statthaft sein; regulär« chinesische Truppe» sollen nicht länger in der Mantschure stehe« dürfe«. China soll de» rassischen Eisenbahnen hialSaglichen Schutz gewähre», im Falle «ine« Kriege» soll Rnßkand China sein« Unterstützung gewähren. General Tsengtschi verweigerte di« Annahme dieser Artikel, woran Li-tzung-Tschang einen anderen Tartareugeneral in tzailungkang mit d«r Fortsetzung d«r Unterhandlungen betraute. (Da» sieht nicht danach an», al» beabsichtige, wie letzter Tage gemeldet wurde, Rußland di« Mandschurei au China „znrückzugeben". D. Red.) Der Krieg in Südafrika. The Luce» und Präsident Krüger. Aus Gravenhage, wird dem „Berl. Loc.-Anz." unter dem 27. Januar geschrieben: Ich kenne mancherlei Leute, officielle und inofficielle, im Gravenhage, und zudem weilte dort bis vor Kurzem der Prä sident der kleinen Republik, die jetzt mit so unerhörter Kühnheit und mit so unerhörtem Erfolge dem, was in den Documentcn als der Will« der Königin von England bezeichnet wird, entgegen tritt. An Gelegenheit, die Wirkung des Regierungswechsels in England auf Boeren und Boerenfreunde zu ergründen, fehlt es hier also nicht. — Was mir am meisten auffiel, war das uner schütterliche Vertrauen, das alle Welt hier der Sache der beiden Republiken entgegenbringt. Es ist werth, wiederholt zu werden, daß Präsident Krüger wirklich überzeugt ist, datz sein Volk doch noch Erfolg haben wird. Der alte Krüger ist zäh und rüstig, wie immer. Die Erkältung, unter der er letzthin schwer litt, ist vorüber, und die Operation am Auge, der er sich unter zogen hat, war geringfügiger Art. Das Leiden des Präsidenten bestand darin, daß sein eines Augenlid sich fortwährend nach innen beugte, wahrscheinlich infolge einer chronischen Kontraktion des Muskels. Hierdurch kommen die unteren Wimpern oft in Be rührung mit dem Auge selbst, reizen es und verursachen an dauerndes Thränen. Dem ist jetzt durch die in Utrecht voll zogene Operation wahrscheinlich abgeholfen. Es hieß in Lon don am Montag, und wurde auch in Holland gerüchtweise be hauptet, Krüger habe der Königin, als ihre Krankheit schlimmer wurde, ein Condolenztelegramm an den englischen Hof gesandt, aber diese Meldung ist, wie ich mich vergewissert habe, irrig. Es wäre auch überraschend, wenn der alte Mann, der an sich und seinem Stamme so bitteres Weh im Namen der Königin von England erduldet hat, dessen immer und immer wiederholte Bitten um Einstellung des Werkes der Vernichtung ungehört erhallten, bei dieser Gelegenheit als Leidtragender erschiene, taulus Krüger ist ein verläßlicher Freund, aber er ist auch ein rimmer Hasser, und nachdem er gesehen hat, daß der Weg zur Königin ihm verschlossen wurde, wird er kaum von Neuem ver suchen, die eherne Mauer, die sich ihm cntgegenstellt, zu durch brechen. lieber den Einfluß, den der Tod der Königin von England auf den Weitergang des Kampfes haben wird, hat man sich im Haag kaum Vermuthungen, gebildet. Es wäre ja nun im Bereiche der Möglichkeit, daß das unerwartete Ereigniß, das in den zu nächst betheiligten Kreisen tiefe Erschütterung heroorgerufen hat, obwohl es doch nicht mehr als naturgemäß ist, in eben diesen Kreisen eine mildere Stimmung hervorliefc, womit der Friede gegeben wäre, aber diese Möglichkeit ist so gering, daß man sie nicht ernstlich in Betracht zieht. Man weiß sehr wohl, daß Englund des Krieges herzlich müde ist, aber ebenso ist man überzeugt, daß kein Vergleich zu Stande kommen wird, so lange diejenigen, die jetzt im Auswärtigen Amte zu London gebieten, es verhindern können. Die Skrupellosigkeit der englischen Annexions-Politiker in London und am Cap wird von den Boeren und Boerenfreunden hier ebenso als unerschütterlich fest stehend angesehen, wie anderswo, und da man weiß, mit welcher Zähigkeit diese Männer jedes Mittel benutzen, um ihre Pläne durchzusetzen, befürchtet man, daß diesen Einflüssen gegenüber alle anderen machtlos bleiben müssen. Und andererseits haben die Boeren, die heute im Felde stehen, auf alle Fragen über das, was sie als erste Bedingung eines Friedens betrachten, immer nur die eine Antwort- „Unsere Unabhängigkeit." lieber alles Andere lassen sie mit sich reden, aber ihre Freiheit wollen sie nicht aufgeben. Und diese Entschlossenheit ist durch die Ereignisse der vergangenen Monate nur bestärkt worden. Was in englischen Blättern und durch das bekannte allerweltsofficiöse Nachrichten bureau letzthin über Nachgiobigkeitsanwandlungen der Boeren mitgetheilt wird, wird im Haag als ungeschickte Stimmungs macherei betrachtet, töe im Wesentlichen darauf berechnet ist, den schlechten Eindruck der agjhentischen Nachrichten über die Lage in Südafrika abzumildern und die Ueberzeugung zu nähren, daß das Ende des Krieges nahe ist. Man ist überzeugt, daß der Fortgang der Operationen eher eine Steigerung der Aktivität auf Seiten der Boeren zeigen wird. Dagegen glaube ich nach den persönlichen Eindrücken, die ich hier gewonnen habe, nicht, daß ür die nächste Zeit diplomatische Actionen von Seiten der Boeren geplant sind. Thatsächlich besteht eher die Neigung, abzuwarten, und zwar stillschweigend, was die nächsten Wochen bringen wer den. Weder Präsident Krüger noch vr. Leyds wünschen augen blicklich hervorzutreten und die Interviewer, die sich immer noch in erstaunlich großer Zahl anmelden, werden höflich aber deutlich darauf aufmerksam gemacht, daß die Regierung des Trans vaal nicht in der Lage ist, irgend welche zur Veröffentlichung geeignete Mittheilnngen zu machen. In Summa, glaube ich, als das Resultat meiner sorgfältigen Erkundigungen versichern zu können, daß heute die Regierung der Republik die Chancen des Transvaal als gut ansieht, daß sie von dem Erfolge der Boeren, nickt aber von dem Ableben der Königin von England ein« Acnderung der Lage in Südafrika zum Guten erwartet. Die Boerenregierung hält an der Ansicht fest, daß durch beiderseitige Conceffionen der Fried« hergestellt werden könne, und zwar ein dauernder Friede. Da» Attentat auf Sie Mine». * Lantzs», 29. Januar. (Telegramm) Laut einer Kabel. Nachricht de« Betriebsleiter» der Rand Central Electric Work» wird der den Werken am vergangenen Sonntag von den Boeren zugefügt« Schaden auf nur 4000 L geschätzt, hauptsächlich haben die Dynamo» gelitten. Sollte ,» sich nach einer genaue» Untersuchung ergebe», daß die Kurbelwelle» gelockert sind, so würde sich der Schaden al» beträchtlich höher erweise». Technisch könnte eine Maschine innerhalb 24 Stnnden wieder in Betrieb gesetzt werden; zwei Maschinen dürfte» wahrscheinlich in zwei Wochen arbeiten können. > Deutsches Reich. Berit», 29. Januar. (Parteieid oder eidliche Vernehmung der Parteien?) In der Zeitschrift „DaS Recht" veröffentlicht Obertandesgerichtirath Vr. Neu - ka m P5 «>ne sehr interessante Abhandlung über die in letzter Zett wieder sehr lebhaft erörterte und vom juristischen, wie vom mora lischen Standpuncte aus so außerordentlich wichtige Frage, ob in Cioilstreitigkeiten an dem Parteieide festgehalten werden soll, oder ob die Parteien eidlich vernommen werden sollen, lieber die letztere Frage, also über die Reform des gegenwärtigen Ver fahrens, will sich der Verfasser in einem zweiten Artikel weiter auslassen, !m gegenwärtigen Artikel beschäftigt er sich vor Allem mit den Nacktheiten des bisherigen Verfahrens. Die Formen des gegenwärtigen Verfahrens sind der Schiedseid und der richterliche Eid. Unter dem ersteren versteht man den von den Parteien einander zugeschobenen Eid, unter dem letzteren den vom Richter zum Zwecke der Gewinnung seiner vollen richterlichen Ueberzeugung einer Partei auferlegten Eid. Was den Schiedseid anbelangt, so hat er vor Allem zwei Mängel: 1) daß er eine große Anahl überflüssiger Eide schafft, insofern der Richter die beschworene Thatsache zwar als wahr ansehen -muß, aber sie doch als unerheblich ansehen kann, so daß er trotz des geleisteten Eides zu Ungunsten der Partei, die ihn geleistet hat, entscheiden kann; 2) aber ist der Schiedseid für den Richter nur «in schwaches Beweismittel, denn es hängt nicht von ihm ab, wer den Eid leistet, sondern von der Zuschiebung und Zurückschiebung seitens der Parteien, so daß unt«r Umständen der Eid gerade der Partei an vertraut ist, die der Richter als weniger glaub würdig ansieht. Was den richterlichen Eid an ¬ belangt, so hat er den Nachtheil, daß er, während der Schiedseid nur regelmäßig — von dieser Regel giebt es aber sehr viele Aus nahmen — durch Urtheil auferlegt wird, stets durch Urtheil auf erlegt werden muß. Nun muß in dem Urtheile zugleich klar aus gesprochen werden, welche Folgen für die Parteien die Leistung, bezw. Nichtleistung des Eides mit sich bringt. Diese Nothwendig- keit ist nach Art des richterlichen Eides gar nicht zu umgehen, aber sie ist zugleich ein arges Uebel vom sittlichen Stand punkte -aus. Denn indem das Urtheil klar ausspricht, worin -die Folgen der Nichtleistung des Eides bestehen, wird die Partei, für die auf einen Eid erkannt ist, in etn sittliches Dilemma gebracht. Ist der Eid so abgefaßt, daß die Partei ihn mit gutem Gewissen nicht leasten kann, so wird sic vor die Entscheidung gestellt, entweder einen Meineid zu leisten oder durch Vie Verweigerung des Eides einen Ausgang des Processes herbeizufiihren, der vielleicht ihre wirthschaftliche Existenz vernichtet, vr. Neutamp sagt sehr richtig: „Da bei diesem Verfahren von der Leistung des Eides die Entscheidung des Processes abhängt, so liegt darin ein starker Anreiz für die chwurpflichtige Partei, ihre Gewissensbedenken zu beruhigen und den Eid zu leisten, auch wenn di« zu beschwörende Thatsache der Wahrheit nicht ganz entsprechen sollte." Daß die gegnerische Partei sehr ost den Verdacht hegt, daß die den Eid leistende Zartei ihr Gewissen etwas „gar zu leicht beruhigt" habe, ergiebt ich aus der Fülle der Meineidsprocesse, die sich in den letzten Jahren durchschnittlich auf 3000 belaufen haben. Bedenkt man, daß eine große Masse von Anzeigen gar nicht bis zum Stadium der Hauptverhandlung gelangt, so kann man sich denken, mit welcher Fülle von Denunciationen wegen Meineids die Staatsanwaltschaft jahraus, jahrein überschüttet wird. Liegt nun schon in der damit verbundenen Ueberlastung ver Gerichte ein Nachtheil, so liegt ein noch sehr viel größerer in der im Volke sich immer tiefer einwurzelnden Ueberzeugung, daß nicht das gut« Recht die Processe entscheide, sondern die größere oder geringere Ge wissenlosigkeit der.Parteien. Diese Ueberzeugung sitzt so tief, daß in der Meinung des rechtsuchenven Publicum» der Proceß schon als verloren gilt, sobald auf einen Eid für den Gegner erkannt ist. Daß diesem, das Volksbewußtsein ver giftenden Zustande ein Ende bereitet werde, ist sicherlich höchst erwünscht. * Perlt», 29. Januar. (Die Räthselrather im preußischen Handelsministerium.) Im preu- zischen Handelsministerium ist man augenblicklich außerordent lich beschäftigt. Seitvem vas Waarenhaussteuergesetz das Bereich der Wirksamkeit eines Ministers oder Unterstaats sekretärs auf die Eintheilung aller nur irgend in den Handel kommenden Maaren in vier Gruppen ausgedehnt hat, werden die Herren vor die Lösung eines Preisräthsels nach dem anderen ge stellt. Beklommenen Herzens meldet sich ein Kaufmann, der Kämme und Tintenwischer, Banknotentaschen und Masken, Briefwaagen und Christbaumschmuck in seinem Laden vereinigt; wirv «diese etwas vielgestaltige Sammlung seinem Geschäfte den Charakter eines Waarenhauses verleihen? Das Handels ministerium wird alarmirt, «die Acten sammeln sich, und nach reiflicher Ueberlegung kann „der Minister für Handel und Ge werbe, in Vertretung Lohmann" dem Fragesteller die tröstliche schriftliche Mittheilung machen, daß die genannten Gegenstände durchweg Raum in einer Gruppe finden. Doch das Verhängniß folgt auf dem Fuße: neben Actenmappen, Tintenwischern, Schreibgarniturrn, Federhaltern, Federkasten und Briefwaagen bietet der Unglückliche auch Leim feil, einen Artikel, der sich bis weilen in schönster Eintracht -mit den eben verzeichneten auf manchem Schreibtisch finden soll. Von dieser Eintracht aber hat der weise Gesetzgeber nichts wissen wollen; mit den für -den Schreibtisch bestimmten Artikeln sind zwar Kämme, Masken und Christbaumschmuck zusammengruppirt, der Leim aber stempelt das Geschäft unbedingt zum Waarrnhaus! Weiter: Einem Geschäft, das Ledertapeten führt, kann man wohl rathen, daß es sich Daneben auch Frisir- etuiS zulegt; in diesem Falle behält eS nämlich nach der Entscheidung deS Handelsministeriums den einheitlichen Charakter eines Specialgeschäfts. Sollte dagegen «In besseres Ledergeschäft auf die Idee verfallen, Ledertapeten und Leder papierkörbe zu vereinigen, so ist eS rettungslos der WaarenhauS steuer verfallen. Eine schwere Nuß giebt ein anderes Geschäft dem Handelsministerium zu knacken; allda erhält man Linoleum und Linoleumkitt. Selbstverständlich konnte daS Gesetz eine solch« Zusammenstellung nicht ungestraft lassen. DaS Linoleum wandert« in die Gruppe L, der -Kitt in di« Gruppe beides zu sammen giebt, wie jedem Leser sofort «inlouchten wird, «in — WaarenhauS! Freilich kann daS Handelsministerium einen Ausweg auS dieser Klemme weisen: Wo „nach Herkommen und Gebrauch" beide Artiekl zusammengeführt werden, da dürfen sie ohne WaarenhauSsteurr feilgehalten werden. Aber nur dork, urd waS ist Herkommen und Gebrauch? Ist «S in Dortmund herkömmlich und gebräuchlich, in Geschäften, in denen Möbel und zur Zimmerdecoration gehörige Gegenstände verlauft werden, auch Kronleuchter feilzuhalten? Die Geheimen Rätbe sitzen uns sinnen; sie finden keinen Ausweg, und schließlich entscheidet „der Minister für Handel und Gewerbe, in Vertretung Lohmann" unter Ilb 108: „Solches hat noch nicht festgestellt werden können." Ein ganz unglückliches Dasein führen Zahnbürsten, Brennscheeren und Markttaschen. Sie fallen unter keine der im Waarenhaussteuergesetz aufgeführten Gruppen und irren nun ruhelos von Geschäft zu Geschäft zwischen den vier Kategorien umher. Auch Fahrschabracken und Sommerpferdedecken wissen nicht recht, wo sie sich aufzuhalten haben; sollte es ihnen bek lommen, gewebt, gewalkt oder gestickt zu sein, so -wandern sic von Gruppe l> zu Gruppe L, unstät und flüchtig. Und endlich, Herr Handelsminister ober Unterstaatssekretär: Wohin gehören „Baby Toilets", bestehens aus einem Carton mit Puderquaste, Bürste, Kamm, Scifennapf und Seife, Gummispritze unv Ohrenschwamm?" Es gewährt eine wahre Beruhigung, daß auch diese Prcisaufgabe gelöst ist; freilich war sie doppel-, ja drei- deutig. Denn besagter Artikel fällt sowohl unter Gruppe 0 wie unter Truppe kann aber „nach Herkommen und Gebrauch" auch (!) von den Geschäften geführt werden, -die mit Babywäsche hanveln. — Man kann sich mit dieser kleinen Auslese auS den Entscheidungen des Handelsministeriums begnügen, von denen die Zeitschrift „Hanvel und Gewerbe" in ihrer letzten Nummer nicht uxniger als drei lange Spalten mittheilt. Wenn man die ausgedehnte Liste ver Räthsel durchgeht, vor die daS Handels ministerium durch die Ausführung des WaarenhaussteuergesetzeS gestellt ist, dann will es Einen schier bedünken, daß in feder preu ßischen Stadt eine Anzahl weiblicher RcgierungSräthe angestellt werden müßte, um mit Geschick und Tact darüber zu entscheiden, welche Waarengruppirungcn dort „gebräuchlich und herkömmlich" sind und welche Gegenstände in „Baby Toilets" enthalten sein dürfen, wenn das sie fkilbietende Geschäft den Charakter einer Waarenhauses vermeiden will. * Perlt», 29. Januar. (Conferenz im ReickSeisen- babnamte.) Die alsbald nach dem furchtbaren Eisen bahnunglück bei Offenbach in Aussicht genommene Conserenz im Reichseisenbahn amte, auf der die zur Erhöhung der Betriebssicherheit auf den deutschen Bahnen zu ergreifenden Maßnahmen in Erwägung gezogen werden sollen, wird wahrscheinlich in den nächsten Wochen stattfinden. Tic Münchener „Allg. Ztg." berichtet darüber: Tas ReichSeisrnbahnamt hat an die Verwaltungen der preußi schen, hessischen, sächsischen, württembergischen, badische» und oldenburgischen Staatsbahnen, an die Reichsbahnen, sowie a» die Main - Ncckarbahn und sonstige Privatbahnen einen Fragebogen geschickt, dessen Beantwortung bereits erfolgte. DaS bayerische Eiseiibal'nininisterium, dem die Fragen vom RcichSeisenbahuamte ebenfalls zur Kenntnitznahme mitgetheilt wnrden, hat die Generaldirection der StaatSbahnen mit der Berichterstattung beauftragt, die denn auch schon vor Neujahr nach vorheriger Besprechung der einzelnen Fragen unter den Referenten der Generaldirection erfolgte. Tie Fragen beziehen sich zumeist auf die Bauart der Personenwagen, auf deren Beleuchtung, auf die Anbringung der Gasbehälter rc, erstrecken sich aber auch darauf, ob für Blocksignale Vorsignale nothwendig erscheinen. Behufs Thcilnahme an der Besprechung der bei dem NeichSeisenbahnomte eingelaufenen Antworten und Vorschläge werden sich zu der in Berlin stattfindenden Conferenz als Vertreter der hiesigen General- direction voraussichtlich begeben dl« GeneraldirectionSrüthe Weiß und v. Schacky, sowie Bezirksingenieur Bieber. Die bayerische Eisenbahnvrrwaltung glaubt, wie wie hören, eine Aenderung der Bauart und der Beleuchtung der V-Zug-Wagen und überhaupt der Personenwagen zunächst nicht empfehle» zu sollen, dagegen betrachtet sie die Einführung von Vorsignalen für die Blocksignale al» unerläßlich. 6. H. Perlt», 29. Januar. (Privattelegramm.) Der Kaiser hat den König von England, der schon Chef der 5. Husaren ist, auch noch zum Chef der l. Garde- Dragoner ernannt. L. Berlin, 29. Januar. (Privattelegramm.) Nach dem die sog. Adschlnh-rüfttngen an den höheren Lehr anstalten abgeschafft worden sind, wird die unveränderte Aufrechterhaltung der entsprechenden Reifeprüfung an den Nichtvollanstalten unbequem empfunden, da man befürchtet, daß dadurch der Besuch der Vollanstalten noch mehr steigen wird zum Nachtheil der Nichrvoll- anstalteu. Denn eS liegt auf der Hand, daß viele Eltern, wenn sie eS irgend ermöglichen können, verziehen werden, ihre Söhne auf Vollanstalten zu schicken, wo sie daS Zeugniß zum einjährig-freiwilligen Militärdirnst fortan ohne die sogenannte Abschlußprüfung erlangen können, anstatt auf Nichtvollanstalten, wo diese Berechtigung noch von der Ablegung einer Prüfung abhängig ist. Diese Ungleichheit soll demnächst beseitigt werden. Nach der „Nat.-Ztg." besteht bei der UnterrichtSverwalkung die Absicht, die Reifeprüfung an den Nichtvollanstalteu einer wesentlichen Umgestaltung zu unterziehen und sie der gewöhnlichen Versetz nngSprüfung möglichst anzunähern. — ES wurde seiner Zeit mitgetheilt, daß die juristische Facultät der Albertus - Universität in Königs berg i. Pr. den Reichskanzler Graf v. Bülow anläßlich des Kronjubiläum- zum Ehrendoktor ernannt habe. Den an diese Benachrichtigung geknüpften lateinischen Glückwunsch de» Professor Schirmer bat der Reichskanzler mit einer in lateinischer Spracht abgrfaßten Danksagung beantwortet, die in deutscher Uebersetzung wie folgt lautet: „Mit nicht geringer Freude erfüllt über die hervorragende Ehrung, deren mich dir lllustre Königsberger juristisch« Facultät für würdig erachtet, «rsnche ich Eie, jenen gelehrten und ausgezeichneten Männern meine dankbaren Gefühle zn bezeugen und zu vermittrl«. Graf Bernhard v. Bülow, Reichskanzler, Königsberger Doktor beider Rechte. — Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Brau»- schweig, begab sich heute Mittag nach Vrnnnschwng zurück. * Leer, 28. Januar. Von viel«» Seite» kommen jetzt au» Handwrrkerkreisen Anträge auf Auflösung der ZwangSinnungen. Nachdem vor Kurzem die Böttcher und auch die Schmiede und Schlosser au» Stadt und Kreis Leer bei der zuständigen Behörde Auflvsung-antrage
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